Tempo-30-Zone

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Fahrbahnmarkierung in einer Tempo-30-Zone in Deutschland
Zone-30-Beschilderung in den Niederlanden

Eine Tempo-30-Zone ist ein Bereich des öffentlichen Straßenverkehrs, innerhalb dessen sich alle Fahrzeuge höchstens mit einer Geschwindigkeit von 30 km/h fortbewegen dürfen. Zonen dieser Art dienen der Verkehrsberuhigung. Besonders häufig sind sie in Wohngebieten zu finden.

Geschichte

Deutschland

Vor Buxtehude wurde in Hamburg in der Lindenallee im Rahmen eines Stadterneuerungsprogramm im Jahre 1979 ein Versuchsaufbau einer verkehrsberuhigten Zone mit Tempo 30 km/h eingerichtet. Dieser Versuch wurde unter der Leitung von Prof. Jobst Weber nach einem holländischen Vorbild unter Mitwirkung der Anwohner durchgeführt. Danach wurde die Lindenallee im Jahre 1980 umgebaut, die Trennung von Gehweg und Fahrbahn wurde aufgehoben, es wurden Parkzonen eingerichtet und die Straße durch begrünte Verschwenkungen langsamer gemacht. Anschließend wurden fast alle Straße des Stadterneuerungsgebietes zu „30-km-Zonen“ erklärt.

Die Innenstadt von Buxtehude wurde am 14. November 1983 im Rahmen eines Modellversuchs zur ersten Tempo-30-Zone in Deutschland erklärt.[1] In den 1980er Jahren führten zahlreiche deutsche Städte in ihren Wohngebieten Tempo-30-Zonen ein. Beispielsweise richtete die Stadt München ihre erste Tempo-30-Zone (Siedlung am Lerchenauer See) am 19. Januar 1988 ein.

In Köln waren seit Ende der 1980er Jahre bereits 354 Tempo-30-Zonen eingerichtet[2].

Am 4. Dezember 2020 teilte die Stadt Freiburg mit, einen Modellversuch für Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit innerorts durchführen zu wollen. Mit dem Modellversuch möchte die Stadt erproben, wie eine allgemeine Tempo-30-Zone innerorts funktionieren würde und welche Einflüsse damit einhergingen.[3]

Österreich

Die Stadt Graz hat am 1. September 1992 die Höchstgeschwindigkeit auf allen Straßen mit Ausnahme der Hauptverkehrsstraßen auf maximal 30 km/h festgelegt. Der 7. Wiener Gemeindebezirk Neubau setzt als erster Wiener Bezirk flächendeckend auf Tempo 30.[4] Im 6. Bezirk Mariahilf gibt es nur noch in der Linken Wienzeile Tempo 50.[5] In Wien begann man in den späten 1980er-Jahren mit der Errichtung von Tempo-30-Zonen.[6]

Schweiz

In der Schweiz wurden Tempo-30-Zonen 1989 gesetzlich geregelt und anschließend 1990 erstmals in Winterthur eingerichtet.[7] 1994 wurde in St. Gallen die erste Tempo-30-Zone eingeführt.[8] Bei der Volksabstimmung vom 4. März 2001 wurde eine generelle Einführung von Tempo 30 mit rund 80 Prozent Nein-Stimmen abgelehnt. Ab 2005 wurde in Köniz im Rahmen eines Pilotprojekts auf der Schwarzenburgstrasse, einer vielbefahrenen Hauptstrasse mit einer durchschnittlichen täglichen Verkehrsstärke von 17'000 Fahrzeugen, ein Tempo-30-Regime getestet.[9] Nach dem erfolgreichen Pilotprojekt wurde das Regime im gleichen Jahr definitiv eingeführt. Die Anpassungen erfolgten im Rahmen einer Sanierung nach dem Berner Modell. 2013 wurde in Bassersdorf flächendeckend auf allen Quartierstrassen Tempo 30 eingeführt.[10] Basel hat mit Stand März 2018 bereits 56 Prozent des innerstädtischen Strassennetzes auf Tempo-30-Zonen umgestellt.[11] Früher waren in der Schweiz Tempo-40-Zonen bekannt.

Gegen Ende der 2010er führte die vermehrte Einführung von Tempo 30 auf Hauptstrassen zu Widerstand.[12][13] So hat etwa Nationalrat Gregor Rutz (SVP) versucht, mit einer parlamentarischen Initiative eine Änderung des Strassenverkehrsgesetzes zu erwirken. Sein Vorstoss wurde vom Nationalrat angenommen.[14] Jedoch hat die Verkehrskommission des Ständerates Rutz’ Vorstoss mit 9 zu 2 Stimmen bei 2 Enthaltungen abgewiesen.[15] Gegen die Initiative hat z. B. der Schweizerische Städteverband lobbyiert.[16] Am Ende wurde die Initiative Mitte Juni 2019 vom Ständerat mit 20 zu 16 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt. Somit ist die Rutz-Initiative gescheitert.[17] Die regionalen Sektionen des TCS setzen sich regelmässig gegen Tempo-30-Zonen ein.[18][19][20] In Adligenswil sprachen sich Exponenten der SVP und FDP gegen die Einführung von Tempo 30 aus.[21] Die Beratungsstelle für Unfallverhütung fordert hingegen, dass die rechtlichen Hürden für eine Einführung von Tempo 30 reduziert werden.[22]

