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„Rudolf Steiner“ – Versionsunterschied

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Eine andere Kritik an Steiner bezieht sich auf die Verwendung von rassen- und geschlechtsspezifischen Stereotypen, wie sie allerdings zu seiner Zeit durchaus üblich waren. Steiner benutzte eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So wird etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin werden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den Außereuropäern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. Die Kulturwissenschaftlerin Jana Husmann-Kastein kommt zu dem Urteil: „Steiner entwickelt zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem 'kosmologischen Determinismus'. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolische Codierungen des Abendlandes deutlich ein.“ <ref>Jana Husmann-Kastein: Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners, [http://www2.hu-berlin.de/gkgeschlecht/downloads/veranstalt/2006/Husmann-Kastein%20Vortrag%20HU%20210706.pdf Vortragsmanuskript]. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006, S. 17f.</ref>
Eine andere Kritik an Steiner bezieht sich auf die Verwendung von rassen- und geschlechtsspezifischen Stereotypen, wie sie allerdings zu seiner Zeit durchaus üblich waren. Steiner benutzte eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So wird etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin werden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den Außereuropäern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. Die Kulturwissenschaftlerin Jana Husmann-Kastein kommt zu dem Urteil: „Steiner entwickelt zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem 'kosmologischen Determinismus'. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolische Codierungen des Abendlandes deutlich ein.“ <ref>Jana Husmann-Kastein: Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners, [http://www2.hu-berlin.de/gkgeschlecht/downloads/veranstalt/2006/Husmann-Kastein%20Vortrag%20HU%20210706.pdf Vortragsmanuskript]. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006, S. 17f.</ref>

Wie weit Steiner in seinen Werken im Hinblick auf rassistischen Erklärungsansätze nur dem Zeitgeist folgt, wird kritisch von Hinrichs <ref>Per Hinrichs: [http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,503647,00.html Die Lehre von Atlantis]. Spiegel-Online, 03.09.2007</ref> diskutiert. Dazu wird aus Steiners „Geisteswissenschaftlichen Menschenkunde“ zitiert: „Die Menschen, welche ihr Ich-Gefühl zu gering ausgebildet hatten, wanderten nach dem Osten, und die übriggebliebenen Reste von diesen Menschen sind die nachherige Negerbevölkerung Afrikas geworden“. Es wird erwähnt, dass durch das Bundesfamilienministerium ein Antrag an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gestellt wurde, zwei Werke Steiners auf die Liste der jugendgefährdenden Medien zu setzen. Nach Ansicht des Bundesfamilienministeriums handelt es sich bei den kritisierten „Rassen diskriminierenden Aussagen! in den Werken Rudolf Steiners um "Ausprägungen einer spezifisch Steinerschen esoterischen Rassenkunde“ und „keinesfalls um Zufallsprodukte oder durch den Zeitgeist bedingte rassistische Stereotype“. Am 06.09.2007 soll über den Antrag entschieden werden.



* Zur Kritik an Steiner und der Anthroposophie siehe auch: [[Anthroposophie#Kritik_an_Steiners_Anthroposophie|Anthroposophie-Kritik]]
* Zur Kritik an Steiner und der Anthroposophie siehe auch: [[Anthroposophie#Kritik_an_Steiners_Anthroposophie|Anthroposophie-Kritik]]

Version vom 5. September 2007, 07:40 Uhr

Rudolf Steiner um 1905

Rudolf Steiner (* 27. Februar 1861 in Donji Kraljevec nahe Čakovec, Kroatien (Medjimurje), damals Kaisertum Österreich; † 30. März 1925 in Dornach, Schweiz) war ein österreichischer Esoteriker und Philosoph. Er begründete die Anthroposophie, eine gnostische Weltanschauung, die zu den neumystischen Einheitskonzeptionen der vorletzten Jahrhundertwende gezählt wird. Auf Grundlage dieser Lehre gab Steiner einflussreiche Anregungen für verschiedene Lebensbereiche, etwa Pädagogik (Waldorfpädagogik), Kunst (Eurythmie, Anthroposophische Architektur), Medizin (Anthroposophische Medizin) und Landwirtschaft (Biologisch-dynamische Landwirtschaft).

Leben und Werk

Der 21-jährige Student Rudolf Steiner, um 1882

Rudolf Steiner entstammte einfachen Verhältnissen. Seine Eltern, der Bahnbeamte Johann Steiner (1829–1910) und Franziska Steiner, geborene Blie (1834–1918), kamen aus dem niederösterreichischen Waldviertel. Er hatte zwei jüngere Geschwister: Leopoldine (1864–1927), die als Näherin bis zu deren Tod bei den Eltern wohnte, und Gustav (1866–1941), der gehörlos geboren wurde. Wegen der Berufstätigkeit des Vaters musste die Familie öfters innerhalb Niederösterreichs umziehen.

Bereits im Grundschulalter begann der junge Steiner, sich neben dem wenig fordernden Unterricht an einer Dorfschule mit Hilfe von Lehrbüchern selbst Wissen anzueignen. Besonders interessierte ihn die Geometrie. Mit 16 Jahren las er nach eigenen Angaben bereits Kants Kritik der reinen Vernunft.

Nach dem Besuch der Realschule konnte Steiner dank eines Stipendiums von 1879 bis 1883 an der Technischen Hochschule in Wien studieren. Seine Studienfächer waren Mathematik und Naturwissenschaften mit dem Ziel des Lehramts an Realschulen. Daneben besuchte er aber auch Lehrveranstaltungen in Philosophie, Literatur und Geschichte, teils auch an der Wiener Universität, wo er ohne Matura (Abitur) allerdings nur einen Gaststatus hatte. Dieses Studium musste Steiner 1883 aus finanziellen Gründen ohne Abschlussexamen abbrechen. Erst 1891 wurde er an der Universität Rostock mit einer Arbeit über Die Grundfrage der Erkenntnistheorie (später erweitert als Buch unter dem Titel Wahrheit und Wissenschaft erschienen) bei Heinrich von Stein zum Dr. phil. promoviert.

Der frühe Rudolf Steiner

Von 1882 bis 1897 war Steiner, anfangs noch parallel zu seinem Studium, als Herausgeber der naturwissenschaftlichen Schriften Johann Wolfgang von Goethes tätig. Er besorgte in dieser Zeit zwei Ausgaben, erst im Rahmen der Deutschen Nationalliteratur Joseph Kürschners, dann (ab 1890) als Mitarbeiter des gerade gegründeten Goethe- und Schiller-Archivs in Weimar im Rahmen der sogenannten Sophienausgabe – nach der Begründerin des Archivs, Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach –, heute bekannt als die Weimarer Ausgabe. Der junge Naturwissenschaftler verstand seine Anmerkungen mehr als philosophische Anregungen und Verständnishilfen für den Leser, denn als Fußnoten zur Entstehung der Werke. Seine Mitarbeit an diesen Goethe-Editionen war durch Vermittlung seines Wiener Germanistik-Professors Karl Julius Schröer zustande gekommen, der selbst ein ähnlich unkonventionelles Verhältnis zur Philologie pflegte. Trotz Kritik an Steiners ungewöhnlichen, nach eigener, späterer Einschätzung teilweise sogar falschen Kommentierungen[1] erwarb er durch seine Herausgebertätigkeit eine gewisse Bekanntheit. In Joseph Kürschners Deutscher Literatur Kalender aus dem Jahr 1895 sind ihm immerhin acht Zeilen gewidmet.

Rudolf Steiner im Alter von 28 Jahren (1889)

Neben den Werken Goethes gab Steiner auch die Werke des Philosophen Arthur Schopenhauer und des Dichters Jean Paul heraus. Für mehrere Lexika verfasste er Beiträge zu naturwissenschaftlichen Themen. Zeitweilig war er auch Redakteur der in Wien erscheinenden Deutschen Wochenschrift. Seinen Lebensunterhalt bestritt er jedoch bis 1890 überwiegend als Erzieher und Hauslehrer der vier Söhne eines jüdischen Kaufmanns. Erst mit der Berufung an das Weimarer Archiv fand er als „Goethe-Forscher“ ein Auskommen, wenn auch ein bescheidenes.

Zu den zahlreichen Kontakten, die Steiner in seiner Wiener Zeit (1879–1890) pflegte, gehören der Esoteriker Friedrich Eckstein, der ihn mit der Theosophie Helena Petrovna Blavatskys bekannt machte, und die Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, seine wichtigste Gesprächspartnerin bei der Ausgestaltung seiner Freiheitsphilosophie. In der Weimarer Zeit knüpfte er Kontakte u. a. zu Herman Grimm, Otto Erich Hartleben, Ernst Haeckel und Elisabeth Förster-Nietzsche. Ab 1892 wohnte er bei der frisch verwitweten Anna Eunike (1853–1911) mit ihren fünf Kindern, die 1899 seine erste Ehefrau wurde.

In dieser Zeit entstanden einige philosophische Werke, darunter die 1894 veröffentlichte „Philosophie der Freiheit“, die Steiner 1918 in überarbeiteter Fassung erneut publizierte[2] und auch im Alter noch als sein Hauptwerk bezeichnete. Darin entwickelte er zunächst eine Erkenntnistheorie, die in Anlehnung an den Deutschen Idealismus und namentlich an Johann Gottlieb Fichte ihren Ausgangspunkt im erkennenden Subjekt nahm. Entscheidend war dabei für Steiner die Erfahrung des eigenen Denkens: Die „Beobachtung“ des Denkens sei die „allerwichtigste“ Wahrnehmungsleistung des Menschen. Denn nur das, was er selbst denke, könne er vollkommen durchschauen. Damit sei „ein fester Punkt gewonnen, von dem aus man mit begründeter Hoffnung nach der Erklärung der übrigen Welterscheinungen suchen kann“.

Jede Art des Seins, die weder durch Wahrnehmung noch durch Denken erfahrbar sei, wies Steiner als „unberechtigte Hypothesen“ zurück. Mit dieser Abweisung jeglicher transzendenten „Realität“, deren Existenz und zugleich prinzipielle Nicht-Erkennbarkeit andere Philosophen voraussetzten, stellte sich Steiner in Gegensatz zu der von Kant geprägten Universitäts-Philosophie seiner Zeit. Für den jungen Goethe-Forscher gab es nur eine Welt und somit keine prinzipiellen Grenzen des Erkennens. In diesem Sinn bezeichnete Steiner seine Weltanschauung auch als „Monismus“. In einem Brief bekannte er: „Ich kämpfe, seitdem ich schriftstellerisch tätig bin, gegen allen Dualismus und sehe es als Aufgabe der Philosophie an, durch eine streng positivistische Analyse unseres Erkenntnisvermögens den Monismus wissenschaftlich zu rechtfertigen, also den Nachweis zu führen, daß die in der Naturwissenschaft gewonnenen Ergebnisse wirkliche Wahrheiten sind. Deshalb mußte ich mich ebenso gegen den Kantianismus mit seinen zweierlei Wahrheiten wie gegen das moderne 'Ignorabimus' wenden.[3] Steiners Monismus war jedoch nicht mit dem materialistischen Monismus identisch, den fünf Jahre später (1899) Ernst Haeckel in seinem Buch Die Welträtsel popularisierte. Allerdings bekannte sich Steiner auch nach dem Erscheinen der Welträtsel zu Haeckel, obwohl dieser radikal – und sehr modern – die Konsequenzen aus seiner monistischen Weltsicht zog. So heißt es in den Welträtseln: „Der Monismus … lehrt uns die ausnahmslose Geltung der 'ewigen, ehernen, großen Gesetze' im ganzen Universum. Damit zertrümmert derselbe aber zugleich die drei großen Zentral-Dogmen der bisherigen dualistischen Philosophie, den persönlichen Gott, die Unsterblichkeit der Seele und die Freiheit des Willens.[4]

Rudolf Steiner um 1891/92, Radierung von Otto Fröhlich

Seine monistische Erkenntnistheorie betrachtete Steiner aber nur als „Vorspiel“, als „philosophischen Unterbau“ einer radikal individualistischen Freiheitsphilosophie, mit welcher er eng an Friedrich Nietzsche und Max Stirner anschloss. In der Philosophie der Freiheit werden diese Denker zwar nicht erwähnt[5], doch schon im folgenden Jahr erschien Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit (1895), worin Steiner den „Einklang“ mit den Anschauungen Nietzsches betonte und bedauerte, dass dieser seine Lehren auf Schopenhauer statt auf Stirner gegründet hatte.[6] Den Ausspruch Nietzsches: „‚Nichts ist wahr, alles ist erlaubt. Wohlan, das war Freiheit des Geistes, damit war der Wahrheit selbst der Glaube gekündigt“ kommentierte Steiner mit den Worten: „Daß diese Sätze die Empfindungen einer vornehmen, einer Herrennatur zum Ausdruck bringen, die sich die Erlaubnis, frei, nach ihren eigenen Gesetzen zu leben, durch keine Rücksicht auf ewige Wahrheiten und Vorschriften der Moral verkümmern lassen will, fühlen diejenigen Menschen nicht, die, ihrer Art nach, zur Unterwürfigkeit geeignet sind. Eine Persönlichkeit, wie die Nietzsches ist, verträgt auch jene Tyrannen nicht, die in der Form abstrakter Sittengebote auftreten.[7] Diejenigen Zeitgenossen, die Nietzsche wegen seiner Aufkündigung moralischer Bindungen einen „gefährlichen Geist“ genannt hatten, bezeichnete Steiner abfällig als „kleinlich denkende Menschen“ (ebd.). Dagegen hob er Nietzsches „Übermenschen“ hervor, der in Steiners Deutung dem „Einzelnen“ Max Stirners nahesteht: „Das souveräne Individuum, das weiß, daß es nur aus seiner Natur heraus leben kann, und das in einer seinem Wesen entsprechenden Lebensgestaltung sein persönliches Ziel sieht, ist für Nietzsche der Übermensch, im Gegensatz zu dem Menschen, der glaubt: ihm sei das Leben geschenkt, um einem außer ihm selbst liegenden Zwecke zu dienen.[8] Der Übermensch ist für Steiner also der „von allen Normen befreite Mensch, der nicht mehr Ebenbild Gottes, Gott wohlgefälliges Wesen, guter Bürger u.s.w., sondern er selber und nichts weiter sein will – der reine und absolute Egoist.[9] Der Menschentyp, der heute „gewollt, gezüchtet, erreicht“ werde, sei „das Haustier, das Herdentier, das kranke Tier Mensch, - der Christ ...'“. Der „höherwertige Typus“ dagegen sei frei und nichts als er selbst.

