Benz Patent-Motorwagen Nummer 1

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Benz
Patent-Motorwagen Nummer 1
Produktionszeitraum: 1885–1886
Klasse:
Karosserieversionen: Phaeton
Motoren: Ottomotor:
0,95 Liter
0,75 PS
Länge: 2700 mm
Breite: 1400 mm
Höhe: 1450 mm
Radstand: 1450 mm
Leergewicht: 265 kg
Nachfolgemodell Benz Patent-Motorwagen Nummer 3

Benz Patent-Motorwagen Nummer 1 war der Name des ersten von Carl Benz erbauten Automobils mit Verbrennungsmotor. Das Patent für dieses Dreiradfahrzeug wurde von Benz am 29. Januar 1886 eingereicht und als DRP Nr. 37435 am 2. November 1886 erteilt. Am 3. Juli 1886 führte Benz die erste öffentliche Probefahrt mit diesem Fahrzeug in Mannheim durch. Es gilt als der erste praxistaugliche Kraftwagen der Welt und setzt somit die Geburtsstunde des modernen Automobils.[1] Das Bild rechts zeigt das Original im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München. Benz machte auf einem Kurbelveloziped (Tretkurbelfahrrad) seine entscheidenden Mobilitätserfahrungen und baute dann statt einer von ihm zunächst erwogenen Straßenlokomotive für den Kollektivverkehr ein leichtes motorisiertes Veloziped für Individualverkehr. Sein Patent-Motorwagen erinnert in Vielem noch an Fahrräder und Kutschen.[2]

Technik des Motorwagens

Der Motor

Patent-Motorwagen Nummer 1

Kernstück des Wagens war ein Einzylinder-Viertaktmotor mit einem Hubraum von 0,954 Litern. Einige Details finden sich heute noch an Motoren: Kurbelwelle mit Gegengewichten, elektrische Zündung und Wasserkühlung.

„Eine Tourenzahl von 250 Touren pro Minute erschien mir genügend, ja sogar sehr viel, und ich konnte feststellen, daß dieser Motor etwa 2/3 Pferdestärke ergab.“

Carl Benz.[3]

Spätere Messungen ergaben 0,75 PS (551 W) bei 400/min.[4] Der für damalige Verhältnisse mit rund 110 Kilogramm leichte Motor hatte einen Zylinder mit offenem Kurbelgehäuse, einen über eine Exzenterstange gesteuerte Einlass-Gleitschieber und ein Auslass-Tellerventil, betätigt über Nockenscheibe, Stoßstange und Kipphebel. Geschmiert wurde er über Tropföler. Das große Schwungrad konzipierte Benz für den Einbau in das Fahrgestell liegend, weil er befürchtete, dass bei senkrechter Anordnung wegen der Kreiselwirkung die Lenkung und die Standfestigkeit des Fahrzeuges in engen Kurven beeinträchtigt werde.

Ein von Benz entwickelter Oberflächen-Vergaser bereitete das Gemisch auf und enthielt gleichzeitig auch einen Benzinvorrat von 1,5 Litern. Wobei es sich nicht um Benzin im heutigen Stil handelte, sondern eher um ein Alkohol-Benzingemisch (Ligroin) auch bekannt als Waschbenzin, das in Apotheken erhältlich war. Die Zusammensetzung des Benzin-Luft-Gemisches konnte mit einem Hülsenschieber korrigiert werden, der die Löcher für die Zusatz-Ansaugleitung mehr oder weniger abdeckte und so die Leistungsabgabe regelte. Im Fahrzeug fand sich dieser Schieber gut erreichbar unterhalb des Fahrersitzes.

Der Zündung widmete Benz etliche Versuche, bis er eine Lösung fand, die der damals geringen Leistung des Batteriestromes angepasst war. Er transformierte den Strom mit einem von Heinrich Daniel Rühmkorff entwickelten Funkeninduktor auf höhere Spannung. Auch die Zündkerze war eine Eigenentwicklung. Spätere Untersuchungen zeigten, dass der Werkstoff ihrer Elektroden mit dem handelsüblicher Zündkerzen der dreißiger Jahre des 20. Jahrhunderts weitgehend übereinstimmte.

