Baienfurt

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Wappen Deutschlandkarte
Baienfurt
Deutschlandkarte, Position der Gemeinde Baienfurt hervorgehoben
Basisdaten
Koordinaten: 47° 50′ N, 9° 39′ OKoordinaten: 47° 50′ N, 9° 39′ O
Bundesland: Baden-Württemberg
Regierungsbezirk: Tübingen
Landkreis: Ravensburg
Gemeindeverwal­tungsverband: Mittleres Schussental
Höhe: 459 m ü. NHN
Fläche: 16,01 km2
Einwohner: 7379 (31. Dez. 2022)[1]
Bevölkerungsdichte: 461 Einwohner je km2
Postleitzahl: 88255
Vorwahl: 0751
Kfz-Kennzeichen: RV, SLG, ÜB, WG
Gemeindeschlüssel: 08 4 36 011
Adresse der
Gemeindeverwaltung:
Marktplatz 1
88255 Baienfurt
Website: www.baienfurt.de
Bürgermeister: Günter A. Binder
Lage der Gemeinde Baienfurt im Landkreis Ravensburg
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Karte

Baienfurt ist eine Gemeinde im oberschwäbischen Landkreis Ravensburg in Baden-Württemberg (Deutschland).

Die Gemeinde Baienfurt, die zum Gemeindeverwaltungsverband Mittleres Schussental gehört und sich auf 16,02 km² Fläche erstreckt, hat rund 7.200 Einwohner.

Geografie

Geografische Lage

Die Gemeinde Baienfurt ist Teil des Siedlungsgebiets Mittleres Schussental, das sich von Eschach (südlicher Stadtteil Ravensburgs) über die beiden Städte Ravensburg und Weingarten bis nach Baienfurt und Baindt im Norden erstreckt. Sie befindet sich wenige Kilometer westlich des Altdorfer Walds am Talostrand der Schussen, die ein nördlicher Bodensee- bzw. Rhein-Zufluss ist, und wird vom Schussen-Zufluss Wolfegger Ach durchflossen.

Geschichte

Blick auf Baienfurt von Westen

Durch Bodenfunde sind keltische Siedlungsspuren im Gemeindegebiet belegt. Aus der Hallstattepoche gibt es einen Grabhügel. Auf dem Gebiet der heutigen Teilorte Rain und Kickach gab es römische Landgüter.

Die Siedlung Baienfurt ist wahrscheinlich im 9. Jahrhundert entstanden. Der Name Baienfurt, in frühen Dokumenten auch Baier, Beierfurt oder Paigerfurt geschrieben, geht auf eine Furt durch die Wolfegger Ach zurück. Baien wird von baie, beige (= Öffnung) abgeleitet, andere Quellen nennen eine Herkunft von Bai (= Riedgras).

Wahrscheinlich vor 1090 unter Welf IV. erhielten die Herren von Waldburg den Ort als Lehen. 1143 wird der Ort Binningen erstmals als Eigentum des Klosters Weingarten urkundlich genannt, Kickach wird 1148 erstmals urkundlich erwähnt. 1278 wurde eine Blasiuskapelle in Briach errichtet. 1525 waren Baienfurt und seine Umgebung ein Schauplatz des Deutschen Bauernkriegs. Die Truchsessen von Waldburg hatten die Herrschaft bis 1587 inne, als sie die Landeshoheit in einem Vergleich der vorderösterreichischen Landvogtei Schwaben mit Sitz im benachbarten Altdorf (heute Weingarten) übertrugen. Baienfurt wurde Kameralort der Landvogtei, Grundbesitz hatten neben der Landvogtei aber auch die Klöster Weingarten und Baindt. 1806 wurde Baienfurt mit der Landvogtei Schwaben Teil des Königreichs Württemberg (Oberamt Ravensburg, Amt Um-Altdorf).

