Urnäsch

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Urnäsch
Wappen von Urnäsch
Wappen von Urnäsch
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Appenzell Ausserrhoden Appenzell Ausserrhoden (AR)
Bezirk: ehemaliger Bezirk Hinterlandw
BFS-Nr.: 3006i1f3f4
Postleitzahl: 9107
Koordinaten: 739412 / 242326Koordinaten: 47° 19′ 1″ N, 9° 16′ 58″ O; CH1903: 739412 / 242326
Höhe: 832 m ü. M.
Höhenbereich: 722–1588 m ü. M.[1]
Fläche: 48,16 km²[2]
Einwohner: 2300 (31. Dezember 2022)[3]
Einwohnerdichte: 48 Einw. pro km²
Ausländeranteil:
(Einwohner ohne
Schweizer Bürgerrecht)
10,6 %
(31. Dezember 2022)[4]
Gemeindepräsident: Peter Kürsteiner
Website: www.urnaesch.ch
Urnäsch
Urnäsch

Urnäsch

Lage der Gemeinde
Karte von UrnäschKanton Appenzell InnerrhodenKanton Appenzell InnerrhodenKanton St. GallenKanton St. GallenBezirk MittellandBezirk VorderlandHerisauHundwilSchönengrundSchwellbrunnStein ARUrnäschWaldstatt
Karte von Urnäsch
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Urnäsch ist die flächenmässig grösste politische Gemeinde des Schweizer Kantons Appenzell Ausserrhoden.

Geographie

Urnäsch liegt südlich von Waldstatt am Fluss gleichen Namens und an der Bahnlinie Gossau SG–Wasserauen, die unter anderem Herisau mit Appenzell verbindet. In Urnäsch beginnt die Passstrasse über die Schwägalp nach Neu St. Johann. Der tiefste Punkt ist Murbach mit 722 m ü. M., der höchste Petersalp mit 1590 m ü. M. Der bekannteste Berg auf dem Gemeindegebiet ist die Hochalp.

Nachbargemeinden sind Waldstatt, Hundwil, Nesslau, Neckertal, Schönengrund und Schwellbrunn.

Urnäsch hat eine Gesamtfläche von 4813 Hektaren. Davon sind 176 Hektaren bewohnte, 2554 Hektaren landwirtschaftliche und 2012 Hektaren bestockte Flächen, also Wälder und Gehölze. Die restlichen 71 Hektaren gelten als unproduktive Flächen.[5]

Geschichte

Historisches Luftbild aus 200 m von Walter Mittelholzer von 1922

Im Jahr 831 wurde erstmals der in Urnäsch gelegene Weiler Färchen als Farrichun erwähnt.[6] Der Fluss Urnäsch erscheint erstmals mit der Bezeichnung Urnasca anfangs des 10. Jahrhunderts.[7] Unter der äbtischen Herrschaft des Klosters St. Gallen bildete Urnäsch zuerst mit Herisau einen Verwaltungsbezirk. Im 14. Jahrhundert war es eine Rhode des Amts Hundwil und gehörte mit diesem innerhalb des Reichsverbands zur Vogtei St. Gallen. «Urnäschen» wies schon 1344 ein kommunales Eigenleben auf. Es festigte sich noch weiter, indem die Gemeinde als «Lendlyn» 1377 dem Schwäbischen Städtebund beitrat. Im Jahr 1401 schloss sich die Gemeinde dem Bund mit der Stadt St. Gallen an. Das geschah noch unter dem Siegel Hundwils. Es war eine treibende Kraft in den Appenzeller Kriegen von 1401 bis 1429. Vorerst war Urnäsch nach Herisau kirchgenössig, nach dem Bau der Antoniuskirche 1414 erlangten die Urnäscher 1417 die endgültige kirchliche und politische Selbstständigkeit. Innerhalb der Streusiedlung entwickelte sich um die Kirche ein Dorfkern. Im Jahr 1480 trennten Urnäsch und Hundwil die gemeinsamen Alpen und regelten den Grenzverlauf. 1525 schloss sich der Ort der Reformation an. Von 1532 bis 1543 war der Hundwiler Pfarrer Walter Klarer evangelischer Pfarrer im Dorf.

