Alchemie

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Alchimistenküche, Stich
einige Elementsymbole:
1 = Zinn, 2 = Blei, 3 = Gold, 4 = Schwefel, 5 = Quecksilber, 6 = Silber, 7 = Eisen

Die Alchemie (auch Alchymie oder Alchimie) ist ein alter Zweig der Naturphilosophie und wurde im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts von der modernen Chemie und der Pharmakologie abgelöst. Oft wird angenommen, die „Herstellung“ von Gold (Goldsynthese) und anderen Edelmetallen (Edelmetallsynthese) sei das einzige Ziel der Alchemisten gewesen. Das Spektrum der Alchemisten reicht aber von praktischen frühen Chemikern und Pharmazeuten, frühen Vorstellungen über den Aufbau der Materie, wozu auch lange der weit verbreitete Glaube an eine Umwandelbarkeit (Transmutation) von Metallen und anderen Elementen gehörte, über stark esoterische und mythisch gefärbten Spekulationen, mit Ideen über eine parallele Wandlung des Adepten die in neuerer Zeit zum Beispiel das Interesse des Tiefenpsychologen Carl Gustav Jung fanden, bis zu betrügerischen „Goldmachern“.

Etymologie und Herkunft

Hermes Trismegistos, Stich
Joseph Wright of Derby: Der Alchimist auf der Suche nach dem Stein der Weisen; Ölgemälde, 1771
Elementsymbole der Altphilosophen
1 = Feuer, 2 = Erde, 3 = Wasser, 4 = Luft
Wagner erschafft den Homunkulus, Kupferstich 19. Jh.

Die ältesten bekannten Aufzeichnungen über die Alchemie, insbesondere die Tabula Smaragdina, stammen aus dem alten Ägypten und dem hellenistischen Griechenland. Da diese zunächst ausschließlich über die arabische Welt nach Europa gelangten, stammt das Wort Alchemie vermutlich von arabisch الخيمياء / al-ḫīmiyāʾ oder الكيمياء / al-kīmiyāʾ und ägyptisch k(he)m für „schwarz“ ab, das wiederum seinen Ursprung im Griechischen (eventuell chymia bzw. chemeia für „Metallguss“ oder auch chymos für „Flüssigkeit“) zu haben scheint. Chinesische Wurzeln scheinen sehr unwahrscheinlich zu sein, obgleich es auch chinesisch ausgesprochene Worte mit ähnlicher Bedeutungen gibt (chin.: Kim-Iya „Goldmachersaft“; kemTransmutation“). Die Bedeutung des Wortes ist bislang nicht sicher geklärt und die möglichen Auslegungen sind vielfältig. Paracelsus und Georg Agricola verwendeten die Worte chymia bzw. chymista für die Alchemie. Beispielsweise lässt sich Alchemie mit „Kunst der Ägypter“, in einer anderen Lesart dagegen als „Lehre des Gießens“ übersetzen.[1]

Die Tabula Smaragdina war das grundlegende Buch der Alchemisten. Sie ist eine dem Hermes Trismegistos zugeschriebene, ursprünglich wohl griechische, später in lateinischer Fassung verbreitete Sammlung von wenigen, schwer verständlichen und auslegungsbedürftigen Sätzen, in denen die gesamte Weltweisheit enthalten sein sollte.

Aufgabengebiet und Errungenschaften

Ein Ziel der Alchemisten war häufig die Transmutation von unedlen Metallen zu Gold und Silber. Dass dies möglich war, war aber auch unter Gelehrten ihm Mittelalter keinesfalls allgemein anerkannt, große Wissenschaftler wie Avicenna, Ramon Lull und Arnaldus von Villanova lehnten das ab. Das verhinderte allerdings nicht, dass ihnen eine große Zahl alchemistischer Schriften untergeschoben wurde (z.B. Pseudo-Lull), was allgemein eine gängige Praxis der frühneuzeitlichen und mittelalterlichen alchemistischen Literatur war und deren Beurteilung schwierig macht. Ein weiteres Problem ist, das nicht immer ganz genau klar ist, was in alchemistischen Texten mit den dort erwähnten, meist nicht in reiner Form vorliegenden Chemikalien gemeint ist.

