Ternopil
Ternopil | ||
Тернопіль | ||
Basisdaten | ||
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Oblast: | Oblast Ternopil | |
Rajon: | Kreisfreie Stadt | |
Höhe: | 320 m | |
Fläche: | 59,0 km² | |
Einwohner: | 245.000 (2004) | |
Bevölkerungsdichte: | 4.153 Einwohner je km² | |
Postleitzahlen: | 46000-46499 | |
Vorwahl: | +380 352 | |
Geographische Lage: | 49° 33′ N, 25° 35′ O | |
KOATUU: | 6110100000 | |
Verwaltungsgliederung: | 1 Stadt | |
Bürgermeister: | Sergij Nadal | |
Adresse: | вул. Листопадова 5 46000 м. Тернопіль | |
Website: | http://www.adm.gov.te.ua | |
Statistische Informationen | ||
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Ternopil (ukrainisch Тернополь/Ternopol) ist eine Stadt im Westen der Ukraine und Hauptstadt der Oblast Ternopil.
; polnisch und deutsch Tarnopol, russischTernopil ist eine der drei wichtigsten Städte Ostgaliziens, liegt 132 km östlich von Lemberg und hat rund 250.000 Einwohner. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts lebten sehr viele Juden, Polen und Deutsche in der Stadt. Ternopil ist ein Wallfahrtsort.
Geographie
Ternopil liegt auf der Podolischen Platte (ukrainisch Подільська височина/Podilska wyssotschyna) und wird von dem Dnister-Nebenfluss Seret durchflossen, der in einen künstlichen kleinen See, den Ternopiler See (ukrainisch Тернопільський став/Ternopilskyj staw) mündet.
Geschichte
Ternopil wurde 1540 unter dem Namen Tarnopol durch den Großhetman der Krone, Jan Amor Tarnowski, als polnischer Militärstützpunkt und Festung gegründet. 1548 verlieh König Sigismund von Polen Tarnopol das Stadtrecht. Von 1569 bis 1772 gehörte der Ort zur Woiwodschaft Ruthenien, einer administrativen Einheit von Polen-Litauen (siehe auch Adelsrepublik).[1] Von 1772 bis 1867 befand sich die Stadt – mit einer Unterbrechung in den Jahren 1809 bis 1815 infolge des Friedens von Schönbrunn – im Kaisertum Österreich, ab 1867 als Teil des Kronlandes Galizien Österreich-Ungarns. Im August 1914 wurde die Stadt durch die russische 8. Armee besetzt. Vom 6. bis 19. September 1915 kam es vor den Toren der Stadt zu schweren Kämpfen (Österreich-Ungarn, Deutsches Reich gegen das Russische Reich). Am 25. Juli 1917 wurde die Stadt während der Tarnopol-Offensive von den Mittelmächten zurückerobert.
Nach dem Zusammenbruch der Donaumonarchie am Ende des Ersten Weltkriegs im November 1918 war die Stadt kurzzeitig Teil der Westukrainischen Volksrepublik. Im Polnisch-Ukrainischen Krieg besetzte Polen im Juli 1919 auch die letzten Teile der Westukrainischen Volksrepublik. Am 21. November 1919 sprach der Hohe Rat der Pariser Friedenskonferenz Ostgalizien Polen zu.
1921 wurde Tarnopol Hauptstadt der polnischen Woiwodschaft Tarnopol. Im September 1939 wurde die Stadt, wie das gesamte Ostgalizien, durch sowjetische Truppen infolge des deutsch-sowjetischen Nichtangriffspaktes besetzt und unter dem Namen Tarnopol (Тарнополь) der Ukrainischen Sowjetrepublik einverleibt. Es folgten die zwangsweise Kollektivierung (Bildung von Kolchosen) und Deportationen nach Sibirien. Im Jahre 1939 hatte der Ort über 34.000 Einwohner, wovon ca. 18.000 Juden waren.
Im Zuge des Krieges gegen die Sowjetunion besetzten deutsche Truppen in den ersten Julitagen 1941 die Stadt. Dabei kam es am 4. Juli zu einem Pogrom in Ternopol. Ukrainische Miliz und vermutlich auch polnische und ukrainische Zivilisten trieben unter Mitwirkung der SS-Einsatzgruppe C jüdische Einwohner ins Stadtgefängnis, wo die sowjetische Geheimpolizei NKWD vor ihrem Abmarsch ein Massaker unter politischen Häftlingen angerichtet hatte, zusammen, misshandelten und töteten sie anschließend.[2] Dabei bescheinigte die SS der Wehrmacht eine „erfreulich gute Einstellung gegen die Juden.“ Kurz darauf erfolgte die Errichtung eines Ghettos durch die deutschen Besatzer. Die Stadt wurde im August 1941 unter dem Namen Tarnopol in das Generalgouvernement eingegliedert. Das Ghetto wurde 1943 mitsamt seinen Bewohnern liquidiert, und große Teile der jüdischen Bevölkerung wurden massakriert, in Arbeitslager oder ins Vernichtungslager Belzec gebracht.