Seit der Landteilung 1597 gehört Urnäsch als erste der sechs äusseren Rhoden zum Land Appenzell Ausserrhoden und war regelmässig Tagungsort des Kleinen Rats. Die Gemeindeteile Tal und Dorf dehnten sich ab dem 18. Jahrhundert entlang der Route Waldstatt-Schwägalp aus und wuchsen allmählich zusammen.

Am 19. Dezember 1641 kam es in Urnäsch zu einem Grossbrand. Der Brand brach zwischen zwei und drei Uhr nachts aus und zerstörte in kurzer Zeit die ganze Kirche, das Pfarr- und Rathaus sowie 12 Wohnhäuser. Die Kirche wurde nach dem Dorfbrand von 1641 wieder aufgebaut und in den Jahren 1866 bis 1868 renoviert. Vierzig Jahre nach dem Brand wurde in Urnäsch die erste Feuerspritze angeschafft. Hundert Jahre soll diese funktioniert haben, bis dann im Jahr 1797 ein neuer Brand ausbrach. Erst da merkte man, dass an der Spritze ein Teil kaputt war und sie nicht funktionstauglich war. Der Brand war diesmal jedoch nicht so verheerend, und zu Schaden kamen nur drei Häuser.[8]

Die grösste Gemeinde Ausserrhodens umfasste bis ins frühe 18. Jahrhundert auch Schönengrund, das sich nach dem eigenen Kirchenbau von 1720 bis 1722 abtrennte.

Ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann zusehends die Trennung zwischen Kirche und Staat. Durch die Bundesverfassung von 1874 und durch die Kantonsverfassung von 1876 wurde es beispielsweise für widerrechtlich erklärt, dass Kleriker bei gewissen Gremien wie dem Ehegäumer (Sittengericht) wirken durften. Als die Bundesverfassung von 1908 in den Kantonen umgesetzt wurde, wurde die Kirche schliesslich vom Staatswesen getrennt. In Urnäsch jedoch wurde erst im Jahr 2000 der Begriff der Kirchhöri aus der Gemeindeverfassung gestrichen.[9]

Ab 1850 stieg die Bedeutung des Fremdenverkehrs. 1853 wurde in der Gemeinde die erste Brücke, die Mühlstattbrücke, gebaut; und seit 1875 verfügt Urnäsch über eine Station an der Bahnlinie Herisau-Appenzell. Im 20. Jahrhundert war vor allem die verkehrstechnische Erschliessung der Gemeinde von historischer Bedeutung.[10] Auch touristisch profitiert das Dorf von seiner Lage als Ausgangsort für Ausflüge zur Schwägalp und zum Säntis. 1935 wurde die Säntis-Schwebebahn gebaut, 1944 der Skilift Osteregg und eine Sprungschanze.

Urnäsch kandidierte 2008 bei der Europäischen ARGE Landentwicklung und Dorferneuerung um den Europäischen Dorferneuerungspreis 2008. Zusammen mit vier weiteren Gemeinden setzte die Jury Urnäsch hinter dem Siegerdorf Sand in Taufers im Südtirol auf den Ehrenplatz. Die Jury lobte besonders das Reka-Feriendorf, «das schlichtweg als Referenzprojekt für nachhaltige, qualitätvolle Architektur und Bautechnik im ländlichen Raum anzusehen ist».[11]

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung[12]
Jahr 1850 1870 1888 1900 1920 1941 1960 1980 1990 2000 2010 2020 2022
Einwohner 2464 2564 3123 3087 3202 2481 2330 2258 2431 2335 2278 2263 2290

Urnäschs Bewohnerzahl schwankte vor allem aus klimatischen und wirtschaftlichen Gründen in den letzten Jahrhunderten: 1667 hatte es erst 1'772 Bewohner, 1794 2'798, 1818 1'917, 1850 2'464, 1900 3'087, 1950 2'579 und im Jahr 2000 2'335 Einwohner; die Tendenz ist leicht abnehmend.