Spanien

In Spanien wurde im Mai 2021 in Städten grundsätzlich Tempo 30 eingeführt, zumindest auf 80 % der Straßen. Das Land will damit in erster Linie die Unfallzahlen senken.[23] Die Höchstgeschwindigkeit ist abhängig von der Anzahl der Fahrspuren:

  • Auf Straßen mit einer einzigen Fahrspur für beide Fahrtrichtungen (Straßen ohne Fahrbahnmarkierung in der Mitte) und seitlichen Gehsteigen auf einer Ebene ohne Höhenunterschied gilt ein Tempolimit von 20 km/h
  • Auf Straßen mit jeweils einer Fahrbahn für jede Fahrtrichtung gelten maximal 30 km/h[23]
  • Auf Straßen mit zwei oder mehr Fahrspuren in jeder Fahrtrichtung beträgt das Tempolimit weiterhin 50 km/h

Frankreich

Am 8. Juli 2019 wurde in Bègles eine flächendeckende Tempo-30-Zone eingerichtet.[24]

Zweck

Eine Tempo-30-Zone kann aus folgenden Gründen eingerichtet werden:

Beschilderung

Die Verkehrsregeln für Tempo-30-Zonen und deren Beschilderung werden in den Straßenverkehrsgesetzen der jeweiligen Länder geregelt und sind weitgehend ähnlich angelegt.

In Deutschland, Österreich, der Schweiz und zahlreichen anderen Ländern wird am Beginn und am Ende einer Tempo-30-Zone jeweils ein entsprechendes Schild aufgestellt.

Die Ankündigung einer Tempo-30-Zone kann zusätzlich zur Beschilderung durch eine auf die Fahrbahn aufgebrachte Flächenmarkierung erfolgen. Diese ist Rot mit weißem Rahmen und einer weiß umrahmten 30 in der Mitte, manchmal aber auch nur die Ziffer 30 in weißer Farbe, wobei aber die Fahrbahnmarkierung ohne das entsprechende Schild alleine keine Bedeutung hat.

Rechtliche Situation in Deutschland

In Deutschland werden Tempo-30-Zonen auf Basis des § 45 Abs. 1c der StVO eingerichtet. Der Beginn der Tempo-30-Zone wird mit Zeichen 274.1, das Ende mit Zeichen 274.2 gekennzeichnet. Die Vorfahrt ist innerhalb einer Tempo-30-Zone grundsätzlich durch die Regel „rechts vor links“ (§ 8 StVO) festgelegt, für ältere lichtzeichengeregelte Einmündungen besteht jedoch Bestandsschutz. Nach der VwV-StVO kann abweichend von der Grundregel auch Zeichen 301 (Vorfahrt an der nächsten Kreuzung oder Einmündung) angeordnet werden, wenn „die Verkehrssicherheit es wegen der Gestaltung der Kreuzung oder Einmündung oder die Belange des Buslinienverkehrs es erfordern“.

In Tempo-30-Zonen dürfen zudem keine benutzungspflichtigen Radwege ausgewiesen werden. Sie dürfen nur Straßen ohne Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) und Leitlinien (Zeichen 340) umfassen, weshalb auch die Anlage von Schutzstreifen unzulässig ist. Seit dem 1. Februar 2001 müssen in Deutschland Tempo-30-Zonen nicht mehr durch Hindernisse auf der Fahrbahn angekündigt werden. Mit der neu eingeführten Vorschrift des § 39 Abs. 1a StVO wurde festgelegt, dass Autofahrer innerhalb geschlossener Ortschaften abseits der Vorfahrtstraßen mit der Anordnung von Tempo-30-Zonen jederzeit zu rechnen haben.

Die VwV-StVO führt aus (Rd.-Nr. 37 zu § 45): „Die Anordnung von Tempo 30-Zonen soll auf der Grundlage einer flächenhaften Verkehrsplanung der Gemeinde vorgenommen werden, in deren Rahmen zugleich das innerörtliche Vorfahrtstraßennetz (Zeichen 306) festgelegt werden soll. Dabei ist ein leistungsfähiges, auch den Bedürfnissen des öffentlichen Personennahverkehrs und des Wirtschaftsverkehrs entsprechendes Vorfahrtstraßennetz (Zeichen 306) sicherzustellen. Der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (wie Rettungswesen, Katastrophenschutz, Feuerwehr) sowie der Verkehrssicherheit ist vorrangig Rechnung zu tragen.“ Die Definition eines Vorfahrtsstraßennetzes ist also Voraussetzung zur Einrichtung von Tempo-30-Zonen.

