Italienisches Parlament

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Palazzo Montecitorio, Rom, Sitz der Abgeordnetenkammer
Palazzo Madama, Rom, Sitz des italienischen Senats

Das italienische Parlament besteht aus zwei Kammern: dem Senat (Senato della Repubblica) und der Abgeordnetenkammer (Camera dei deputati). Beide Kammern sind im Gesetzgebungsverfahren absolut gleichberechtigt und unterscheiden sich nur hinsichtlich Anzahl, Zusammensetzung und Wahlmodus ihrer Mitglieder. Die Kammern tagen in der italienischen Hauptstadt Rom in der Regel unabhängig voneinander: die Abgeordnetenkammer im Palazzo Montecitorio, der Senat im Palazzo Madama. In seltenen Fällen treten Abgeordnetenkammer und Senat im Palazzo Montecitorio zu gemeinsamen Sitzungen zusammen (parlamento in seduta comune).

Zusammensetzung

Die Abgeordnetenkammer ist die größere Parlamentskammer, deren 630 Abgeordnete (darunter 12 Vertreter der Auslandsitaliener) alle fünf Jahre gewählt werden. Um zum Abgeordneten gewählt werden zu können, muss man mindestens 25 Jahre alt sein. Zur Wahl sind alle italienischen Staatsbürger berechtigt, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und im Vollbesitz ihrer politischen Rechte sind.

Dem Senat der Republik gehören 315 Senatoren an. Sie werden ebenfalls (gleichzeitig mit den Abgeordneten) auf fünf Jahre gewählt, allerdings nicht auf nationaler Ebene, sondern auf regionaler Basis. Jede der 20 Regionen stellt eine festgelegte Anzahl an Senatoren, die je nach Bevölkerungszahl in der Region variiert. Nur mindestens 25 Jahre alte Italiener sind aktiv wahlberechtigt. Um zum Senator gewählt werden zu können, muss man mindestens 40 Jahre alt sein.

Hinzu kommen maximal fünf vom Staatspräsidenten ernannte Senatoren auf Lebenszeit. Zudem sind auch die Staatspräsidenten nach dem Ende ihrer Amtszeit von Rechts wegen Senatoren auf Lebenszeit.

In jeder Kammer gibt es ständige Ausschüsse und Sonderkommissionen, die ebenfalls unabhängig voneinander sind. Gemeinsame Ausschüsse, Kommissionen und Organe können bei Bedarf eingerichtet werden.

Parlament in gemeinsamer Sitzung

Der Plenarsaal des Abgeordnetenhauses im Palazzo Montecitorio

Ausnahmsweise versammeln sich Abgeordnete und Senatoren in gemeinsamer Sitzung. Den Vorsitz des Parlaments in gemeinsamer Sitzung führt der Präsident der Abgeordnetenkammer. Die italienische Verfassung sieht genau vor, wann das Parlament zur gemeinsamen Versammlung einberufen wird:

  • Wahl des Präsidenten der Republik; in diesem Fall wird das Gremium um die Vertreter der Regionen erweitert (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach absolute Mehrheit)
  • Wahl von fünf der fünfzehn Verfassungsrichter (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach Dreifünftelmehrheit)
  • Wahl von einem Drittel der Mitglieder des Obersten Rates des Richterstandes (erforderliches Quorum: Zweidrittelmehrheit in den ersten drei Wahlgängen, danach Dreifünftelmehrheit)
  • Wahl der Laienrichter für das Anklageverfahren gegen den Präsidenten der Republik (alle neun Jahre wird ein Verzeichnis mit 45 Laienrichtern zusammengestellt; im Falle einer Anklageerhebung werden dann 16 Namen ausgelost)
  • Eidesleistung des Präsidenten der Republik
  • Anklageerhebung gegen den Präsidenten der Republik.

Gesetzgebungsverfahren

Die staatliche Gesetzgebung steht in Italien zuallererst dem Parlament zu.

Ein Initiativrecht hat jeder einzelne Abgeordnete bzw. Senator, die Regierung als Ganzes, das Volk (50.000 Unterschriften), die Regionalräte, und in sozialen und wirtschaftlichen Bereichen der CNEL (Der Italienische Rat für Wirtschaft und Arbeit, dessen Auflösung geplant ist).