Religionen/Konfessionen in Urnäsch (in Prozent) – 2013[13]

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Wirtschaft

Tourismuswerbung 1904: Stauwehr Rossfall mit Säntis
Bahnhof Urnäsch (2018)

Wirtschaftlich haben in Urnäsch Alpwirtschaft mit Vieh sowie Forstwirtschaft seit je eine herausragende Rolle. Bis um 1900 war Holz- und Holzkohlenexport bedeutend. Trotz Schutzbestimmungen für die Gemeindewälder – erstmals 1533 erlassen – nahm die Abholzung ab 1820 zuerst für die Köhlerei und später auch für die Papierindustrie massiv zu. 1826 wurden neun Sägemühlen gezählt. Die Kantonsregierung erklärte 1901 die verbliebenen Waldungen zu Schutzwäldern.

Im 17. Jahrhundert bestand eine Pulvermühle, 1801 bis 1867 eine Ziegelei und bis ins frühe 19. Jahrhundert eine Salpetersiederei.

Die Herstellung von Leinwandtuch ist bereits 1515 bezeugt, der Flachsanbau 1604. Die Weberei beschäftigte im Jahr 1826 672 Weber, und die Stickerei prägte im 19. Jahrhundert die Gemeinde. In diesem Zeitraum entstanden mehrere Fabriken. Wie für die gesamte Ostschweiz war die Textilindustrie für Urnäsch von grosser wirtschaftlicher Bedeutung.

Die Krise der Zwischenkriegszeit traf die Heimindustrie, während sich die Textilfabriken dank erfolgreicher Diversifikation halten konnten. Unter den erfolgreichen Fabriken waren unter anderen die Gebrüder Müller AG und die Gebrüder Biasotto AG. Die Textilindustrie blieb auch nach 1945 wichtigster Erwerbszweig: Die Teppichfabrik Tisca Tiara nahm 1965 den Betrieb auf, eine Spinnerei (TAP AG) 1978. Die Textilindustrie erfuhr erst in den 1980er Jahren einen teilweisen Einbruch. Wichtige Unternehmer wie «Strickwaren Müller» und «Damenunterwäsche Rohner» überlebten die Krise nicht, wodurch viele Arbeitsplätze verloren gingen. Seit jener Zeit konnte Urnäsch keine Ersatzindustrie erschliessen. Jedoch gilt der Tourismus heute als grosse Chance: Die unverbaute Landschaft sowie die Nähe zum Alpstein sind ideal für einen sanften Tourismus.[14] Zwar gab es zeitweilig auch in Urnäsch einen gewissen Kurtourismus, doch das Dorf erlangte nie grosse Bedeutung in dieser Branche. Es wurde stets von Heiden und anderen Ausserrhoder Gemeinden übertrumpft.[15]

Auch in den Bereichen Kosmetik und Parfum konnte und kann Urnäsch hochwertige Produkte herstellen. Die Intracosmed, wie sie seit 1998 hiess, stellte hochwertige Gesichts-, Körper- und Haarpflegeprodukte her. Zu Spitzenzeiten vertrauten rund 30 Marken ihre Produkte zur Entwicklung dem Unternehmen in Urnäsch an. Das Unternehmen stellte auch exklusive Damen- und Herrendüfte her und lieferte diese in die ganze Welt.[16] 2019 ging die Firma jedoch Konkurs. An ihrer Stelle ist heute die «Swifiss AG», die ebenfalls hochwertige Pflegeprodukte herstellt.[17]

Das Elektrizitätswerk Urnäsch (EWU AG) liefert seit 1903 mit dem Stauwehr, einem Speicherweiher und dem Werk «Rossfall» Strom für die Gemeinde Urnäsch. Der aktuelle Verbrauch (2018) wird zu einem Drittel von den fünf auf Gemeindeboden liegenden Kleinkraftwerken als erneuerbare Energie produziert.[18]

2007 gründeten 37 Bauernfamilien die Urnäscher Milchspezialitäten AG. Ziel war die Vermarktung der eigenen Milch. Auf dem ehemaligen Platz des Hotels «Hecht» begannen 2008 die Bauarbeiten. 2009 wurde die Käserei als erstes regionales Entwicklungsprojekt in der Schweiz eröffnet. 2010 wurde der Urnäscher Bergkäse in das Sortiment des Grossverteilers «Migros» genommen. Mit ihren verschiedenen Käsespezialitäten hat die AG schon einige Preise gewonnen.[19] Durch die spezielle Mikrofiltration, die die Käserei benutzt, können fast 100 Prozent der Keime aus der Rohmilch gefiltert werden.[14]

