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Sven Hedin

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Dr. Sven Anders Hedin KCIE (Weitere Schreibungen: Ssu-wên Ho-ting, Sven Gedin, Ssu-wen Hao-ting, سون هدین, Свен Хедин, Svens Hedīns; * 19. Februar 1865 in Stockholm; † 26. November 1952 ebenda) war ein schwedischer Geograph, Topograph, Entdeckungsreisender, Fotograf, Reiseschriftsteller und ein Illustrator eigener Werke. In vier Expeditionen nach Zentralasien entdeckte er den Transhimalaya (nach ihm Hedingebirge genannt), die Quellen der Flüsse Brahmaputra, Indus und Sutlej, den See Lop Nor und Überreste von Städten, Grabanlagen und der Chinesischen Mauer in den Wüsten des Tarimbeckens. Den Abschluss seines Lebenswerkes bildete die postume Veröffentlichung seines Central Asia atlas.

Sven Hedin 1923. Ölgemälde von Carl Emil Österman.

Überblick über Leben, Werk und Wirkung

Wohnhaus von Sven Hedin in Stockholm, Norr Mälarstrand 66. Hier bewohnte Sven Hedin von 1935 bis zu seinem Tod (1952) mit seinen Angehörigen die oberen drei Stockwerke.

Der Schwede Sven Hedin erlebte mit 15 Jahren in Stockholm die triumphale Rückkehr des Polarforschers Adolf Erik Nordenskiöld nach dessen erstmaliger Befahrung der Nordostpassage. Seitdem wollte er ein Entdeckungsreisender werden. Das Studium bei dem deutschen Geographen und Chinaforscher Ferdinand Freiherr von Richthofen weckte in ihm die Liebe zu Deutschland und bestärkte ihn in seinem Entschluss, Expeditionen nach Zentralasien zu unternehmen, um die letzten weißen Flecken von der Landkarte Asiens zu tilgen. Nach der Promotion, dem Erlernen zahlreicher Sprachen und Dialekte und nach zwei Reisen durch Persien befolgte er aber nicht den Rat von Ferdinand von Richthofen, sein Geographiestudium fortzusetzen und sich mit den Methoden der geographischen Forschung vertraut zu machen; deshalb musste er später die Auswertung seiner Expeditionsergebnisse anderen Wissenschaftlern überlassen.

In drei waghalsigen Expeditionen zwischen 1894 und 1908 durch die Gebirge und die Wüstengebiete von Zentralasien kartierte und erforschte er die bis dahin unerforschten Gebiete von Chinesisch-Turkestan (jetzt Xinjiang) und Tibet. Bei seiner Rückkehr 1909 nach Stockholm wurde er so triumphal empfangen wie einst Adolf Erik Nordenskiöld. Er war bereits 1902 als bis heute letzter Schwede, der nicht Mitglied des Königshauses war, in den erblichen Adelsstand erhoben worden und galt als eine der wichtigen Persönlichkeiten Schwedens. Als Mitglied von zwei wissenschaftlichen Akademien hatte er Stimmrecht bei der Wahl von Nobelpreisträgern.

Mit seinen Expeditionsaufzeichnungen legte er die Grundlagen für eine genaue Karte Zentralasiens. Durch wissenschaftliche Dokumentationen und populäre Reisebücher mit eigenen Fotografien, Aquarellen und Zeichnungen, durch Abenteuerberichte für junge Leser und Vortragsreisen im Ausland wurde er weltweit bekannt. Als ausgewiesener Kenner von Turkestan und Tibet gewann er einen ungehinderten Zugang zu den Monarchen wie auch zu den Politikern Europas und Asiens und zu deren geographischen Gesellschaften und gelehrten Vereinigungen, die sich sein exklusives Wissen über das Machtvakuum Zentralasien mit Orden, brillantengeschmückten Großkreuzen, Goldmedaillen, Ehrendoktortiteln und glänzenden Empfängen sowie mit logistischen und finanziellen Unterstützungen seiner Expeditionen erwerben wollten.

Hedin erlebte glänzende Empfänge 1890 bei König Oskar II., 1890 bei Schah Nāser ad-Dīn Schah, 1896 bei Zar Nikolaus II, ab 1898 häufig bei Kaiser Franz Joseph I. von Österreich-Ungarn, 1902 beim Vizekönig von Indien Lord Curzon, 1903, 1914, 1917, 1926, 1936 bei Kaiser Wilhelm II., 1906 beim Vizekönig von Indien Elliot-Murray-Kynynmound, 1907, 1926, 1933 bei Panchen Gele Namdschal (= Taschi Lama), 1908 bei Kaiser Mutsuhito, 1910 bei Papst Pius X., 1910 bei Theodore Roosevelt, 1915 und später bei Hindenburg, 1929 und 1935 bei Chiang Kai-shek, 1935, 1939, 1940 (2x) bei Adolf Hitler.

Sven Hedin war und blieb ein Mann des 19. Jahrhunderts. Er hielt auch im 20. Jahrhundert an den Vorstellungen und den Handlungsweisen des 19. Jahrhunderts fest. Das hinderte ihn daran, die grundlegenden sozialen und politischen Wandlungen im 20. Jahrhundert wahrzunehmen und sein Denken und Handeln daran auszurichten. Eric Wennerholm schreibt dazu a.a.O. Seite 142f: Mit dem neuen Schweden war Hedin niemals in Berührung gekommen: die Emigration, der Vormarsch der Arbeiterbewegung und der Gewerkschaften, die zunehmende Industrialisierung und die volkstümliche Erweckungsbewegung waren ihm fremd, für die Forderung nach allgemeinem Stimmrecht und vor allem nach Demokratie in der Reichsregierung hatte er kein Verständnis...Hedin war durch und durch Royalist, war Antiparlamentarier, Nationalist, Militarist, da er glaubte, nur ein Land, das willens sei, sich bis zum letzten Blutstropfen zu verteidigen, sei seiner Freiheit wert.

Aus Sorge um die Sicherheit Skandinaviens befürwortete er in seiner Eigenschaft als Mitglied der Schwedischen Akademie der Kriegswissenschaften den Bau des Kriegsschiffes Sverige. Im Ersten Weltkrieg stellte er sich in seinen Veröffentlichungen ausdrücklich auf die Seite der deutschen Monarchie und ihrer Kriegsführung. Durch dieses politische Engagement verlor er bei den Kriegsgegnern Deutschlands sein wissenschaftliches Renommee, die Mitgliedschaft in deren geographischen Gesellschaften und gelehrten Vereinigungen sowie jede Unterstützung bei seinen geplanten Expeditionen.

Nach seiner wenig erfolgreichen Vortragsreise 1923 durch Nordamerika und Japan fuhr er weiter nach Peking, um eine Expedition nach Chinesisch-Turkestan durchzuführen; aber die instabilen politischen Verhältnisse verhinderten dies. Stattdessen bereiste er die Mongolei im Auto und Sibirien in der Transsibirischen Eisenbahn.