Jedes Gesetz bedarf der Zustimmung beider Kammern, ein formelles Vermittlungsverfahren ist nicht vorgesehen. Der Staatspräsident muss zudem jedes Gesetz unterzeichnen, bevor es in Kraft treten kann. Da beide Kammern denselben Gesetzestext verabschieden müssen, zieht sich ein normales Gesetzgebungsverfahren oftmals in die Länge. Nach jeder Änderung, die eine der Kammern an einem Entwurf verabschiedet, muss der geänderte Entwurf der jeweils anderen Kammer zur Abstimmung vorgelegt werden. Verabschiedet diese wiederum das Gesetz nur mit Änderungen, müssen auch diese Änderungen durch eine neue Beratung und Abstimmung in der vorherigen Kammer bestätigt werden. Auf diese Art und Weise ist es möglich, dass einzelne Entwürfe jahrelang zwischen den beiden Parlamentskammern hin und her geschoben werden, bevor sie in Kraft treten können. Gesetze können nicht nur vom Plenum verabschiedet werden, sondern ausnahmsweise auch von den ständigen Ausschüssen.

Daher tritt dieses reguläre Gesetzgebungsverfahren in der italienischen Politik zunehmend in den Hintergrund. Stattdessen werden in Italien vielfach Akte mit Gesetzeskraft von der Regierung erlassen, die zweier Art sind:

  • Gesetzesdekrete, it. decreti-legge (den deutschen Notverordnungen nur bedingt ähnlich): Die Regierung kann „in Fällen außergewöhnlicher Notwendigkeit“ ein Dekret erlassen und dieses nachträglich durch das Parlament in ein Gesetz umwandeln lassen (Art. 77). Das Parlament muss das Dekret innerhalb von 60 Tagen in dieser Form ratifizieren. Kommt es nicht zur Ratifizierung durch das Parlament verliert das Dekret rückwirkend seine Wirksamkeit. In der Rechtsetzungspraxis wird die Dringlichkeitsverordnung regelmäßig zweckentfremdend und sanktionslos missbraucht, da die tatbestandsmäßige außergewöhnliche Notwendigkeit nicht gegeben ist.
  • Gesetzesvertretende oder Legislativ-Dekrete gelegentlich auch Ermächtigungsverordnung genannt, it. decreti legislativi: Das Parlament erlässt ein Ermächtigungsgesetz (legge delega) und beauftragt die Regierung mit der Ausarbeitung eines Dekrets (Art. 76). Hauptanwendungsbereich dieses Rechtsetzungsprozesses sind technisch komplexe Sachbereiche. Das Dekret muss jedoch, bei sonstiger Verfassungswidrigkeit, den Grundsätzen und Richtlinien der Ermächtigung entsprechen, sich auf die dort bestimmten Gegenstände beschränken und innerhalb der im Ermächtigungsgesetz bestimmten Zeit verabschiedet werden. In der Rechtsquellenhierarchie sind diese Dekrete gleichrangig zu den Gesetzen.

Die Gesetzgebungsbefugnis steht in Italien neben dem Staat auch den Regionen zu. In den Regionen wird die Gesetzgebungsgewalt von den Regionalräten (die regionalen Parlamente) ausgeübt. Die zwei autonomen Provinzen, Südtirol und Trentino, nehmen im italienischen Verfassungssystem eine Sonderstellung ein und sind den Regionen gleichgestellt. Auch sie sind mit Gesetzgebungsbefugnissen ausgestattet, die von den jeweiligen Landtagen ausgeübt werden.