Heute sind in Urnäsch 73 Gewerbe eingetragen. Darunter sind langjährige Institutionen wie die Stiftung Columban und das «Heilpädagogische Schulinternat Rosenhügel», die auch heute noch wichtige Arbeitgeber sind. Zudem sind in der Gemeinde 17 verschiedene Restaurants und Gasthäuser eingetragen. 2011 waren es sogar noch 22. Dies entsprach einem Restaurant pro 103 Einwohner.[14][20]

Politik

Peter Kürsteiner ist der aktuelle Gemeindepräsident der Gemeinde Urnäsch (Stand Juli 2022). Urnäsch verfügt über einen neunköpfigen Gemeinderat, der unter der Leitung des Gemeindepräsidenten steht. Der Rat wird für eine vierjährige Amtszeit von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern im Majorzverfahren bestimmt. Der Gemeinderat ist ein politisches Organ der Exekutive und kümmert sich im Rahmen seiner Kompetenzen um die laufenden Geschäfte der Gemeinde. Es gibt auf Gemeindeebene keine begrenzte Anzahl Amtszeiten. Folgende Personen bilden den Gemeinderat Urnäsch für die Amtszeit 2019–2023 (Stand August 2022)[21]:

  • Peter Kürsteiner, Gemeindepräsident
  • Thomas Thym, Vize-Gemeindepräsident
  • Hans Peter Bösch, Gemeinderat
  • Julia Bossard, Gemeinderätin
  • Hanni Frehner-Diem, Gemeinderätin
  • Niklaus Hörler, Gemeinderat
  • Iwan Schnyder, Gemeinderat
  • Cornelia Weiler-Dörig, Gemeinderätin
  • Rolf Wild, Gemeinderat

Aufgrund der Einwohnerzahl hat Urnäsch im Kantonsrat in Herisau, der Legislative des Kantons, drei Sitze. Die Personen werden im Majorzverfahren von den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt. Die Kantonsrätinnen und Kantonsräte vertreten die Interessen der Gemeinde auf kantonaler Ebene. Folgende Personen vertreten aktuell Urnäsch im Kantonsrat (Stand August 2022)[22]:

  • Alfred Wirz, Kantonsrat, parteilos, Fraktion PU
  • Peter Kürsteiner, Kantonsrat, parteilos, Fraktion PU
  • Jörg Schmid, SVP

Bildung

Bahnhof und Post Urnäsch 2005

Eine erste Lohnschule in Urnäsch kann zu Beginn des 17. Jahrhunderts nachgewiesen werden. In einer Lohnschule wurde der Lehrer durch einen wöchentlichen Betrag der Eltern der Lernenden entlohnt. Damals war es üblich, dass der Pfarrer auch die Schule betrieb, um sein Gehalt aufzubessern. Ansonsten ist nur sehr wenig über die Schulkultur des 17. Jahrhunderts in der Gemeinde bekannt. Im Jahr 1796 wurde eine erste Freischule gegründet, die dank eines bedeutenden Vermächtnisses fungieren konnte. Freischulen wurden durch die Gemeinde finanziert, wodurch keine Kosten für die Eltern aufkamen. Ab diesem Moment konnten auch ärmere Familien ihre Kinder zur Schule schicken. Zu diesem Zeitpunkt wurde an vier verschiedenen Orten im Dorf unterrichtet. Ein erstes dorfeigenes Schulhaus wurde 1834 eröffnet – dies in einem Haus in der Schönau, das schon 40 Jahre lang als Schulhaus gedient hatte. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wurden die hygienischen Verhältnisse immer schlechter, sodass noch weitere drei Häuser zu Schulen umfunktioniert werden mussten. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden aufgrund der wachsenden Schülerzahlen Neubauten beschlossen, die seither einigen Renovationen unterzogen worden sind. Das neueste Schulhaus wurde 2005 eingeweiht und steht im Haltentobel.[23]

