Tentativliste
Eine Tentativliste ist die nationale Vorschlagsliste von Kultur- und Naturdenkmälern der einzelnen Vertragsstaaten des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt[1] (Welterbekonvention), die jeweils die Objekte enthält, die der Staat dem Welterbekomitee zur Aufnahme in die UNESCO-Liste des Welterbes vorzuschlagen beabsichtigt.
Stellung im Verfahren
Mitgliedsstaaten können bei der UNESCO Vorschlagslisten (englisch tentative lists) mit den innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre vorgesehenen Vorschlägen zur Aufnahme in die Welterbeliste einreichen. Nur für Stätten, die auf einer solchen Liste eingetragen sind, kann ein Staat beim Welterbekomitee die Aufnahme in die Welterbeliste beantragen.[2] Die Anträge können nur von dem jeweiligen Staat bis zum 1. Februar eines Jahres gestellt werden. Der Staat verpflichtet sich gleichzeitig zum Unterhalt der Denkmäler. Die Anträge werden im Anschluss überprüft, im Folgejahr entscheidet das Welterbekomitee, ob die Stätte in die Welterbeliste aufgenommen wird.[3]
Der Name „Tentativliste“ ist ein Anglizismus. Die Übersetzung des Sprachendienstes[4] des Auswärtigen Amtes lautet „Vorschlagsliste“: „Die Vorschlagsliste ist ein Verzeichnis der Güter, die sich im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates befinden und die er für die Eintragung in die Liste des Erbes der Welt für geeignet hält.“[5]
Europa
Deutschsprachige Staaten
Deutschland
In Deutschland erstellt die Kultusministerkonferenz (KMK) eine einheitliche deutsche Tentativliste. Die Beiträge dazu kommen aufgrund der Kulturhoheit der Länder aus den einzelnen Bundesländern, wo entsprechende Vorschläge von dem für Denkmalschutz zuständigen Ministerium zuvor geprüft werden.
Die deutsche Tentativliste enthält folgende Vorschläge:[6]
- Franckesche Stiftungen in Halle (Saale), Sachsen-Anhalt
- Naumburger Dom und hochmittelalterliche Herrschaftslandschaft an Saale und Unstrut, Sachsen-Anhalt
- Das architektonische und städtebauliche Werk von Le Corbusier – zwei Häuser der Weißenhofsiedlung in Stuttgart, Baden-Württemberg
- Denkmäler und Stätten der Wikinger – Danewerk und Haithabu, Schleswig-Holstein
- Montan- und Kulturlandschaft Erzgebirge, Sachsen
- Bedeutende europäische Kurbäder des 19. Jahrhunderts – Baden-Baden, Bad Ems, Bad Homburg vor der Höhe, Bad Kissingen, Bad Pyrmont und Wiesbaden (siehe Great Spas of Europe)
Zuletzt wurden aus der Vorschlagsliste im Juni 2013 Wasserspiele und Herkules im Bergpark Wilhelmshöhe in Kassel, Hessen, in die Welterbeliste aufgenommen sowie im Juni 2014 das Westwerk des Benediktinerklosters Schloss Corvey bei Höxter und im Juli 2015 die Speicherstadt und das Kontorhausviertel mit Chilehaus in Hamburg.[7]
Die Liste soll 2015 [veraltet] ergänzt werden, siehe nachfolgender Abschnitt. Die Kultusministerkonferenz erarbeitete die neue Fassung der Liste auf der Basis von Vorschlägen, die die Bundesländer bis zum 1. August 2012 einreichen konnten. Die endgültigen Vorschläge wurden 2014 bekanntgegeben.