Der Stein der Weisen war dabei den Alchemisten eine besondere die Umwandlung eines unedlen Metalles zu Gold oder Silber ermöglichende „Tinktur“, vergleichbar einem Katalysator der heutigen Chemie. Die Alchemie war aber nur teilweise von der Idee der künstlichen Herstellung von Gold und dem Stein der Weisen, man suchte auch (ebenfalls häufig in Verbindung mit dem Stein der Weisen) ein Universal-Allheilmittels (Panacea). Ein gesuchtes Universallösungsmittel wurde Alkahest genannt.

Neben einer theoretischen, mehr esoterischen Komponente gab es einen praktischen Teil, der den sorgfältigen Umgang mit den Destillations-, Extraktions-, Sublimationsapparaturen voraussetzte. Im arabischen Raum war Rhazes ein typischer Vertreter der ausschließlich praktischen Orientierung der Alchemie.

Tabelle der alchemistischen Symbole (The last Will and Testament von Basil Valentine, 1670)

In der griechisch-arabischen Alchemie waren die Urelemente Erde, Wasser, Luft und Feuer nach Empedokles bekannt (Vier-Elemente-Lehre). Hinzu kam eine schon in Ansätzen bei Aristoteles vorhandene Auffassung von gegensätzlichen Prinzipien (warm – kalt, trocken – feucht), die ihre Entsprechungen in der Alchemie hatten. Danach sollten für Umwandlungen die Stoffe erst von unreinen Zutaten durch Anwendung der Prinzipien (wie Erhitzen, Abkühlen, Zusatz bestimmter Stoffe) befreit und auf die materia prima zurückgeführt, die dann z.B. in Gold überführt wurde.

Im arabischen Raum kam ab dem 9. Jahrhundert (mit Vorläufern im späthellenistischen Ägypten) auch den Elementen Schwefel und Quecksilber eine besondere Bedeutung zu, was auch für die abendländische Alchemie bestimmend wurde, die sich ab dem 12. Jahrhundert durch das Bekanntwerden arabischer Autoren durch Vermittlung über Spanien entwickelte. Sie übernahmen die Rolle von„Prinzipien“ bei der Umwandlung der Stoffe, das Prinzip Schwefel (oder Philosophischem Schwefel, Sulphur) wurde Feuer und Luft (Brennbarem) zugeordnet, das „Prinzip“ Quecksilber (Mercurius, Philosophisches Quecksilber), Erde und Wasser.

Paracelsus führte im frühen 16. Jahrhundert ein drittes Prinzip, das Salz ein, was teilweise die inzwischen entdeckte Bedeutung der Mineralsäuren widerspiegelte. Das Ziel von ihm und seinen Nachfolgern war in erster Linie die Erneuerung der damaligen Medizin und Entdeckungen in der Pharmazie (Iatrochemie).

Alchemisten hatten gegenüber Außenstehenden häufig ein strenges Schweigegebot bezüglich ihrer Kenntnisse. Sie bedienten sich einer verschlüsselten Fachsprache, die für Uneingeweihte nicht verständlich war. Viele Geheimnisse wurden nur mündlich den vertrauenswürdigsten Schülern (Adepten) anvertraut, wobei die Bezeichnung Adept die Bedeutung von Eingeweihter erhielt. Ab dem 16. Jahrhundert verbreitete sich das alchemistische Wissen mit dem Aufkommen des Buchdrucks, der Handschriften ersetzte, in breitere Kreise.

Die Alchemisten bezogen auch häufig die Astrologie mit ein, so standen die Metalle für Himmelskörper: das Gold für die Sonne, das Silber für den Mond, das Eisen für den Mars, das Kupfer für die Venus, das Quecksilber für den Merkur[2] (Siehe auch Planetenmetalle).