Heute sind in Urnäsch alle Schulstufen bis zum neunten Schuljahr abgedeckt. Vier Kindergärten sind auf vier verschiedene Häuser aufgeteilt. Die Primarschule ist je nach Zyklus in verschiedenen Gebäuden untergebracht, wobei zwei davon sogenannte Aussenschulen sind. Nach Bedarf werden die Kinder von heilpädagogischen Fachkräften unterstützt. Die Oberstufe ist in der Schulanlage Au untergebracht.[24]

Weiterführende Schulen sind die Kantonsschule Trogen und das Gymnasium Appenzell. Aufgrund des langen Schulweges nach Trogen haben Urnäsch und das Gymnasium Appenzell eine Vereinbarung abgeschlossen. Diese besagt, dass die Lernenden stattdessen das näher gelegene Gymnasium im Innerrhoder Hauptort besuchen dürfen.

Für Jugendliche, die eine Lehre absolvieren, steht das Berufsbildungszentrum in Herisau zur Verfügung.[25]

Kunst und Kultur

Brauchtum

Mit mehrstimmigem Jodeln und Glockenschlagen begrüssen die Chläuse das neue Jahr
Silvesterchläuse am Alten Silvester, 13. Januar 2010

In Urnäsch wird das Brauchtum rege gepflegt. Der am meisten bekannte Brauch ist der Alte Silvester, an dem die Silvesterchläuse in Erscheinung treten. Nach dem heute gültigen gregorianischen Kalender fällt der Silvester auf den 31. Dezember, nach dem bis Ende des 16. Jahrhunderts gültigen Julianischen Kalender auf den 13. Januar. Daher wird der Brauch in Urnäsch gleich doppelt aufgeführt, nämlich am üblichen Silvestertag und auch am 13. Januar bzw. jeweils am Tag davor, falls dieser Tag auf einen Sonntag fällt. Die Silvesterchläuse treten als Wüeschte, Schöne und Schö-Wüeschte auf. Jede Gruppe (Schuppel) von Chläusen besteht aus Glockenträgern (Rolli) und Schellenträgern (Schelli). Die Chläuse ziehen in den Morgenstunden von Haus zu Haus, jodeln, wünschen ein gutes neues Jahr, erhalten einen Trunk und ein Geldgeschenk. Nachmittags und abends ziehen sie von Wirtschaft zu Wirtschaft.[26]

Jeweils in den ungeraden Jahren wird am Fasnachtsmontag, dem sogenannten «Blochmontag», ein spezieller Fasnachtsbrauch durchgeführt: Ein geschmückter Baumstamm, das Bloch, wird von den Männern der Blochgesellschaft auf einem Wagen von Urnäsch über Waldstatt nach Herisau und wieder zurückgezogen und zum Schluss auf dem Urnäscher Dorfplatz durch den Förster versteigert.[27] Dass der Brauch von erwachsenen Männern und nur alle zwei Jahre durchgeführt wird, ist speziell. In Hundwil, Stein und Schwellbrunn wird das Bloch jedes Jahr und von Kindern durchgeführt.[28]

Im Frühsommer, Mai und Juni, sind die Alpfahrten der Bauern. Der Weg vom Bauernhof zur Alp mit den Kühen wird zu Fuss zurückgelegt. Bereits früh am Morgen marschieren die Bauern mit den Kühen los. Im September kehren die Bauern mit ihrem Vieh wieder von den Alpen zurück.

Die Streichmusik Alder aus Urnäsch gehört zu den bekannten Vertretern der Appenzeller Musik. Alljährlich am Samstag vor der Innerrhoder Landsgemeinde findet der Appenzeller Streichmusiktag in Urnäsch statt.