Steiner bewunderte den autoritäts- und wahrheitskritischen Gestus radikaler Denker wie Nietzsche und Stirner. Bei Stirner gefiel ihm die Überhöhung des Individuums. Stirners Satz: „Alle Wahrheiten unter mir sind mir lieb; eine Wahrheit über mir, eine Wahrheit, nach der ich mich richten müßte, kenne ich nicht“, kommentierte er mit den Worten: „Ein Eroberer ohne gleichen ist Max Stirner, denn er steht nicht mehr im Solde der Wahrheit; sie steht in dem seinen.[10] Bei Nietzsche konnte Steiner an die Idee des „freien Geistes“ anknüpfen, der sich über Gott und Wahrheitsglauben emporschwingt: „Der «freie Geist» kommt zum Bewußtsein seines Schaffens der Wahrheit. Er betrachtet die Wahrheit nicht mehr als etwas, dem er sich unterordnet; er betrachtet sie als sein Geschöpf.“[11]

Datei:Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine zeit.jpg
Titelbild der zweiten Auflage 1895 von Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, die aufgrund des großen Erfolges noch im Erscheinungsjahr herauskam

Diese Kampfansage an jede vorgegebene Wahrheit und Autorität verband Steiner mit Stirner und Nietzsche. Im Sinne der „Egoität“ (Steiner) begrüßte er Nietzsches Wort vom „Tod Gottes“ und der Stellung des Menschen „Jenseits von Gut und Böse“. Er proklamierte „An Gottes Stelle den freien Menschen!!!“.[12] An anderer Stelle zitierte Steiner zustimmend ein Zitat des Stirner-Biographen John Henry Mackay, in dem es hieß: "Ich glaubte nie an einen Gott da droben, / Den Lügner oder Toren nur uns geben. / Ich sterbe - und ich wüßte nichts zu loben / Vielleicht nur Eins - daß wir nur einmal leben!".[13]

Solche Wendungen zeigen Steiners Ablehnung eines Glaubens an das Jenseits, an die Wiedergeburt und die Idee eines allmächtigen Gottes. Die Vorstellung eines Ausgeliefertseins des Menschen an eine ihm fremde Schicksalsmacht wies er zurück. „Es ist allein des Menschen würdig, daß er selbst die Wahrheit suche, daß ihn weder Erfahrung noch Offenbarung leite. Wenn das einmal durchgreifend erkannt sein wird, dann haben die Offenbarungsreligionen abgewirtschaftet. Der Mensch wird dann gar nicht mehr wollen, daß sich Gott ihm offenbare oder Segen spende. Er wird durch eigenes Denken erkennen, durch eigene Kraft sein Glück begründen wollen. Ob irgendeine höhere Macht unsere Geschicke zum Guten oder Bösen lenkt, das geht uns nichts an; wir haben uns selbst die Bahn vorzuzeichnen, die wir zu wandeln haben. Die erhabenste Gottesidee bleibt doch immer die, welche annimmt, daß Gott sich nach Schöpfung des Menschen ganz von der Welt zurückgezogen und den letzteren ganz sich selbst überlassen habe.[14] Der von Steiner verehrte Stirner hatte in seinem Hauptwerke geschrieben: „Das Jenseits ausser Uns ist [...] weggefegt, und das grosse Unternehmen der Aufklärer vollbracht; allein das Jenseits in Uns ist ein neuer Himmel geworden und ruft Uns zu neuen Himmelstürmen auf.“ (Der Einzige und sein Eigentum, S. 170) Auch für den dieser solipsistischen Grundposition nahestehenden Steiner hatte das Menschenleben nur den Zweck und die Bestimmung, die der Mensch ihm selbst verleihe: „Meine Sendung in der Welt ist keine vorherbestimmte, sondern sie ist jeweilig die, die ich mir erwähle.“ Damit ist die „Philosophie der Freiheit“ ein Bekenntnis zum Individualismus und Monismus. Der Monismus leugnet eine geistige Welt jenseits der dem menschlichen Erkennen zugänglichen Wirklichkeit. Reale und geistige Welt fallen nicht dualistisch auseinander, sondern sie sind eins. Im Sinne Stirners und Nietzsches proklamiert Steiner: „Der Mensch hat nicht den Willen eines außer ihm liegenden Wesens in der Welt, sondern seinen eigenen durchzusetzen; er verwirklicht nicht die Ratschlüsse und Intentionen eines andern Wesens, sondern seine eigenen.“ Hinter handelnden Menschen sieht dieser Monismus dabei nicht Zwecke einer ihm fremden Weltlenkung, sondern nur eigene, menschliche Zwecke. Gegenüber der Autoritäts- und Jenseitsgläubigkeit positioniert Steiner im Sinne des Idealismus das „lebendige Denken“ des „Ichs“ und den „freien Geist“.

In der Fachphilosophie fand Steiner mit seinem philosophischen Werk keine Anerkennung. Ein Habilitationsversuch im Jahre 1894 scheiterte. Eduard von Hartmann, dem Steiner seine Dissertation „in warmer Verehrung zugeeignet“ hatte, kam zu einem vernichtenden Urteil über die Philosophie der Freiheit.[15] Ernst Haeckel, der aus dem Umfeld Steiners um Vermittlung einer Stelle an der Universität Jena gebeten worden war, versagte jegliche Unterstützung. Kurze Zeit arbeitete Steiner unter Elisabeth Förster-Nietzsche am Nachlass Nietzsches und war als Herausgeber der Werke im Gespräch. Im Rahmen dieser Tätigkeit erstellte er die erste Nietzsche-Bibliographie und das erste Verzeichnis von Nietzsches Bibliothek überhaupt. Letzteres wurde zur Grundlage aller später publizierten Kataloge. Dabei konnte Steiner auch die noch unveröffentlichte Autobiographie Nietzsches, Ecce Homo, einsehen und durfte dem geistig umnachteten Nietzsche bei einem Besuch am 22. Januar 1896 persönlich gegenübertreten. Nach einem Eklat um die Frage der Herausgeberschaft brach Steiner mit Förster-Nietzsche und machte 1900 als erster auf die zweifelhaften Machenschaften des Nietzsche-Archivs im Rahmen von dessen Nietzsche-Ausgabe aufmerksam.[16] Steiner hatte sich nicht nur in einem Nietzsche-Buch, sondern auch in zahlreichen Zeitschriftenaufsätzen und Rezensionen als einer der ersten Vorkämpfer des damals noch nicht akzeptierten Nietzsche positioniert.

Titelbild des Magazins für Litteratur aus dem Jahre 1898

Einen Teil seines Lebensunterhalts bestritt Steiner weiterhin mit Herausgebertätigkeiten, indem er von 1897 bis 1900 zusammen mit Otto Erich Hartleben das Magazin für Litteratur in Berlin herausgab. In dieser Zeit erschienen zahlreiche Aufsätze von Steiner zu künstlerischen, philosophischen und politischen Themen. Seine seit etwa 1894 bestehende Bekanntschaft mit dem anarchistischen deutschen Dichter und späteren Stirner-Biographen John Henry Mackay wurde zu einer engen Freundschaft. Steiner identifizierte sich zeitweilig so sehr mit dem von Mackay vertretenen individualistischen Anarchismus, dass er in der von ihm redigierten Zeitschrift ein durchaus riskantes öffentliches Bekenntnis zu ihm abgab: "Ich habe es bisher immer vermieden, selbst das Wort 'individualistischer' oder 'theoretischer Anarchismus' auf meine Weltanschauung anzuwenden. Denn ich halte sehr wenig von solchen Bezeichnungen. [...] Wenn ich aber in dem Sinne, in dem solche Dinge entschieden werden können, sagen sollte, ob das Wort 'individualistischer Anarchist' auf mich anwendbar ist, so müßte ich mit einem bedingungslosen 'Ja' antworten."[17] Dies und eine Kampagne für Alfred Dreyfus[18] führte zu Leserprotesten und erwies sich als der Auflagenhöhe des „Magazins“ abträglich.[19] Hartleben legte im März 1900 seine Mitherausgabe des Magazins wegen "inferioren Klatsches" – gemeint war die Auseinandersetzung mit dem Nietzsche-Archiv, die Steiner in der Publikation führte – nieder.[20] Im September 1900 trat auch Steiner von seiner Redaktionsaufgabe zurück.

Steiner befand sich zu dieser Zeit in ernsthaften finanziellen Nöten. Aus seinem Umfeld wurde bereits für die Wiener Zeit berichtet, er habe in einer "elenden Wohnung" gelebt und sei "oft geradezu am Verhungern" gewesen. So schlecht sei es ihm auch bis in die Weimarer, ja auch Berliner Zeit gegangen. Zudem ist eine Zerrüttung des Lebenswandels überliefert. Steiner zechte nächtelang mit seinen Dichter-Freunden, teilweise sei er erst am nächsten Nachmittag nach Hause gekommen. Rosa Mayreder, eine Freundin, meinte sogar, Steiner sei "Alkoholiker gewesen, wenn auch nicht in jenem Übermaß, wie man es bei Mystikern oft findet". Erst ab der Jahrhundertwende habe Steiner sich "ganz fest in die Hand genommen und sei der geworden, als den ihn die Welt heute kennt".[21] Auch 1903 hieß es noch aus seinem direkten Umfeld, man vermöge "gar nicht zu beurteilen, wie es in der Seele eines Menschen wie Steiner aussieht, wenn die täglich fressende Sorge ihm naht, wenn er Stunde um Stunde denken muss, wo soll ich mich jetzt demütigen, nur um mir ein paar Mark zu pumpen, zu verdienen".[22] Während sich Steiner in den Weimarer Jahren in gutbürgerlichen Kreisen bewegt hatte, wandte er sich in den ersten Berliner Jahren proletarisch geprägten Außenseiter-Kreisen zu. Seine Kontakte reflektierten das Motto, welches er 1899 für sein "Magazin" gewählt hatte: "Vielseitigkeit und Vorurteilslosigkeit". Der Schriftsteller Max Halbe beschreibt den damaligen Steiner als "zigeunernden Intellektuellen"[23]. Der Steiner-Biograph Wolfgang G. Vögele charakterisiert Steiners damaligen Umgang wie folgt: "Zu seinem Bekanntenkreis zählten die führenden Monisten des Giordano Bruno-Bundes (Wilhelm Bölsche, Bruno Wille), Vorkämpferinnen für freie Erotik und offene Ehe (Ellen Key, Margarete Beutler), bekennende Homosexuelle (Magnus Hirschfeld), Anarchisten (John Henry Mackay, Benjamin Tucker) oder als Terroristen steckbrieflich Verfolgte (Siegfried Nacht[24]). Biblisch gesprochen, saß er mit 'Sündern und Zöllnern' zu Tische".[25] Dazu gehörte auch der Kreis um den Dichter Otto Erich Hartleben, der sich mit antibürgerlicher Provokationsgeste "Der Verbrechertisch" nannte.

Der sozialistische Kunstkritiker John Schikowski schrieb am 31. März 1925 in einem Nachruf für den sozialdemokratischen Vorwärts, auf eine gemeinsame Zeit mit Steiner in Berlin zurückblickend: "Der Weltanschauung nach war er Haeckelianer, Materialist und Atheist, politisch nannte er sich Anarchist und wir Sozialdemokraten galten ihm als Bourgeois. Was ihn übrigens nicht hinderte, im Rahmen sozialdemokratischer Bildungsorganisationen Vorträge über literarische Themen zu halten. In seiner Lebensführung war er durchaus Libertin, voller Lust am irdischen Dasein und recht hemmungslos im ausgiebigen Genuss dieses Daseins. Es liegt mir fern, mit den oft etwas bedenklichen Abenteuern, deren Held 'Rudi Steiner' war, sein Moralkonto zu belasten. So mancher Heilige hat durch die schmutzigsten Stationen des Erdenwegs hindurchpilgern müssen, ehe er zur Reinheit gelangte."[26]

Auf die Zeit als Bohémien blickte Steiner selbst nur ungern zurück. 1904 rechtfertigte er sich in einem Brief an seine Frau mit den Worten: "Ich erkenne über mich keinen Richter, denn ich weiss, was ich tue. Ich habe mich nie für etwas anderes interessiert, als was geistiger Art ist. Und wenn es in der Zeit, da ich zuerst in Berlin war, anders schien, so ist das doch auch ein Irrtum. Ich wollte damals die Literatur der jungen Leute ehrlich kennenlernen. Ich hätte deshalb mich allerdings nicht auf den Dreck dieser jungen Leute einlassen sollen. Aber das war ein ehrlicher Irrtum. Und ich habe es mit recht dreckigem Klatsch büßen müssen."[27]

Die theosophische Phase

Nach der Beendigung seiner Redakteurstätigkeit im Jahr 1900 trat Steiner, der schon seit seiner Weimarer Zeit vielfach Vorträge zu diversen Themen gehalten hatte, verstärkt als Vortragsredner in Erscheinung. In den zweieinhalb Jahrzehnten bis zu seinem Tod wurden etwa 6000 Vorträge anfangs von Anhängern mitgeschrieben, später regelmäßig professionell mitstenographiert und in Buchform herausgegeben. Diese (ungeprüften) Mitschriften machen einen Großteil von Steiners heute schriftlich vorhandenem Werk aus.

Rudolf Steiner mit Annie Besant, Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft

Von 1899 bis 1904 hielt Steiner Kurse an der Berliner Arbeiter-Bildungsschule, einer sozialistisch geprägten Einrichtung. Als bekannter Nietzsche-Kenner war er nach Nietzsches Tod im Jahre 1900 als Vortragsredner über den radikalen Denker gefragt. Im Herbst 1900 wurde er gebeten, auch in der Theosophischen Bibliothek des Grafen Cay von Brockdorff in Berlin einen Vortrag über Friedrich Nietzsche zu halten. Es schlossen sich weitere Vorträge über andere Themen an, und bald waren die Theosophen, denen Steiner bis dahin ablehnend gegenüber gestanden hatte, sein wichtigstes Publikum. Als 1902 eine Deutsche Sektion der Theosophischen Gesellschaft gegründet wurde, übernahm Steiner deren Vorsitz.