Alchemisten befassten sich, im Gegensatz zu gelegentlichen Falschangaben, nur allegorisch mit der Herstellung lebender Kunstwesen (Homunculus, Basilisk). Anklänge an diese okkulten Experimente finden sich noch in Goethes Faust I und Faust II, in Hoffmanns Sandmann und in Meyrinks Golem. In bildhaften Darstellungen wurden zudem chemische Elemente personifiziert. Aus der Vereinigung von Mann und Frau wurden etwa Hermaphroditen geboren, die Merkmale beider Ausgangsstoffe trugen. Damit ist nicht die Erschaffung eines künstlichen Wesens gemeint, sondern eine chemische Reaktion wird bildhaft gedeutet. Die oftmals künstlerisch aufwendig gestalteten Bildbände haben meist allegorischen und meditativen Charakter und sind keine Anleitung zu realen Experimenten.

Die alchemistischen Vorstellungen beruhten auf den damals gängigen und auch für nicht-okkulte Forscher verbindlichen Naturphilosophien. Auch wenn manche der damaligen Vorstellungen abwegig erscheinen mögen, so führte doch die Theoriebildung über die Wandlungen der Stoffe in der praktischen Laborarbeit hin zur modernen Naturwissenschaft. Der Übergang von der Alchemie zu den heute noch gängigen Materialwissenschaften wie der Metallurgie, der pharmazeutischen und der medizinischen Forschung geschah teilweise fließend, gewisse Traditionen wurden allerdings obsolet.

Alchemisten standen häufig als frühe Chemiker und Metallurgen mit dem Bergbau und Metallverarbeitung in Verbindung. Weitere Bereiche waren neben Pharmazie z.B. Glasherstellung. So ist die experimentelle Anwendung der Alchemie die Grundlage für die (Wieder-)Erfindung des Porzellans und des Schwarzpulvers in Europa. Das Porzellan zum Beispiel ist ein Abfallprodukt der Suche nach Gold. Ein Alchemist am sächsischen Hof, Johann Friedrich Böttger, rettete sein Leben, indem er seinem „Arbeitgeber“ wenigstens „Weißes Gold“ liefern konnte. Berühmte Alchemisten waren Vincentio Casciorolo aus Bologna, der 1604 erstmals einen Phosphoreszenzstoff herstellte, den sogenannten „Bologneser Leuchtstein” oder „Lapis Solaris”. Diese Entdeckung beförderte Diskussionen über die Natur des Lichtes und führte bereits 1652 zu ersten spektroskopischen Untersuchungen. Der Hamburger Hennig Brand war Alchemist, der 1669 den weißen Phosphor entdeckte und dessen Chemilumineszenz („Phosphorus mirabilis“) und damit die erste Chemilumineszenzreaktion überhaupt. Diese Chemilumineszenzreaktion fand als Mitscherlich-Probe Eingang in die forensische Chemie und ist heute noch ein beeindruckendes Experiment.

Arbeitsmittel

Retorte

Manche Gefäße der Alchemisten wurden nach Tieren benannt, so als Igel, Gans oder das Menschliche Paar.

Das Opus Magnum

Das Große Werk ist ein Begriff der mittelalterlichen europäischen Alchemie, der sich auf die erfolgreiche Umwandlung des Ausgangsstoffes in Gold oder auf die Schaffung des Steins der Weisen bezieht. Er wurde als Metapher für eine geistige Umwandlung in der Hermetischen Tradition verwendet. Der Weg zur Herstellung des Steins der Weisen oder auch Lapis Philosophorum verlief über vier, später drei Stufen, je nach Darstellung geht man sogar von sieben oder zwölf Stufen aus.

Die praktische Anwendung des Opus Magnum sollte unedle Stoffe durch Transmutation in Gold verwandeln, indem man den unedlen Stoff durch den „roten Stein“ führte. Es bildete das Gegenstück zum einfacheren Kleinen Werk, bei dem man durch das „weiße Elixier“ unedle Stoffe zu Silber verwandelte.[3]