Nach dem schweizerischen Vorbild der Begegnungszonen mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 20 km/h werden in Deutschland vermehrt Verkehrsberuhigte Geschäftsbereiche (auch Tempo-20-Zonen genannt) eingerichtet. In solchen Bereichen sind alle Verkehrsregeln bis auf die Geschwindigkeitsbegrenzung identisch mit einer Tempo-30-Zone.[25] In ausgewiesenen verkehrsberuhigten Bereichen ist demgegenüber nur die Durchfahrt mit Schrittgeschwindigkeit (ca. 4 km/h) erlaubt.

Siehe auch

Weblinks

Commons: Tempo-30-Zone – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Tempo-30-Zone – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Dörte Schubert: Schonzeit für Fußgänger. Wie langsam Buxtehudes Autofahrer mit Tempo 30 zu leben lernen. In: Die Zeit. 11/1984 (zeit.de).
  2. Tempo 30-Zonen in Köln. In: stadt-koeln.de. Abgerufen am 26. September 2020.
  3. Christina FInke: Freiburg möchte Tempo 30 einführen. Autozeitung.de, 9. Februar 2021, abgerufen am 13. April 2021 (deutsch).
  4. Wien-Neubau führt flächendeckend Tempo 30 ein. In: derstandard.at. 30. Juni 2019, abgerufen am 28. August 2019.
  5. Verkehr: Tempo 30 in ganz Neubau. In: wien.orf.at. 1. Juli 2019, abgerufen am 28. August 2019.
  6. Tempo-30-Zonen - Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung. In: wien.gv.at. Abgerufen am 28. August 2019.
  7. Tempo 30 – Wer häts erfunde?
  8. Übersicht Tempo 30 Zonen. (PDF; 1,5 MB) In: stadt.sg.ch. 26. April 2019, abgerufen am 31. August 2019.
  9. Bau- und Verkehrsdirektion des Kantons Bern: Umgesetzte Projekte. In: derbund.ch. Kanton Bern, 30. Juli 2020, abgerufen am 30. Juli 2020.
  10. Übersicht über die Tempo-30-Zonen des Kantonsgebiets. In: zuonline.ch. 17. Januar 2017, abgerufen am 12. Mai 2019.
  11. Daniel Gerny, Erich Aschwanden: Tempo 30 wird zur Norm. In: nzz.ch. 30. März 2018, abgerufen am 18. Februar 2019.
  12. Simon Preisig: In Bern gilt bald «generell 30». In: derbund.ch. Der Bund, 2. Juni 2018, abgerufen am 2. Februar 2019.
  13. Andreas Sachse: Tempo 30 auf den Hauptstraßen: Unterhaching tritt auf die Bremse. In: merkur.de. 22. Juli 2019, abgerufen am 28. Juli 2019.
  14. Erich Aschwanden, Daniel Gerny: Tempo 30: Es kommt zum Showdown um die Signalisations-Hoheit. In: nzz.ch. 18. Februar 2019, abgerufen am 18. Februar 2019.
  15. Tempo 30 auf Hauptstrassen soll möglich bleiben. In: nzz.ch. 5. April 2019, abgerufen am 5. Juni 2019.
  16. Sieg für Ursula Wyss: Tempo 30-Einschränkung droht zu scheitern. In: derbund.ch. 5. April 2019, abgerufen am 5. Juni 2019.
  17. Ständerat will weiterhin Tempo-30-Zonen auf Hauptverkehrsachsen. In: aargauerzeitung.ch. 18. Juni 2019, abgerufen am 30. Juni 2019.
  18. Noemi Heule: Tempo 30 kommt schleppend voran. St. Galler Tagblatt, 20. Juli 2019, abgerufen am 14. März 2021.
  19. Tina Fassbind: Tempo 30 für einen besseren Schlaf. Tages-Anzeiger, 5. Juli 2019, abgerufen am 14. März 2021.
  20. Zuger TCS reicht Beschwerde gegen Tempo 30 ein. Zentralplus, 20. Februar 2019, abgerufen am 14. März 2021.
  21. Hugo Bischof: Einführung von Tempo 30 in Adligenswil verzögert sich wegen Einsprachen. In: luzernerzeitung.ch. 12. Oktober 2020, abgerufen am 21. November 2020.
  22. Beratungsstelle für Unfallverhütung: Revisionspaket zum Strassenverkehrsrecht. Potenzial für Verkehrssicherheit trotz wichtiger Impulse nicht ausgeschöpft. In: bfu.ch. 10. November 2020, abgerufen am 21. November 2020.
  23. a b Spanien: Tempo 30. Abgerufen am 12. Juni 2021 (deutsch).
  24. Martin Jungfer: Französische Stadt setzt flächendeckend auf Tempo 30. In: nzz.ch. 10. Juli 2019, abgerufen am 13. Juli 2019.
  25. Zukunftsmodell Tempo 20? Telepolis, 2. April 2012, abgerufen am 4. Dezember 2012.