Die Theosophische Gesellschaft war eine esoterische, teils als obskur geltende Vereinigung, in der die Lehren der 1891 verstorbenen Mitbegründerin Helena Petrovna Blavatsky, einem selbsterklärten Medium, im Mittelpunkt standen. Die Deutsch-Ukrainerin hatte einen stark durch östliche Philosophien beeinflussten Okkultismus vertreten und gilt heute als die bedeutendste Wegbereiterin der „modernen“ Esoterik gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Schon zu Lebzeiten waren ihr im Zuge sensationsheischender Geisterbeschwörungen aber auch betrügerische Machenschaften vorgeworfen worden. Die ihr nachfolgende Annie Besant war vor allem dem Hinduismus zugewandt und versuchte später, den Hindu-Knaben Jiddu Krishnamurti zu einer Art neuem Messias aufzubauen.

Steiner erhob gegenüber den Orientalismen der führenden Theosophen den Anspruch, „Theosophie“ eigenständig aus dem abendländischen Geistesleben heraus zu entwickeln. So entstanden zunächst – als schriftliche Fassungen seiner Vorträge in der Theosophischen Bibliothek – die Bücher Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens (1901) und Das Christentum als mystische Tatsache (1902). Schon 1903 jedoch bekannte Steiner sich auch zur orientalischen Lehre von Reinkarnation und Karma, die er allerdings als „vom Standpunkte der modernen Naturwissenschaft notwendige Vorstellungen“ bezeichnete und entsprechend abzuleiten versuchte.[28] Dies wurde von Kritikern schon zu Lebzeiten als widersprüchlich betrachtet und brachte Steiner den Vorwurf ein, Synkretiker und Eklektiker zu sein.[29] Entsprechend hatte sich auch Steiners Terminologie gegenüber seinen früheren Schriften stark verändert, etwa wenn er nun von höheren Welten und Mysterien sprach. Das Eintreten für die theosophische Bewegung führte zum Bruch mit zahlreichen früheren Freunden. Bruno Wille etwa warnte Steiner, der Begriff Theosophie sei „arg diskreditiert durch buddhistische Scholastik, occultistischen Aberglauben und spiritistischen Schwindel.“[30]

1904 erschien Steiners Buch Theosophie, in dem er die jetzt von ihm vertretene Lehre erstmals ausführlich darlegte. Anknüpfend an Johann Gottlieb Fichte sprach er darin von einem „geistigen Auge“, das es ermögliche, neben der gewohnten physischen Welt noch eine seelische und eine geistige Welt wahrzunehmen und zu erforschen. Während traditionelle Esoteriker die okkulten Erkenntnisse als über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis vermittelte „Einweihung“ ansahen, wollte Steiner zu einer selbstbestimmten Erkenntnisleistung anleiten. Diese Anleitungen vertiefte er in der Aufsatzserie Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten? (1904/05).

Aus der Akasha-Chronik, erst posthum 1939 in Buchform erschienen

In der parallel begonnenen Aufsatzserie Aus der Akasha-Chronik (1904-1908) griff Steiner nun vermehrt Themen aus der Lehre Blavatskys und anderer ihr nahestehender Okkultisten auf, darunter die Lehre von den „Wurzelrassen“. Während Blavatsky angegeben hatte, ihr „geheimes Wissen“ einem rätselhaften, in Tibet verborgen gehaltenen Buch entnommen zu haben, beschrieb Steiner diese „Akasha-Chronik“ als eine der „geistigen“ Wahrnehmung zugängliche „Schrift“. Trotz einzelner Abweichungen und eigenständigen Schwerpunktsetzungen hatte sich Steiner aber anscheinend den Grundrahmen der theosophische Weltsicht zu eigen gemacht.[31] Eine ausführliche Zusammenfassung seiner esoterischen Lehre gab er 1910 unter dem Titel Die Geheimwissenschaft im Umriss heraus - ein Titel, der sich einerseits an Blavatskys Hauptwerk Die Geheimlehre (The Secret Doctrine, 1888) anlehnt, sich zugleich aber durch den Anspruch der Wissenschaftlichkeit davon absetzt. In dieser Publikation tritt (wie schon in Theosophie) die von Blavatsky entlehnte Terminologie wieder weitgehend zurück, und stattdessen werden abendländische Themen wie die christliche Hierarchienlehre aufgegriffen. Dieses Buch wurde noch zu Lebzeiten Steiners vierzehn mal neu aufgelegt; wenige Wochen vor seinem Tod (1925) schrieb er noch das Vorwort zur 16. Auflage[32]. Auch von der Theosophie gab es in dieser Zeit neun Neuauflagen, während die Aufsätze Aus der Akasha-Chronik erst posthum 1939 erstmals als Buch nachgedruckt wurden.

Als Grundlage seiner „geisteswissenschaftlichen“ Darstellungen unterschied Steiner mehrere Erkenntnisstufen. Neben der gewöhnlichen Erkenntnis gebe es demnach die „imaginative“, die „inspirative“ und die „intuitive“ Erkenntnis. Durch strenge Schulung lassen sich dieser Lehre zufolge immer höhere Erkenntnisstufen erreichen, die einen erkenntnismäßigen Zugang zur übersinnlichen Welt ermöglichen. Diese „Geisteswissenschaft“ soll laut Steiner Menschen dazu befähigen, die physische Welt in ihrem Zusammenhang mit der „geistigen“ Welt zu verstehen und aus diesem Verständnis heraus die Welt zu gestalten. Von diesem Standpunkt aus verknüpfte Steiner seine frühen Ansätze zu einer „Philosophie der Denk-Erfahrung“ mit so unterschiedlichen religiösen Vorstellungen wie Karma, Reinkarnation, Okkultismus und gnostischem Rosenkreuzertum.

Über die Jahre kam es zu einer zunehmenden Entfremdung zwischen der Weltorganisation der Theosophischen Gesellschaft und den deutschen Sektionen und Logen. Steiner war ein wesentlicher Protagonist in dieser Auseinandersetzung. Eine ernste Krise entstand, nachdem einige Vertreter der Theosophischen Gesellschaft, allen voran Charles W. Leadbeater, den noch jungen Jiddu Krishnamurti im Jahre 1911 als kommenden Weltenlehrer, „Maitreya“, propagierten und das in manchen Kreisen als eine Reinkarnation Christi aufgefasst wurde. Weil Steiner den zunehmenden Kult um Krishnamurti und den Order of the Star in the East ablehnte, löste Annie Besant, die Präsidentin der Theosophischen Gesellschaft, 1913 die von Steiner geleitete deutsche Sektion formell auf. An ihre Stelle trat die schon 1912 gegründete Anthroposophische Gesellschaft, in der Steiner nicht mehr selbst die Leitung innehatte, aber der wichtigste Vortragsredner und Ehrenpräsident war. Der Anthroposophischen Gesellschaft schlossen sich auch theosophische Gruppierungen anderer Länder an.

Der späte Steiner

Nach dem Bruch mit der Theosophie veränderte Steiner auch den terminologischen Rahmen seiner Lehre. Dabei war „Anthroposophie“ jedoch im wesentlichen nur eine andere Bezeichnung für das, was er bis zum Ausschluss aus der Theosophischen Gesellschaft als „Theosophie“ vertreten hatte. Seine Bücher Theosophie (1904) und Geheimwissenschaft im Umriß (1910) blieben insofern auch die Standardwerke der Anthroposophie. In Neuauflagen von Steiners bisherigen Werken wurde die Bezeichnung „Theosophie“ weitgehend durch „Anthroposophie“ oder „Geisteswissenschaft“ ersetzt. Die Wahl dieser Bezeichnungen erläuterte Steiner folgendermaßen:

„Während nun dasjenige, was der Mensch durch seine Sinne und durch den an die Sinnesbeobachtung sich haltenden Verstand über die Welt wissen kann, ‚Anthropologie‘ genannt werden kann, so soll dasjenige, was der ‚innere Mensch, der Geistesmensch wissen kann, ‚Anthroposophie‘ genannt werden. Anthroposophie ist also Wissen des Geistesmenschen; und es erstreckt sich dieses Wissen nicht bloß über den Menschen, sondern es ist ein Wissen von allem, was in der geistigen Welt der Geistesmensch so wahrnehmen kann, wie der Sinnesmensch in der Welt das Sinnliche wahrnimmt. Weil dieser andere Mensch, dieser innere Mensch, der Geistesmensch ist, so kann man dasjenige, was er als Wissen erlangt, auch ‚Geisteswissenschaft‘ nennen. Und der Name ‚Geisteswissenschaft‘ ist noch weniger neu als der Name Anthroposophie.“[33]
Datei:Goetheanum1.jpg
Das erste Goetheanum in Dornach (1914 bis 1922)
Das zweite Goetheanum in Dornach (1928 bis heute)

Der späte Steiner wandte sich verstärkt Kunst und Architektur zu. In den Jahren 1910 bis 1913 wurden in München seine vier „Mysteriendramen“ uraufgeführt. Von 1913 bis 1922 entstand unter seiner künstlerischen Leitung in Dornach bei Basel das Goetheanum als Zentrum der Anthroposophischen Gesellschaft und Sitz der geplanten Freien Hochschule für Geisteswissenschaft. Nachdem der Holzbau in der Silvesternacht 1922-23 abgebrannt war (die zeitgenössische Presse vermutete Brandstiftung seitens militanter Steiner-Gegner), entwarf Steiner ein zweites, größeres Goetheanum aus Beton, das 1928, also erst nach seinem Tod, fertiggestellt wurde. Der expressive Baustil des aus Stahlbeton gefertigten neuen Goetheanums im Gegensatz zu seinem impressionistisch geprägten Vorgänger zeigt, dass Steiners Architekturstil binnen weniger Jahre einen radikalen Wandel erfuhr. Dieser Stil sollte unter dem Stichwort Organische Architektur eine enorme Wirkung auf die moderne Architektur entfalten (z. B. auf Le Corbusier, Henry van de Velde, Frank Lloyd Wright, Erich Mendelsohn und Hans Scharoun).

Steiner, der bereits vor und während des Ersten Weltkriegs gelegentlich im Austausch mit führenden Politikern gestanden hatte, versuchte auch nach Kriegsende politisch zu wirken. So publizierte er 1919 einen „Aufruf an das deutsche Volk und an die Kulturwelt“, den u. a. Hermann Bahr, Hermann Hesse und Bruno Walter unterzeichnet hatten. Politisch war Steiner bei seinen öffentlichen Aktivitäten schwer zu verorten. Engagierte er sich auf der einen Seite in marxistischen Arbeiterbildungsschulen, trat er auf der anderen Seite auch für klassisch nationalistische Topoi ein. Vor allem die Kriegsschuldfrage war ihm etwa ein zentrales politisches Anliegen. So gab er 1919 ein revisionistisches Pamphlet mit dem Titel „Die ‚Schuld‘ am Kriege“ heraus, das von Generalstabschef Helmuth von Moltke verfasst wurde.[34] Im Kampf gegen den Kriegsschuldvorwurf an Deutschland finanzierte Steiner sogar eine verschwörungstheoretische Schrift, in der den Juden die Schuld am Ersten Weltkrieg angelastet wurde. Diese Schrift, die mit einer Einleitung Steiners versehen war, wurde später von den Nationalsozialisten rezipiert, vor allem seitens des an Okkultismus interessierten Heinrich Himmler.[35]

Die Zeit in der Anthroposophischen Gesellschaft erwies sich für Steiner als ausgesprochen produktiv. Er trat in den unterschiedlichsten Lebensbereichen mit eigenen Ideen hervor und wirkte in einer enormen thematischen Breite als Impulsgeber und Erneuerer. So betätigte er sich u. a. als Reformpädagoge (Waldorf-Pädagogik), Sozialreformer („Soziale Dreigliederung“) und Künstler (Architektur, Bildhauerei, Bewegungskunst). Er begründete mit der Ärztin Ita Wegman die Anthroposophische Medizin und lieferte die weltanschauliche Grundlage für eine Religionsgemeinschaft (Die Christengemeinschaft). Zu den letzten Impulsen vor seinem Tod gehört die Anregung der biologisch-dynamischen Landwirtschaft. Viele von Steiners Ideen sind bis heute wirkungsmächtig. So erleben etwa Waldorfschulen und -kindergärten, biologisch-dynamischer Landbau (Demeter) und Anthroposophische Medizin (Weleda) stetig wachsenden Zuspruch.

Rudolf Steiner und seine zweite Frau Marie von Sievers (Heirat 1914, dann Marie Steiner-von Sievers, keine Kinder) wohnten von 1903 bis 1923 in Berlin-Schöneberg, Motzstraße 30, wo eine Gedenktafel an sie erinnert. Allerdings war Steiner als Vortragsredner und als Vorsitzender der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft viel auf Reisen. Nach dem Ende des Krieges 1918 hielt er sich nur noch selten in Berlin auf.

Am 30. März 1925 starb Steiner nach mehrmonatiger schwerer Krankheit in Dornach. Über die Todesursache und über die Art der vorangegangenen Erkrankung gibt es keine gesicherten Erkenntnisse.

Das Problem der Zäsur in Steiners Werk

Steiner selbst wollte das theosophisch und anthroposophisch geprägte Spätwerk als konsequente Weiterentwicklung seiner frühen philosophischen Ansätze verstanden wissen.[36] Alle Widersprüche bezeichnete er an verschiedenen Stellen als „scheinbar“ oder „vordergründig“. In seinen unter dem Titel Mein Lebensgang veröffentlichten autobiographischen Notizen, die allerdings nicht immer zuverlässig sind[37], zeichnete Steiner das Bild einer folgerichtigen geistigen Entwicklung. Dennoch liegt eine tiefe geistige Zäsur vor, die sich unter anderem in seiner veränderten Haltung gegenüber dem Christentum zeigt. Ein Zeitgenosse sprach rückblickend von einer „halsbrecherischen Kurve seines Geisteslebens“.[38] Der Biograph Gerhard Wehr spricht von „Krise und Wandlung“ im Leben Steiners[39]. Steiner habe um die Jahrhundertwende eine „innere Wendung“ vollzogen, „deren Interpretation dem Biographen manche Schwierigkeiten bereite“[40].