Im März und April 1944 wurde die deutscherseits zum „Festen Platz“[3] erklärte Stadt bei ihrer Rückeroberung durch die Rote Armee durch Artilleriebeschuss und Schlachtfliegereinsatz fast vollständig zerstört. Auch das Ternopiler Schloss (ukrainisch Старий замок, Ternopilskyj samok) wurde dabei schwer beschädigt.[4]
Am 9. August 1944 wurde die Stadt in Ternopol/Ternopil umbenannt[5]. Ab 1960, als noch ca. 500 Juden in der Stadt lebten, erfolgte die vermehrte Ansiedlung von Russen und Ukrainern. 1991 wurde die Ukraine unabhängig.
Der Aufbau der Stadt dauerte Jahrzehnte und wurde zum großen Teil nach sowjetischer Art durchgeführt. Daher stellt das heutige Stadtbild eine Mischung aus Alt und Neu dar und weist u. a. auch die für Städte in allen ehemaligen Ostblock-Ländern typische Prägung durch sozialistische Architektur auf. Dies betrifft besonders die Randbezirke der Stadt, die sogenannten Schlafbezirke.
Politische Zugehörigkeit
Seit 1550 gehörte Ternopil zu folgenden Staaten
- 1569–1772 in der Woiwodschaft Ruthenien, einer administrativen Einheit von Polen-Litauen
- 1772–1918 Kaiserreich Österreich, ab 1867 Österreich-Ungarn, Kronland Galizien
- 1918–1919 Westukrainische Volksrepublik
- 1919–1939 Teil der Woiwodschaft Tarnopol, einer administrativen Einheit der Zweiten Polnischen Republik
- 1939–1991 Teil der Sowjetunion (Ukrainische SSR)
- seit 1991 Teil der Ukraine
Bildung und Kultur
Ternopil beherbergt vier Universitäten bzw. Hochschuleinrichtungen: Pädagogische Universität, Nationale Wirtschaftsuniversität, Technische Universität, Staatliche Medizinische Universität sowie andere Kultureinrichtungen wie z. B. das Schewtschenko-Dramentheater, ein Puppentheater und das Bezirks-Philharmonieorchester. Kunstgalerien, Museen, ein großer Markt ergänzen das Bild. Sehenswert sind u. a. die Auferstehungskirche aus dem 17. Jahrhundert und eine dominikanische Kirche aus dem 18. Jahrhundert.
Wirtschaft und Infrastruktur
Verkehr
Die Stadt ist ein wichtiger Transportknoten auf der Ost-West-Achse. Besonders für den Eisenbahnverkehr ist sie als ein wichtiger Transit- und Umschlagplatz von Bedeutung. Ternopil verfügt daher über einen relativ großen Bahnhof, der vor einigen Jahren komplett renoviert und modernisiert wurde.
Persönlichkeiten
- Kazimierz Ajdukiewicz (1890–1963), polnischer Mathematiker, Logiker und Philosoph
- Eugeniusz Baziak (1890–1962), polnischer Erzbischof von Lemberg
- Hedwig Dorosz (1906–1946), deutsche Hochschullehrerin und Schriftstellerin
- Kornel Filipowicz (1913–1990), polnischer Schriftsteller
- Adam Kuczma (* 1923), methodistischer Geistlicher und Superintendent der Methodistischen Kirche Polens
- Mike Mazurki (1907–1990), ukrainisch-amerikanischer Boxer und Schauspieler
- Jakub Karol Parnas (1884–1949), polnischer Biochemiker
- Aleksander Pełczyński (1932–2012), polnischer Mathematiker
- Simcha Pinsker (1801–1864), ukrainisch-polnischer Orientalist
- Rudolf Pöch (1870–1921), österreichischer Anthropologe und Ethnologe
- Salomo Juda Rapoport (1790–1867), jüdischer Gelehrter und Mitbegründer der Wissenschaft des Judentums
- Karol Rathaus (1895–1954), deutsch-österreichischer Komponist
- Oleksandr Slobodjan (* 1956), ukrainischer Unternehmer, Politiker und Fußballfunktionär
- Edward Rydz-Śmigły (1886–1941), polnischer Marschall
- Jaroslaw Stezko (1912–1986), ukrainischer Exilpolitiker
- Oleh Suk (* 1965), ukrainischer Rockmusiker
Weblinks
- Kartenausschnitt der Stadtmitte
- Schlacht bei Tarnopol
- Historische Filmaufnahmen der Schlacht bei Tarnopil, filmportal.de
Einzelnachweise
- ↑ Rizzi Zannoni, Karta Podola, znaczney części Wołynia, płynienie Dniestru od Uścia, aż do Chocima y Ładowa, Bogu od swego zrzodła, aż do Ładyczyna, pogranicze Mołdawy, Woiewodztw Bełzkiego, Ruskiego, Kiiowskiego y Bracławskiego. 1772
- ↑ Bogdan Musial "Konterrevolutionäre Elemente sind zu erschießen." Die Brutalisierung des deutsch-sowjetischen Krieges im Sommer 1941, Berlin, München 2000, S. 235ff und 128.
- ↑ Gerd Fricke: Fester Platz Tarnopol 1944, Freiburg im Breisgau 1986, S. 70.
- ↑ Karl-Heinz Frieser (Hrsg.): Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg. Band 8: Die Ostfront 1943/44. Der Krieg im Osten und an den Nebenfronten. DVA, München 2007, ISBN 3-421-06235-8, S. 425–431
- ↑ УКАЗ от 9 августа 1944 года Об уточнении наименований городов: Тарнополь, Черновицы, Каменец-Подольск, Владимир-Волынск, Чертков Украинской ССР