In der Alchemie bestand immer ein Disput darüber, wie die Stufen im Einzelnen ausgestaltet werden sollten. In einem vierstufigen Prozess ist die „Schwärze“ (nigredo) der Anfang und versinnbildlichte den Urzustand der Materie. Man bezeichnete diesen Zustand auch als die Materia prima. Als weitere Prozesse schließen sich die Phase der „Weißung“ (albedo), „Gelbung“ (citrinitas) an und enden in der höchsten Stufe der „Rötung“ (rubedo). Grundlage dieser Stufen bildete die griechische Philosophie der Quaternität oder des Vierteilens eines Prozesses in die melanosis (Schwärzung), leukosis (Weißung), xanthosis (Gelbung), iosis (Rötung). Angelehnt ist diese Vorstellung an die antike Elementenlehre der vier Elemente aus Erde, Wasser, Luft und Feuer an. Erst im späten Mittelalter wurde die Quaternität zur Trinität, wobei die Stufe der xanthosis, also Gelbung entfiel.[4]

Eine andere Aufteilung war: Materia Prima, Calcination, Sublimation, Solution, Putrefaction, Destillation, Coagulation, Tinctura, Multiplikation, Projection.[5]

Im Verlauf der Jahrhunderte entwickelte sich das Opus Magnum zu einem unentwirrbaren Gemisch unterschiedlichster Anweisungen und Erfahrungen, die den praktischen Prozess immer unverständlicher werden ließen. Meist wollte man dadurch über die eigene Unwissenheit hinwegtäuschen oder Misserfolge verschleiern. Die Anweisungen waren zudem symbolträchtig, vieldeutig und in rätselhafter Sprache geschrieben. Paracelsus geht über die vier Stufen hinaus und beschreibt unter anderem in seiner De natura rerum den Prozess einer siebenstufigen Transmutation. Bei George Ripley sind es nach seinem Liber duodecim portarum bereits zwölf Stufen zur Goldherstellung.[6]

Genau dieses unentwirrbare Netz aus Gedanken und Bildern ließ den Begründer der Analytischen Psychologie, Carl Gustav Jung, zu dem Schluss kommen, dass der Schritt von der Quarternität zur Trinität mit inneren und psychischen Gründen zu erklären sei. Nicht äußere oder praktische Prozesse wurden im Großen Werk beschrieben, sondern unbewusst innere Zusammenhänge in die Materie und Arbeitsweise hineinprojiziert.[4]

Dieser Ansatz entwickelte sich auch parallel zur praktischen Alchemie in der abendländischen Mystik. So sprach man bei den Rosenkreuzern von geistiger oder theoretischer Alchemie, die eine Vollendung des eigenen Menschen mit sich bringen sollte. Gustav Meyrink knüpft unter anderem an diese Tradition in seinen Werken an; siehe die mystische Deutung seiner drei Stufen:[7]

  • nigredo (putrefactio), Schwärzung (Fäulnis): Individuation, Reinigung, Ausbrennen von Unreinheit; siehe auch Sol niger;
  • albedo, Weißung: Vergeistigung, Erleuchtung;
  • rubedo, Rötung: Vereinigung des Menschen mit Gott, Vereinigung des Begrenzten mit dem Unbegrenzten.

Tiefenpsychologische Bedeutung

Wie bereits unter Opus Magnum erklärt, handelte es sich bei der Alchemie nicht nur um eine praktische Disziplin im Sinne einer Metachemie. Sie hat vielmehr auch eine philosophische Dimension. Die verschiedenen alchemistischen Vorgänge – wie die Umwandlung eines bestimmten Metalls in ein anderes – stehen für die Entwicklung des Menschen, d. h. für innerpsychische Prozesse. Denn die „Transmutation der Psyche“ wie sie die antiken Mysterienkulte lehrten, durch Leiden, Tod und gewandelte Auferstehung des Adepten zu einer neuen, göttlichen Existenz, wurde in den alchemistischen Werkstätten seit der Antike auf die Materie projiziert. Es führte zur „Transmutation der Materie“; die mineralischen Stoffe erleiden durch Zerstückelung, Verbrennung und Behandlung all die Wandlungsqualen wie der zur Erlösung und Wandlung bestimmte Mensch. Angestrebtes Ziel war die Umwandlung niederer Stoffe oder Metalle zum edelsten Metall, dem unsterblichen Gold, oder zu einer Universalsubstanz (Lapis) oder zur erlösenden Universalmedizin. Die Entdeckung dieser Analogie beschreibt als erster Zosimus aus Panopolis in seinen Traumvisionen.[8]

Der Psychoanalytiker Herbert Silberer arbeitete in seinem Hauptwerk Probleme der Mystik und ihrer Symbolik (1914) wohl als Erster die psychologische Dimension der Alchemie heraus.[9] Der Schweizer Psychiater und Psychotherapeut Carl Gustav Jung sah in den Arbeitsmethoden und Wandlungsbildern der Alchemisten eine Parallele zu den Traumbildern moderner Menschen während ihrer biographischen Selbstfindung.[10] Dabei spielen persönliche Probleme, scheinbar unlösbare Aufgaben, existenzielle Krisen oder notwendige Reifungsprozesse eine große Rolle. Er nannte diesen Prozess Individuation und beschrieb ausführlich die Abläufe und Gesetzmäßigkeiten dieser unbewussten Bilderwelt oder „Transmutation der Psyche“. Die Erforschung der Individuation betrachtete er als wesentliche Aufgabe seiner Analytischen Psychologie.[11]

Spagyrik

Die Bezeichnung „Spagyrik“ (aus dem Griechischen spao = „trennen“ und ageiro = „vereinigen, zusammenführen“) ist ein von Paracelsus eingeführter Begriff, der von ihm synonym für Alchemie verwendet wurde. Die Aufgabe der Alchemie sah er nicht in der Herstellung von Gold, sondern in der Herstellung von Arzneimitteln. Er wählte die Bezeichnung „Spagyrik“ zur Abgrenzung gegenüber anderen Richtungen. In der Folge wurde die Spagyrik als der medizinische Bereich der Alchemie angesehen. Spagyrika sind Arzneimittel, die auf Basis der alchemistischen oder spagyrischen Erkenntnisse hergestellt werden. Als Ausgangsmaterial für Spagyrika kommen pflanzliche, mineralische und animalische Stoffe zum Einsatz.

Bedeutende Alchemisten

Alchemisten des alten Ägypten sowie der Antike

Chinesische Alchemisten

In China war die Alchemie Teil des religiösen Daoismus. Man glaubte in einigen Systemen, dass die Menschen sieben Stufen der Entwicklung erreichen können: Gottgleiche, Rechtschaffene, Unsterbliche, Dao-Menschen, Weise, Tugendhafte, normale Menschen und Sklaven. Die ersten drei Stufen sind unsterblich. Jeder kann diese Stufenleiter vom Sklaven zum Gottgleichen erklimmen. Der Sprung von der vierten, noch sterblichen Stufe, des Dao-Menschen zur fünften ersten unsterblichen Menschheitsstufe kann jedoch nicht durch sich selbst erfolgen, sondern dazu braucht es die Alchemie.

Die chinesischen Alchemisten glaubten, dass sie im Zinnober (Dan) zumindest den Hauptbestandteil des Lebenselixiers zur Erlangung der Unsterblichkeit gefunden hätten. Zinnober ist wegen des enthaltenen Quecksilbers giftig. Da es schwerlöslich ist, wirkt es akut nicht so stark. Aber da Zinnober als Medizin über lange Zeiten eingenommen wurde, starben die Menschen an chronischer Quecksilbervergiftung. Sowohl der erste Kaiser von China als auch spätere Kunden der Alchemisten sowie Alchemisten selber sind an der alchemistischen Medizin gestorben. Daher wurde die Alchemie zum Waidan (äußerer Zinnober) erklärt und Neidan (innerer Zinnober) erfunden. Neidan beruht auf Meditation und anderen spirituellen Methoden. Heute wird nur Neidan praktiziert. Der Aufstieg von einer Stufe zur anderen sollte durch Kultivieren des Dao erfolgen. Das passiert durch Sammeln von Energie (Qi) und Vereinen von Geist (shen).

Die ersten Spezialisten in den Künsten der Unsterblichkeit waren die Fangshi, die schamanistische Praktiken anboten, von Kaisern und Adeligen aufgesucht und gelegentlich unterstützt wurden. Aus dieser Tradition kommt Wei Boyang, Autor des ältesten chinesischen alchemistischen Traktates Zhouyi cantong qi („Über das Vereinigen der Entsprechungen“), der gemäß der Legende während des 2. Jh. n. Chr. gelebt haben soll. Ihm wird folgender Mythos nachgesagt: Nachdem ein Hund bei einem Experiment das rechte Elixier betreffend tot umfiel, sprach der Meister „Ich habe den Weg der Welt, meine Familie und Freunde aufgegeben, um in den Bergen zu leben. Es wäre schamvoll, zurückzugehen, ohne das Dao der heiligen Unsterblichen gefunden zu haben. Durch dieses Elixier zu sterben kann nicht schlechter sein, als ohne es zu leben. So muss ich es dann zu mir nehmen.“ Er schluckte das Elixier und fiel auf der Stelle tot um. Nachdem die enttäuschten Schüler gegangen waren, erwachten Hund und Meister und schwebten zum Himmel empor, um Unsterbliche zu werden.

Ein anderer war Ge Hong (284–364 n. Chr.), dessen Hauptwerk heißt Baopuzi („Er, der den unbehauenen Klotz umarmt“ oder „Der Meister, der die Schlichtheit umfasst“). Die Shangqing-Schule nahm später einige seiner Techniken auf.

Lü Dongbin, einer der Acht Unsterblichen, soll einer der ersten gewesen sein, der sich ausschließlich der Inneren Alchemie zuwandte. Sein Schüler war Liu Haichan; von diesem soll Zhang Boduan (987–1082 n. Chr.) sein Wissen erhalten haben. Er schrieb das Wuzhen pian („Über das Begreifen der Wirklichkeit“), welches die Ausdrucksweise der äußeren Alchemie auf die inneren Wandlungen überträgt. Ziel sei die Erschaffung des shengtai („geistiger Embryo“ der Unsterblichkeit). Es begründeten sich nach seinem Tod viele Schulen des Neidan. Seine Schüler begründeten etwa den südlichen Zweig der „Schule der Vollkommenen Wirklichkeit“ (wörtlich „Der Weg der Verwirklichung der Wahrheit“).

Geber, Vater der Chemie
Die „alchemistischen Figuren“ des Nikolaus Flamel

Alchemisten des islamischen Kulturkreises

Nachbildung des Labors von Andreas Libavius in Rothenburg ob der Tauber
Pieter Bruegel der Ältere. Der Alchemist (1558) als Kupferstich von Philipp Galle

Abendländische Alchemisten

Literatur

Ältere Literatur

Zu den führenden Historikerin der Alchemie besonders im arabischen Raum gehörte Julius Ruska (siehe dort angegebene Literatur).

Klassische Sammelwerke der Alchemie waren das De Alchemia, Artis Auriferae, Musaeum Hermeticum, Theatrum Chemicum, Bibliotheca Chemica Curiosa, Deutsches Theatrum Chemicum und Theatrum Chemicum Britannicum.