Die Kühlung des Verbrennungsmotors war ein besonderes Problem, denn er konnte nicht wie ein stationärer Motor einfach an eine Kühlwasserleitung angeschlossen werden. Benz verfiel auf eine einfache Verdampfungskühlung (Siedekühlung), die sich bei der geringen Leistung als wirkungsvoll und ausreichend erwies.

Angelassen wurde der Motor durch beherztes Drehen des Schwungrades. Dass der Treibstoffvorrat im Vergaser nicht für eine längere Strecke reichte, störte Benz beim Patent-Motorwagen nicht weiter. Immerhin brauchte der Antrieb des Fahrzeugs auf 100 Kilometer rund 10 Liter des seinerzeit noch immer als gefährlich geltenden Ligroins.

Fahrgestell und Aufbau

Patent-Motorwagen Nummer 1

Der Rahmen war aus Stahlrohren gebogen und geschweißt. Da der Wagen Hinterradantrieb haben sollte, also von hinten geschoben wurde, tauchte das Problem der Lenkung auf, die anders konstruiert sein musste als bei einem gezogenen Wagen. Die sonst bei Kutschen gebräuchliche Drehschemel-Lenkung kam nicht in Frage, und nach seinen Zweirad-Erfahrungen entschied sich Benz für ein leicht gebautes Dreirad, ein dreirädriges Veloziped (siehe Patenttext). Das Vorderrad hing in einer ungefederten Gabel und wurde durch eine mit einer Kurbel verbundenen Zahnstange gelenkt. (Erst 1893 verwendete Benz eine Achsschenkel-Lenkung). Die drei mit Vollgummi bereiften Drahtspeichenräder fertigte Benz selbst, nur die Felgen waren „Fremdbezug“ von der Adler-Fahrradfabrik in Frankfurt. Das Vorderrad lief, wie seinerzeit im Fahrradbau üblich, in einem Kugellager, die Hinterräder in Weißmetallbuchsen.

Original, Blick auf den Antrieb

Der Wagen wurde mit je einer Kette links und rechts der Vorgelegewelle über die Hinterräder angetrieben, die ihrerseits über eine Starrachse und Vollelliptikfedern mit dem Rahmen verbunden waren. Auf der Vorgelegewelle saß eine Antriebsscheibe samt integriertem Differential, daneben noch eine Leerlaufscheibe. Damit hatte das Riemen-Getriebe nur einen Vorwärtsgang und keinen Rückwärtsgang. Der Flachriemen zwischen der über Kegelräder angetriebenen Nockenwelle und Vorgelegewelle wirkte, dank der Leerlaufscheibe, gleichzeitig als Kupplung. Der Flachriemen wurde zum Anfahren mit einer Riemengabel von der Los- auf die Festscheibe verschoben. Das Motordrehmoment wurde wie bei Dampfmaschinen durch Verstellen der Steuerung des Einlassschiebers unterhalb des Fahrersitzes geregelt. Über dem Motor thronte der Vorratsbehälter für das Kühlwasser. Gebremst wurde mit einem Handhebel, der auf die Vorgelege-Riemenscheibe wirkte. Eine Fußbremse gab es noch nicht.

Die Sitzbank war vor dem Motor auf geschwungenen Federn direkt auf den Rahmen montiert und mit abgestepptem Leder bezogen. Festen Halt gab ein niedriges, lederbezogenes Geländer im Rücken und an den Seiten.

Sorgen bereiteten die Ketten: Die Fahrradketten waren noch mangelhaft, meist zu weich, und dehnten sich deshalb sehr, sprangen aus den Zahnrädern oder rissen. Da es aber keine besseren gab, musste Benz sich mit dem vorhandenen Material begnügen.

Briefmarke der Deutschen Bundespost (1961): 75 Jahre Motorisierung des Verkehrs

Erprobung

Die ersten Probefahrten fanden 1885 aus Gründen der Geheimhaltung im Fabrikhof statt und endeten an der Fabrikmauer. Auch der erste „Ausflug“ auf freier Strecke – bei Nacht – dauerte nur wenige Minuten. Nach hundert Metern blieb der Wagen stehen. In zahlreichen Versuchen konnte aber die Reichweite nach und nach verbessert werden.