Datei:Sven Hedin gold medal by Erik Lindberg issued 1932 from the Svenska Sällskapet för Antropologi och Geografi (SSAG).jpg
Während der von Sven Hedin geleiteten Chinesisch-Schwedischen Expedition gab die Schwedische Gesellschaft für Anthropologie und Geologie (SSAG) die von Erik Lindberg gestaltete Sven-Hedin-Goldmedaille heraus.

Mit finanzieller Unterstützung der Regierungen von Schweden und Deutschland führte er 1927 bis 1935 die internationale und interdisziplinäre Chinesisch-Schwedische Expedition durch, bei der sich 37 Wissenschaftler aus sechs Ländern an der wissenschaftlichen Erforschung der Mongolei und Chinesisch-Turkestans beteiligten. Trotz der chinesischen Gegendemonstrationen gelang es Hedin nach monatelangen Verhandlungen in China, die Expedition durch chinesische Forschungsaufträge und durch die Teilnahme chinesischer Wissenschaftler auch zu einer chinesischen Expedition zu machen und einen Vertrag auszuhandeln, der dieser Expedition, die im Kriegsgebiet mit ihrer Bewaffnung und 300 Kamelen wie eine Invasionsarmee aussah, Reisefreiheit gewährte; die Finanzierung allerdings blieb die private Aufgabe von Sven Hedin.

Der damals 70-jährige Sven Hedin hatte es wegen seiner angegriffenen Gesundheit, wegen des Bürgerkrieges in Chinesisch-Turkestan und wegen langdauernder Kriegsgefangenschaft sehr schwer, nach der Geldentwertung in der Weltwirtschaftskrise fehlende Gelder für die Expedition zu beschaffen, die Logistik für die Versorgung der Expedition im Kriegsgebiet sicherzustellen und den Zugang der Expeditionsteilnehmer zu den von Kriegsherren heftig umkämpften Forschungsgebieten zu erreichen. Dennoch wurde die Expedition zu einem wissenschaftlichen Erfolg. Die nach Schweden gesandten archäologischen Fundstücke konnten dort drei Jahre lang wissenschaftlich ausgewertet werden und wurden China danach entsprechend dem Vertrag zurückgegeben.

Das während der Expedition zusammengetragene wissenschaftliche Material wurde von Sven Hedin und den anderen Expeditionsteilnehmern ab 1937 für die weltweite Ostasienforschung in mehr als 50 Bänden veröffentlicht. Als ihm schließlich das Geld für die Druckkosten ausging, verpfändete er seine große, wertvolle Bibliothek, die mehrere Räume füllte, um die Herausgabe weiterer Bände zu ermöglichen.

1935 stellte er sein exklusives Wissen über Zentralasien nicht nur der schwedischen Regierung, sondern auch den Regierungen in China und Deutschland in Vorträgen und Vier-Augen-Gesprächen mit den politischen Repräsentanten Chiang Kai-shek und Adolf Hitler zur Verfügung.

Sven Hedins unbeschreibliche Naivität und Gutgläubigkeit und seine illusionäre Hoffnung darauf, dass das Dritte Reich Skandinavien vor einer Invasion durch die Sowjetunion schützen würde, brachten ihn, der kein Nationalsozialist war, in eine gefährliche Nähe zu den Repräsentanten des Nationalsozialismus, die ihn als Schriftsteller missbrauchten. Das zerstörte sein Ansehen und führte ihn in eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Isolation. In Briefwechseln und persönlichen Gesprächen setzte er sich aber bei führenden Nationalsozialisten erfolgreich für die Begnadigung von zehn zum Tode Verurteilten und für die Freilassung oder das Überleben von Juden ein, die in deutsche Konzentrationslager deportiert worden waren.

Grabstein von Sven Hedin auf dem Adolf Fredriks kyrkogård, Stockholm, Schweden.

Bei Kriegsende beschlagnahmten amerikanische Truppen in dem deutschen Verlag Justus Perthes in Gotha zielstrebig die Unterlagen von Sven Hedin für den von ihm geplanten Central Asia atlas. Der US Army Map Service bat Sven Hedin anschließend um Mitarbeit und finanzierte den Druck und die Veröffentlichung seines Lebenswerkes, des Central Asia atlas. Wer diesen Atlas mit Adolf Stielers Hand Atlas 1891 vergleicht, kann erkennen, was Sven Hedin in den Jahren 1893 bis 1935 geleistet hat. Die Kartenblätter dienten der US-Armee zur Interpretation von Satellitenfotos und wurden von den Piloten der US-Luftwaffe im Afghanistankrieg verwendet.

Während die Sven-Hedin-Forschung in Deutschland und Schweden wegen Hedins Verhaltens im Dritten Reich tabu war und in Deutschland jahrzehntelang stagnierte, wurden die wissenschaftlichen Dokumentationen seiner Expeditionen von der Chinesischen Akademie für Gesellschaftswissenschaften (Chinese Academy of Social Sciences = CASS) in die chinesische Sprache übersetzt und dann in der chinesischen Forschung aufgearbeitet und erschlossen. Gemäß den Empfehlungen, die Sven Hedin der chinesischen Regierung 1935 gegeben hatte, sind auf den von ihm ausgewählten Wegstrecken Straßen und Eisenbahnlinien gebaut, Staudämme und Kanäle zur Bewässerung der neuen Farmen im Tarimbecken und im Yanji-Becken angelegt sowie die von der Chinesisch-Schwedischen Expedition gefundenen Lagerstätten von Erzen, Eisen, Mangan, Öl, Kohle und Gold für die Förderung erschlossen worden. Zu den Entdeckungen der chinesisch-schwedischen Expedition gehörten auch viele bis dahin unbekannte asiatische Pflanzen und Tiere sowie Fossilien von Dinosauriern und ausgestorbenen Horntieren. Sie alle wurden nach Hedin benannt; ihre Namen wurden mit dem Zusatz hedini versehen. Eines aber blieb den Chinesen bei ihren Forschungen bis zur Jahrtausendwende verborgen: Sven Hedin hatte in den Jahren 1933 und 1934 in der Wüste Lop Nor Ruinen von Signaltürmen entdeckt, die belegen, dass die Chinesische Mauer einst bis nach Xinjiang reichte.

Von 1931 bis zu seinem Tod 1952 lebte er in Stockholm, in vornehmer Wohnlage – einer modernen Hochhausanlage – im Haus Norr Mälarstrand 66. Dort bewohnte er mit seinen Geschwistern die oberen drei Stockwerke; von dem Balkon aus hatte er einen weiten Blick über den Strom Riddarfjärden und den See Mälaren bis hin zur Insel Langholmen. In dem Eingangsbereich des Treppenhauses befinden sich Stuckarbeiten mit einem Landkartenrelief von Sven Hedins Forschungsgebiet Zentralasien und mit einem Relief des Lamatempels, den er in einer Kopie nach Chicago zu der Weltausstellung 1933 gebracht hatte.

