Leibstadt

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Leibstadt
Wappen von Leibstadt
Wappen von Leibstadt
Staat: Schweiz Schweiz
Kanton: Kanton Aargau Aargau (AG)
Bezirk: Zurzachw
BFS-Nr.: 4311i1f3f4
Postleitzahl: 5325
UN/LOCODE: CH LBT
Koordinaten: 655494 / 271326Koordinaten: 47° 35′ 25″ N, 8° 10′ 35″ O; CH1903: 655494 / 271326
Höhe: 347 m ü. M.
Fläche: 6,39 km²
Einwohner: 1507 (31. Dezember 2022)[1]
Einwohnerdichte: 236 Einw. pro km²
Website: www.leibstadt.ch
Karte
Karte von Leibstadt
Karte von Leibstadt
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Leibstadt (in der lokalen Mundart: ˈlœɪp.ʃlət)[2] ist eine Einwohnergemeinde im Bezirk Zurzach des Schweizer Kantons Aargau. Sie liegt am Hochrhein an der Grenze zu Deutschland und ist bekannt als Standortgemeinde des Kernkraftwerks Leibstadt.

Geographie

Die Gemeinde besteht geologisch aus zwei Teilen: Im Norden die flache, rund einen Kilometer breite Rheinebene, im Süden die Ausläufer des Tafeljuras. Die Wandfluh im Südwesten ist sehr steil und von einzelnen Kalkfelsen durchzogen. Im Süden liegt eine flache Hochebene, die bis auf eine Höhe von 509 Metern reicht. Die südöstliche Grenze bildet die 462 Meter hohe Hochwacht. Das Siedlungsgebiet erstreckt sich über eineinhalb Kilometer von Nord nach Süd. Im Norden liegt nahe dem Ufer des Rheins der Ortsteil Bernau. Das Dorfzentrum befindet sich am Rande der Ebene, unmittelbar vor den Südhängen von Brüehalde und Winterberg, zwei steilen vorspringenden Hügeln. Zwischen diesen Hügeln liegt in einem tief eingeschnittenen Tal das südliche Drittel des Dorfes.[3]

Die Fläche der Gemeinde beträgt 639 Hektaren, davon sind 218 Hektaren bewaldet und 118 Hektaren überbaut. Der höchste Punkt liegt auf 530 Metern an der Wandfluh, der tiefste auf 302 Metern am Ufer des Rheins.

Nachbargemeinden sind Full-Reuenthal im Nordosten, Leuggern im Osten, Mettauertal im Südwesten, Schwaderloch im Westen und das deutsche Dogern im Norden.

Geschichte

Früheste Siedlungsspuren in der Gegend von Leibstadt stammen von den Helvetiern, einem Keltenstamm, der um 500 v. Chr. dieses Gebiet in Besitz nahm. Ab 58 v. Chr. herrschten hier die Römer. Von 259 bis 277 hielten die Alamannen das Gebiet südlich des Rheins besetzt, bevor sie von den Römern zurückgedrängt wurden. Der Rhein bildete die Nordgrenze des Römischen Reichs, bei Bernau bestand ein Wachtturm. Um 400 zogen sich die Römer endgültig über die Alpen zurück. Die Alamannen besiedelten die Region und verdrängten allmählich die romanisierten Kelten. Das Dorf Leibstadt entstand wahrscheinlich im 8. Jahrhundert.

Im Jahr 1231 vermachten die Freien von Bernau ihren Grundbesitz dem Johanniterorden. Die erste urkundliche Erwähnung von Leibesteit erfolgte im Jahr 1240. Der Ortsname stammt vom althochdeutschen (ze) leibesteti und bedeutet «bei der Wohnstätte des Leip».[2] Die Johanniter teilten ihren neu erworbenen Besitz zunächst der Kommende Bubikon im Zürcher Oberland zu, 1250 gründeten sie die Kommende Leuggern. Diese wurde das religiöse und politische Zentrum des Kirchspiels Leuggern, das die heutigen Gemeinden Leuggern, Böttstein, Full-Reuenthal und Leibstadt umfasste. Die hohe Gerichtsbarkeit lag bei den Habsburgern.