1826 wurde der Ort zusammen mit anderen Teilen des ehemaligen Amtes Um-Altdorf und der Siedlung um das Kloster Baindt zur Gemeinde Baindt vereinigt, deren Schultheissensitz Baienfurt war. Schon 22 Jahre später hatten die stetigen Bemühungen der Baienfurter um Selbständigkeit jedoch Erfolg, als die Gemeinde am 20. September 1848 zur selbständigen Schultheißerei ernannt wurde.

Mit der Entstehung einer Papierfabrik ab 1870 wurde das bis dahin bäuerlich geprägte Dorf Industriestandort und wuchs seither stetig.

1970 bis 1977 wurde ein modernes Ortszentrum mit Rathaus, Gemeindehalle, Marktplatz und Hallenschwimmbad errichtet. Eine zunächst vorgesehene Fusionierung der Gemeinde mit Ravensburg, Weingarten und Baindt im Zuge der Gemeindereform 1975 kam wegen mangelnder Zustimmung der Bevölkerung im Schussental nicht zustande.

Bevölkerungsentwicklung
Jahr 1849 1888 1910 1939 1959 1987 1999 2004 2007
Einwohner 800 1200 1750 2900 4100 7000 7200 7247 7198

Politik

Bürgermeister

Liste der Bürgermeister von Baienfurt von 1848 bis heute:

von–bis: Name: Anmerkung:
1848–1870 Johann Baptist Mehrle
1870–1872 Alois Mangold
1872–1919 Gebhard Mehrle 1911 Anbindung an Straßenbahn Ravensburg-Weingarten
1919–1929 Otto Mehrle
1929–1938 Leo Lacher
1938–1945 Emil Teufel eingesetzt, nicht demokratisch gewählt
1945–1946 Karl Kurz Militärregierung unter französischer Besatzung
1946–1949 Johann Mehrle[2]
1949–1961 Karl Rittler[3]
1961–1989 Maximillian „Max“ Brenner (1929–2007), 1989 zum Ehrenbürger[4], 28 Jahre Bürgermeister
1989–2013 Robert Wiedemann FWV, Amtszeit bis Dezember 2013, seit Dezember 2013 Ehrenbürger der Gemeinde Baienfurt
seit 2013 Günter A. Binder CDU, ehemaliger Hauptamtsleiter in Bodnegg, gewählt am 22. September 2013 mit 93,1 %[5][6]

Der bisherige Bürgermeister Robert Wiedemann tritt nach 24 Jahren im Dezember 2013 nicht mehr zur Wiederwahl an[7]. Als mögliche Nachfolger stellten sich 2013 nur zwei Kandidaten, wobei einer davon als Kandidat der „NEIN!-Idee Partei“[8] von der lokalen Presse mehr oder weniger als „Spaßkandidat“ eingestuft wurde.

Gemeinderat

Die Kommunalwahl am 7. Juni 2009 brachte folgendes Ergebnis:

2
3
6
7
Insgesamt 18 Sitze
Die Sitzverteilung hat sich trotz veränderten Stimmenanteils gegenüber der Kommunalwahl 2004 nicht verändert.
Gemeinderatswahl 2009
in Prozent
 %
40
30
20
10
0
36,0 %
35,4 %
18,1 %
10,6 %
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2004
 %p
   4
   2
   0
  -2
  -4
−3,9 %p
+1,6 %p
+2,3 %p
+0,1 %p
Kardeldenkmal (Detail): Anbau von Kardeln

Wappen

Wappenbeschreibung: In Grün eine goldene (gelbe) Weberkardel.

Von 1850 bis ca. 1918 wurden in Baienfurt Kardeln (Weberdisteln) angebaut. Kardeln dienten zum Aufrauen von Leinentuchen und wurden bei einem eigenen Kardelnmarkt in Baienfurt verkauft, der durch das Aushängen von blau-weißen Fahnen angekündigt wurde. Der Kardel wurde im Juli 2000 auf dem Platz vor der evangelischen Kirche ein bronzenes Denkmal gesetzt. Seit Januar 2011 steht das bronzene Denkmal vor dem "Neunerbeck" in Baienfurt, welches eines der ältesten Häuser der Gemeinde ist und in welchem sich passend zum Denkmal, ein Kardelmuseum befindet.

Gemeindepartnerschaften

Baienfurts Partnergemeinden sind Martonvásár in Ungarn (seit 1993), Goito in Italien (seit 2006), Pirna in Sachsen (seit 2010) und Brest in Weißrussland, Frankreich (seit 1989, zusammen mit den anderen Gemeinden des Gemeindeverwaltungsverband Mittleres Schussental).

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt
„Kardelhannes“ der Narrenzunft Henkerhaus

Kunst, Musik, Theater

  • Im denkmalgeschützten Speidlerhaus von 1673 veranstaltet der Kulturverein Manufaktur seit 1997 Konzerte, Theateraufführungen, Kleinkunstveranstaltungen und Ausstellungen.
  • 2011 eröffnete Uli Boettcher in einer umgebauten Scheune im Ortsteil Hof die Kleinkunstbühne Hoftheater.

Bauwerke

  • Die Katholische Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt (Marienkirche) wurde 1925–1927 von Otto Linder erbaut. Der Stahlbetonbau mit charakteristischem Parabelgewölbe ist nicht zuletzt durch die gut erhaltene, von dunkelblauen Tönen geprägte stimmungsvolle Ausmalung von Alois Schenk ein einzigartiges Beispiel der Kirchenbaukunst des Expressionismus der 1920er Jahre. Der Turm wurde erst 1953 vollendet.
  • Deutlich älter ist die Blasiuskapelle im Weiler Briach.

Regelmäßige Veranstaltungen

  • Die Begeisterung der Baienfurter für die schwäbisch-alemannische Fasnet seit Anfang des 20. Jahrhunderts ist wohl von den nahen Fasnetshochburgen Bad Waldsee und Weingarten beeinflusst. Am Fasnetssamstag findet in Baienfurt ein Narrensprung statt. Die Blumen- und Vogelmasken der 1936 begründeten Baienfurter Narrenzunft „Henkerhaus“ wurden nach dem Zweiten Weltkrieg neu geschaffen. Zum 60-jährigen Zunftjubiläum 1996 entstand mit dem „Kardelhannes“ eine weitere geschichtsbezogene Fasnetfigur. Seit 2004 ist sie Mitglied der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte. Die Zunft wurde nach dem historischen Henkerhaus der Reichsabtei Weingarten benannt. Als die Landvogtei Schwaben die Hohe Gerichtsbarkeit über Baienfurt im späten 17. Jahrhundert gegen ein Darlehen für zwanzig Jahre an den Weingartener Abt verpfändete, erbaute dieser einen Galgen und ein großzügiges Wohnhaus für den Henker. Schon 1705 zog der Henker wieder in die Siedlung Altdorf unterhalb des Klosters Weingarten, und in das Henkerhaus zogen Klosterknechte ein – daher heißt der Standort heute noch „Knechtehaus“. Das Haus selbst fiel 1972 einem Brand zum Opfer.
  • Der Weingartener Blutritt am Tag nach Christi Himmelfahrt, eine Reiterprozession mit knapp 3000 Pferden, führt auch durch Baienfurt.
  • Marktplatzfest, jährlich im Juli

Wirtschaft und Infrastruktur

Neben wenigen landwirtschaftliche Betrieben (mit Dauergrünland, Ackerland und Obstbau) und Forstwirtschaft (etwa 20 % der Gemeindefläche sind Waldgebiet) ist der Ort weitgehend von Industrie, Handwerk und Handel geprägt.

Schon im 13. Jahrhundert wurden an der Wolfegger Aach drei Mühlen betrieben. Im 19. Jahrhundert war der Fluss Grundlage für die Entstehung einer Papierfabrik (1870–1873). Sie gehörte ab 1968 zum Feldmühle-Konzern und heute seit 1990 zur finnisch-schwedischen Stora Enso-Gruppe. Zum Jahresende 2008 hat der Konzern das Werk Baienfurt, bis auf ein Schneidzentrum, komplett geschlossen.[9]

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts entstanden außerdem eine Zigarrenfabrik und eine Eisen- und Metallgießerei.