Am 29. Oktober 1952 vermachte Sven Hedin die Rechte an seinen Büchern und seinen umfangreichen Nachlass in seinem Testament der schwedischen Königlichen Wissenschaftsakademie; die bald danach gegründete Sven-Hedin-Stiftung (=Sven Hedins Stiftelse) besitzt alle Eigentumsrechte.

An der Trauerfeier für Sven Hedin am 1. Dezember 1952 nahmen Vertreter des schwedischen Königshauses, der schwedischen Regierung, der Schwedischen Akademie und des Diplomatischen Corps teil. Sein Grabstein steht auf dem Friedhof Adolf Fredriks Kyrkogård.

Vita

Das prägende Kindheitserlebnis

Mit 15 Jahren erlebte Sven Hedin die triumphale Rückkehr des schwedischen Polarforschers Adolf Erik Nordenskiöld nach der erstmaligen Befahrung der Nordostpassage.

Stockholm am 24. April 1880.

Er beschreibt das in seinem Buch Mein Leben als Entdecker folgendermaßen: Am 24. April 1880 lief die Vega in Stockholms Ström ein. Die ganze Stadt war illuminiert. Die Häuser rings um den Hafen flammten im Schein unzähliger Lampen und Fackeln. Auf dem Schloss leuchtete in Gasflammen das Sternbild der Vega. Mitten in diesem Lichtermeer glitt das berühmte Schiff in den Hafen. Mit meinen Eltern und Geschwistern stand ich auf den Bergen von Södermalm, von wo wir eine beherrschende Aussicht hatten. Größte Spannung hatte mich erfasst. Mein ganzes Leben lang werde ich an diesen Tag zurückdenken, er wurde entscheidend für meinen künftigen Weg. Von Kais, Straßen, Fenstern und Dächern dröhnte donnernder Jubel. „So will ich einst heimkommen“, dachte ich.

Am 17. Januar 1909 erlebte Sven Hedin einen ähnlich triumphalen Empfang bei der Rückkehr von seiner dritten Expedition nach Asien.

Erste Reise nach Persien

Im Mai 1885 machte Sven Hedin sein Abitur an der Beskowska-Schule in Stockholm. Danach nahm er das Angebot an, den Schüler Erhard Sandgren als Hauslehrer nach Baku zu begleiten, wo dessen Vater als Ingenieur auf dem Erdölfeld von Robert Nobel arbeitete.

Im Sommer 1885 nahm er einen Monat lang an einem Kurs in Topographie für Generalstabsoffiziere und einige Wochen lang am Unterricht im Porträtzeichnen teil. Das war seine einzige Ausbildung in Topographie und Zeichnen.

Am 15. August 1885 reiste er mit Erhard Sandgren nach Baku. Er unterrichtete ihn dort sieben Monate lang und begann in dieser Zeit, Latein, Französisch, Deutsch, Persisch, Russisch, Englisch und Tatarisch zu lernen. In späterer Zeit erlernte er einige persische Dialekte, Türkisch, Kirgisisch, Mongolisch, Tibetisch und etwas Chinesisch.

Am 6. April 1886 verließ Sven Hedin Baku und fuhr mit dem Raddampfer über das Kaspische Meer und ritt durch das Elburs-Gebirge nach Teheran, Isfahan, Schiraz und zur Hafenstadt Buschehr, fuhr mit dem Schiff den Tigris aufwärts bis Bagdad, kehrte über Kermanschah nach Teheran zurück und reiste durch den Kaukasus über das Schwarze Meer nach Konstantinopel und von dort aus heim nach Schweden, wo er am 18. September 1886 eintraf. Über diese Reise veröffentlichte er 1887 das Buch Durch Persien, Mesopotamien und Kaukasien.

Studium

Sven Hedin studierte von 1886 bis 1888 Geologie, Mineralogie, Zoologie und Latein in Stockholm bei dem Geologen Waldemar Brøgger und in Uppsala. Im Dezember 1888 wurde er Kandidat der Philosophie. Vom Oktober 1889 bis zum März 1890 studierte er in Berlin bei Ferdinand Freiherr von Richthofen.

Zweite Reise nach Persien

Am 12. April 1890 begleitete er als Dolmetscher und Vizekonsul eine schwedische Gesandtschaft nach Persien, die dem Schah von Persien die Insignien des Seraphinenordens überreichen sollte. In Teheran nahm er 1890 zusammen mit der schwedischen Gesandtschaft an der Audienz des Schahs Nāser ad-Dīn Schah teil. Er unterhielt sich mit ihm und begleitete ihn in das Elburs-Gebirge. Am 11. Juli bestieg er mit drei Begleitern den Damavand (5.604 m) und sammelte dort Primärmaterial für seine Dissertation. Ab September reiste er auf der Seidenstraße über Mashad, Aschgabat, Buchara, Samarkand, Taschkent und Kaschgar an den Westrand der Wüste Taklamakan. Auf der Heimfahrt besuchte er in Karakol am Ufer des Sees Yssykköl das Grab des russischen Asienforschers Nikolai Michailowitsch Prschewalski (= Przewalski). Am 29. März 1891 kam er nach Stockholm zurück. Über diese Reise veröffentlichte Sven Hedin die Bücher König Oscars Gesandtschaft zum Schah von Persien im Jahre 1890 und Durch Chorasan und Turkestan.

Promotion und Berufsentscheidung

Sven Hedins Vorbild Adolf Erik Nordenskiöld

Am 27. April 1892 fuhr Sven Hedin nach Berlin, um sein Studium bei Ferdinand Freiherr von Richthofen fortzusetzen. Anfang Juli reiste er weiter nach Halle, hörte Vorlesungen bei Alfred Kirchhoff und promovierte bei ihm im selben Monat zum Doktor der Philosophie mit der 28-seitigen Dissertation Der Demawend nach eigener Beobachtung. Diese Dissertation ist eine Kurzfassung eines Abschnittes aus seinem Buch König Oscars Gesandtschaft zum Schah von Persien im Jahre 1890. Eric Wennerholm schreibt dazu: Ich kann zu keinem anderen Ergebnis kommen, (als) dass Sven den Dr. phil. mit 27 Jahren nach einem zusammengerechnet nur achtmonatigen Studium und dem eineinhalbtägigen Sammeln von Primärmaterial auf dem schneebedeckten Gipfel des Demavend bekam.

Ferdinand Freiherr von Richthofen hatte Hedin nahegelegt, nicht nur ein flüchtiges Studium zu absolvieren, sondern sich gründlich mit allen Zweigen der geographischen Wissenschaft und den Methoden der Forschungsarbeit vertraut zu machen, damit er später als Forschungsreisender arbeiten könne. Sven Hedin verzichtete darauf und erklärte das im Alter so: Ich war dieser Forderung nicht gewachsen. Ich war zu früh auf die wilden Wege Asiens hinausgekommen, ich hatte zuviel von der Pracht und Herrlichkeit des Orients, von der Stille der Wüsten und der Einsamkeit der langen Wege verspürt. Ich konnte mich mit dem Gedanken nicht befreunden, wieder für längere Zeit auf der Schulbank zu sitzen.