Leibstadt kurz nach Sonnenaufgang

Die Eroberung des Aargaus durch die Eidgenossen im Jahr 1415 hatte für Leibstadt einschneidende Folgen. Dem Dorfbach entlang wurde eine Grenze gezogen. Unterleibstadt im Westen gehörte zu Vorderösterreich, Oberleibstadt im Osten blieb Teil des Kirchspiels Leuggern und gelangte zur Grafschaft Baden, einer Gemeinen Herrschaft der Eidgenossen. Die Grenze verlief mitten durch die Burg Bernau und die Mühle. Während des Schwabenkrieges von 1499 wurde Leibstadt verwüstet und geplündert. Die Burg Bernau brannte nieder und wurde später wieder aufgebaut. Von 1529 bis 1531 hielten Truppen der reformierten Stadt Bern das Kirchspiel besetzt, die Bevölkerung blieb jedoch katholisch.

Die Johanniterkommende Leuggern übte in Oberleibstadt sowie einem Teil von Unterleibstadt die niedere Gerichtsbarkeit aus. Vor allem in Unterleibstadt kam es aber immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten mit den Besitzern der Herrschaft Bernau. Diese Herrschaft wechselte in regelmässigen Abständen ihren Besitzer und umfasste Unterleibstadt, die Burg Bernau, Gansingen und Schwaderloch.

Im März 1798 marschierten die Franzosen in die Schweiz ein und das Kirchspiel gelangte zum kurzlebigen Kanton Baden der Helvetischen Republik. Es entstanden die Munizipalitäten Böttstein und Leuggern. Während des Zweiten Koalitionskrieges im Jahr 1799 verlief die Frontlinie zwischen Franzosen und Österreichern mitten durch das Aaretal östlich von Leibstadt. Durch Requirierungen und Zwangseinquartierungen litt die Bevölkerung grosse Not.

Nachdem 1803 durch die Mediationsakte von Napoleon Bonaparte der Kanton Baden aufgelöst und im Kanton Aargau aufgegangen war, wurden die Dörfer des Kirchspiels in einer einzigen Gemeinde wiedervereinigt. Mit einer Fläche von über 30 Quadratkilometern war sie die grösste des Kantons. Leibstadt blieb aber weiterhin geteilt: Während Oberleibstadt zum Bezirk Zurzach gehörte, war Unterleibstadt eine Gemeinde des Bezirks Laufenburg.

Das Kantonsparlament beschloss 1816 die Teilung der Grossgemeinde in die Gemeinden Böttstein, Leuggern und Oberleibstadt. Es war der Meinung, eine derart grosse Gemeinde ohne eigentliches Zentrum sei wirtschaftlich nicht überlebensfähig. Bis 1832 gehörten auch Full und Reuenthal zu Oberleibstadt, diese Dörfer bilden seither eine eigenständige Gemeinde. 1844 brannte die Burg Bernau nieder. Die willkürliche Grenze mitten durch das Dorf wurde zunehmend als unpraktisch empfunden, da Unter- und Oberleibstadt in vielen Bereichen zusammenarbeiteten (so wurden beispielsweise die Schule und die Feuerwehr gemeinsam geführt). Am 3. Mai 1866 beschloss das Kantonsparlament die Herauslösung von Unterleibstadt aus dem Bezirk Laufenburg und die Wiedervereinigung mit Oberleibstadt.

Kernkraftwerk Leibstadt

Die Bevölkerung Leibstadts lebte bis ins frühe 20. Jahrhundert weitgehend von der Landwirtschaft, die Industrialisierung hielt nur langsam Einzug. Am 1. August 1892 wurde die Bahnstrecke Stein-Säckingen–Koblenz eröffnet. Diese ist allerdings seit dem 28. Mai 1994 auf dem Abschnitt Koblenz–Laufenburg für den Personenverkehr geschlossen.

1965 wurden erstmals Pläne für den Bau eines Kernkraftwerks in Leibstadt der Öffentlichkeit präsentiert. Die Bauarbeiten begannen 1973. Nach dem Reaktorzwischenfall von Three Mile Island im Jahr 1979 führten neue Sicherheitsbestimmungen zu einer erneuten Verzögerung des Kraftwerkbaus. Das Kernkraftwerk wurde schliesslich 1984 nach elfjähriger Bauzeit eröffnet und kostete am Ende fünf statt zwei Milliarden Franken. Dank der reichlich fliessenden Steuereinnahmen konnte Leibstadt sämtliche Schulden zurückzahlen und war einige Jahre lang sogar die steuergünstigste Gemeinde des Kantons.

Sehenswürdigkeiten

Im Ortsteil Bernau befindet sich die 1672 erbaute Loretokapelle.

