Walt Whitman

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Walt Whitman 1887
Emersons Brief an Whitman, 1855
Walt Whitman 1855 im Alter von 36 Jahren

Walter Whitman (* 31. Mai 1819 in West Hills, Long Island, New York; † 26. März 1892 in Camden, New Jersey) war ein US-amerikanischer Dichter. Er gilt als einer der Begründer der modernen amerikanischen Dichtung und daher als einer der einflussreichsten amerikanischen Lyriker des 19. Jahrhunderts, dessen Werk auch in der folgenden Zeit von großer literarischer Bedeutung ist. Sein berühmtestes Werk ist sein Lebenswerk Leaves of Grass (Grashalme).

Seine Lyrik ist sehr volksverbunden und macht die Bedeutung der Masse, der Demokratie und der Natur deutlich und verherrlicht diese. In Gedichten wie Gesang von mir selbst wird eine Verherrlichung des Ichs als seelisch-sinnliche Ganzheit deutlich, die den demokratischen Menschen verkörpert.[1] Andererseits ist er Dichtern wie Shakespeare, Macpherson, Homer, der Bibelsprache und orientalischer Literatur und Philosophie verpflichtet.[2]

Er ist ferner vom Pantheismus beeinflusst und von dem Gedankengut der Transzendentalisten geprägt. Seine Dichtung drückt eine Auffassung der „prophetischen Sendung des Dichters“ aus.[2]

Während die frühen Werke von unbrechbaren Optimismus strotzen, finden sich in späteren Werken auch triste Todeserfahrungen aus dem Sezessionskrieg. Whitman hat der Dynamik und dem expansiven Menschheitsglauben Amerikas einen gültigen Ausdruck verliehen. Seine Dichtung wirkte auch stark auf Europa und wies der Lyrik neue Aussage- und Ausdrücksmöglichkeiten.

Leben

Whitman wurde als Sohn eines Zimmermanns in einem Bauernhaus in West Hills bei Huntington geboren und war das zweite von neun Kindern. 1823 zog seine Familie nach Brooklyn, wo er sechs Jahre lang die Schule besuchte.

1830 begann er mit zwölf Jahren als Schriftsetzerlehrling in Brooklyn zu arbeiten. Als Autodidakt las er die Werke von Homer, Dante und Shakespeare. Nach seiner zweijährigen Lehre zog er nach Manhattan, wo er in verschiedenen Druckereien arbeitete. 1836 zog er nach Long Island zurück, wurde Lehrer in East Norwich, mit weiteren Anstellungen bis zum Winter 1837/38 in Hempstead, Babylon, Long Swamp und Smithtown.

In seiner Heimatstadt Huntington gründete er 1839 eine Zeitung, den Long Islander, als dessen Herausgeber er wirkte. Nach seiner Rückkehr nach Brooklyn 1850 begann er eine Tätigkeit als Wohnungsmakler, wodurch er die Herausgabe von Leaves of Grass finanzieren konnte. Die Erstausgabe mit zwölf Gedichten der Sammlung, noch ohne Titel, gelang ihm 1855, es folgten mehrere Überarbeitungen. Die zweite Ausgabe Leaves of Grass 1856 umfasste 34, die dritte Ausgabe 1860 154 Gedichte.

Im Sezessionskrieg war Whitman 1862 als freiwilliger Sanitätshelfer in Lazaretten in Washington D.C. tätig. Unter dem Eindruck des Krieges entstand der Gedichtband Drum Taps (Trommelschläge), der 1865 veröffentlicht wurde. Im selben Jahr wurde Whitman im Innenministerium angestellt, später jedoch vom Innenminister wegen „Unsittlichkeit seiner Dichtung“ entlassen. Er veröffentlichte weitere Texte, so zum Beispiel 1871 den Essay Democratic Vistas (Demokratische Ausblicke).

Nach einem Schlaganfall und einem Zusammenbruch in Washington D.C. 1873 war Whitman arbeitsunfähig, da er zeitweilig gelähmt war. Er lebte von da an in sehr bescheidenen Verhältnissen. 1882 wurden seine Tagebücher veröffentlicht. Hinzu kamen 1888 die Veröffentlichungen Prosa und Poesie und November-Zweige sowie 1892 die Veröffentlichung der neunten Ausgabe von Leaves of Grass mit über 400 Gedichten.