Damit hatte sich Sven Hedin entschlossen, Entdeckungsreisender zu werden. Ihn reizte es, die letzten weißen Flecken auf der Landkarte Asiens aufzusuchen und diese in Europa unbekannten Gebiete zu kartieren. Als Entdeckungsreisender wurde Sven Hedin wichtig für die asiatischen und die europäischen Großmächte, die ihn hofierten und zu zahlreichen Vorträgen einluden, um von ihm topografische, wirtschaftliche und strategische Informationen über Innerasien zu bekommen, das sie zu ihrem Einflussbereich zählten. Als die Zeit der Entdeckungsreisenden um 1920 vorüber war, begnügte sich Sven Hedin damit, für ausgebildete Forschungsreisende die Chinesisch-Schwedische Expedition zu organisieren.

Erste Expedition

Zwischen 1893 und 1897 erforschte Sven Hedin das Hochgebirge des Pamir, bereiste in Xinjiang das Tarimbecken mit der Sandwüste Taklamakan, dem See Kara-koschun und dem Bosten-See und erforschte schließlich Nord-Tibet. Er legte dabei 26.000 km zurück und kartografierte davon 10.498 km auf 552 Blättern. Etwa 3.500 km führten durch ein vorher unbekanntes Gebiet.

Die Forschungsreisen von Sven Hedin 1886–1935. Die Reiserouten der Mitarbeiter Sven Hedins während der Chinesisch-Schwedischen Expedition 1927–1935 sind nicht dargestellt.

Er brach am 16. Oktober 1893 in Stockholm auf, reiste über Sankt Petersburg und Taschkent zum Pamir. Mehrere Versuche, 1894 den 7.546 Meter hohen Muztagata, den Vater der Eisberge, im Pamir-Gebirge zu besteigen, schlugen fehl. Er blieb bis zum April 1895 in Kaschgar und brach dann am 10. April mit vier einheimischen Begleitern von dem Dorf Merket auf, um die Wüste Taklamakan über Tusluk bis zum Fluss Khotan-darja zu durchqueren. Da der Trinkwasservorrat nicht ausreichte, verdursteten sieben Kamele und nach Sven Hedins dramatisierter und wahrscheinlich unhistorischer Darstellung auch zwei seiner Begleiter. Bruno Baumann bereiste im April 2000 diese Route mit einer Kamelkarawane und recherchierte, dass wenigstens einer der beiden nach Sven Hedins Beschreibung verdursteten Begleiter die Expedition überlebt hatte und dass es einer Kamelkarawane im Frühjahr auf dieser Route nicht möglich ist, ausreichend Trinkwasser für Kamele und Reisende mitzunehmen (siehe Bruno Baumann: Karawane ohne Wiederkehr. Das Drama in der Wüste Takla Makan. München 2000, Seiten 113–121, 203, 303–307).

Nach anderen Quellen verhielt es sich so, dass Hedin bei Expeditionsbeginn versäumte, die Trinkwasservorräte seiner Karawane vollständig aufzufüllen und nur mit der Hälfte der möglichen Wassermenge in die Wüste aufbrach. Als er den Fehler bemerkte, war es für die Rückkehr zu spät. Hedin soll - besessen von seinem Forschungsdrang - die Karawane im Stich gelassen haben und allein mit seinem Diener zu Pferde weitergezogen sein.

Als auch der Begleiter wegen Wassermangels zusammenbrach, ließ Hedin auch ihn zurück und erreichte mit letzter Kraft eine Wasserstelle. Von dort kehrte Hedin jedoch mit Wasser zu seinem Diener zurück und rettete ihn. Dennoch trug ihm sein rücksichtsloses Verhalten massive Kritik ein (siehe Bernd Liebner: Söhne der Wüste - Durch Gobi und Taklamakan, Dokumentarfilm).

Nach einem Zwischenaufenthalt in Kaschgar suchte Hedin im Januar 1896 die 1500 Jahre alten Ruinenstädte Dandan Oilik (= Dandan Öiliq) und Kara Dung auf, die nordöstlich von Khotan in der Wüste Taklamakan liegen. Anfang März entdeckte er den Bosten-See (= Bagrasch-köl = Bagrax-hu), einen der größten Binnenseen Zentralasiens. Er berichtete, dass der Bosten-See von einem einzigen gewaltigen Zufluss, dem Hädik-gol (= Chaidu-gol = (Kaidu-he)), gespeist wird. Er kartografierte den See Kara-koschun und kehrte am 27. Mai nach Khotan zurück. Am 29. Juni brach er von dort mit seiner Karawane auf zur Durchquerung von Nord-Tibet und China bis hin nach Peking, wo er am 2. März 1897 eintraf. Über die Mongolei und Russland kehrte er nach Stockholm zurück.

Zweite Expedition

1899 bis 1902 folgte in Zentralasien eine erneute Expedition durch das Tarimbecken, durch Tibet und Kaschmir nach Kalkutta. Dabei befuhr er die Flüsse Jarkent-darja, Tarim und Kontsche-darja und fand das trockene Flussbett des Kum-darja und das ausgetrocknete Seebecken des Lop Nor. In der Nähe des Lop Nor entdeckte er die Ruinen der 340 x 310 m großen, von einer Mauer umgebenen ehemaligen Königsstadt und späteren chinesischen Garnisonsstadt Loulan mit dem Ziegelgebäude des chinesischen Militärkommandanten, einer Stupa und 19 aus Pappelholz gebauten Wohnhäusern. Außerdem fand er ein Holzrad, das von einem pferdegezogenen Karren (Arabas genannt) stammte, und einige hundert Schriftdokumente aus Holz, Papier und Seide, die Aufschluss gaben über die Geschichte der Stadt Loulan, die am See Lop Nor gelegen hatte und von den Bewohnern um 330 verlassen wurde, weil der See austrocknete und dann das Trinkwasser fehlte.

Bei seinen Reisen 1900 und 1901 nach Tibet versuchte Sven Hedin vergeblich, in die für Europäer verbotene Stadt Lhasa zu kommen. Über Leh im heutigen Ladakh und über Kaschmir kam er nach Indien und reiste dort über Lahore, Delhi, Agra, Lucknow und Benares nach Kalkutta, um George Nathaniel Curzon, den englischen Vizekönig von Indien, zu besuchen.

Bei dieser Expedition entstanden 1149 Kartenblätter, auf denen Sven Hedin neu entdecktes Land darstellte. Er beschrieb 1903 als erster die sogenannten Yardangs in der Wüste Lop Nor.

Dritte Expedition

1905–1908 erforschte er die Wüsten Persiens, das westliche Hochland Tibets und den Transhimalaya, der danach vorübergehend Hedin-Gebirge genannt wurde. Er besuchte den Panchen Gele Namdschal in der Klosterstadt Taschi Lhumpo (= Taschilunpo) in Shigatse. Sven Hedin war der erste Europäer, der in die Kailash-Region gelangte, zum heiligen See Manasarovar und zum heiligen Berg Kailash, dem Mittelpunkt der Welt nach der buddhistischen und hinduistischen Mythologie. Wichtigstes Ziel der Expedition war die Suche nach den Quellen des Indus und des Brahmaputra, die Hedin auch beide fand. Von Indien aus kehrte er mit dem Schiff über Japan nach Stockholm zurück.