Alle fünf Jahre wird in Urnäsch ein Kinderfest gefeiert. Es wird von den Schulen der Gemeinde organisiert. Seine Entstehungsgeschichte ist nur spärlich dokumentiert worden. Eine erste Erwähnung findet das Fest in den Schulprotokollen im Jahr 1872.[29] Das Kinderfest beginnt mit drei traditionellen Gewehrschüssen auf dem Wiesböhl um 6 Uhr morgens. Ein Mittagessen für die Kinder und Jugendlichen wird von den Gaststätten und Restaurants der Gemeinde angeboten. Am Nachmittag findet ein Umzug aller Schulpflichtigen unter einem Motto statt. Anschliessend an den Umzug gibt es ein Programm und verschiedene Aufführungen auf der Urnäscher Kinderfestwiese. Erst gegen Abend wird die Unterhaltung von Erwachsenen – beispielsweise vom Guggenmusikverein – übernommen.[30]

Appenzeller Brauchtumsmuseum

Heimatmuseum

Im Dorfkern von Urnäsch befindet sich das Appenzeller Brauchtumsmuseum, das 1976 eröffnet wurde. Es zeigt einen repräsentativen Querschnitt über das Brauchtum, die Kultur und die Volkskunst des Appenzellerlandes.[31] Themen wie das Silvesterchlausen, die Alpabfahrt und das Bloch stehen in der Dauerausstellung im Fokus. Ein Rundgang im Museum verschafft einen Einblick in bäuerliche Wohnräume, in die Welt der Trachten und in die Volkskunst. Zusätzlich zur Dauerausstellung gibt es verschiedene Sonderausstellungen. Das Kronjuwel des Museums ist die originale «Urnäscher Rhodsfahne». Die Darstellung des Bären soll die älteste noch vorhandene Darstellung des Appenzeller Bären sein. Sie stammt aus dem Jahre 1350. Nebst dem Bären ist ein Mann mit Heiligenschein auf der Fahne abgebildet. Dieser wird als Apostel Philippus identifiziert, der Urnäscher Kirchenpatron gewesen war. Das Museum befindet sich am Dorfplatz 6 in Urnäsch.[32]

Musik

Der Männerchor Urnäsch wurde schon 1885 ins Leben gerufen. Wegen fehlender Mitglieder musste der Chor jedoch schon 1990 ein Ende finden. Heute bestehen hauptsächlich noch traditionelle Chöre, die jodeln und zauern.

Der Musikverein ist die älteste Musikformation in der hinterländischen Gemeinde. Ihr Ursprung geht auf das Jahr 1537 zurück. Eine Gründung ist jedoch erst im Jahr 1853 dokumentiert. Heute nennt sich der Musikverein «Fanfare mixte». Gespielt werden neben Blechblasinstrumenten auch Holzblasinstrumente.[33]

Lesegesellschaft

Dem Trend des 19. Jahrhunderts entsprechend wurde auch in Urnäsch 1845 eine Lesegesellschaft gegründet. Ihr Kerngeschäft war «die Erbauung und Belehrung der Mitglieder». Im Gegensatz zu zahlreichen anderen Gemeinden in Appenzell Ausserrhoden hat die Lesegesellschaft in Urnäsch nicht überdauert – sie wurde im Jahre 1916 aufgelöst.[34]

Sport und Freizeit

In den frühen Jahren des 20. Jahrhunderts etablierte sich ein Männerturnverein. Im Jahr 1926 folgte der Damenturnverein. Dazwischen (1906) wurde der Skiclub gegründet. Dieser veranstaltete mehrere Wettkämpfe in Urnäsch. Da viele Freude am Skisport fanden, wurde 1944 der Skilift Osteregg erbaut. Der Skilift war die erste Anlage in der gesamten Ostschweiz. 1978 setzte die Skilift AG sogar eine Schneekanone ein, was zu dieser Zeit völlig neu war. Das Skihaus auf dem Hügel am Fusse des Liftes dient als Wirtschaft. Einige nationale Berühmtheiten wie die Langläufer Hans Schoch und Martin Hörler trainierten in Urnäsch. Hans Schoch eröffnete 1970 den Bömmeli-Skilift in Hundwil. Auch heutzutage ist der Skilift noch in Betrieb und wird weiterhin sehr geschätzt.[35]

Seit 2008 gibt es in Urnäsch ein Reka-Feriendorf. Im Jahr 2010 verbrachten dort 7327 Personen ihre Ferien. Somit war das Feriendorf in Urnäsch unter den Schweizer Reka-Feriendörfern eines der meistbesuchten. Auf der Anlage befinden sich rund 50 Ferienwohnungen, ein Hallenbad, eine Saunalandschaft und Sportplätze.