In seiner Lyrik thematisierte Whitman die Schönheit der Natur und die Demokratie seines Landes. Er behandelte die Gleichberechtigung der Geschlechter und stellte bisexuelle Neigungen dar. Dafür wurde er vehement kritisiert. Großen Einfluss auf Whitman hatten Ralph Waldo Emerson und auch das unitarisch-pantheistische Gedankengut der Transzendentalisten. Mit seinem Werk beeinflusste Whitman nicht nur die US-amerikanische Literatur, sondern auch den europäischen Naturalismus und Expressionismus.

Am 26. März 1892 starb Walt Whitman mit 72 Jahren in Camden, New Jersey und wurde dort auf dem Harleigh Cemetery beerdigt.[3]

Stilistik und Rezeption

Whitman schrieb seine Verse teils in der Rhythmisierung der alten biblischen Sprachkonventionen, teils in einem Blankvers wie aus dem 17. Jahrhundert.[4] Sein besonderes Verdienst ortet William Somerset Maugham darin, dass dieser Poet Dichtung nicht als etwas romantisch Abgehobenes auffasste, sondern sie in den gewöhnlichen Verhältnissen des Alltags ansiedelte.

„Es ist kraftvolle demokratische Lyrik, es ist der authentische Schlachtruf einer neuen Nation und das solide Fundament einer Nationalliteratur.“

W. Somerset Maugham, Books and You, Seite 162

In dem Spielfilm Der Club der toten Dichter (USA 1989) beruft sich der Lehrer John Keating (Robin Williams) wiederholt auf Botschaften und Gedichte Whitmans und duldet es, dass seine Schüler ihn mit „Mein Captain!“ anreden und damit aus Whitmans Gedicht O Captain! My Captain! zum Andenken an den (ermordeten) Präsidenten Abraham Lincoln zitieren.

Whitman und Homosexualität

Weitere Themen, die in Whitmans Leben und Werk eine Rolle spielen, sind Homosexualität und Autoerotik. Diese nehmen verschiedene Formen an, von seiner Bewunderung des im 19. Jahrhundert vorherrschenden Ideals der Männerfreundschaft bis hin zu offen autoerotischen Beschreibungen des männlichen Körpers (Song of Myself). Dies widerspricht scharf der Haltung, die Whitman einnahm, als er öffentlich mit diesen Themen konfrontiert wurde: Er lehnte die Masturbation wütend ab und lobte die Keuschheit. Die heutige Wissenschaft nimmt jedoch an, dass er in seinen Werken seine wahren Gefühle zum Ausdruck gebracht hat und dass seine öffentlichen Äußerungen durch seine homophobe Umwelt geprägt waren.

Werke

Walt Whitmans erstes Notizbuch

Postume Ausgabe

  • The complete poetry and prose. 1948

Übersetzungen ins Deutsche

  • Gedichte von Traum und Tat. 1915
  • Gesänge und Inschriften. Kurt Wolff Verlag, München 1921
  • Gesang von mir selbst (aus Grashalme). Suhrkamp Verlag, Berlin 1946
  • Grashalme. Aufbau-Verlag, Berlin 1957
  • Walt Whitmans Werk (Auswahl). Dromer, München und Zürich 1960
  • Georg Goyert: Grashalme. Blanvalet Verlag, Berlin 1948
  • Erich Arendt und Helmut Heinrich: Lyrik und Prosa. Verlag Volk und Welt, Berlin 1966
  • Children of Adam from Leaves of Grass, übertragen von Kai Grehn, illustriert von Paul Cava. edition GALERIE VEVAIS 2005.
  • Grasblätter, übersetzt von Jürgen Brôcan. Hanser, München 2009

Sonstiges

US-Briefmarke mit Portrait Walt Whitmans, 1948
  • Die Sea Symphony (1910) von Ralph Vaughan Williams basiert auf Texten aus Leaves of Grass und Passage to India von Walt Whitman.
  • Kurt Tucholsky widmete Whitman 1925 sein Gedicht Alle Welt sucht.[5]
  • Das „Flieder-Requiem“ (1946) von Paul Hindemith beruht auf dem Gedichtzyklus When lilacs last in the dooryard bloom'd von Walt Whitman.
  • Jorge Luis Borges war ein begeisterter Leser Whitmans und übersetzte 1970 Leaves of Grass ins Spanische.
  • Im Film Fame – Der Weg zum Ruhm (1980) von Alan Parker ist Whitmans Verszeile I sing the body electric (deutsch meist übersetzt als Ich singe den Leib, den elektrischen) Titelzeile des Schlusslieds.
  • Im Musical Footloose (1984) erwähnt Reverend Moore Walt Whitman in einer seiner Predigten.
  • Im Film Down By Law (1986) von Jim Jarmusch zitiert Roberto Benigni Walt Whitmans Leaves of grass in radebrechendem akzentuiertem Englisch.
  • Gedichte von Walt Whitman spielen eine Rolle im Film Der Club der toten Dichter (1989).
  • In der Simpsons-Episode Wer ist Mona Simpson? (132) (engl. Mother Simpson [3F06]) von 1995 findet Homer Simpson Whitmans Namen auf dem Grab, welches er stets für das seiner totgeglaubten Mutter hielt.
  • In der Fernsehserie Dr. Quinn – Ärztin aus Leidenschaft steht in Folge 123 Der große Dichter (Staffel V, 1996/97) Walt Whitman im Mittelpunkt.
  • Im Roman Dunkle Engel (1998) von S. P. Somtow ist Walt Whitman eine Hauptfigur.
  • Im Film Alle lieben Lucy (2002) kommen sich Lucy und Luke über ihre gemeinsame Vorliebe für Walt Whitman näher.
  • Im Film Wie ein einziger Tag (2004; engl.The Notebook ) spielt Walt Whitman eine große Rolle, seine Gedichte wurden vom jungen Noah immer laut vor dem Schlafengehen vorgetragen und halfen ihm, nicht mehr zu stottern.
  • In Michael Cunninghams Roman Specimen Days (2005; dt. Helle Tage, 2006) kommen Whitman und seinem Werk Grashalme eine entscheidende Bedeutung zu.
  • Im Roman Margos Spuren (2008) von John Green spielt Whitmans Gesang von mir selbst eine entscheidende Rolle.
  • In der Fernsehserie Breaking Bad wird Whitman mehrmals thematisiert: die Hauptperson der Serie heißt Walter White, in der Folge Sonnenuntergang (im Original Sunset) wird das Gedicht Als den gelehrten Astronomen ich hörte (im Original: When I Heard the Learn’d Astronomer) von Walter Whites Assistent rezitiert, in der Folge Walt Whitman: „Gliding Over All“ (im Original Gliding Over All) kommt dem Gedichtband Leaves of Grass im Handlungsverlauf eine besondere Bedeutung zu
  • In Scott Mebus Romanreihe „Gods of Manhattan“ tritt Whitman als Gott des Optimismus auf
  • Im Film „Hachiko – Eine wunderbare Freundschaft“ werden in der Begräbnisszene Verse aus Whitmans „Song of Myself“ zitiert.
  • In der Serie Navy CIS spielt in einer Folge Whitmans Gedichtband Leaves of Grass eine Rolle, insofern in einem Exemplar eine Speicherkarte versteckt wurde, die zur Lösung des Falles beiträgt.
  • Hörstück Kinder Adams. Children of Adam. (2014), in dem Iggy Pop den Gedichtzyklus Children of Adam im Original rezitiert und die deutschen Übertragungen Schauspieler wie Martin Wuttke, Marianne Sägebrecht, Birgit Minichmayr, Alexander Fehling, Robert Gwisdek u. a. – Übersetzung und Regie: Kai Grehn (RB/DKultur/SWR), als Hörbuch veröffentlicht bei Hörbuch Hamburg, ISBN 978-3-89903-914-6

Literatur

Aufsätze

  • Hans-Joachim Lang: Zum Verständnis der Werke (Nachwort). In: Walt Whitman: Grashalme. Rowohlt, Reinbek 1968.[6] S. 275–285.
  • Kai Sina: „Wir sind viele“. Zum Konzept dichterischer Kollektivrede bei Goethe, Emerson and Walt Whitman. In: Comparatio. Zeitschrift für vergleichende Literaturwissenschaft, Bd. 5 (2013), Heft 2, S. 181–203, ISSN 1867-7762
  • Jim Garrison: Walt Whitman, John Dewey, and primordial artistic communication. In: Transactions of the Charles S. Peirce Society, Bd. 47 (2011), Heft 3, S. 301–318, ISSN 009-1774(?!?!)

Bücher

  • Gay W. Allen: Walt Whitman. University Press, Detroit 1969 (EA 1958)
    • deutsch: Walt Whitman in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten (Rowohlts Monographien; Bd. 66). Rowohlt, Reinbek 1961.
  • Gay W. Allen (Hrsg.): Walt Whitman Abroad. Critical essays from Germany, France, Scandinavia, Russia, Italy Spain an Latin America, Israel, Japan and India. Syracuse University Press, New York 1955.
  • John Burroughs: Notes on Walt Whitman as Poet and Person. Haskell House Publ., New York 1971 (unveränd. Nachdr. d. Ausg. New York 1867)
  • John Burroughs: Whitman. A Study. Houghton Mifflin, Boston, Mass. 1896.
  • Henry Seidel Canby: Walt Whitman. An American; a study in biography. Houghton Mifflin, Boston, Mass. 1943.
    • deutsch: Walt Whitman. Ein Amerikaner. Blanvalet, Berlin 1949.
  • Walter Grünzweig: Constructing the German Walt Whitman. Univ. of Iowa Press, Iowa City 1994. ISBN 0-87745-482-5.
  • Walter Grünzweig: Walt Whitman. Die deutschsprachige Rezeption als interkulturelles Phänomen. Fink, München 1991, ISBN 3-7705-2664-3.
  • F. O. Matthiessen: American Renaissance. Art and Expression in the Age of Emerson and Whitman. Barnes & Noble, New York 2009, ISBN 978-1-4351-0850-9 (Nachdr. d. Ausg. New York 1941).
    • deutsch: Amerikanische Renaissance. Kunst und Ausdruck im Zeitalter Emersons und Whitmans. Metopen-Verlag, Wiesbaden 1948 (übersetzt von Friedrich Thein).
  • Joseph Jay Rubin: The historic Whitman. Pennsylvania State University Press, University Park 1973, ISBN 0-271-01117-3.
  • Michael Robertson: Worshipping Walt. The Whitman Disciples. Princeton University Press, Princeton, NJ, ISBN 978-0-691-14631-7.

Weblinks

Commons: Walt Whitman – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien
Wikisource: Walt Whitman – Quellen und Volltexte
Wikisource: Walt Whitman – Quellen und Volltexte (englisch)

Belege

  1. Das moderne Lexikon in 20 Bänden, Lexikon-Institution Bertelsman, Berlin 1983, Band 20, Seite 175
  2. a b Der Brockhaus, Universal Lexikon in 20 Bänden, Brockhaus Verlag, Leipzig 2007, Band 20, Seite 8532
  3. knerger.de: Das Grab von Walt Whitman
  4. W. Somerset Maugham, Books and You, Zürich 2007, S. 160f
  5. Die Weltbühne, Nr. 32, 1925.
  6. Ohne ISBN. Lang war einer der fähigsten Amerikanisten der 50/60er Jahre; zusätzl. Zeittafel und weiterf. Lit. zu WW, die über Allen 1961 hinausgeht. Ein anderes Nachwort, von Gustav Landauer, hat die Diogenes-Ausgabe der „Grashalme“ 1985. ISBN 3-257-21351-4.
    Erste vollst. Ausg. der Gedichte durch Jürgen Brôcan, Hanser, München 2009 udT Grasblätter ISBN 978-3-446-23410-9