Von dieser Expedition brachte er als geologisches Material eine Sammlung von Gesteinsproben mit, die im Magazin der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in der Münchener Universität aufbewahrt und ausgewertet wird. Diese Sedimentgesteine wie Brekzien, Konglomerate, Kalksteine und Tonschiefer sowie vulkanische Gesteine und Granite, dokumentieren die geologische Vielfalt der Gebiete, die Sven Hedin bei dieser Expedition besucht hat.

Sven Hedin und die Monarchien in Schweden und Deutschland

Hedin war monarchistisch geprägt. Ab 1905 nahm er in seiner schwedischen Heimat Stellung gegen die heranwachsende Demokratie, er warnte vor den Gefahren, die seiner Meinung nach von Russland ausgingen und forderte eine militärische Aufrüstung. August Strindberg war in diesen Fragen einer seiner Widersacher. 1912 engagierte sich Hedin öffentlich für den Schwedischen Panzerkreuzer-Verein. Mit Spenden aus der Bevölkerung konnte daraufhin das Kriegsschiff Sverige gebaut werden.

Zum Deutschland des Kaiserreichs, das er während des Studiums kennen gelernt hatte, entwickelte er eine besondere Affinität. Das zeigte sich in seiner Verehrung des deutschen Kaisers Wilhelm II, den er auch noch in dessen Exil besuchte. Sven Hedin fühlte sich zu den führenden Personen seiner Zeit hingezogen und mystifizierte sie, oft ohne deren Handeln zu hinterfragen, weil er davon ausging, dass ihre Integrität durch ihr Amt verbürgt sei. So verhielt er sich auch loyal zu Mao Tse-tung und Adolf Hitler. Zeit seines Lebens behielt er ein romantisiertes Deutschlandbild, in dem Deutschland die Rolle einer Weltmacht hatte, deren Aufgabe es war, auch Schweden und Norwegen vor Übergriffen Russlands zu schützen.

Den Ersten Weltkrieg sah er als Kampf der Germanen (insbesondere gegen Russland) und ergriff in Büchern wie Ein Volk in Waffen. Den deutschen Soldaten gewidmet entsprechend Partei. Als Folge verlor er seine Freunde in Frankreich und England und wurde aus der britischen Royal Geographical Society ausgeschlossen.

Die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg und der damit verbundene internationale Bedeutungsverlust Deutschlands trafen ihn tief. Dass Schweden 1920, nach dem Scheitern des Kapp-Putsches, Wolfgang Kapp als politischen Flüchtling aufnahm, soll in erster Linie seinem Wirken zuzuschreiben sein.

Autofahrt durch die Mongolei

1923 kam Sven Hedin über die USA, wo er den Grand Canyon besuchte, und über Japan nach Peking. Wegen der Unruhen in China musste er auf eine Expedition nach Xinjiang verzichten. Stattdessen reiste er zusammen mit dem landeskundigen Kaufmann Herzog Frans August Larson (genannt Der Herzog der Mongolei) im November und Dezember in einem Dodge-Automobil von Peking durch die Mongolei über Ulan Bator nach Verkhne-Udinks (= Werchne Udinsk) und von dort in der Transsibirischen Eisenbahn weiter nach Moskau.

Vierte Expedition

Sven Hedin leitete 1927 bis 1935 die internationale Chinesisch-Schwedische Expedition (Einzelheiten siehe dort), die die meteorologischen, topographischen und prähistorischen Gegebenheiten in der Mongolei, der Gobi und Xinjiang untersuchte.

Sven Hedin sprach von der wandernden Universität, in der die beteiligten Wissenschaftler nahezu selbstständig arbeiteten, während Sven Hedin wie ein Manager vor Ort mit den Behörden verhandelte, Entscheidungen fällte, alles Notwendige organisierte, Geld beschaffte und die zurückgelegten Routen aufzeichnete. Er gab Archäologen, Astronomen, Botanikern, Geographen, Geologen, Meteorologen und Zoologen aus Schweden, Deutschland und China die Möglichkeit, an der Expedition teilzunehmen und Forschung in ihren Spezialgebieten zu betreiben.

Umschlag eines Briefes von Sven Hedin an seine Schwester Alma mit chinesischen Briefmarken, die aus Anlass der Chinesisch-Schwedischen Expedition herausgegeben wurden.

In Nanking traf er Chiang Kai-shek, der daraufhin zum Förderer der Expedition wurde. Die Chinesisch-Schwedische Expedition wurde mit einer chinesischen Briefmarkenserie (Michel-Katalog Mittel- und Ostasien: China Nr. 246–249) in einer Auflage von 25.000 Exemplaren geehrt. Die vier Briefmarken zeigen Kamele an einem Standlager mit dem Wimpel der Expedition und tragen den chinesischen Schriftzug Postverwaltung des blühenden Reichs der Mitte und in lateinischer Sprache darunter: Wissenschaftliche Expedition in die nordwestliche Provinz Chinas 1927–1933.

Als Vorlage für die Briefmarken diente das Gemälde Nomaden in der Wüste im Palastmuseum Peking. Von den 25.000 Sätzen kamen 4.000 Sätze in den Schalterverkauf und 21.500 Sätze in den Besitz der Expedition. Sven Hedin verwendete sie zur Finanzierung der Expedition und verkaufte sie zu einem Preis von 5 Dollar pro Briefmarke.

Der erste Teil der Expedition führte in den Jahren 1927 bis 1932 von Peking über Baotou zur Mongolei, in die Wüste Gobi und durch Xinjiang nach Urumtschi und in den nördlichen und östlichen Bereich des Tarimbeckens. Die Expedition brachte eine Fülle wissenschaftlicher Ergebnisse, die bis in die Gegenwart hinein veröffentlicht werden. Für China war beispielsweise die Entdeckung bestimmter Lagerstätten von Erzen, Eisen, Mangan, Öl, Kohle und Gold von großer wirtschaftlicher Bedeutung. In Anerkennung seiner Leistungen überreichte ihm die Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1933 die Ferdinand-von-Richthofen-Medaille; dieselbe Ehrung wurde auch Erich von Drygalski für seine Gauss-Expedition in die Antarktis und Alfred Philippson für seine Ägäis-Forschung zuteil.

Von Ende 1933 bis 1934 führte Hedin im Auftrag der Kuomintang-Regierung unter Chiang Kai-shek in Nanking eine chinesische Expedition durch, um Möglichkeiten für Bewässerungsmaßnahmen zu überprüfen und um Pläne und Karten für den Bau zweier Autostraßen entlang der Seidenstraße von Peking nach Xinjiang zu erstellen.