Wappen

Die Blasonierung des Gemeindewappens lautet: «In Rot weiss-schwarz geteilter Schrägbalken.» Bis 1930 besass die Gemeinde kein eigenes Wappen und nahm dann jenes der Freien von Bernau an.[4]

Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung:[5]

Jahr 1798 1850 1900 1930 1950 1960 1970 1980 1990 2000
Einwohner 470 911 838 909 772 832 1001 1254 1197 1298

Am 31. Dezember 2008 lebten 1325 Menschen in Leibstadt, der Ausländeranteil betrug 29,1 %. Bei der Volkszählung 2000 waren 59,6 % römisch-katholisch, 15,3 % reformiert und 16,2 % muslimisch; 0,5 % gehörten anderen Glaubensrichtungen an. 84,7 % bezeichneten Deutsch als ihre Hauptsprache, 8,8 % Albanisch, je 1,9 % Italienisch und Türkisch, 1,0 % Serbokroatisch.[6]

Politik und Recht

Die Versammlung der Stimmberechtigten, die Gemeindeversammlung, übt die Legislativgewalt aus. Ausführende Behörde ist der fünfköpfige Gemeinderat. Seine Amtsdauer beträgt vier Jahre und er wird im Majorzverfahren (Mehrheitswahlverfahren) vom Volk gewählt. Er führt und repräsentiert die Gemeinde. Dazu vollzieht er die Beschlüsse der Gemeindeversammlung und die Aufgaben, die ihm von Kanton und Bund zugeteilt wurden.

Für Rechtsstreitigkeiten ist das Bezirksgericht Zurzach zuständig. Leibstadt gehört zum Friedensrichterkreis Leuggern.

Wirtschaft

In Leibstadt gibt es gemäss Betriebszählung 2005 rund 850 Arbeitsplätze, davon 8 % in der Landwirtschaft, 68 % in der Industrie und 24 % im Dienstleistungssektor.[7] Der mit Abstand wichtigste Arbeitgeber und Steuerzahler ist das Kernkraftwerk Leibstadt mit 400 Arbeitsplätzen. Daneben gibt es ein Holzwerkstoffzentrum, eine Mühle sowie zahlreiche kleine Dienstleistungsbetriebe.

Verkehr

Durch Leibstadt verläuft die vielbefahrene Hauptstrasse 7 zwischen Basel und Winterthur. Das Dorf wird durch zwei Postautolinien erschlossen. Eine führt von Laufenburg über Leibstadt nach Döttingen, die andere von Leibstadt zum Bahnhof Koblenz (ausserhalb der Hauptverkehrszeiten als Rufbus). Der Bahnhof von Leibstadt ist seit 1994 für den Personenverkehr geschlossen.

Bildung

In Leibstadt gibt es einen Kindergarten, eine Primarschule und ein Oberstufenschulzentrum mit Realschule und Sekundarschule. Die Bezirksschule kann in Leuggern besucht werden. Die nächstgelegenen Kantonsschulen (Gymnasien) befinden sich in Baden und Wettingen.

Literatur

  • Sarah Brian Scherer, Dominik Sauerländer, Andreas Steigmeier: Das Kirchspiel Leuggern, Geschichte von Böttstein, Full-Reuenthal, Leibstadt und Leuggern. 2001.

Weblinks

Commons: Leibstadt – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ständige Wohnbevölkerung nach Staatsangehörigkeitskategorie, Geschlecht und Gemeinde, definitive Jahresergebnisse, 2022. Bei späteren Gemeindefusionen Einwohnerzahlen aufgrund Stand 2022 zusammengefasst. Abruf am 5. September 2023
  2. a b Beat Zehnder: Die Gemeindenamen des Kantons Aargau. In: Historische Gesellschaft des Kantons Aargau (Hrsg.): Argovia. Band 100. Verlag Sauerländer, Aarau 1991, ISBN 3-7941-3122-3, S. 242–243.
  3. Landeskarte der Schweiz, Blatt 1050, Swisstopo
  4. Joseph Galliker, Marcel Giger: Gemeindewappen des Kantons Aargau. Lehrmittelverlag des Kantons Aargau, Buchs 2004, ISBN 3-906738-07-8, S. 198.
  5. Bevölkerungsentwicklung der Gemeinden im Bezirk Zurzach, Statistisches Amt des Kantons Aargau
  6. Gemeindeporträt, Statistisches Amt des Kantons Aargau
  7. Betriebszählung 2005, Statistisches Amt des Kantons Aargau