Von Urnäsch aus können viele Wanderungen im Alpstein und durch die appenzellische Hügellandschaft unternommen werden.[36] Der Loipenverein Urnäsch präpariert jedes Jahr eine fünf Kilometer lange Loipe, auf der klassischer Langlauf und Skating praktiziert werden kann. Meist ist das Gelände flach, für Fortgeschrittene gibt es aber auch eine «Abfahrt».[37]

Heute (Stand August 2022) sind in Urnäsch rund 40 Vereine auf der Gemeindeseite eingetragen.

Institutionen

Stiftung Heim Columban

Die Stiftung Heim Columban wurde im Jahr 1973 gegründet. Der Trägerverein entstand bereits neun Jahre davor. Sie geht auf den Heilpädagogen Max Fuchsmann zurück, der 1961 die ersten zwei Kinder mit geistiger Beeinträchtigung im ehemaligen Waisenhaus aufnahm. Heute bietet die Stiftung Columban einen Wohn- und Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderung und wird mit anthroposophischen Grundsätzen geleitet. Sie ist zudem grösster Arbeitgeber der Gemeinde Urnäsch.[14]

Heilpädagogisches Schulinternat Rosenhügel

Das Schulinternat Rosenhügel betreut Kinder zwischen fünf und achtzehn Jahren, die eine geistige Behinderung haben. Die Institution hat insgesamt 18 Plätze. Das Internat liegt am Südhang von Urnäsch und bietet ideale Möglichkeiten zu lernen. Das pädagogische therapeutische Angebot ist breit gefächert. Die Institution verfügt über einen eigenen heilpädagogischen Reitbetrieb. Die Trägerschaft liegt bei der Stiftung «Zürcher Kinder- und Jugendheime». In der internen Schule werden die Kinder in drei altersdurchmischte Klassen aufgeteilt. Die Schulzeit endet mit dem 18. Lebensjahr. Bis dahin werden die Kinder und Jugendlichen auf eine Berufsausbildung (geschützte Werkstätte) vorbereitet.[38]

Wohn- und Pflegezentrum Au

Das Wohn- und Pflegezentrum Au «WPZ» wurde im Jahr 2014 an der Unterdorfstrasse 40 in Urnäsch eröffnet. Es bietet Platz für 32 Heimbewohnerinnen und -bewohner sowie 40 Arbeitsplätze. Somit ist es eines der grössten Arbeitgeber der Gemeinde.[39] Entstanden ist es nach der Schliessung des Alters- und Pflegeheim Chräg im Jahr 2014.

Reformierte Kirche

Die reformierte Kirche in Urnäsch wurde 1414 gebaut. Dies, obwohl die Genehmigung des Klosters St. Gallen noch nicht vorhanden war. Die fertig gebaute Kirche galt vorerst als Filialkirche von Herisau, drei Jahre später wurde sie zur selbstständigen Pfarrkirche von Urnäsch. Geweiht wurde die Kirche den Aposteln Philippus und Jakobus. Im Jahr 1602 wurde die Kirche renoviert und drei Altäre entfernt. 1878 erhielt die reformierte Kirche eine erste Orgel. 1941 wurde eine zweite Orgel eingeweiht, 1999 eine dritte. Bis in die 1950er-Jahre waren im Pfarrhaus (heutige Kanzlei) der Gemeinderatssaal und eine Arrestzelle untergebracht. Acht Jahre später wurde das neue Pfarrhaus erbaut, das sich auf dem alten Friedhof befindet.[40]

Katholische Pfarrei

1911 kam es zur Gründung der römisch-katholischen Pfarrei Urnäsch-Hundwil, deren Kirchbau 1912 eingeweiht wurde. Im Jahr 1938 wurde die Pfarrgemeinde Urnäsch als Besitzerin des Grundstücks vermerkt. 1958 wurde die Kirche renoviert. Zeitweise (1973–1988) war in der katholischen Kirche eine elektronische Orgel in Betrieb. Diese wurde 15 Jahre später durch den Kauf einer herkömmlichen Orgel ersetzt.[41]