Nach seinen Plänen wurden große Bewässerungsanlagen erstellt, Siedlungen gebaut und Autostraßen auf der Seidenstraße von Peking bis Kaschgar gebaut, die es erlauben, das Tarimbecken vollständig zu umfahren. Diese Verkehrsanbindung gab der Volksrepublik China später die Möglichkeit, in dem Gebiet des jetzt aufgrund von Bewässerungsmaßnahmen seit 1971 ausgetrockneten Lop Nor das chinesische Kernwaffenversuchsgelände (ab 1955 für Atombomben, ab 1967 für Wasserstoffbomben) zu errichten.

Ein Thema der Geografie Zentralasiens, mit dem Hedin sich jahrzehntelang besonders intensiv auseinandersetzte, war der von ihm so genannte „wandernde See” Lop Nor.

Im Mai 1934 begann Sven Hedin seine Flussexpedition zu diesem See. Er fuhr zwei Monate lang im Boot auf dem Kontsche-darja und dem Kum-Darja bis zum Lop Nor, der seit 1921 mit Wasser gefüllt worden war.

Für die Rückfahrt wählte Sven Hedin die südliche Route der Seidenstraße über Hotan (= Chotan = Khotan) bis Xi'an, wo die Expedition am 7. Februar 1935 ankam. Er reiste weiter nach Peking zum Präsidenten Lin Sen und nach Nanking zu Chiang Kai-shek. Seinen 70. Geburtstag feierte er am 19. Februar 1935 in Anwesenheit von 250 Mitgliedern der Kuomintang-Regierung, denen er alles wissenwerte über die Chinesisch-Schwedische Expedition mitteilte. An diesem Tage wurde er von der chinesischen Regierung mit dem brillierenden Jadeorden 2. Klasse (englisch: Order of Brilliant Jade) ausgezeichnet.

Am Ende der Expedition befand sich Sven Hedin in einer schwierigen finanziellen Lage. An der Deutsch-Asiatischen Bank in Peking hatte er beträchtliche Schulden hinterlassen. Er zahlte sie ab mit den Honoraren, die er für seine Bücher und Vorträge bekam. In den Monaten nach seiner Rückkehr hielt er 111 Vorträge in 91 deutschen Städten, außerdem 19 Vorträge in Nachbarländern. Dazu legte er in 5 Monaten eine Strecke von der Länge des Äquators zurück, 23.000 Kilometer mit der Bahn und 17.000 Kilometer mit dem Auto. Vor seinem Vortrag am 14. April 1935 in Berlin traf er Adolf Hitler.


Sven Hedin und der Nationalsozialismus in Deutschland

Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten

Sven Hedin traf wiederholt Adolf Hitler und andere führende Nationalsozialisten, mit denen er auch im regelmäßigen Briefwechsel stand. Inhalt der höflich formulierten Briefwechsel waren in der Regel Terminabsprachen, Geburtstagsglückwünsche, geplante oder fertiggestellte Veröffentlichungen von Sven Hedin sowie Bitten von Sven Hedin um Begnadigung zum Tode Verurteilter, um Verschonung, Hafterleichterung, Freilassung und Ausreise von in Gefängnissen oder Konzentrationslagern Internierten. In Briefwechseln mit Joseph Goebbels und Dr. Hans Dräger erreichte Sven Hedin Jahr für Jahr den Druck der Herrnhuter Losungen.[1]

Die Nationalsozialisten versuchten, Sven Hedin mit Ehrungen an sich zu binden. Sie gaben ihm den Auftrag, bei den Olympischen Sommerspielen 1936 im Berliner Olympiastadion die Ansprache Sport als Erzieher zu halten. Sie machten ihn zum Ehrenmitglied der Deutsch-Schwedischen Vereinigung Berlin E.V.. Im Jahr 1938 überreichten sie ihm die Ehrenplakette der Stadt Berlin. Sie verliehen ihm während seines 75. Geburtstages am 19. Februar 1940 das Großkreuz des Deutschen Adlerordens; kurz zuvor hatten sie Henry Ford und Charles Lindbergh damit ausgezeichnet. Zum Jahresende 1942/1943 entließen sie (auf Sven Hedins Wunsch hin) den Osloer Philologieprofessor und Universitätsdirektor Didrik Arup Seip aus dem Konzentrationslager Sachsenhausen[2], um Sven Hedins Einverständnis zu weiteren Ehrungen während der 470-Jahrfeier der Universität München zu erreichen. Am 15. Januar 1943 übergaben sie ihm die Goldmedaille der Bayerischen Akademie der Wissenschaften und am 16. Januar 1943 die Ehrendoktorwürde der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität München. Ebenfalls am 16. Januar 1943 gründeten sie in seiner Anwesenheit das Sven-Hedin-Institut für Innerasienforschung mit Sitz im Schloss Mittersill, das angeblich der langfristigen Weiterentwicklung des wissenschaftlichen Erbes der Asienforscher Sven Hedin und Wilhelm Filchner dienen sollte, aber stattdessen von Heinrich Himmler als Institut der Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe e.V. mißbraucht wurde.[3] Am 21. Januar 1943 wurde ihm das Goldene Buch der Stadt München zur Unterzeichnung vorgelegt.

Sven Hedin setzte sich publizistisch für den Nationalsozialismus ein. Auch nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches bereute er seine Zusammenarbeit mit den Nationalsozialisten nicht; denn diese Zusammenarbeit hatte es ihm ermöglicht, zahlreiche Opfer des Nationalsozialismus vor Hinrichtungen oder vor dem Tod in Vernichtungslagern zu retten.

Sven Hedins Kritik am Nationalsozialismus

Johannes Paul schrieb 1954 über Sven Hedin:

Manches in der Anfangszeit der nationalsozialistischen Herrschaft fand seinen Beifall. Er scheute sich jedoch nicht, Kritik zu üben, wo ihm dies notwendig erschien, so besonders in der Frage der Judenverfolgung, des Kampfes gegen die Kirchen und der Unterbindung der freien Wissenschaft.[4]

Im Jahr 1937 weigerte sich Sven Hedin, sein Buch Deutschland und der Weltfrieden in Deutschland zu veröffentlichen, weil das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda auf der Streichung NS-kritischer Passagen bestand. In dem Brief von Sven Hedin an den Staatssekretär Walther Funk vom 16. April 1937 wird deutlich, was er damals in der Zeit vor der Einrichtung von Vernichtungslagern an dem Nationalsozialismus kritisierte:

Als wir zuerst über meinen Plan, ein Buch zu schreiben, gesprochen haben, erklärte ich, dass ich nur objektiv, wissenschaftlich, eventuell kritisch nach meinem Gewissen schreiben wollte, und Sie fanden dies vollkommen richtig und natürlich. Jetzt habe ich auch in sehr freundlicher und milder Form hervorgehoben, dass die Entfernung der bedeutenden jüdischen Professoren, die der Menschheit grosse Dienste geleistet hatten, Deutschland schädlich gewesen ist und dass dadurch viele Agitatoren im Ausland gegen Deutschland entstanden sind. Die Haltung, die ich hier eingenommen habe, geschah also nur im Interesse Deutschlands.
Dass ich beängstigt bin, dass die von mir sonst überall gelobte und bewunderte Erziehung der deutschen Jugend zu wenig mit den Fragen der Religion und Ewigkeit in Berührung kommt, geschieht auch aus Liebe und Sympathie für das deutsche Volk, und als Christ empfinde ich es als eine Pflicht, dies offen zu sagen, und zwar in der Überzeugung, dass das Volk Luthers, das durch und durch religiös ist, mich verstehen wird.
Vor meinem Gewissen habe ich bis jetzt niemals kapituliert und werde es auch diesmal nicht tun. Deshalb wird nichts gestrichen.[5]