Ankündigung von vier Vorträgen über Anthroposophie, Zürich 1917

Der frühe Steiner war als Individualist und Freidenker hervorgetreten, der sich auf Skandalphilosophen wie Stirner, Nietzsche und Haeckel berief.[41] Sein Freidenkertum gipfelte in einer Verächtlichmachung von Religion und Glauben. Dem Christentum maß er geradezu pathologische Züge bei.[42] Der Glaube an Gott und Christus erschien Steiner als Zeichen krankhafter Schwäche, der er ein „gesundes menschliches Denken“ gegenüberstellte: „Krank ist an der Scholastik die Vermischung dieser Empfindung mit den Vorstellungen, die in die mittelalterliche Entwicklung des Christentums eingezogen sind. Diese Entwicklung findet den Quell alles Geistigen, also auch der Begriffe und Ideen in dem unerkennbaren, weil außerweltlichen Gott. Es hat den Glauben an etwas nötig, das nicht von dieser Welt ist. Ein gesundes menschliches Denken hält sich aber an diese Welt. Es kümmert sich um keine andere.[43] An anderer Stelle hatte er geschrieben, der Mensch der Zukunft werde „nicht mehr glauben, daß Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat, ihn von sündiger Schmach zu befreien, er wird aber einsehen, daß unzählige Himmel da sind, um ihn zuletzt hervorzubringen und sein Dasein genießen zu lassen“.[44] Solche Sätze erscheinen wie ein Nachhall von Nietzsches Kritik am christlichen Glauben, wie er sie unter anderem in Der Antichrist – Fluch auf das Christenthum niedergeschrieben hatte. Dort hieß es etwa: „Das Christentum war bisher das größte Unglück der Menschheit“ oder: „Das Christentum hat die Partei alles Schwachen, Niedrigen, Mißratenen genommen, es hat ein Ideal aus dem Widerspruch gegen die Erhaltungs-Instinkte des starken Lebens gemacht.“ Dieser Angriff Nietzsches auf das Fundament christlicher Glaubensinhalte hatte den jungen Steiner tief beeindruckt. Einer Briefpartnerin schrieb er: „Ist Ihnen Nietzsches Antichrist vor Augen gekommen? Eines der bedeutsamsten Bücher, die seit Jahrhunderten geschrieben worden sind? Ich habe meine eigenen Empfindungen in jedem Satze wiedergefunden. Ich kann vorläufig kein Wort für den Grad der Befriedigung finden, die dieses Werk in mir hervorgerufen hat [...]“.[45] Im Magazin für Litteratur veröffentlichte Steiner noch 1898 den bekenntnishaften Satz: „Wir wollen Kämpfer sein für unser Evangelium, auf daß im kommenden Jahrhundert ein neues Geschlecht entstehe, das zu leben weiß, befriedigt, heiter und stolz, ohne Christentum, ohne Ausblick auf das Jenseits.[46] Nur zwei Jahre später trat ein gewandelter Steiner vor Theosophen auf und sprach über die „mystische Tatsache des Christentums“.

Die tiefe geistige Zäsur in seinem Leben, die um die Jahrhundertwende stattgefunden hatte, brachte Steiner rückblickend besonders mit Stirner und Mackay in Verbindung: „Das Schicksal hatte nun mein Erlebnis mit J. H. Mackay und mit Stirner so gewendet, daß ich auch da untertauchen mußte in eine Gedankenwelt, die mir zur geistigen Prüfung wurde. Mein ethischer Individualismus war als reines Innen-Erlebnis des Menschen empfunden. Mir lag ganz fern, als ich ihn ausbildete, ihn zur Grundlage einer politischen Anschauung zu machen. Damals nun, um 1898 herum, sollte meine Seele mit dem rein ethischen Individualismus in eine Art Abgrund gerissen werden.[47]

Steiners geistige Wende war radikal. Hatte er Stirner anfangs als „den freiesten Denker“ bezeichnet, „den die neuzeitliche Menschheit hervorgebracht hat“, wurde er für ihn zu einem „furchtbar deutlich sprechenden Symbolum der untergehenden [bürgerlichen] Weltanschauung“.[48] Auch Nietzsches Antichrist wurde nun als Inbegriff des Satanischen betrachtet. Seine Kapitel hätten einen „oftmals so teuflischen Inhalt“, meinte Steiner und schrieb sie Ahriman zu[49], dem bösen Gott des Parsismus, der in seiner Interpretation der Menschenseele den Zugang zur seelisch-geistigen Welt versperren möchte, um ihr Bewusstsein mit materialistischen Versuchungen an die physische Leiblichkeit zu ketten.

Rudolf Steiner um 1900

Der Biograph Gerhard Wehr kommentiert: „Es gibt mancherlei Hinweise auf ein Wandlungsgeschehen, das Steiner in den ersten Berliner Jahren zu bestehen hatte. Er selbst hat diesen als eine 'intensivste geistige Prüfung' empfundenen Lebensabschnitt mit einer 'Höllenfahrt' verglichen, der er nicht ausweichen durfte. Und so sehr Steiner großen Wert auf die Feststellung einer inneren Kontinuität legte, diese tiefgreifende Wandlung hat er nie geleugnet.“[50] In dieser Zeit hatte Steiner, der frühere Kritiker von Offenbarungsreligionen, nach eigenen Angaben eine Art christliches Erweckungserlebnis, das er mit dem „geistigen Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster, ernstester Erkenntnis-Feier“ umschrieb.[51] In seinen Erinnerungen schrieb Steiner: „Ich fand das Christentum, das ich suchen musste, nirgends in den Bekenntnissen vorhanden. Ich musste mich, nachdem die Prüfungszeit mich harten Seelenkämpfen ausgesetzt hatte, selber in das Christentum versenken, und zwar in der Welt, in der das Geistige darüber spricht.[52] Wehr urteilt, an diese Aussage anknüpfend: „So untraditionell, um nicht zu sagen, individualistisch diese Kennzeichnung des Steinerschen Wegs zu Christus auf den ersten Blick erscheinen mag, das Motiv als solches ist im Grunde doch urchristlicher Herkunft. Es verweist auf den Apostel Paulus, der eigenem Zeugnis zufolge sein Christsein nicht der apostolischen Überlieferung verdankt, sondern einer unmittelbaren Christus-Offenbarung. Und nimmt man andere Zeugnisse Steiners hinzu, zum Beispiel auch seine Deutung eigener philosophischer Arbeiten, dann liegt es nahe, bei ihm von einem neuzeitlichen Damaskus-Erlebnis[53] zu sprechen.“[54]

Von Zeitgenossen wurde die Wandlung, auf Steiners persönliche Lebensumstände anspielend, vielfach unter Verweis auf rein weltliche Motive gedeutet. Das zeigt eine ganze Serie von Nachrufen, in denen - in ähnlichem Tenor - auf die materielle Verbesserung von Steiners Lage nach seiner Hinwendung zur Theosophie Bezug genommen wurde. So schrieb John Schikowski in seinem Nachruf im Vorwärts: „Steiners Wandlung erfolgte um die Wende des Jahrhunderts. Mit dem Studium des Parazelsus und der Schriften der 'Christlichen Wissenschaft' begann sie. Der frühere Haeckelianer wurde eine Art Gesundbeter und als solcher fand der Anarchist Eingang in höchste und allerhöchste Kreise.“[55] Auch andere Kommentatoren verwiesen auf Steiners Aufstieg in eine neue Geltung, mit der die Hinwendung zur Theosophie einhergegangen war. Der Musik-Kritiker Richard Specht, in dessen Elternhaus Steiner als Hauslehrer gewirkt hatte, schrieb im Neuen Wiener Journal: „Eine Zeit der Not begann: Das 'Magazin für Litteratur', das er – nicht lange – mit Otto Erich Hartleben herausgab, konnte nicht einträglich gestaltet werden und er hat allzu lang arg gehungert. Ich bin heute noch davon überzeugt, dass diese Hungerzeit, verbunden mit seiner ohnehin eigenwilligen Art, zu Halluzinationen geführt hat, die ihm als 'geistige Erfahrungen' galten und die ihn zur Theosophie gebracht haben. [...] Als Steiner wieder nach Wien kam, waren wir freudig erstaunt: er fuhr im Auto in kostbarem Pelz vor [...] und war sorgenlos: die theosophische, später die anthroposophische Gesellschaft hatte ihn zu gewinnen gewusst und hatten wohl daran getan – in kürzester Zeit war er der Meister und Kopf der Bewegung geworden und seine Anhänger zählten und zählen in die Hunderttausende.“[56] Der Schriftsteller Max Osborn schrieb in seinem Nachruf in der Vossischen Zeitung: „Der Anthroposophenmeister, der uns soeben verlassen hat, war nicht immer ein schwärmerischer Mystiker, der mit Behagen die Verehrung einer gläubigen Gemeinde entgegennahm. Als ich ihn in den neunziger Jahren in Weimar kennen lernte [...], war er uns Jüngeren besonders teuer durch die schöne Respektlosigkeit, mit der er sich über alles äußerte, was an der Ilm heilig war [...]. Als ich ihm nach längerer Zeit wieder auf der Straße begegnete, in schwarzem Paletot, mit schwarzem Schlapphut, in schwarzem Anzug, mit schwarzen Handschuhen [...] sah er aus wie ein verzückter Dorfschullehrer. Ich wunderte mich nicht, als ich hörte, dass er adligen Damen in Vortragskursen von übersinnlichen Dingen erzähle. Das war der Beginn seines Aufstiegs in die neue Geltung.“[57]

Rudolf Steiner im Urteil seiner Zeitgenossen

Steiners Bekanntheit wuchs mit seiner Hinwendung zur Theosophie kontinuierlich. Bei seinen Vorträgen füllte er zuletzt ganze Konzertsäle. Seine Vortragsreisen wurden zum Teil von einer Berliner Konzertagentur organisiert (z. B. die sogenannten "Wolf-Sachs"-Tourneen in den Jahren 1921 und 1922, auf dem Höhepunkt von Steiners Popularität)[58]. Die Besucherströme zu den Vortragssälen mussten teils polizeilich geregelt werden. Die Neue Freie Presse berichtete von „minutenlangen Beifallsklatschen und Trampeln“ in restlos ausverkauften Sälen. Auf diese Weise übe Steiner eine „Massensuggestion“ aus.[59] Der Vortragsredner Steiner traf auf vorbehaltlose Begeisterung und entschiedene, teilweise sogar militante Ablehnung. Die professionellen Beobachter traten Steiner überwiegend reserviert, meist distanziert, ironisch bis spöttisch oder gar hämisch gegenüber. Oft erschien Steiner in zeitgenössischen Zeitungsberichten als eine Art Scharlatan oder Blender.

Aufruf zur Volksversammlung mit Vortrag von Rudolf Steiner aus dem Jahre 1919

Einen besonders hämischen Kommentar über einen Vortrag Steiners veröffentlichte die Weltbühne am 3. Juli 1924. Er stammte aus der Feder keines geringeren als Kurt Tucholsky: „Rudolf Steiner, der Jesus Christus des kleinen Mannes, ist in Paris gewesen und hat einen Vortrag gehalten. [...] Ich habe so etwas von einem unüberzeugten Menschen überhaupt noch nicht gesehen. Die ganze Dauer des Vortrages hindurch ging mir das nicht aus dem Kopf: Aber der glaubt sich ja kein Wort von dem, was er da spricht! (Und da tut er auch recht daran.) [...] Wenns mulmig wurde, rettete sich Steiner in diese unendlichen Kopula, über die schon Schopenhauer so wettern konnte: das Fühlen, das Denken, das Wollen – das 'Seelisch-Geistige', das Sein. Je größer der Begriff, desto kleiner bekanntlich sein Inhalt – und er hantierte mit Riesenbegriffen. Man sagt, Herr Steiner sei Autodidakt. Als man dem sehr witzigen Professor Bonhoeffer in Berlin das einmal von einem Kollegen berichtete, sagte er: 'Dann hat er einen sehr schlechten Lehrer gehabt -!' Und der Dreigegliederte redete und redete. Und [der bekannte Journalist Jules] Sauerwein übersetzte und übersetzte. Aber es half ihnen nichts. Dieses wolkige Zeug ist nun gar nichts für die raisonablen Franzosen. [...] Die Zuhörer schliefen reihenweise ein; dass sie nicht an Langeweile zugrunde gingen, lag wohl an den wohltätigen Folgen weißer Magie. Immer wenn übersetzt wurde, dachte ich über diesen Menschen nach. Was für eine Zeit -! Ein Kerl etwa wie ein armer Schauspieler [...], Alles aus zweiter Hand, ärmlich, schlecht stilisiert ... Und das hat Anhänger -! [...] Der Redner eilte zum Schluss und schwoll mächtig an. Wenns auf der Operettenbühne laut wird, weiß man: Das Finale naht. Auch hier nahte es mit gar mächtigem Getön und einer falsch psalmodierenden Predigerstimme, die keinen Komödianten lehren konnte. Man war versucht zu rufen: Danke – ich kaufe nichts.[60]

Viele Kommentatoren erklärten sich Steiners Wirkung auf sein Publikum mit dessen rhetorischem Talent, das ihm kaum ein Zuhörer absprach. Der norwegische Sozialökonom und Historiker Wilhelm Keilhau urteilte: „Ich denke, wer sich eine unmittelbare Meinung über die Ursachen des Einflusses bilden will, den Rudolf Steiner ausübte, muss mit ihm in persönlichem Kontakt gewesen sein. Er wirkte nämlich am stärksten in seinen Vorträgen und Gesprächen, und sowohl am Rednerpult als auch im rein persönlichen Umgang konnte von ihm eine geistige Energie ausstrahlen, die einen ergriff und fesselte. Doch dies war nicht immer der Fall. Wenn er indisponiert und müde war, machte er keinen besonderen Eindruck. Er verfiel dann in Binsenweisheiten und Wiederholungen. Er verstand es auch nicht immer, seine Zuhörer einzuschätzen. Wenn er fühlte, dass er sie nicht sogleich in den Griff bekam, wurde er in seiner Ausdrucksform offenkundig nervös und gezwungen. Ich habe Vorträge von ihm gehört, die ihr Ziel gänzlich verfehlten, weil er keinen Zugang fand zu der Stimmung und Denkweise der Zuhörer und selber darunter litt. Anders, wenn er in Hochform war. Da war er ein großer Redner. Ich bezweifle, dass es in diesem Jahrhundert einen größeren gibt. Ich kenne keinen Redner, der es in Atemtechnik und Stimmführung mit ihm aufnehmen könnte.[61]