Gesetzgebungsbefugnis

Ausschließliche Gesetzgebung des Staates

Nach der föderalistischen Auffassung der enumerated powers zählt die italienische Verfassung jene Bereiche auf, in denen dem Gesamtstaat die ausschließliche Gesetzgebungsbefugnis zusteht:

  • Außenpolitik und internationale Beziehungen des Staates; Beziehungen des Staates mit der Europäischen Union; Asylrecht und rechtliche Stellung der Bürger von Staaten, die nicht der Europäischen Union angehören;
  • Einwanderung;
  • Beziehungen zwischen der Republik und den religiösen Bekenntnissen;
  • Verteidigung und Streitkräfte; Sicherheit des Staates; Waffen, Munition und Sprengstoffe;
  • Währung, Schutz der Spartätigkeit und Kapitalmärkte; Schutz des Wettbewerbs; Währungssystem; Steuersystem und Rechnungswesen des Staates; Finanzausgleich;
  • Organe des Staates und entsprechende Wahlgesetze; staatliche Referenden; Wahl zum Europäischen Parlament;
  • Aufbau und Organisation der Verwaltung des Staates und der gesamtstaatlichen öffentlichen Körperschaften;
  • öffentliche Ordnung und Sicherheit, mit Ausnahme der örtlichen Verwaltungspolizei;
  • Staatsbürgerschaft, Personenstand- und Melderegister;
  • Gerichtsbarkeit und Verfahrensvorschriften; Zivil- und Strafgesetzgebung; Verwaltungsgerichtsbarkeit;
  • Festsetzung der wesentlichen Leistungen im Rahmen der bürgerlichen und sozialen Grundrechte, die im ganzen Staatsgebiet gewährleistet sein müssen;
  • allgemeine Bestimmungen über den Unterricht;
  • Sozialvorsorge;
  • Wahlgesetzgebung, Regierungsorgane und grundlegende Aufgaben der Gemeinden, Provinzen und Großstädte mit besonderem Status;
  • Zoll, Schutz der Staatsgrenzen und internationale vorbeugende Maßnahmen;
  • Gewichte, Maße und Festsetzung der Zeit; Koordinierung der statistischen Information und informatische Koordinierung der Daten der staatlichen, regionalen und örtlichen Verwaltung; Geisteswerke;
  • Umwelt-, Ökosystem- und Kulturgüterschutz.

Rahmengesetzgebung

In den Bereichen der Rahmengesetzgebung legt der Staat die wesentlichen Grundsätze eines Sachgebietes per Gesetzdurch ein Rahmengesetz fest. Jede einzelne Region bzw. autonome Provinz ist befugt, diese Grundsätze durch eigene Gesetze weiterzuentwickeln und zu präzisieren und somit den eigenen Bedürfnissen anzupassen. Im Italienischen wird die Rahmengesetzgebung als competenza concorrente bezeichnet. Diese entspricht aber nicht der konkurrierenden Gesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland, sondern der im deutschen Rechtssystem nunmehr abgeschafften Rahmengesetzgebung. Zu den Bereichen der Rahmengesetzgebung in Italien gehören:

  • Die internationalen Beziehungen der Regionen und ihre Beziehungen zur Europäischen Union;
  • Außenhandel;
  • Arbeitsschutz und -sicherheit;
  • Unterricht, unbeschadet der Autonomie der Schuleinrichtungen und unter Ausschluss der theoretischen und praktischen Berufsausbildung;
  • Berufe;
  • wissenschaftliche und technologische Forschung und Unterstützung der Innovation der Produktionszweige;
  • Gesundheitsschutz;
  • Ernährung;
  • Sportgesetzgebung;
  • Zivilschutz;
  • Raumordnung;
  • Häfen und Zivilflughäfen;
  • große Verkehrs- und Schifffahrtsnetze;
  • Regelung des Kommunikationswesens;
  • Produktion, Transport und gesamtstaatliche Verteilung von Energie; Ergänzungs- und Zusatzvorsorge;
  • Harmonisierung der öffentlichen Haushalte und Koordinierung der öffentlichen Finanzen und des Steuersystems;
  • Aufwertung der Kultur- und Umweltgüter und Förderung und Organisation kultureller Tätigkeiten;
  • Sparkassen;
  • Landwirtschaftsbanken, Kreditinstitute regionalen Charakters;
  • Körperschaften für Boden- und Agrarkredit regionalen Charakters.