Sven Hedin veröffentlichte das Buch dann in Schweden.[6]

Sven Hedins Einsatz für die Freilassung von deportierten Juden

Sven Hedin war befreundet mit Alfred Philippson, der wie Hedin Student bei Ferdinand Freiherr von Richthofen und später Professor in Bonn gewesen war und 1929 Emeritus wurde. 1933 erhielt Hedin zusammen mit ihm die Goldene Ferdinand-von-Richthofen-Medaille. Sven Hedin bemühte sich, seinen Freund Alfred Philippson, der Jude war, vor der nationalsozialistischen Judenverfolgung zu schützen. Dadurch wurde er aber für die Nationalsozialisten erpressbar.

Nachdem Sven Hedin sich geweigert hatte, seine Kritik am Nationalsozialismus aus seinem Buch Deutschland und der Weltfrieden zu entfernen, entzogen die Nationalsozialisten Alfred Philippson und seiner Familie 1938 die Reisepässe, um sie an der beantragten Ausreise ins amerikanische Exil zu hindern und als Faustpfand Sven Hedin gegenüber in Deutschland zu behalten. Nun äußerte sich Sven Hedin in seinem Buch Fünfzig Jahre Deutschland wohlwollender gegenüber den Nationalsozialisten, unterwarf sich gegen sein Gewissen der Zensur des Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und veröffentlichte das Buch in Deutschland.

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Für Alfred Philippson, seine Frau und seine Tochter wurde Sven Hedin zum Lebensretter.

Am 8. Juni 1942 verstärkten die Nationalsozialisten den Druck auf Sven Hedin, indem sie Alfred Philippson mit seiner Familie in das KZ Theresienstadt deportierten. Sie erreichten dadurch, dass Hedin 1942 das Buch Amerika im Kampf der Kontinente gegen sein Gewissen in Kooperation mit dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda und anderen Regierungsstellen schrieb und in Deutschland veröffentlichte. Als Gegenleistung stuften die Nationalsozialisten Alfred Philippson als „A-prominent“ ein und gewährten seiner Familie Hafterleichterungen, sodass diese letztlich überleben konnte.

Hedin stand jahrzehntelang im Briefwechsel mit Alfred Philippson und sandte ihm regelmäßig Lebensmittelpakete in das KZ Theresienstadt. Am 29. Mai 1946 schrieb ihm Alfred Philippson (wörtliches Zitat, gekürzt): Mein lieber Hedin! Die Eröffnung der Briefpost nach dem Ausland gibt mir die Möglichkeit, Ihnen zu schreiben … Wir denken oft mit herzlicher Dankbarkeit an unseren Lebensretter, dem allein es zuzuschreiben ist, dass wir die schreckliche Zeit dreijähriger Einschließung und Hungers im KZ Theresienstadt lebend überstanden haben, in meinem Alter ein wahres Wunder. Es ist Ihnen bekannt, das wir wenigen Überlebenden schließlich, einige Tage vor dem uns bevorstehenden Gastod, befreit worden sind. Wir, meine Frau, Tochter und ich sind dann am 9/10. Juli 1945 in einem Autobus der Stadt Bonn hierher in unsere fast zur Hälfte zerstörte Heimatstadt zurückgebracht worden … Sven Hedin antwortete am 19. Juni 1946 (wörtliches Zitat, gekürzt): … Es war zu schön zu erfahren, dass unsere Bemühungen nicht vergebens gewesen waren. In diesen schweren Jahren haben wir über hundert ähnliche gehabt, unglückliche Menschen, die nach Polen geschleppt wurden, zu retten, aber in den aller meisten Fällen ist es uns nicht gelungen. Einigen Norwegern haben wir doch helfen können. Mein Heim in Stockholm wurde zu einer Art Informations- und Hilfsbüro verwandelt und ich hatte dabei vorzügliche Hilfe von Dr. Paul Grassmann, Presseattaché in der Deutschen Gesandtschaft in Stockholm. Auch er hat keine Mühe gespart, um in der humanitären Arbeit tätig zu sein. Aber in fast keinem Fall ist es so glücklich gegangen wie in Ihren, lieber alter Freund! Und wie schön, dass Sie wieder in Bonn sind. …[7]

Die Namen und Schicksale der über hundert deportierten Juden, für deren Freilassung sich Sven Hedin eingesetzt hat, sind noch nicht erforscht. Die Namen und Schicksale der Norweger sind aber bekannt.

Sven Hedins Einsatz für die Freilassung von deportierten Norwegern

Sven Hedin setzte sich für den norwegischen Dichter Arnulf Øverland und für den Osloer Philologieprofessor und Universitätsdirektor Didrik Arup Seip ein, die sich im Konzentrationslager Sachsenhausen befanden. Er erreichte die Freilassung von Didrik Arup Seip, aber seine Bemühungen um die Freilassung von Arnulf Øverland blieben vergeblich; Arnulf Øverland überlebte dennoch das Konzentrationslager.

Sven Hedins Einsatz für die Begnadigung zum Tode Verurteilter

Nachdem der 3. Senat des Reichskriegsgerichts in Berlin die zehn Norweger Sigurd Jakobsen, Gunnar Hellesen, Helge Børseth, Siegmund Brommeland, Peter Andree Hjelmervik, Siegmund Rasmussen, Gunnar Carlsen, Knud Gjerstad, Christian Oftedahl und Frithiof Lund am 24. Februar 1941 wegen angeblicher Spionage zum Tode verurteilt hatte, setzte sich Sven Hedin über den Generaloberst Nikolaus von Falkenhorst bei Adolf Hitler erfolgreich für deren Begnadigung ein. Die Todesstrafe wurde für sie am 17. Juni 1941 von Adolf Hitler durch 10 Jahre Zwangsarbeit ersetzt. Die wegen gleicher Anklage zur Zwangsabeit verurteilten Norweger Carl W. Mueller, Knud Naerum, Peder Fagerland, Ottar Ryan, Tor Gerrard Rydland, Hans Bernhard Risanger und Arne Sørvag erhielten auf Sven Hedins Gesuch hin am 17.Juni 1941 von Adolf Hitler reduzierte Strafen. Hans Bernhard Risanger starb jedoch im Gefängnis wenige Tage vor seiner Entlassung.