Verkehr

Bahnhof Niederbiegen

Bildung

In Baienfurt gibt es mit der Achtalschule eine Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule. Für die jüngsten Einwohner bestehen zwei gemeindliche, zwei römisch-katholische und ein evangelischer Kindergarten. Außerdem gibt es im Ort eine Außenstelle der Volkshochschule Ravensburg-Weingarten.

Persönlichkeiten

Ehrenbürger

  • 1957, Dezember: Alfons Maria Haug (1887–1981), Direktor der Papierfabrik Baienfurt AG
  • 1989, Oktober: Maximilian Brenner (1929–2007), Bürgermeister der Gemeinde Baienfurt, 1961–1989
  • 1990, Juni: Berta Braun (1916–2008), promovierte Ärztin, Kommunalpolitikerin
  • 2003, Februar: Max Gögler (1932–2011), Politiker (CDU), Regierungspräsident in Tübingen
  • 2013, Dezember: Robert Wiedemann, Bürgermeister von 1989 bis 2013 der Gemeinde Baienfurt (FWV)

Söhne und Töchter der Gemeinde

  • Max Gögler (1932–2011), Regierungspräsident
  • Karl Dodrimont (* 1939), Ringer, Bronzemedaillengewinner bei der Freistil-WM 1965 im Bantamgewicht

Literatur

  • Baienfurt St. Maria. Kunstführer Nr. 1427. Schnell und Steiner, München 1983
  • Baienfurt. Bilder aus vergangenen Tagen. Geiger, Horb 1986, ISBN 3-924932-84-0
  • Baienfurt. Im Wandel der Zeit. Geiger, Horb 1989, ISBN 3-89264-336-9
  • Siegfried Diercks: Hinterlassene Spuren. Begegnung mit tausend Jahren Baienfurter Geschichte. 900 Jahre Köpfingen. Festschrift zum Jubiläum. Gemeinde Baienfurt, Baienfurt 1994
  • Hubert Krins: Die Marienkirche in Baienfurt, Kreis Ravensburg – ein Bauwerk des Expressionismus. In: Denkmalpflege in Baden-Württemberg, Jg. 1977, Heft 3, S. 97–102 (PDF)
  • Johann Daniel Georg von Memminger: Gemeinde Baindt. In: Beschreibung des Oberamts Ravensburg. Cotta, Stuttgart und Tübingen 1836 (Volltext bei Wikisource)
  • A. Spectator: Die neue Kirche in Baienfurt bei Weingarten. In: Archiv für christliche Kunst. 44. Jg. 1929, S. 82–93 (Digitalisat)

Weblinks

Commons: Baienfurt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Statistisches Landesamt Baden-Württemberg – Bevölkerung nach Nationalität und Geschlecht am 31. Dezember 2022 (CSV-Datei) (Hilfe dazu).
  2. Telefonat mit BM Wiedemann am 28. November 2013
  3. Telefonat mit BM Wiedemann am 28. November 2013
  4. SZ Ehrenbürger Brenner http://www.schwaebische.de/region/oberschwaben/ravensburg/rund-um-ravensburg_artikel,-Eine-Tafel-fuer-Ehrenbuerger-doch-wo-soll-sie-haengen-_arid,5410076.html
  5. http://www.staatsanzeiger.de/politik-und-verwaltung/wahlen/buergermeisterwahlen/baienfurt/ Mitteilung im www.Staatsanzeiger.de
  6. http://www.baienfurt.de/2313_DEU_WWW.php Amtsblatt der Gemeinde Baienfurt zur Wahl
  7. SZ: Robert Wiedemann hört zum Dezember 2013 auf http://www.schwaebische.de/region/oberschwaben/ravensburg/rund-um-ravensburg_artikel,-Baienfurt-sucht-einen-neuen-Buergermeister-_arid,5438674.html
  8. http://www.Nein-Idee.de/ Die offizielle Webseite der „NEIN!-Idee Partei“
  9. Schwäbische Zeitung, Lokalausgabe Ravensburg, 11. September 2008