Zwar fiel das zeitgenössische Urteil vielfach negativ und hämisch aus, wer sich aber für das zeitgenössische Kulturleben interessierte, kam an Steiner nicht vorbei. Das zeigen zahlreiche Urteile bedeutender Zeitgenossen, die Steiner zwar als rätselhaft oder halbseiden apostrophierten, aber auch seine Wirkung zur Kenntnis nahmen. Selbst von Albert Einstein wird berichtet, dass er Vorträge Steiners besuchte, deren Inhalte er jedoch rundheraus ablehnte: „Der Mann [=Steiner] hat offenbar keine Ahnung von der Existenz einer nichteuklidischen Geometrie“ soll Einstein gesagt haben sowie: „Bedenken Sie doch diesen Unsinn: Übersinnliche Erfahrung. Wenn schon nicht Augen und Ohren, aber irgendeinen Sinn muss ich doch gebrauchen, um irgend etwas zu erfahren“.[62]

Auch die Schriftsteller Stefan Zweig und Franz Kafka bemühten sich darum, das Phänomen Steiner zu verstehen, konnten sich aber kein abschließendes Urteil über ihn bilden.[63] Kafka suchte Steiner sogar einmal persönlich auf, um ihn um Lebenshilfe zu bitten, doch erfüllte das Gespräch seine Erwartungen nicht.[64]

Einladung zu einem Sondervortrag Rudolf Steiners aufgrund der großen Nachfrage, Stuttgart 1919

Verschiedene Dichter bemühten sich um einen Zugang oder jedenfalls um eine Einschätzung von Steiner oder wurden von Dritten um eine solche ersucht. So besuchte etwa Hugo Ball einen Vortrag Steiners, um seine Wirkung zu ergründen. Er schrieb in einem Brief: „Vorgestern sprach Rudolf Steiner in den 'Vier Jahreszeiten' über das Wesen der Anthroposophie, unter unglaublichem Andrang. Aber es war eine Enttäuschung. Ich glaubte an eine gewisse persönliche Magie und horchte sehr angestrengt seiner Seele nach. Seine sprachliche Energie ist aber gar nicht 'leibfrei' (um seinen eigenen Terminus zu gebrauchen). Es blieb mir rätselhaft, worin seine Erfolge bestehen mögen.[65] Hermann Hesse fühlte sich gemüßigt, die Verwendung anthroposophischer Quellen für seine Werke zurückzuweisen, da diese verschiedentlich bei ihm vermutet worden waren: „Anthroposophische, Steinersche Quellen habe ich nie benützt, sie sind für mich ungenießbar, die Welt und Literatur ist reich an echten, sauberen, guten und authentischen Quellen, es bedarf für den, der Mut und Geduld hat, selber zu suchen, der 'okkulten' und dabei meist elend getrübten Quellen nicht. Ich kenne sehr liebe Leute, die Steinerverehrer sind, aber für mich hat dieser krampfhafte Magier und überanstrengte Willensmensch nie einen Moment etwas vom Begnadeten gehabt, im Gegenteil.[66]

Bei aller Ablehnung, die Steiner erfuhr, hatte er auch unter bedeutenden Zeitgenossen Sympathisanten und Bewunderer. Albert Schweitzer etwa berichtete von einem besonderen Gefühl geistiger Zusammengehörigkeit, das ihn seit einer ersten persönlichen Begegnung mit Steiner verband.[67] Christian Morgenstern wurde ein begeisterter Anhänger Steiners, als er 1909 einige seiner Vorträge hörte.[68] Er widmete ihm seinen letzten, posthum erschienen Gedichtsband „Wir fanden einen Pfad“ (1914) und erwog sogar, Steiner für den Friedensnobelpreis vorzuschlagen.[69] In einem Brief an Friedrich Kayssler schrieb er: „Es gibt in der ganzen heutigen Kulturwelt keinen größeren geistigen Genuss, als diesem Manne zuzuhören, als sich von diesem unvergleichlichen Lehrer Vortrag halten zu lassen“. Selma Lagerlöf urteilte: „Der Mann ist ein ganz merkwürdiges Phänomen, das man versuchen sollte, ernst zu nehmen. Er verkündigt einige Lehren, an die ich lange geglaubt habe, unter anderem, dass es in unserer Zeit nicht angeht, eine Religion voll unbewiesener Wunder anzubieten: sondern die Religion muss eine Wissenschaft sein, die bewiesen werden kann, es gilt nicht mehr zu glauben, sondern zu wissen. Weiter, dass man sich selber durch ein festes, bewusstes, systematisches Denken Kenntnis von der Geisteswelt erwerben kann. Man soll nicht dasitzen wie ein träumender Mystiker, sondern durch Anstrengungen seines ganzen Denkvermögens dahin gelangen, die Welt, die uns sonst verborgen ist, zu sehen. Das ist wahr und richtig, und dazu ist alles bei ihm vertrauenswürdig und klug ohne Charlatanerie. In einigen Jahren wird seine Lehre von den Kanzeln verkündet werden.[70]

Alles in allem gab es wenig Zeitgenossen, die Steiner indifferent gegenüberstanden. Er hatte eine starke und ungemein polarisierende Wirkung. Seine Zuhörerschaft teilte sich zumeist in Anhänger und Gegner. Die vielfältigen Impulse für verschiedenste Lebensbereiche, die Steiner ausübte, wurden daher in der Regel außerhalb des anthroposophischen Kontextes wenig rezipiert.

Kritik

Das Werk Rudolf Steiners wurde schon zu seinen Lebzeiten sehr kontrovers diskutiert. Streitfragen dabei sind vor allem die proklamierte Wissenschaftlichkeit der Anthroposophie, die von Vertretern des universitären Wissenschaftsbetriebes nicht akzeptiert wird, die gnostischen Ansätze seiner Christologie, die von den Amtskirchen scharf verurteilt werden, sowie die vor allem am Ende des 20. Jahrhunderts diskutierte Rassismusfrage, bei der die Übernahme problematischer theosophischer Konzepte in Steiners Werk, insbesondere die Aussagen Steiners über Wurzelrassen, thematisiert wird.

Vor allem die esoterischen und okkulten Aspekte des Steinerschen Werkes sind Gegenstand von Kritik. So wird Steiner etwa als „moderner Esoteriker“ bezeichnet, der versuche, Glaubensfragen mit Wissenschaftlichkeit zu verbinden. Um dies zu erreichen, würden die Kriterien dessen, was als wissenschaftlich angesehen wird, eigenmächtig verschoben. Dies zeige sich etwa, wenn von „Geistes- oder Geheimwissenschaft“ und „hellseherischer Forschung“ die Rede sei. Alles, was mit den Erkenntnissen und Methoden der Wissenschaften nicht zu vereinbaren sei, werde deshalb als „höheres Wissen“ ausgegeben. Hartmut Zinser, Professor für Religionswissenschaft in Berlin, meint: „Damit werden die von R. Steiner angenommenen 'überweltlichen Welten' zu Glaubensaussagen, wie sie aus manchen (nicht allen) Religionen bekannt sind. Allerdings leugnet er den Glaubenscharakter dieser Aussagen und gibt sie als objektive, dem 'okkulten Sehvermögen', dem 'hellseherischen Bewußtsein', der 'Geistesschau' (Geh S. 25) in 'Meditation' und 'Kontemplation' (Geh S. 18) und durch 'Imagination, Inspiration und Intuition' (Geh S. 24) zugängliche Tatsachen aus.“ Steiner unterliege hier einem der erkenntnistheoretischen Grundfehler des modernen Okkultismus, da nicht zwischen Wahrnehmung und Deutung unterschieden werde. Zwar räume Steiner ein, dass seine Ausführungen als „Ergüsse einer wild gewordenen Phantastik oder eines träumerischen Gedankenspiels“ (Geh S. 12) oder als Resultat einer Selbstsuggestion (Geh S. 24) angesehen werden könnten, anstatt dieser Kritik jedoch mit Argumenten zu begegnen, reagiere Steiner mit einer Immunisierungsstrategie, die auf „höheres Wissen“ verweise: „Wer diese Welten (die übersinnlichen) leugnet, der sagt nichts anders, als daß er seine höheren Organe noch nicht entwickelt hat.“ (Theo S. 94) [71]

Im Zusammenhang mit Steiners „Hellsichtigkeit“ wird auch seine Christosophie kritisiert. Steiner behauptete, in der sogenannten „Akasha-Chronik“ ein „Fünftes Evangelium“ gelesen zu haben. Erst mit Hilfe dieser „Geistesforschung“ sei die Menschheit in der Lage zu begreifen, was das Kommen des Christus für sie bedeute. Erst durch diese Phase der „geistigen Erfassung des Christentums durch anthroposophische Vertiefung“ sei die Voraussetzung für eine neue Zeitepoche gegeben: „Indem wir Anthroposophie auf das Christentum anwenden, folgen wir der welthistorischen Notwendigkeit, die dritte christliche Zeitepoche vorzubereiten.“ Steiner fügte hinzu: „So nimmt sich die anthroposophische Weltanschauung aus wie eine Testamentsvollstreckung des Christentums. Um zum wahren Christentum geführt zu werden, wird der Mensch in Zukunft jene spirituellen Lehren aufnehmen müssen, welche die anthroposophische Weltanschauung zu geben vermag“ (Das Johannes-Evangelium, GA 103, S. 213). Jan Badewien, Weltanschauungsbeauftragter der Evangelischen Landeskirche in Baden, kommentiert diesen Anspruch Steiners mit den Worten: „Aus der Sicht aller christlicher Kirchen, die in der Ökumene miteinander verbunden sind, verlassen Steiner und seine Anthroposophie den gemeinsamen Boden der Christenheit, wenn sie eine weitere Offenbarungsschrift der Bibel an die Seite stellen bzw. ihr sogar vorordnen. Die Christosophie, aber auch das Menschenbild zeigen, wie weit Spekulationen schweifen können, wenn sie sich nicht mehr auf einen verbindlichen und allgemein zugänglichen Grund stützen, sondern auf eine von aussen nicht überprüfbare behauptete 'Quelle in der geistigen Welt'. Mit seiner – aus christlicher Perspektive – zusätzlichen Offenbarung muss sich Steiner auf eine Stufe mit Mormonen, dem Universellen Leben der Gabriele Witteck [sic!] oder dem Orden „Fiat lux“ von Uriella und vielen anderen stellen lassen, die jeweils eigene Bibeln verfasst bzw. Christus-Offenbarungen niedergeschrieben haben.“ [72]

Eine andere Kritik an Steiner bezieht sich auf die Verwendung von rassen- und geschlechtsspezifischen Stereotypen, wie sie allerdings zu seiner Zeit durchaus üblich waren. Steiner benutzte eine Rassensystematik, die sich auf die Hautfarben bezieht und diesen bestimmte Eigenschaften zuschreibt. So wird etwa die „weiße Rasse“ explizit mit dem „Denkleben“, die „schwarze Rasse“ mit dem „Triebleben“ und die „gelbe Rasse“ mit dem „Gefühlsleben“ assoziiert. Weiterhin werden geschlechtsspezifische Muster bedient, etwa wenn Steiner den Außereuropäern eine „weibliche Passivität“ zuschreibt. Die Kulturwissenschaftlerin Jana Husmann-Kastein kommt zu dem Urteil: „Steiner entwickelt zwar keine geschlossene Rassentheorie für die gegenwärtige Menschheit, aber mehrere rassentheoretische Modelle. Die Differenzierungssystematiken an sich beinhalten Essentialisierungen und Diskriminierungen und verbinden sich mit einem 'kosmologischen Determinismus'. Dabei schreiben sich farb- und geschlechtssymbolische Codierungen des Abendlandes deutlich ein.“ [73]

Wie weit Steiner in seinen Werken im Hinblick auf rassistischen Erklärungsansätze nur dem Zeitgeist folgt, wird kritisch von Hinrichs [74] diskutiert. Dazu wird aus Steiners „Geisteswissenschaftlichen Menschenkunde“ zitiert: „Die Menschen, welche ihr Ich-Gefühl zu gering ausgebildet hatten, wanderten nach dem Osten, und die übriggebliebenen Reste von diesen Menschen sind die nachherige Negerbevölkerung Afrikas geworden“. Es wird erwähnt, dass durch das Bundesfamilienministerium ein Antrag an die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) gestellt wurde, zwei Werke Steiners auf die Liste der jugendgefährdenden Medien zu setzen. Nach Ansicht des Bundesfamilienministeriums handelt es sich bei den kritisierten „Rassen diskriminierenden Aussagen! in den Werken Rudolf Steiners um "Ausprägungen einer spezifisch Steinerschen esoterischen Rassenkunde“ und „keinesfalls um Zufallsprodukte oder durch den Zeitgeist bedingte rassistische Stereotype“. Am 06.09.2007 soll über den Antrag entschieden werden.