Tentativliste 2015
Während eines Treffens der Kultusministerkonferenz wurden am 12. Juni 2014 die Stätten ausgewählt, welche in die Tentativliste aufgenommen werden sollen. Die Länder hatten 31 Bewerbungen eingereicht, wovon 9 Berücksichtung fanden:[8]
- Höhlen der ältesten Eiszeitkunst auf der Schwäbischen Alb
- Jüdischer Friedhof Altona in Hamburg
- Wasserbau und Wasserkraft, Trinkwasser und Brunnenkunst in Augsburg
- Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt
- SCHUM-Städte Speyer, Worms und Mainz
- Alte Synagoge und Mikwe in Erfurt
- Alpine und voralpine Wiesen- und Moorlandschaften im Landkreis Garmisch-Partenkirchen
- Gebaute Träume – Die Schlösser Neuschwanstein, Linderhof und Herrenchiemsee des Bayerischen Königs Ludwig II., optional gemeinsam mit Schwerin
- Residenzensemble Schwerin – Kulturlandschaft des romantischen Historismus
Weiterhin ist eine Erweiterung des Welterbes Luthergedenkstätten um das Erfurter Augustinerkloster und das Torgauer Schloss Hartenfels in der Diskussion. Diese kann bis 2017 erfolgen und würde nicht auf die übrigen Bewerbungen (eine pro Jahr) angerechnet werden.[9][10]
Luxemburg
- Burg und Stadt Vianden (1993)
Österreich
- Stift Kremsmünster (1994)
- Kulturlandschaft Bregenzerwald (1994)
- Dom zu Gurk (1994)
- Stift Heiligenkreuz (1994)
- Burg Hochosterwitz (1994)
- Kulturlandschaft Innsbruck und Nordkette des Karwendelgebirges (2002)
- Die Eisenstraße mit dem Erzberg und der Altstadt von Steyr (2002)
- Nationalpark Hohe Tauern (2003)
- Grenzen des Römischen Imperiums: Der Donaulimes in Österreich (2011)
- Die Münze in Hall in Tirol (2013)
Schweiz
- Das architektonische und städtebauliche Werk von Le Corbusier: Villa Jeanneret-Perret (Maison Blanche) und Villa Schwob (Villa Turque) in La Chaux-de-Fonds, Villa Le Lac (Un Petite maison au bord du lac Léman) in Corseaux sowie Immeuble Clarté in Genf.
Weitere
Es wird jeweils auf die Welterbelisten mit den Nominierungen bzw. Tentativlisten europäischer Länder verlinkt:
- Albanien
- Andorra
- Belgien
- Bosnien und Herzegowina
- Bulgarien
- Dänemark
- Estland
- Finnland
- Frankreich
- Griechenland
- Irland
- Island
- Italien
- Kroatien
- Lettland
- Litauen
- Malta
- Mazedonien
- Moldawien
- Montenegro
- Niederlande
- Norwegen
- Polen
- Portugal
- Rumänien
- Russland
- Samoa
- San Marino
- Schweden
- Serbien
- Slowenien
- Tschechien
- Türkei
- Ungarn
- Vereinigtes Königreich
- Weißrussland
Literatur
- UNESCO-Kommissionen von Deutschland, Österreich, der Schweiz und Luxemburg (Hrsg): Welterbe-Manual. Handbuch zur Umsetzung der Welterbekonvention in Deutschland, Österreich und der Schweiz. 2. Aufl., Bonn 2009.
Weblinks
- Aufnahmeverfahren zum Welterbe auf der Internetseite der deutschen UNESCO-Kommission
- Tentativliste für weitere Deutsche Welterbe-Stätten auf der Internetseite der deutschen UNESCO-Kommission
- Tentativlisten aller Staaten
Einzelnachweise
- ↑ Text der Welterbekonvention – Deutsche UNESCO-Kommission.
- ↑ Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, Nr. 63 – WHC. 08/01 vom Januar 2008. In:. Welterbe-Manual, S. 219.
- ↑ Aufnahmeverfahren zum Welterbe auf der Internetseite der deutschen UNESCO-Kommission
- ↑ Vgl. Welterbe-Manual, S. 191, 218ff.
- ↑ Richtlinien für die Durchführung des Übereinkommens zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt, Nr. 62 – WHC. 08/01 vom Januar 2008. In:. Welterbe-Manual, S. 218.
- ↑ Tentativliste auf der Unesco-Webseite, abgerufen am 19. November 2014
- ↑ Hamburgs erstes Weltkulturerbe: Speicherstadt und Kontorhausviertel mit Chilehaus. Kulturbehörde Hamburg, 5. Juli 2015, abgerufen am 5. Juli 2015.
- ↑ Künftige Nominierungen zum Welterbe aus Deutschland ausgewählt. Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland , 12. Juni 2014, abgerufen am 25. Juni 2014.
- ↑ MDR Thüringen: Erfurt einen Schritt näher an Welterbe
- ↑ MDR Sachsen: Welterbetraum in Hellerau und Görlitz geplatzt