Persönlichkeiten

Literatur

  • Arnold Zehender, H. Spross: Aus der Geschichte der Kirchgemeinde Urnäsch. 1942.
  • J. Jakob: Bausteine zu einer Heimatgeschichte von Urnäsch. 1955.
  • Eugen Steinmann: Die Kunstdenkmäler des Kantons Appenzell Ausserrhoden, Band 1: Der Bezirk Hinterland. Birkhäuser, Basel 1973. (= Die Kunstdenkmäler der Schweiz, Band 61), S. 292–330. (Digitalisat)
  • Regina Bendix, Theo Nef: Silvesterkläuse in Urnäsch. 1984.
  • Thomas Fuchs: Stromland Urnäsch. 100 Jahre Elektrizitätswerk Urnäsch. 2003.
  • Hans Hürlemann, Oskar Keller, Robert Meier, Stefan Sonderegger: Urnäsch: Landschaft – Brauchtum – Geschichte. Appenzeller Verlag, Herisau 2006.

Weblinks

Commons: Urnäsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  2. Generalisierte Grenzen 2023. Bei späteren Gemeindefusionen Flächen aufgrund Stand 1. Januar 2020 zusammengefasst. Abruf am 7. September 2023.
  3. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  4. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  5. Appenzell Ausserrhoden (Hrsg.): Daten und Fakten AR2022.
  6. Stiftsarchiv St. Gallen: Ersterwähnung des Weilers Färchen bei Urnäsch. Abgerufen am 22. August 2022.
  7. ortsnamen.ch: Ersterwähnung des Flusses Urnäsch zwischen 900 und 912. Abgerufen am 22. August 2022.
  8. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. 1. Auflage. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 218–223.
  9. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 146ff.
  10. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 248f.
  11. Website Reka-Feriendorf Urnäsch
  12. Daten der Eidgenössischen Volkszählungen ab 1850 nach Gemeinden (CSV-Datensatz). (CSV) In: Bundesamt für Statistik. Bundesamt für Statistik, 2019, abgerufen am 7. Juli 2022.
  13. Rechnung 2013. (PDF) Gemeinde Urnäsch, 2014, abgerufen am 14. Februar 2016.
  14. a b c d Appenzeller Zeitung. 21. Mai 2011, S. 57.
  15. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 162.
  16. René Bieri: Appezeller Loft, Leben und Arbeiten im Appenzellerland. Hrsg.: Toni Küng, René Bieri. 1. Auflage. Appenzeller Druckerei AG, Herisau 2015, S. 182.
  17. Über uns. Abgerufen am 18. August 2022.
  18. Thomas Fuchs: Stromland Urnäsch
  19. Geschichte der Käserei. Abgerufen am 16. August 2022.
  20. Gewerbe, Firmenverzeichnis. Abgerufen am 16. August 2022.
  21. Politik, Berhörden. Abgerufen am 16. August 2022.
  22. Mitglieder des Kantonsrates. Abgerufen am 16. August 2022.
  23. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 174–187.
  24. Infrastruktur der Schulen Urnäsch. Abgerufen am 15. August 2022.
  25. Portrait der Schule Urnäsch. Abgerufen am 16. August 2022.
  26. Katharina Eugster-Rüesch: Silvesterchläuse. In: Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch, Informationsblatt, ca. 2018.
  27. Das Urnäscher Bloch, ein alter Fasnachtsbrauch
  28. Johannes Schläpfer: Bloch und Gidio. In: Walter Irniger (Hrsg.): Appenzeller Brauchtum. 1. Auflage. Band 3. Verlagsgemeinschaft St. Gallen (VGS), Urnäsch 1988, ISBN 3-7291-1049-7, S. 16–33.
  29. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 167f.
  30. Manege frei fürs Kinderfest. Abgerufen am 15. August 2022.
  31. Website Appenzeller Brauchtumsmuseum Urnäsch
  32. Museum Urnäsch. Abgerufen am 15. August 2022.
  33. Hans Hürlimann: Urnäsch, Landschaft-Brauchtum-Geschichte. 1. Auflage. Hrsg.: Gemeinde Urnäsch. Appenzeller Verlag, Herisau 2006, ISBN 3-85882-432-1, S. 276.
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