Am 29. Januar 1886 wurde schließlich das Fahrzeug beim Reichspatentamt unter der Nummer 37435 zum Patent angemeldet. Bei der ersten öffentlichen und per Zeitungsartikel dokumentierten Ausfahrt am 3. Juli 1886 auf der Ringstraße in Mannheim läuft sein Sohn Eugen mit einer Flasche Benzin nebenher, „um nachzuschütten, wenn das Benzin zu Ende geht“.

Verbleib

Der Wagen blieb ein Einzelstück, ebenso wie sein direkter Nachfolger Patent-Motorwagen Nummer 2. Er wurde zunächst zum Vierradwagen umgebaut und später ausgeschlachtet. 1903 wurde er rekonstruiert. Dieser Benz Patent Motor-Wagen Nr. 1 steht heute im Verkehrszentrum des Deutschen Museums in München.

Weltdokumenterbe

Patentschrift

Im Jahre 2011 wurde das Patent von der UNESCO in das Weltdokumentenerbe aufgenommen.

Technische Daten des Benz Patent-Motorwagen Nummer 1

Grunddaten: Wassergekühlter Einzylinder-Viertaktmotor mit großem Schwungrad, liegend im Heck eingebaut
Bohrung x Hub: 90 x 150 mm
Hubraum: 954 cm³
Leistung: 0,75 PS (551 W) bei 400/min
Konstruktion:
  • Liegender Einzylinder mit waagerechtem Schwungrad
  • Gaswechsel über Einlass-Gleitschieber, gesteuert über Exzenterstange
  • Stehendes Auslassventil, gesteuert über Nockenscheibe, Kipphebel und Stoßstange
  • Gemischaufbereitung über Benz-Oberflächenvergaser
  • Siedekühlung
  • Schmierung über Tropföler und Fettbuchse
  • Elektrische Hochspannungs-Summerzündung
  • Anlassen durch Drehen des Schwungrades
Fahrwerk:
  • Stahlrohrrahmen
  • Vorderradaufhängung an Steuergabel ohne Federung
  • Hinterradaufhängung an Starrachse an Vollelliptikfedern
  • Zahnstangenlenkung, Lenkkurbel in Wagenmitte
  • Keine Fußbremse; Handbremse wirkt als Bandbremse auf Vorgelege-Riemenscheibe
  • Drei Drahtspeichenräder, Durchmesser vorne 730 mm, hinten 1125 mm, jeweils Vollgummireifen
Kraftübertragung:
  • Ein Flachriemen vom Motor zur Vorgelegewelle mit Los- und Festscheibe und integriertem Differential
  • Je eine Kette von der Vorgelegewelle zu den beiden Hinterrädern
Getriebe/Schaltung: Verschieben des Riemens zwischen Los- und Festscheibe
Höchstgeschwindigkeit: 16 km/h
Verbrauch: ca. 10 l/100 km
Radstand: 1450 mm
Spurweite: 1190 mm
Länge: 2700 mm
Breite: 1400 mm
Höhe: 1450 mm
Leergewicht: 265 kg

Literatur

  • Richard von Frankenberg, Marco Matteucci: Geschichte des Automobils. STIG, Turin/ Sigloch, Künzelsau 1973, OCLC 760297916 (besonders S. 22 ff.).
  • Hans-Erhard Lessing: Mannheimer Pioniere. Wellhöfer, Mannheim 2007, ISBN 978-3-939540-13-7, S. 77 ff.

Weblinks

Commons: Benz Patent-Motorwagen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Der Streit um den "Geburtstag" des modernen Automobils. auf der Webseite des Deutschen Patent- und Markenamtes, 22. Februar 2013
  2. Hans-Erhard Lessing: Das Auto stammt vom Fahrrad ab. auf: cycling4fans.de
  3. Zitiert in Hans Christoph von Seherr-Thoss: Zwei Männer – Ein Stern. VDI-Verlag, 1984, ISBN 3-18-400645-X, S. 36.
  4. Werner Oswald: Mercedes-Benz Personenwagen 1886–1945. Band 1, Motorbuch Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-613-02167-6, S. 21.