Aktuelle Literatur

  • Jörg Völlnagel: Alchemie. Die Königliche Kunst, München 2012, Hirmer Verlag, ISBN 978-3-7774-6071-0
  • Manuel Bachmann & Thomas Hofmeier: Geheimnisse der Alchemie, Basel 1999, Schwabe Verlag, ISBN 3-7965-1368-9
  • Titus Burckhardt: Alchemie – Sinn und Weltbild, Walter Verlag, Olten 1960; Dingfelder, Andechs 1992, ISBN 3-926253-85-1
  • George-Florin Calian: Alkimia Operativa and Alkimia Speculativa. Some Modern Controversies on the Historiography of Alchemy. Annual of Medieval Studies at CEU, 2010 (archive.org).
  • Helmut Gebelein: Alchemie. 2. Auflage, München 1996, ISBN 3-424-01062-6
  • Helmut Gebelein: Alchemie. (Diederichs kompakt), Kreuzlingen, München 2004, ISBN 3-7205-2501-5
  • Bernhard Dietrich Haage: Alchemie im Mittelalter: Ideen und Bilder – von Zosimos bis Paracelsus. Düsseldorf, Zürich 2000, ISBN 3-7608-1222-8
  • Daniel Hornfisher: Löwe und Phönix. Das große Handbuch der praktischen Spagyrik und Alchemie, J. Kamphausen 1998, ISBN 3-591-08432-8
  • Otto Krätz: 7000 Jahre Chemie: Alchemie, die schwarze Kunst – Schwarzpulver – Sprengstoffe – Teerchemie – Farben – Kunststoffe – Biochemie und mehr. Verlag D. W. Callwey GmbH & Co., München 1999, ISBN 3-933203-20-1
  • Christoph Meinel: Alchemie in der europäischen Kultur- und Wissenschaftsgeschichte. (Wolfenbüttler Forschungen, Bd. 32), Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 1986, ISBN 3-447-02655-3
  • Claus Priesner, Karin Figala (Hrsg.): Alchemie: Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. München 1998, ISBN 3-406-44106-8
  • Claus Priesner: Geschichte der Alchemie, Beck 2011, ISBN 3406616011
  • Alexander Roob: Das hermetische Museum. Alchemie & Mystik. Köln: Taschen Verlag 1996, ISBN 3-8228-8803-6
  • Hans-Werner Schütt: Auf der Suche nach dem Stein der Weisen. Die Geschichte der Alchemie, Beck, München 2000, ISBN 978-3-406-46638-0
  • Jost Weyer: Die Alchemie im lateinischen Mittelalter, Chemie in unserer Zeit, 23. Jahrgang 1989, S. 16 ff.
  • Lawrence M. Principe: The Secrets of Alchemy, University of Chicago Press 2013

Psychologische und Mythologische Interpretation

Bibliographien

  • Volker Fritz Brüning: Bibliographie der alchemistischen Literatur, 3 Bände, München, K. G. Saur Verlag 2004–2006:
Band 1: Die alchemistischen Druckwerke von der Erfindung der Buchdruckerkunst bis zum Jahre 1690, 2004, ISBN 3-598-11603-9
Band 2: Die alchemistischen Druckwerke von 1691 bis 1783, 2005, ISBN 3-598-11604-7
Band 3: Die alchemistischen Druckwerke von 1784–2004, Nachträge, Register, 2006, ISBN 3-598-11605-5

Weblinks

Wiktionary: Alchemie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Alchemie – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Fußnoten

  1. Syed Mahdihassan: Alchemy in the light of its names in Arabic, Sanskrit and Greek. Janus 49 (1960), S. 79–100.
  2. Jost Weyer: Die Alchemie im lateinischen Mittelalter, Chemie in unserer Zeit, 23. Jahrgang 1989, S. 16 ff.
  3. Claus Priesner, Karin Figala: Alchemie. Lexikon einer hermetischen Wissenschaft. Artikel Opus Magnum. München 1998, S. 261.
  4. a b Carl Gustav Jung: Gesammelte Werke. Psychologie und Alchemie. 7. Aufl., Zürich 1994, S. 268.
  5. Michelspacher Cabala: Spiegel der Kunst und Natur. 1615.
  6. George Ripley: Liber Duodecim Portarum. In: Theatrum Chemicum. Straßburg 1659, Band III, S. 797 ff.
  7. Meyrink und das theomorphische Menschenbild
  8. Mircea Eliade: Schmiede und Alchemisten. Herder 1992.
  9. Carl Gustav Jung: „Dem leider zu früh verstorbenen Herbert Silberer kommt das Verdienst zu, der erste gewesen zu sein, die geheimen Fäden, die von der Alchemie zur Psychologie des Unbewußten laufen, entdeckt zu haben.“ Mysterium conjunktionis Bd. 2, Olten 1956
  10. Carl Gustav Jung: Gesammelte Werke. 13. Band, 1978: Studien über alchemistische Vorstellungen. Darin: „Die Visionen des Zosimos“ von 1938/1954.
  11. Carl Gustav Jung: Gesammelte Werke. 12. Band, 1972/1980: Psychologie und Alchemie. 1944/1952. Darin „Traumsymbole des Individuationsprozesses“, 1936 und „Die Erlösungvorstellungen in der Alchemie“ von 1937.