Quellen

  1. Wolfgang G. Vögele schreibt: „Während die heutige Goethe-Forschung Steiners Herausgebertätigkeit den Rang einer Pioniertat zubilligt, lehnten die meisten Zeitgenossen Steiners Goethe-Interpretationen als ‚Vergewaltigung‘ Goethes ab.“ (Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 365). Steiner selbst räumte rückblickend ein, „dass, was ich bei Bearbeitung der Weimarischen Ausgabe in manchem Einzelnen gemacht habe, als Fehler von „Fachleuten“ bezeichnet werden kann“ (Mein Lebensgang, 1925, S. 314).
  2. Vgl. hierzu den 1994 erschienenen Sonderband 4a der Gesamtausgabe (Dokumente zur ‚Philosophie der Freiheit‘), der u. a. in einem vollständigen Facsimile die Korrekturen und Zusätze von Steiners Hand zeigt.
  3. Briefe II (1881-1891), hrsg. von E. Froböse und W. Teichert, 1955, S. 127. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 112
  4. Haeckel, Welträtsel, 1899, zitiert nach Fauth/Bubenheimer, Hochschullehr und Religion, 2000, S. 78 (PDF); Steiners Verhältnis zu Haeckel war bei aller ostentativen Parteinnahme durchaus zwiespältig. Als Haeckels „Die Welträtsel“ erschien, begleitet von heftigen Angriffen auf den Autor vor allem von Seiten der Kirchen, stellte sich Steiner in einer Aufsatzserie („Haeckel und seine Gegner“, 1899) rückhaltlos auf Haeckels Seite. Auch später, in seiner theosophischen Phase, bezeichnete er Haeckels kämpferisches Eintreten für die Evolutionstheorie als „die bedeutendste Tat des deutschen Geisteslebens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts“ (Steiner, „Autobiographische Skizze“ von 1907). Die Problematik dieser Haltung war Steiner selbst durchaus bewusst. So formulierte er eine mögliche Kritik aus der Sicht eines Haeckel-Anhängers: „Wie kann man einmal so für Haeckel eintreten und dann wieder allem ins Gesicht schlagen, was als gesunder ‹Monismus› aus Haeckels Forschungen folgt? Man könnte begreifen, dass der Verfasser dieser ‹Geheimwissenschaft› mit ‹Feuer und Schwert› gegen Haeckel zu Felde ziehe; dass er ihn verteidigt hat, ja dass er ihm sogar ‹Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert› gewidmet hat, das ist wohl das Ungeheuerlichste, was sich denken läßt. Haeckel hätte sich für diese Widmung wohl ‹mit nicht mißzuverstehender Ablehnung› bedankt, wenn er gewußt hätte, dass der Widmer einmal solches Zeug schreiben werde, wie es diese ‹Geheimwissenschaft› mit ihrem mehr als plumpen Dualismus enthält.“ Rudolf Steiner, Die Geheimwissenschaft im Umriss, Vorwort zur ersten Auflage, 1910 (Internet). Die Berufung Steiners auf Haeckel gilt als wichtiges Deutungsproblem für das Verständnis von Steiners intellektueller Entwicklung. So heißt es etwa in einer Rezension der Wiederauflage von Karl Ballmers Aufsatz „Ernst Haeckel und Rudolf Steiner“: „Derselbe Rudolf Steiner, der eine neue Christologie und damit auch ein neues Verhältnis zum Vatergrund alles Seins verkündete, die Lehre vom Leben des Menschen nach dem Tode so ausführlich zur Darstellung brachte und eine 'Philosophie der Freiheit' schrieb, stellt sich auf die Seite des Leugners von Gott, Unsterblichkeit und Freiheit! Wer kann das begreifen?“ (Internet). Übereinstimmend auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 120: "Wie reimt sich all das zusammen? - Keine Frage, seinen Schülern und wohlwollenden Interpreten hat es Steiner mit der Deutung der Haeckel-Episode nicht eben leicht gemacht."
  5. Steiner hatte allerdings bei Erscheinen der Erstauflage, am 5. Dezember 1893, an Mackay geschrieben, dass er bei einer Neuauflage „die Übereinstimmung meiner Ansichten mit den Stirnerschen ausführlich zeigen“ wollte. (GA 39, S. 139). Dies war aber bei Veröffentlichung einer überarbeiteten Fassung im Jahre 1918 nicht der Fall.
  6. „Welchen Weg hätte Nietzsche genommen, wenn nicht Schopenhauer, sondern Max Stirner sein Erzieher geworden wäre!“, Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 30 (Internet). Zu Steiners Nietzsche-Interpretationen siehe das gleichnamige Kapitel in David Marc Hoffmann, Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, 1991, S. 424-523
  7. Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 3 (Internet)
  8. Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, S. 41 f. (Internet)
  9. Rudolf Steiner, Der Individualismus in der Philosophie, 1988, S. 99 ff. (Internet); siehe auch David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, 1993, S. 25 f., der dieses Zitat als den Höhepunkt von Steiners Würdigungen Nietzsches bezeichnet.
  10. Rudolf Steiner, Keine Kälte, sondern Seligkeit der Befreiung, Magazin für Literatur Jahrgang 6, Nr. 27, 9.7.1898, (GA 32, S. 219-223, 2/1971) (Internet)
  11. Rudolf Steiner, Friedrich Nietzsche - Ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895, S. 28 (PDF)
  12. Felix Hau, Für eine Wiederentdeckung des frühen Rudolf Steiner, info3, September 1998 (Internet)
  13. Sylvain Coiplet, Anarchismus und soziale Dreigliederung - Ein Vergleich, Institut für Soziale Dreigliederung 4/2000 (Internet)
  14. Rudolf Steiner: Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, Band VI. Goethes Erkenntnis-Art, S. 124 (Internet)
  15. Christoph Lindenberg, Rudolf Steiner - eine Biographie (1997), S. 238.
  16. Die Art und Bedeutung der Mitarbeit Steiners konnte nicht vollständig geklärt werden. Steiner selbst betonte später, er habe nie in einem offiziellen Verhältnis zum Archiv gestanden. Adalbert Oehler, ein Vetter Förster-Nietzsches, schrieb dagegen in seinen Erinnerungen: „Am 20. April 1895 trat Dr. Rudolph Steiner - später als Führer der Anthroposophen berühmt geworden, damals im Goethe-Archiv zu Weimar beschäftigt und als außerordentlicher Nietzsche-Kenner bekannt - auf kurze Zeit in das Archiv ein. Er sollte, damit [der Nietzsche-Herausgeber Dr. Fritz] Kögel für die Bearbeitung der beiden genannten Bände der Gesamtausgabe freie Hand behielt, andere Arbeiten im Archiv erledigen. Dr. Kögel, der Dr. Steiner gut kannte, wollte sich mit ihm über verschiedene Nietzsche-Fragen aussprechen und war mit dem Eintritt einverstanden.“ Fest steht, dass Steiner im Frühjahr 1895 ein Verzeichnis der Literatur über Nietzsche zusammenstellte. Dieser Prospekt "Neue Nietzsche-Literatur" wurde gemeinsam mit dem ersten Band der Nietzsche-Biographie von Förster-Nietzsche ausgeliefert. Siehe David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv - Briefe und Dokumente 1984-1900, 1993, S. 20 f. Bei diesem Literaturverzeichnis aus der Feder Steiners handelt es sich um die erste Nietzsche-Bibliographie überhaupt. Sie ordnete auf sieben Seiten 168 Publikationen den Werken Nietzsches zu. Bei einem weiteren Arbeitsaufenthalt in Naumburg im Januar 1896 erstellte Steiner zudem ein Verzeichnis von Nietzsches Bibliothek. Auf 227 Seiten gliederte er 1077 Bände und Broschüren alphabetisch in 19 Sachgruppen auf (Hoffmann, S. 29 f.). Während Steiners Archivbesuchen ergaben sich angeregte philosophische Diskussionen mit Koegel und Förster-Nietzsche. Daraufhin äußerte Förster-Nietzsche den Wunsch, Steiner möge ihr seine „Anschauungen und Ergebnisse in Privatstunden entwickeln“ (Hoffmann, S. 39 f.) Aufgrund dieses Unterrichts war Förster-Nietzsche der Auffassung, Steiner sei aufgrund seines philosophischen Hintergrundes besser geeignet als Koegel, die letzten Bände der Nietzsche-Ausgabe, darunter den geplanten Band über Nietzsches letztes Werk "Umwertung aller Werte", zu edieren (Hoffmann, S. 42 f.). Förster-Nietzsche versuchte Kögel mit einer Intrige zugunsten Steiners aus dem Archiv zu drängen, was zu einem Eklat führte. Steiner widersetzte sich daraufhin dem noch zwei weitere Jahre von Förster-Nietzsche verfolgten Ansinnen, er möge in das Archiv eintreten. Steiner kritisierte die „Machenschaften“ des Archivs in zahlreichen Artikeln und Leserbriefen. So entstand zwischen Februar und Juli 1900 ein literarischer Streit, der 19 Zeitschriftenbeiträge umfasste und in persönlichen Angriffen bis an die Grenze der Ehrverletzung ging. Zu Steiners Tätigkeit im Nietzsche Archiv s. auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 115 ff.
  17. GA 39, S. 370f. Zitiert nach Walter Kugler, Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 1978, S. 170ff.
  18. Ralf Sonnenberg, "Fehler der Weltgeschichte": Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners, hagalil.com 07-07-2004
  19. Wolfgang g. Vögele (Hg.), Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 74.
  20. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 76
  21. Diese Mitteilung Mayreders gibt Friedrich Eckstein in einem Gespräch mit Edmund Schwab wieder. Das komplette Zitat Ecksteins lautet: "Steiner war in jenen Jahren in ziemlich bedrängten Verhältnissen, oft geradezu am Verhungern, so dass er meine Einladungen immer gern annahm. So schlecht ging es ihm bis in die Weimarer, ja auch Berliner Zeit. Rosa Mayreder, die [...] ihm ihre Arbeiten vor der Veröffentlichung einzuschicken pflegte, erzählte mir dass sie ihn in Weimar oder Berlin aufsuchte, da er ihr auf wiederholte Schreiben hin ein großes Manuskript, daß sie ihm wieder einmal gesendet hatte, nicht zu haben antwortete. Dabei habe sie das vermißte Manuskript gefunden. Er sei damals Alkoholiker gewesen, wenn auch nicht in jenem Übermaß, wie man es bei Mystikern oft findet. Erst ab der Jahrhundertwende habe Rudolf Steiner sich ganz fest in die Hand genommen und sei der geworden, als den ihn die Welt heute kennt." Zitiert nach Fred Poeppig: Rudolf Steiner - Der große Unbekannte. Leben und Werk, 1960, S. 85. S. auch Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 74 f. Übereinstimmend berichtet auch Otto Hartleben von exzessivem Alkoholgenuss und einem unsteten Lebenswandel. In einem Brief an eine Freundin schreibt er: "S[teiner] hatte seine Schlüssel vergessen, ist mit W... noch ins Café gegangen, ist Sonntag betrunken 'heimgekommen', hat Dein Telegramm nicht mal liegen sehn (Sonntag Nachmittag 3 Uhr ist er 'heimgekommen'!)." Ein Augenzeuge berichtete ähnliches: Otto Erich Hartleben und Rudolf Steiner betreten tief in der Nacht ein Berliner Nachtcafé, in dem eine Zigeunerkapelle fiedelt. Beide hatten wacker gezecht und waren in eifriger Diskussion über ein literarisches Thema." Zitiert nach Vögele, S. 86 und 87. Auf diesen übermäßigen Spirituosenkonsum der jungen Jahre war, nach Steiners wachsender Popularität, auch in der zeitgenössischen Presse immer wieder angespielt worden. Kurt Tucholsky etwa hatte in einem Pressebericht geschrieben: "Und nur eines kann ich nicht verstehen, wenn ich die Figur dieses Menschen betrachte, der mit Hartleben herumgesoffen hat, und von dem man sagt, er habe in diesen fröhlichen Kneipnächten die Figur des 'Serenissimus' erfunden-: Christian Morgenstern liebte ihn." Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 293 ff. (s. dazu auch unten).
  22. Moritz Zitter an Rosa Mayreder, 8. März 1903, Rudolf Steiner Archiv Dornach, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 75.
  23. "Der zukünftige Begründer der anthroposophischen Bewegung und vergötterte Prophet war zu jener Zeit noch ein wenig beachteter zigeunernder Intellektueller, dem wahrlich niemand seine kommende Erleuchtung und Erhöhung, mit einem Wort sein Damaskus vorausgesagt hatte. Er war vorher am neugegründeten Nietzsche-Archiv in Weimar tätig gewesen und hatte eine auf der Grenzscheide von Zarathustra und Haeckel sich bewegende, noch überwiegend naturwissenschaftlich gedachte 'Philosophie der Freiheit' geschrieben, die uns Damalige immerhin aufhorchen machte. Ihr verdankte er es wohl, dass Neumann-Hofer, der Herausgeber des 'Magazins für Litteratur', ihm dessen Redaktion übertragen hatte. Es war ein Glück für Steiner, dass dies so kam, und hat ihn vielleicht vor dem Untergang bewahrt. Denn seine unregelmäßige Lebensführung hätte ihn wahrscheinlich sehr bald in jeder anderen ähnlichen Stellung unmöglich gemacht. Neumann-Hofer war ein nachsichtiger Chef, von großzügigem Wesen und nichts weniger als ein Philister. Er liess Steiner seine Schwächen und Entgleisungen hingehen, wohl auch aus einem ihm auch sonst eigenen Fingerspitzengefühl für das Wesentliche und Besondere dieses reichlich verbummelten aber hochbegabten Mannes." Max Halbe, Jahrhundertwende. Geschichte meines Lebens 1893-1914, 1935, S. 179-184, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 91 f.
  24. s. Werner Portmann, Die wilden Schafe, Max und Siegfried Nacht. Zwei radikale, jüdische Existenzen, 2007 (Internet).
  25. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 75f.
  26. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 106 f.
  27. Brief an Anna Steiner, Berlin, 14. Februar 1904, in: GA 39, S. 435. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 76.
  28. Rudolf Steiner, Reinkarnation und Karma, Aufsatz in der Zeitschrift Luzifer 1903, heute in GA 34. Internet
  29. Steiner sagte selbst: „Es gibt manche, welche in ihr [der Geheimwissenschaft] nur eine Erscheinung sehen, welche darauf aus ist, Surrogate zu setzen an die Stelle bewährter Kräfte, oder welche in ihr nur einen Hang zum Synkretismus und Eklektizismus finden“, Wie kann die seelische Not der Gegenwart überwunden werden? Zürich, 10. Oktober 1916, GA 168, Dornach 1984, S. 91-120 (Internet).
  30. Steiner selbst bemerkte: Seit der Zeit, „als ich anthroposophische Vorträge hielt, [wollten] viele Leute, die früher mit mir verkehrt haben, nicht mehr mit mir verkehren", GA 350, S. 115. Schon 1902, als Steiner im Rahmen des monistischen Giordano-Bruno-Bundes erstmals öffentlich für die Theosophie eingetreten war (Vortragstitel: „Monismus und Theosophie“), schrieb ihm Bruno Wille, der Vorsitzende dieses Bundes: „Was ich daraus als Ihre Ansicht entnahm, ist mir insofern sehr sympathisch, als Sie die rein physische Weltbetrachtung verlassen und die geistige Seite, insbesondere die religiösen Werte des Welterlebnisses betonen. Indessen schaffen Sie sich Mißverständnisse und fordern parteiische Vorurteile heraus, wenn Sie für die sogenannten Theosophen eintreten. Dieser Name hat sich arg diskreditiert durch buddhistische Scholastik, occultistischen Aberglauben und spiritistischen Schwindel. Wie sehr Sie mißverstanden werden, sehe ich bereits jetzt an dem, was ich von Lesern [der Zeitschrift 'Der Freidenker'] über Ihre Haltung vernehme.“ Bruno Wille an Steiner, Brief vom 8. November 1902, zitiert nach Lindenberg, Rudolf Steiner - eine Chronik, 1988, S. 204.
  31. „Diese Begegnung mit der Theosophie wird für Rudolf Steiner zur entscheidenden Wende seines Lebens. In der theosophischen Lehre findet er einen Rahmen, in welchen er seine Wahrnehmungen in der Geisteswelt einbringen und sie deuten kann. Die Theosophie liefert Steiner eine ausgebaute Geographie der Geisteswelt, eine geistige Welt, die bevölkert ist von geistigen Wesen aller Art, die seine Ahnungen und Wahrnehmungen plausibel deuten kann. Steiner übernimmt denn auch innert kürzester Zeit die theosophische Weltsicht, er scheint sie förmlich aufzusaugen.“ Georg Otto Schmid, Anthroposophie, relinfo.ch, 1999.
  32. Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner - eine Chronik. 1988. S. 621.
  33. Rudolf Steiner - Die Aufgabe der Geisteswissenschaft und deren Bau in Dornach, Autoreferat eines Vortrags, 1916, in GA 35, S. 176 f.