Gesetzgebung der Regionen und der autonomen Provinzen

Den italienischen Regionen bzw. den autonomen Provinzen steht die Gesetzgebungsbefugnis in allen Sachgebieten zu, die nicht ausdrücklich der staatlichen Gesetzgebung vorbehalten sind. Weitere Bereiche, die der ausschließlichen Gesetzgebungsbefugnis (competenza esclusiva) der Regionen bzw. autonomen Provinzen zugeordnet sind, sind in den sogenannten Sonderstatuten der autonomen Regionen vorgesehen.

Gesetzgebung auf Verfassungsebene

Gesetze zur Änderung der Verfassung (Verfassungsänderungsgesetze, leggi di riforma costituzionale) und sonstige Verfassungsgesetze (leggi costituzionali) werden von den Kammern mit jeweils zwei Abstimmungen, zwischen denen mindestens drei Monate liegen müssen, verabschiedet.

Wird ein Verfassungs(änderungs)gesetz bei der zweiten Abstimmung sowohl von der Abgeordnetenkammer als auch vom Senat mit einer Zweidrittelmehrheit abgesegnet, tritt es unmittelbar in Kraft. Anderenfalls kann eine Volksabstimmung erforderlich sein.

Die republikanische Staatsform kann nicht Gegenstand einer Verfassungsreform sein.

Kontrolle der Exekutive

Den Vätern der italienischen Verfassung ging es nach der Erfahrung des Faschismus darum, in der neuen Republik ein möglichst effektives System der gegenseitigen Kontrolle der Verfassungsorgane untereinander zu schaffen. Hieraus resultiert eine relativ schwache Stellung der Regierung, die vom Vertrauen beider Parlamentskammern abhängig ist. Wegen der besonderen Schwierigkeiten, die sich in diesem Zusammenhang insbesondere bei unterschiedlichen Mehrheiten in den beiden Parlamentskammern ergeben, gibt es seit langer Zeit Bestrebungen, den sogenannten „perfekten Bikameralismus“ mit seiner absoluten Gleichberechtigung der beiden Kammern zu überwinden. Zuletzt legte die Regierung Renzi im Jahr 2014 einen Gesetzesentwurf zur Reform der Verfassung vor, in der Absicht, den Senat in eine nicht mehr direkt gewählte Vertretung der Regionen und Gemeinden umzugestalten. Die Regierung soll nicht mehr vom Vertrauen des Senats abhängen. Der oben genannte Gesetzgebungsprozess würde durch die Reform wesentlich vereinfacht werden, da die Zustimmung des Senats nicht mehr in allen Fällen erforderlich wäre.

Parlamentsbibliothek

Der Palazzo della Minerva mit dem Obelisco della Minerva im Vordergrund

Die beiden 1848 gegründeten Bibliotheken der Abgeordnetenkammer und des Senats werden in einem zusammenhängenden Gebäudekomplex unter der Bezeichnung Polo Bibliotecario Parlamentare oder „Parlamentsbibliothekpol“ gemeinsam verwaltet und betrieben. 1988 zog die Bibliothek der Abgeordnetenkammer vom Palazzo Montecitorio in einen ehemaligen Dominikanerkonvent an der Via del Seminario um. 2003 folgte die Bibliothek des Senats, die vom Palazzo Madama in den Palazzo della Minerva am gleichnamigen Platz in der Nähe des Pantheons verlegte. 2007 wurden die beiden Bibliotheken baulich und organisatorisch miteinander verbunden. 2013 hatte die Bibliothek der Abgeordnetenkammer einen Bestand von rund 1,4 Mio. Büchern, die des Senats umfasste rund 0,7 Mio. Die beiden Bibliotheken dienen nicht nur dem parlamentarischen Betrieb, sondern auch der Allgemeinheit. Im selben Gebäudekomplex, der auch Insula Sapientiae genannt wird, ist auch die Biblioteca Casanatense untergebracht.

Siehe auch

Literatur

H. Ullrich: Das politische System Italiens. In: Ismayr, W. (Hg.): Die politischen Systeme Westeuropas. 4. aktualisierte und überarbeitete Auflage, 2009.

Weblinks

Commons: Parliaments of Italy – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien