Großer Preis von Frankreich 1923

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Rennsieger Henry Segrave mit einem Mechaniker beim Streckenstudium
Der Zweitplatzierte Albert Divo, hier beim Großen Preis von Frankreich 1924

Der XVII. Große Preis von Frankreich (XVII Grand Prix de l’Automobile Club de France)[1] fand am 2. Juli 1923 auf dem Circuit de Tours in Tours in Frankreich statt. Es handelte sich dabei um einen klassischen Dreieckskurs auf öffentlichen Landstraßen mit einer Rundenlänge von 22,83 km, was bei 35 zu fahrenden Runden einer Gesamtdistanz von 799,07 km entsprach – somit etwas weniger als die eigentlich von den Regularien geforderten 800 km Mindestdistanz.

Sieger wurde Henry Segrave auf Sunbeam, es war der erste und für Jahrzehnte einzige Grand-Prix-Erfolg eines britischen Fahrers auf einem britischen Fabrikat.

Rennen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Obwohl die Internationale Grand-Prix-Formel mit der Begrenzung der Motoren auf 2 Liter und dem Mindestgewicht der Wagen von 650 kg aus dem Vorjahr beibehalten wurde, erschienen in diesem Jahr zahlreiche Neukonstruktionen. Die durchschlagendste Neuerung präsentierten dabei die Fiat-Werke, deren Team zum ersten Mal im Grand-Prix-Sport mit Rennwagen mit Kompressormotoren antrat. Der Reihenachtzylinder im neuen Fiat 805/405 erreichte hierdurch einen eklatanten Leistungsvorsprung gegenüber der gesamten Konkurrenz, der auch durch alle theoretisch vorhandenen aerodynamischen und konstruktionsbedingten Vorteile der für damalige Verhältnisse revolutionär wirkenden Stromlinienmodelle von Bugatti und Voisin nicht kompensiert werden konnte. Die weitgehend konventionell gestalteten Rennwagen von Rolland-Pilain und Sunbeam bewegten sich dagegen noch weitgehend auf dem technologischen Stand des Vorjahres. Bei Sunbeam war man sogar so weit gegangen, Fiat-Personal abzuwerben, um eine Kopie des im Vorjahr so erfolgreichen Modells Fiat 804 auf die Räder zu stellen. Unter allen Konkurrenten wäre jedoch lediglich Delage mit dem neuartigen V12-Motor im Modell Type 2 LCV in der Lage gewesen, in die Nähe der Leistungswerte von Fiat zu kommen. Die Entwicklung dieses extrem komplexen Hochleistungsaggregats war jedoch noch nicht abgeschlossen, so dass das einzige zu diesem Zeitpunkt verfügbare Exemplar noch von Kinderkrankheiten ausgebremst wurde.

Wie bei Straßenrennen mittlerweile üblich, wurde das Rennen mit einem gemeinsamen rollenden Start eröffnet, bei dem die Startaufstellung zuvor ausgelost worden war. Fiats Spitzenfahrer Pietro Bordino nutzte auf der schnellen, aber schmalen und staubigen Strecke seine günstige Startposition aus der zweiten Reihe und die Mehrleistung seines Wagens, um aus der Startrunde als Erster zurückzukommen. Mit bereits 41 Sekunden Rückstand folgten dahinter Kenelm Lee Guinness auf Sunbeam und der Delage-Fahrer René Thomas vor Bordinos beiden Teamkollegen Enrico Giaccone und Carlo Salamano, die sich beide bereits aus dem Mittelfeld nach vorne gearbeitet hatten. Während der Delage von Thomas frühzeitig von Überhitzungsproblemen zurückgeworfen wurde, hatte Bordino seine Führung sogar schon auf knapp vier Minuten ausgebaut, als er seinen Rennwagen in der achten Runde mit Motorschaden zur Seite stellen musste. Man hatte es bei Fiat versäumt, die Lufteinlässe der Wagen ausreichend zu schützen, so dass über den Kompressor zu viel Staub und Fremdkörper eingesaugt worden waren. Guinness, der sich bis dahin vor den beiden Fiat-Fahrern hatte behaupten können, kam hierdurch vorübergehend in Führung, fiel dann jedoch im Anschluss an seinen Boxenstopp in der elften Runde mit nachlassender Kupplung auf eine Mittelfeldposition zurück. In Folge entwickelte sich der Grand Prix zu einem regelrechten Ausscheidungsrennen, dem schließlich nacheinander auch die beiden jeweils souverän in Führung liegenden Fiat von Giaccone und Salamano – mit demselben Defekt wie bei ihrem Teamkollegen – zum Opfer fielen. Auch der Sunbeam-Fahrer Albert Divo, der zwischendurch aufgrund der Tanksopps sogar kurze Zeit vor Salamanos Fiat in Front gelegen hatte, konnte vom Totalausfall des Fiat-Teams nicht profitieren, weil er aufgrund eines verklemmten Tankdeckels jede Runde anhalten musste, um den kleinen Reservetank seines Wagens aufzufüllen. So fiel der Sieg schließlich seinem Stallgefährten Henry Segrave zu, der zu Beginn des Rennens ebenfalls noch von Kupplungsproblemen eingebremst worden war, diese aber im Verlauf des Rennens dann wieder in den Griff bekommen hatte. Es war dies der erste und bis 1955 einzige Erfolg eines britischen Fahrers auf einem zumindest nominell britischen Fabrikat – Sunbeam war Teil des französisch-britischen S.T.D.-Konzerns – bei einem internationalen Grand Prix. Komplettiert wurde der Erfolg noch durch Divo und Guinness, die trotz der Probleme mit ihren Wagen noch auf dem zweiten und vierten Rang über die Linie gefahren waren. Sunbeam war damit auch das einzige Team, das am Ende alle Wagen ins Ziel gebracht hatte.

Ganz enttäuschend dagegen war das auch Abschneiden der übrigen französischen Teilnehmer. Weder Bugatti noch Voisin hatten mit ihren extrem futuristisch anmutenden Stromlinienrennwagen aufgrund schlechter Straßenlage und mangelnder Motorleistung ernsthaft in das Renngeschehen an der Spitze eingreifen können und mussten sich mit einem dritten Platz des Bugatti-Fahrers Ernest Friederich und dem fünften und letzten Platz des weit abgeschlagenen André Lefebvre – der als Konstrukteur der Voisin-Rennwagen auch selbst einen der Wagen im Rennen gesteuert hatte – zufriedengeben.

Ergebnisse[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Meldeliste[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Dritte Französische Republik Automobiles Delage 01 Dritte Französische Republik René Thomas Delage Type 2 LCV Delage 2.0L V12 M
Vereinigtes Konigreich Sunbeam-Talbot-Darracq Motors 02 Vereinigtes Konigreich Kenelm Lee Guinness Sunbeam GP Sunbeam 2.0L I6
07 Dritte Französische Republik Albert Divo
12 Vereinigtes Konigreich Henry Segrave
Dritte Französische Republik SA des Établissements Rolland-Pilain 03 Dritte Französische Republik Albert Guyot Rolland-Pilain A22 Rolland-Pilain 2.0L I8
13 Dritte Französische Republik Victor Hémery
08 Dritte Französische Republik Jules Goux DNSa Schmid 2.0L I6
Italien 1861 Fiat SpA 04 Italien 1861 Pietro Bordino Fiat 805/405 Fiat Type 405 2.0L I8 Kompressor P
08 Italien 1861 Enrico Giaccone
14 Italien 1861 Carlo Salamano
Dritte Französische Republik SA des Aéroplanes G. Voisin 05 Dritte Französische Republik Arthur Duray Voisin C6 Laboratoire Voisin 2.0L I6
10 Dritte Französische Republik André Lefèbvre
15 Dritte Französische Republik Henri Rougier
17 Dritte Französische Republik André Morel
Dritte Französische Republik Automobiles E. Bugatti 06 Dritte Französische Republik Ernest Friederich Bugatti T32 „Tank“ Bugatti 2.0L I8 M
11 Spanien 1875 Pierre de Vizcaya
16 Dritte Französische Republik Pierre Marco
18 Dritte Französische Republik Bertrand Prince de Cystria
a 
Wegen Motorschaden nicht zum Start angetreten.

Startformation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Startpositionen wurden in der Reihenfolge der zuvor teamweise zugelosten Startnummern besetzt. Der Start erfolgte fliegend.

Dritte Französische Republik Thomas Vereinigtes Konigreich Lee Guinness
Dritte Französische Republik Guyot Italien 1861 Bordino
Dritte Französische Republik Duray Dritte Französische Republik Friderich
Dritte Französische Republik Divo Italien 1861 Giaccone
Dritte Französische Republik Lefèbvre Spanien 1875 de Vizcaya
Vereinigtes Konigreich Segrave Dritte Französische Republik Hémery
Italien 1861 Salamano Dritte Französische Republik Rougier
Dritte Französische Republik Marco Dritte Französische Republik Morel
Dritte Französische Republik de Cystria

Rennergebnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
01 Vereinigtes Konigreich Henry Segrave Vereinigtes Konigreich Sunbeam 35 6:35:19,600 11
02 Dritte Französische Republik Albert Divo Vereinigtes Konigreich Sunbeam 35 + 19:06,200 7
03 Dritte Französische Republik Ernest Friederich Dritte Französische Republik Bugatti 35 + 25:02,800 6
04 Vereinigtes Konigreich Kenelm Lee Guinness Vereinigtes Konigreich Sunbeam 35 + 26:43,400 2
05 Dritte Französische Republik André Lefèbvre Dritte Französische Republik Voisin 35 + 1:15:09,600 9
Italien 1861 Carlo Salamano Italien 1861 Fiat 32 DNF 13 Kompressorschaden
Dritte Französische Republik Albert Guyot Dritte Französische Republik Rolland-Pilain 28 DNF 3 Ölpumpe
Dritte Französische Republik Arthur Duray Dritte Französische Republik Voisin 24 DNF 5 Ausfall
Dritte Französische Republik Henri Rougier Dritte Französische Republik Voisin 19 DNF 14 Ausfall
Italien 1861 Enrico Giaccone Italien 1861 Fiat 18 DNF 8 Kompressorschaden
Italien 1861 Pietro Bordino Italien 1861 Fiat 8 DNF 4 9:36,000 Kompressorschaden
Dritte Französische Republik André Morel Dritte Französische Republik Voisin 7 DSQ 16
Dritte Französische Republik Bertrand Prince de Cystria Dritte Französische Republik Bugatti 6 DNF 7 Ausfall
Dritte Französische Republik René Thomas Dritte Französische Republik Delage 6 DNF 1 Leck im Kraftstofftank
Dritte Französische Republik Victor Hémery Dritte Französische Republik Rolland-Pilain 6 DNF 12 defekte Ölpumpe
Dritte Französische Republik Pierre Marco Dritte Französische Republik Bugatti 3 DNF 15 Ausfall
Spanien 1875 Pierre de Vizcaya Dritte Französische Republik Bugatti 0 DNF 10 Unfall

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Großer Preis von Frankreich 1923 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den "großen" Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l'ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.