  34. Annika Mombauer: Helmuth von Moltke and the Origins of the First World War, 2001. ISBN 0521791014 (Exzerpt als PDF), hier S. 8. Siehe auch Walter Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie, 1978, S. 187 ff., wo Steiners Einleitungstext abgedruckt ist. In diesem Text bezeichnete Steiner den Ersten Weltkrieg als eine „europäische Notwendigkeit“.
  35. Die Schrift, Erstausgabe 1918, stammte von Karl Heise. Der Titel lautete: Entente-Freimaurerei und Weltkrieg. Siehe Franz Wegener: Heinrich Himmler. Deutscher Spiritismus, französischer Okkultismus und der Reichsführer SS, 2004, ISBN 3931300153. Die Schrift war laut Mitteilung von Karl Heise selbst von Steiner angeregt, finanziert und eingeleitet worden, siehe den Brief Heises von 1937, abgedruckt in: Dokumente und Briefe zur Geschichte der Anthroposophischen Bewegung und Gesellschaft in der Zeit des Nationalsozialismus, Band I, hgg. von Arfst Wagner, 1991 (Internet). Zur Einleitung Steiners und weiteren Materialien siehe Lohengrin Verlag Internet. Das Buch Heises entwickelte sich zu einem wichtigen Baustein esoterisch-antisemitischen Verschwörungsdenkens. Es wurde 1982 von dem rechtsextremistischen „Verlag für ganzheitliche Forschung und Kultur“ nachgedruckt. Der Verlag, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, druckt unter anderem Bücher über die angebliche Echtheit der Protokolle der Weisen von Zion. Zu den Thesen des Buches siehe auch Manfred Spalinger: Karl Heises „Entente-Freimaurerei und Weltkrieg“ – Versuch einer Beurteilung, in: Beiträge zur Dreigliederung, Anthroposophie und Kunst. Heft 40/41, 1991 (Internet).
  36. So schrieb er in der Vorrede zur dritten Auflage seiner „Theosophie“ (1910): „Wer noch auf einem anderen Wege die hier dargestellten Wahrheiten suchen will, der findet einen solchen in meiner 'Philosophie der Freiheit'. In verschiedener Art streben diese beiden Bücher nach dem gleichen Ziele.“
  37. Ein Beispiel sind Schilderungen Steiners zu seinem Verhältnis zu Nietzsche, die David Marc Hoffmann in Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, 1991 und Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, 1993 als falsch nachgewiesen hat (S. Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv, S. 32ff.). Lorenzo Ravagli kommentiert in einem Aufsatz für das Jahrbuch für anthroposophische Kritik, 1997: „Hoffmann zeigt in seinem Buch nicht nur Steiners Wandlungen, wenn nicht gar 'Brüche', er weist auch seine Irrtümer und Erinnerungstäuschungen nach (S. 181-187). Von Hoffmann wird detailliert chronologisch und dokumentarisch rekonstruiert, daß die Behauptung in Steiners Mein Lebensgang, er sei durch den Besuch beim kranken Nietzsche in Naumburg zu seinem Buch Friedrich Nietzsche - ein Kämpfer gegen seine Zeit inspiriert worden, nicht stimmen kann, weil Steiners einzige Nietzschebegegnung am 22. Januar 1896 stattffand, sein Nietzschebuch aber im Frühjahr 1895 erschienen ist.“ (Internet). Rosa Mayreder bezeichnete die Erinnerungen bereits im Jahre 1925 als „schönfärberisch“: „Nach dem Erscheinen des von mir handelnden Abschnittes seiner Autobiographie wurde mir das 'Goetheanum' allwöchentlich mit den Fortsetzungen dieser Autobiographie zugesendet; der Eindruck des Unaufrichtigen, Schönfärberischen, Zurechtgemachten ließ mich daran so kühl wie seine ganze Persönlichkeit.“ Rosa Mayreder, Tagebücher 1873-1937, 1988, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 50. Auch Gerhard Wehr weist am Beispiel von Steiners Beziehung zu Haeckel auf Widersprüche zwischen den Erinnerungen und den historischen Begebenheiten hin: „Diese aus der Retrospektive geübte Verteidigung steht – wie so manches in Mein Lebensgang Gesagte – in einem bemerkenswerten Gegensatz zu dem zwei Jahrzehnte früher Ausgesprochenen.“ Wehr, S. 119
  38. So schrieb der Literaturkritiker und Schriftsteller Willy Haas 1963 in einer Erinnerung an Begegnungen mit Steiner: „Rudolf Steiner begann mich erst zu interessieren, als ich von der halsbrecherischen Kurve seines Geisteslebens erfuhr, die er sich geleistet hatte. [...]. Er, der den Kampf gegen den Materialismus der Zeit als seine Hauptaufgabe ansah, zitierte mit Bewunderung Ernst Haeckel. [...] Schon um 1900 begann seine Missionarstätigkeit aufgrund angeblicher oder echter übersinnlicher Erfahrungen. [...] Caliban [Pseudonym des Autors Willy Haas] wird es nie verstehen, wie ein Mann, der gestern noch mittelmäßige Theaterkritiken schrieb, heute als erleuchteter Übermensch mit einer esoterisch-gnostischen Geheimlehre auftreten kann.“ Willy Haas, Er scharte Anhänger um sich und seine Schule, in: Die Welt, 8. Juli 1963, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 176ff.
  39. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 128
  40. Gerhard Wehr, Der innere Weg, 1994 (2. Aufl.), S. 33.
  41. So erinnert sich etwa die Schriftstellerin Gabriele Reuter an Steiner als „Freidenker“, s. Gabriele Reuter, Begegnungen mit Friedrich Nietzsche, Feuilleton aus einer ungenannten Zeitung, undatiertes Typoskript des Rudolf Steiner Archivs. Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 71f.
  42. So Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 132.
  43. Rudolf Steiner, Goethes Naturwissenschaftliche Schriften, 1. Aufl 1926 (Internet), hier: Band XVII. Goethe gegen den Atomismus, S. 326 (Internet)
  44. Rudolf Steiner, Methodische Grundlagen der Anthroposophie, Gesammelte Aufsätze zur Philosophie, Naturwissenschaft, Ästhetik und Seelenkunde 1887-1901, 1961, S. 559. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 133
  45. Brief Rudolf Steiners an Pauline Specht, Weihnachten 1894, in: Rudolf Steiner, Briefe II, S. 181. Zitiert nach David Marc Hoffmann, Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv - Briefe und Dokumente 1894-1900, 1993, S. 16; s. auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 131
  46. Rudolf Steiner, Veröffentlichungen aus dem literarischen Frühwerk, Bd. 5, 1958, S. 44. Zitiert nach Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 134.
  47. Rudolf Steiner, Stirner reicht im 20. Jahrhundert nicht aus, GA 28, S.273-278 (Internet)
  48. Rudolf Steiner, Bürgerliche Egoistik Stirners als Untergang, GA 192, S.61-80, 1919 (Internet)
  49. Vortrag vom 20.7.1924, in: Esoterische Vetrachtungen karmischer Zusammenhänge, Band VI, S 73. Zum Sachverhalt siehe auch Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 131, und David Marc Hoffman, Zur Geschichte des Nietzsche-Archivs, 1991, S. 492-496.
  50. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 136f.
  51. „Vor dieser Jahrhundertwende stand die geschilderte Prüfung der Seele. Auf das geistige Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha in innerster, ernstester Erkenntnis-Feier kam es bei meiner Seelen-Entwicklung an.“ Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, S. 184 (PDF)
  52. Rudolf Steiner, Mein Lebensgang, S. 270f. (Internet)
  53. Steiner selbst hatte in Verbindung mit der mythischen Schau des Christus von einem Damaskus-Erlebnis gesprochen. Dieses werde aufgrund der seelischen Entwicklung noch im 20. Jahrhundert für zahlreiche Menschen möglich sein: „In unserem 20. Jahrhundert werden sich allmählich in einem Teil der Menschheit neue menschliche Seelenfähigkeiten entwickeln. Zum Beispiel wird es möglich sein, bevor das 20. Jahrhundert abgelaufen sein wird, den menschlichen Ätherleib wahrzunehmen. [...] Gewisse besonders dazu veranlagte Menschen werden noch eine andere Erfahrung machen. Was Paulus vor Damaskus erlebte und was für ihn eine persönliche Erfahrung war, das wird für eine gewisse Anzahl von Menschen allgemeine Erfahrung werden. [...] Die Menschen, welche im 20. Jahrhundert das Ereignis von Damaskus erlebt haben werden, werden das direkte Wissen vom Christus bekommen, sie werden nicht notwendig haben, sich auf Dokumente zu stützen, um den Christus zu erkennen, sondern sie werden das direkte Wissen haben, wie es heute nur der Initiierte besitzt. Alle Fähigkeiten, die heute mittels der Initiation erworben werden, werden in Zukunft allgemeine Fähigkeiten der Menschheit sein. Dieser Zustand der Seele, dieses Seelenerleben, wird im Okkultismus die ‚Wiederkunft Christi‘ genannt. Der Christus wird nicht wieder in einem physischen Leib verkörpert sein, sondern er wird in einem ätherischen Leib erscheinen, wie auf der Straße nach Damaskus.” Rudolf Steiner: Das Ereignis der Christus-Erscheinung in der ätherischen Welt. GA 118, 18.04.1910, S.156 f. (Internet)
  54. Gerhard Wehr, Rudolf Steiner, 1993, S. 137f. Zur Diskussion um Steiners "Einweihung" und den Zusammenhang zum Christentum s. auch Felix Hau, Rudolf Steiner integral, Info3 Mai 2005 (Internet). Hau bestreitet in einem inneranthroposophischen Diskurs jeden Zusammenhang einer „Einweihung“ mit dem Christentum, was jedoch eine Einzelmeinung ist. Biograph Vögele fasst das Erweckungserlebnis Steiners wie folgt: „Zur Prüfung gehörte weiter eine Auseinandersetzung mit dem Christentum. Das konfessionelle Christentum mit seiner Jenseitslehre und seinen sittlichen Geboten empfand Steiner als ebenso 'philiströs' und unzeitgemäß wie die Institution der bürgerlichen Ehe. Andrerseits empfand er hinter dem Materialismus 'dämonische Mächte', gegen die er zu kämpfen hatte. Die Lösung aller Zweifel ergab ergab sich ihm in der Jahrhundertwende durch ein entscheidendes inneres Erlebnis, das er in seinen Memoiren nur mit sparsamen Worten andeutet: sein vielzitiertes 'Gestanden-Haben vor dem Mysterium von Golgatha'“.
  55. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 108
  56. Richard Specht, Aus Rudolf Steiners Jugendzeit, in: Neues Wiener Journal, 26. April 1925. zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 108.
  57. Vossische Zeitung, Berlin, 1. April 1925; Zitiert nach Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 63f.
  58. Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 303.
  59. Alfred Winterstein, Der Rattenfänger – Anlässlich der Tagung des Anthroposophenkongresses, Neue Freie Presse, Wien, Feuilleton, 20. Juni 1922, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 271f.
  60. Ignaz Wrobel (Pseudonym von Kurt Tucholsky), Rudolf Steiner in Paris, in: Die Weltbühne, Jg. 20, Nr. 27, 3. Juli 1924, II, S. 26-28, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 293ff.
  61. Wilhelm Keilhau , in: Samtiden, 37. Jg., Oslo 1926, zitiert nach: Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 257
  62. Augenzeugenberichte von Franz Halla, in: Mitteilungen aus der anthroposophischen Arbeit in Deutschland, Nr. 32, Juni 1955, S. 74-75 und von Rudolf Toepell in Brief an Herbert Hennig, 20.5.1955; Rudolf Steiner Archiv; zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 199f.
  63. Zu Zweig s. Stefan Zweig, Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers, 1944, S. 119-122. Zitiert nach Vögele, S. 132; zu Kafka s. Franz Kafka, aus: Gustav Janouch, Gespräche mit Kafka. Erweiterte Ausgabe, 1968, S. 191-193, Zitiert nach Vögele, Der andere Steiner, 2005, S. 186.
  64. Franz Kafka: Tagebücher in der Fassung der Handschrift, 1990, S. 30-35, zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 186-91, hier S. 191f.
  65. Hugo Ball, Briefe 1911-1927, 1957, S. 143. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 261.
  66. Hermann Hesse, Brief an Otto Hartmann, 22.3.1935. Zitiert nach Vögele, Der andere Rudolf Steiner, 2005, S. 243.
  67. Einer von uns beiden, ich weiß nicht mehr, welcher, kam darauf, vom geistigen Niedergang der Kultur als dem fundamentalen, unbeachteten Problem unserer Zeit zu sprechen. Da erfuhren wir, dass wir beide mit ihm beschäftigt waren. Keiner hatte es von dem anderen erwartet. Eine lebhafte Aussprache kam alsbald in Gang. Einer von dem anderen erfuhren wir, dass wir uns als Lebensaufgabe dasselbe vornahmen, sich um das Aufkommen der wahren, vom Humanitätsideal belebten und beherrschten Kultur zu bemühen, und die Menschen dazu anzuhalten, wahrhaft denkende Menschen zu werden. In diesem Bewusstsein der Zusammengehörigkeit verabschiedeten wir uns. (...) das Bewusstsein der Zusammengehörigkeit blieb. Ein jeder verfolgte das Wirken des andern. Rudolf Steiners hohen Gedankenflug der Geisteswissenschaft mitzumachen, war mir nicht verliehen. Ich weiß aber, dass er in diesem so manchen Menschen mit emporriss und neue Menschen aus ihnen machte. In seiner Jüngerschaft sind hervorragende Leistungen auf so manchem Gebiete vollbracht worden.“ Albert Schweitzer, Werke aus dem Nachlaß, Vorträge, Vorlesungen, Aufsätze, 2003, S. 229-231. Zitiert nach Vögele, S. 157.
  68. Michael Bauer: Christian Morgensterns Leben und Werk, 1933
  69. Es liegt ein Briefentwurf dieses Inhalts von ihm vor, der allerdings nie abgeschickt wurde. In dem Entwurf heisst es: „Für den, welcher die [theosophisch-anthroposophische] Bewegung seit Jahren aus eigenster Erfahrung kennt, entspricht Dr. Rudolf Steiner in dreifacher Beziehung den Bedingungen der Nobelpreisstiftung: als Wissenschaftler, als Dichter und als Förderer des Friedens. Denn abgesehen davon, dass sein philosophisches Hauptwerk 'Die Philosophie der Freiheit' als die wesentlichste Hervorbringung der neuen deutschen Philiosophie erkannt werden muss, abgesehen von den zahlreichen Schriften über Goethe [...], abgesehen endlich von seinem neuen, durchgreifend umgearbeiteten Werke 'Die Rätsel der Philosophie' ist Rudolf Steiner als Verfasser der Bücher 'Das Christentum als mystische Tatsache', 'Theosophie', 'Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten', 'Geheimwissenschaft im Umriss' - um nur die umfangreichsten zu nennen - der erste geisteswissenschaftliche Gelehrte und Schriftsteller Europas, ja, man muss weitergehen: der ganzen gegenwärtigen Kultur. [...] Es ist aber nicht die Absicht des Unterzeichneten, an dieser Stelle von Rudolf Steiner als von einem Phänomen der Wissenschaft oder der Dichtung zu sprechen, sondern nur: ihn in seiner dritten Eigenschaft als einen der größten Förderer des Weltfriedens zu kennzeichnen. In der Tat, wenn heute jemand für die brüderliche Annäherung der Menschen wirkt, so ist es dieser Mann, der allein durch seine Persönlichkeit Angehörige der verschiedensten Nationalitäten in edelstem geistigem Streben einigt. [...] Die eigentliche, im höchsten Menschheitssinne schöpferische Tätigkeit Rudolf Steiners jedoch wird erst der Historiker enthüllen, der die Geschichte dieses erhabenen Lebens zu schreiben berufen sein wird. Dann wird mit tiefem Erstaunen wahrgenommen werden, was da in der Stille für den Menschen als solchen überhaupt geschieht und geschehen ist, und welchen unersetzlichen Rückhalt und Stützpunkt ihm die Lebensarbeit dieses Geistes gegeben hat, wahrend das Jahrhundert immer weiter in die furchtbare Wüste des Materialismus hineineilt. [...] Ich weiß wohl, wieviel Geringschätzung, Verkennung dem Werke Rudolf Steiners ringsum begegnet. Aber auch die Friedensidee ist ja anfänglich verhöhnt und verachtet worden [...].“ Zitiert nach Walter Kugler, Feindbild Steiner, 2001, S. 59f.
  70. Zitiert nach Walter Kugler, Feindbild Steiner, 2001, S. 61.
  71. Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript, 2006, S. 7
  72. Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragstext, 2006, S. 11f.
  73. Jana Husmann-Kastein: Schwarz-Weiß-Konstruktionen im Rassebild Rudolf Steiners, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006, S. 17f.
  74. Per Hinrichs: Die Lehre von Atlantis. Spiegel-Online, 03.09.2007

Werke

Rudolf Steiners Werk gliedert sich in 36 Bände mit Schriften, etwa 6000 Vorträge sowie die architektonischen und künstlerischen Arbeiten. Ein Großteil der Vorträge ist in Mitschriften von Berufsstenographen und Vortragszuhörern erhalten geblieben. Sie erschienen zunächst im Privatdruck und in Zeitschriften. Später begannen verschiedene Verlage die Vorträge, Schriften im engeren Sinne wie auch die dazu gehörigen Wandtafelbilder zu edieren. Am bedeutendsten ist der Rudolf Steiner Verlag in Dornach, der aus dem bis zu ihrem Tod 1948 von Marie Steiner als Alleinerbin der Autorenrechte geleiteten Nachlassverein hervorging und eine Gesamtausgabe (GA) mit über 300 Bänden vertreibt.

Im Vortragswerk sind verschiedene Sparten zu unterscheiden, die sich an ganz unterschiedliche Hörer wendeten:

  • Die Vorträge für Mitglieder der Theosophischen bzw. Anthroposophischen Gesellschaft (GA 93-270): Sie waren ursprünglich von Steiner nicht zur Veröffentlichung gedacht. Weil dennoch immer mehr teils fragwürdige Mitschriften kursierten, beauftragte er seine Gattin, diese Vorträge professionell stenographieren zu lassen und mit dem Vermerk zu veröffentlichen, dass diese Texte nur verstehen könne, wer mit den Grundlagen der Anthroposophie vertraut sei.
  • Öffentliche Vorträge (GA 51-84): Hier vertrat Steiner seine Anthroposophie voraussetzungslos. Diese Texte demonstrieren, wie er seine Anthroposophie an das „mitteleuropäische“ Geistesleben anknüpfen wollte.
  • Arbeitervorträge“ (GA 347-354): eigentlich keine Vorträge, sondern eher Plauderstunden mit den Leuten, die das erste Goetheanum bauten. Steiner griff auf, was die „Arbeiter“ ihn fragten, aber nur seine Antworten wurden mitgeschrieben. Das macht diese Texte sehr problematisch, weil kaum zu unterscheiden ist, was wirklich Steiners Meinung war und was er nur als Teil der gestellten Frage referierte.

Die wichtigsten Publikationen:

  • Rudolf Steiner Gesamtausgabe
  • Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften, 1883 - 1897 (Internet)
  • Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, mit besonderer Rücksicht auf Schiller, 1886 (Internet)
  • Wahrheit und Wissenschaft. Vorspiel einer „Philosophie der Freiheit“, 1892 (Internet)
  • Philosophie der Freiheit. Grundzüge einer modernen Weltanschauung - Seelische Beobachtungsresultate nach naturwissenschaftlicher Methode, 1894 (Internet)
  • Friedrich Nietzsche, ein Kämpfer gegen seine Zeit, 1895
  • Goethes Weltanschauung, 1897
  • Die Mystik im Aufgange des neuzeitlichen Geisteslebens und ihr Verhältnis zur modernen Weltanschauung, 1901
  • Das Christentum als mystische Tatsache und die Mysterien des Altertums , 1902 (Internet; sowie die 24 Vorträge, die diesem Werk zugrunde liegen PDF)
  • Theosophie. Einführung in übersinnliche Welterkenntnis und Menschenbestimmung, 1904
  • Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten, 1904
  • Aus der Akasha-Chronik, 1904 – 1908
  • Die Stufen der höheren Erkenntnis, 1905 – 1908
  • Die Theosophie des Rosenkreuzers (Vortragszyklus), 1907, ISBN 3-7274-0990-8
  • Die Geheimwissenschaft im Umriss, 1909
  • Vier Mysteriendramen, 1910-1913
  • Die geistige Führung des Menschen und der Menschheit, 1911
  • Ein Weg zur Selbsterkenntnis des Menschen, 1912
  • Die Schwelle der geistigen Welt, 1913
  • Die Rätsel der Philosophie, 1914
  • Vom Menschenrätsel, 1916
  • Von Seelenrätseln, 1917
  • Goethes Geistesart, 1918
  • Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegenwart und Zukunft, 1919
  • Aufsätze über die Dreigliederung des sozialen Organismus, 1919
  • Mein Lebensgang, 1925 (PDF)
  • Anthroposophische Leitsätze, 1924/1925
  • Grundlegendes für eine Erweiterung der Heilkunst nach geisteswissenschaftlichen Erkenntnissen (mit Ita Wegman), 1925

Literatur

  • Walter Abendroth: Rudolf Steiner und die heutige Welt. 179 S., Fischer Taschenbuch Verlag 1982, ISBN 3596255139
  • Karl Ballmer: Max Stirner und Rudolf Steiner: Vier Aufsätze. 54 S., Edition LGC 1995, ISBN 3930964244
  • Walter Beck: Rudolf Steiner. 396 S., Verlag am Goetheanum 2002, ISBN 3723509649
  • Guido Grandt, Michael Grandt: Rudolf Steiner und die Anthroposophen (1999), ISBN 3932710096
  • David M. Hoffmann: Rudolf Steiner und das Nietzsche-Archiv. 294 S., Rudolf Steiner Verlag 1999, ISBN 3727453265
  • Wolfram Groddeck: Eine Wegleitung durch die Rudolf Steiner Gesamtausgabe. Hinweise für das Studium der Schriften und Vorträge Rudolf Steiners. 78 S., Rudolf Steiner Verlag 1979, ISBN 3727451947
  • Jutta Hecker: Rudolf Steiner in Weimar. 200 S., 1988, ISBN 3723504574
  • Johannes Hemleben: Rudolf Steiner und Ernst Haeckel. 1969, ISBN 3772505139
  • Michael Kirn: Hegels Phänomenologie des Geistes und die Sinneslehre Rudolf Steiners. Urachhaus, ISBN 3-87838-595-1
  • Walter Kugler: Rudolf Steiner und die Anthroposophie. Wege zu einem neuen Menschen. Neuauflage. 241 S., DuMont Reise Verlag 1991, ISBN 3770127846
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 159 S., Rowohlt Verlag 1992, ISBN 3499505002
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Chronik. 653 S., Verlag Freies Geistesleben 1988, ISBN 3772509053 (vergriffen)
  • Christoph Lindenberg: Rudolf Steiner. Eine Biographie, 1025 S. (2 Bd.), Verlag Freies Geistesleben 1997, ISBN 3772515517
  • Sonja Ohlenschläger: Rudolf Steiner (1861-1925). 248 S., Dr. Michael Imhof 1999, ISBN 3932526376 (vergriffen)
  • Wilhelm Rath: Rudolf Steiner und Thomas von Aquino. 120 S., Perseus Verlag 1991, ISBN 390756409X
  • Günter Röschert: Die Todeskrankheit Rudolf Steiners. Jahrbuch für anthroposophische Kritik 1998, S. 204-208. ISBN 3-929606-08-9
  • Karen Swassjan: Rudolf Steiner. Ein Kommender. 368 S., Verlag am Goetheanum 2005, ISBN 978-3723512593
  • Wolfgang Treher: Hitler, Steiner, Schreber - Gäste aus einer anderen Welt. Die seelischen Strukturen des schizophrenen Prophetenwahns, 2. Auflage 1990, Emmendingen, ISBN 3921031001
  • Gerhard Wehr: C. G. Jung und Rudolf Steiner. 268 S., Diogenes Verlag Zürich 1990, ISBN 3257218109
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner zur Einführung. 176 S., Junius Verlag Hamburg 1994, ISBN 3885068990
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 271 S., Diogenes Verlag 1993, ISBN 3257226152
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner als christlicher Esoteriker. 111 S., 1985, ISBN 3591080675
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. Wirklichkeit, Erkenntnis und Kulturimpuls. 429 S., 1985, ISBN 3591081779
  • Gerhard Wehr: Rudolf Steiner. 96 S., Diederichs Verlag 2005, ISBN 3720525805
  • Colin Wilson: Rudolf Steiner. Verkünder eines neuen Welt- und Menschenbildes. 205 S., Heyne Verlag München 1985, ISBN 3453551354
  • Wolfgang G. Vögele, Der andere Rudolf Steiner. Augenzeugenberichte, Interviews, Karikaturen, 2005 ISBN 3856361588

Weblinks

Commons: Rudolf Steiner – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Essays
  • Felix Hau, Für eine Wiederentdeckung des frühen Rudolf Steiner - Ein Ketzerbrief, Info3, September 1998
  • Hartmut Zinser, Rudolf Steiners „Geheim- und Geisteswissenschaft“ als moderne Esoterik, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen. Veranstaltet vom Kulturwissenschaftlichen Seminar, in Kooperation mit dem Graduiertenkolleg „Geschlecht als Wissenskategorie“, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Jan Badewien, Faszination Akasha-Chronik - Eine kritische Einführung in die Geisteswelt der Anthroposophie, Vortragsmanuskript. Tagung: Anthroposophie – kritische Reflexionen, Humboldt-Universität zu Berlin, 21.07.2006.
  • Ralf Sonnenberg, Judentum, Zionismus und Antisemitismus aus der Sicht Rudolf Steiners, haGalil 07-07-2004
  • Diskussion: „Diskriminierende Äußerungen von Rudolf Steiner und ihr Einfluss auf die Anthroposophie“, aus: TANGRAM Nr. 6, S. 50-56, dem Bulletin der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus EKR, Bern, abgedruckt bei Infosekta.ch