Als Nikolaus von Falkenhorst seinerseits am 2. August 1946 von dem englischen Militärgericht als Verantwortlicher für die Erschießung von Angehörigen britischer Kommando-Unternehmen zum Tode durch Erschießen verurteilt worden war, erreichte Sven Hedin dessen Begnadigung am 4. Dezember 1946 mit dem Hinweis, Nikolaus von Falkenhorst habe sich ebenfalls für die Begnadigung der zehn zum Tode verurteilten Norweger eingesetzt. Am 4. Dezember 1946 wurde die Todesstrafe von dem englischen Militärgericht durch 20 Jahre Haft ersetzt. Nikolaus von Falkenhorst wurde schließlich am 13. Juli 1953 vorzeitig aus dem Kriegsverbrechergefängnis Werl freigelassen.[8]

Auszeichnungen

Epitaph für Sven Hedin von Liss Erikson (1959) in der Adolf Fredriks kyrka in Stockholm.

1902 wurde Sven Hedin aufgrund seiner Verdienste, als letzter Schwede überhaupt, von dem König Oskar II. geadelt. Oskar II. schlug ihm vor, dem Namen Hedin eines der beiden in Schweden gebräuchlichen Adelsprädikate af oder von vorauszustellen; aber Sven Hedin verzichtete in dem Briefwechsel mit dem König darauf. Der Verzicht auf das Adelsprädikat war in Schweden bei vielen Adelsfamilien üblich. Das Wappen von Sven Hedin befindet sich zusammen mit den Wappen der etwa zweitausend Adelsgeschlechter an einer Wand des großen Saales im Riddarhuset, dem Versammlungshaus des schwedischen Adels in der Stockholmer Altstadt Gamla Stan.

Sven Hedin wurde 1905 in die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften aufgenommen und 1909 in die Königliche Schwedische Akademie der Kriegswissenschaften gewählt. Von 1913 bis 1952 war er gewähltes Mitglied der Schwedischen Akademie auf dem Stuhl Nr. 6 (von 18 Stühlen). Dadurch hatte er Stimmrecht bei der Wahl von Nobelpreisträgern.

Er war Ehrenmitglied zahlreicher schwedischer und ausländischer wissenschaftlicher Gesellschaften und Institutionen, die ihn mit etwa 40 Goldmedaillen auszeichneten; 27 dieser Medaillen sind in Stockholm in dem Kungliga myntkabinettet in einer Vitrine ausgestellt.

Er wurde ausgezeichnet als Dr. phil. h.c. der Universitäten Oxford (1909), Cambridge (1909), Heidelberg (1928), Uppsala (1935), München (1943) und der Handelshochschule Berlin (1931), als Dr. jur. h.c. der Universität Breslau (1915), als Dr. med. h.c. der Universität Rostock (1919).

Zahlreiche Länder verliehen ihm Orden, von denen viele mit Diamanten bestückt sind.[9] Der indische Orden Order of the Indian Empire 2. Klasse Knight Commander of the Order of the Indian Empire wurde ihm am 9. November 1909 verliehen; er befähigte ihn, seinem Nachnamen Hedin den Namenzusatz KCIE nachzustellen. Als Ausländer war er aber nicht befugt, den Titel Sir zu tragen, der mit diesem Orden verliehen wurde.

Nach ihm benannt wurden der Mondkrater "Hedin" (Lage 2° 00' N + 76° 30' W, Durchmesser 150 km), der Enzian Gentiana hedini, die Käfer Longitarsus hedini und Coleoptera hedini, der Schmetterling Fumea hedini Caradja, die Spinne Dictyna hedini, der fossile Hornträger Tsaidamotherium hedini, der fossile Therapside (ein „säugetierähnliches Reptil“) Lystrosaurus hedini sowie Straßen und Plätze in Städten verschiedener Länder (zum Beispiel die "Hedinsgatan" am Tessinparken in Stockholm).

Eine Dauerausstellung mit Funden von Sven Hedin gibt es im Etnografiska Museet in Stockholm.

In der Adolf Fredriks Kyrka befindet sich das 1959 errichtete Sven-Hedin-Epitaph von Liss Eriksson. Es zeigt Asien auf dem Globus, und es wird gekrönt von einem Kamel. In schwedischer Sprache trägt es die Inschrift: Asiens unbekannte Weiten waren seine Welt – Schweden blieb sein Zuhause.

Zitate

Bei seiner ersten Expedition 1893 bis 1897 gelang es Sven Hedin nicht, den 7.546 Meter hohen Muztagata, den „Vater der Eisberge”, im Pamir-Gebirge zu besteigen. Von seinem Höhenlager in 6.300 Meter Höhe hatte er aber einen einzigartigen Blick auf den 7.546 m hohen Muztagata:

  • Die Sonne ging unter, und ihr Purpurschein erlosch auf den Westhängen des Muztagata. Als der Vollmond über der Zinne der Felswand an der Südseite des Gletschers aufstieg, trat ich in die Nacht hinaus, um eines der großartigsten Schauspiele zu bewundern, die ich je in Asien gesehen habe. Die ewigen Schneefelder auf der höchsten Kuppe des Berges, das Firnbecken, das den Gletscher speist, und seine höchsten Regionen badeten im Silberschein des Mondes, aber wo der Eisstrom in seiner tiefen Felsrinne lag, herrschte nachtschwarzer unergründlicher Schatten, über die gewölbten Schneefelder zogen weiße dünne Wolken, und man glaubte die Geister des Berges zu sehen, die im Freien ihre Tänze aufführten. Ich stand so hoch wie der Gipfel des Chimborazo oder des Mount McKinley und höher als der Kilimandscharo, der Montblanc und alle Bergspitzen dreier Erdteile; nur die höchsten Gipfel Asiens und der Anden waren höher. Bis zur Spitze des höchsten Berges der Erde, des Mount Everest, fehlten noch 2.600 Meter. Aber ich glaube dennoch, dass das Bild, das sich vor mir entrollte, an wilder, fantastischer Schönheit alles übertraf, was ein Sterblicher auf Erden erblicken kann.

Im Buch Amerika im Kampf der Kontinente schrieb Sven Hedin im Jahr 1943:

  • Die Frage, warum es zum neuen Weltkrieg kam, ist nicht nur damit zu beantworten, dass die Grundlage in den Friedensverträgen von 1919 gelegt wurde oder in der Niederhaltung Deutschlands und seiner Verbündeten nach dem Ersten Weltkrieg oder in der Fortsetzung der uralten Politik Großbritanniens und Frankreichs. Der entscheidende Anstoß kam von jenseits des Atlantischen Ozeans.
  • Dieser Krieg wird in die Geschichte eingehen als der Krieg des Präsidenten Roosevelt.

Die Sven-Hedin-Forschung

Quellen für die Sven-Hedin-Forschung

Eine Übersicht über die umfangreichen Quellen der Sven-Hedin-Forschung zeigt, dass es zur Zeit schwierig sein dürfte, eine angemessene Beurteilung der Persönlichkeit und des Werkes von Sven Hedin zu finden. Der überwiegende Teil der Quellen ist noch nicht wissenschaftlich ausgewertet, 30.000 Briefe sind immer noch nicht angesehen und sortiert, obgleich Sven Hedin schon vor über 50 Jahren verstorben ist. Selbst das DFG-Projekt Sven Hedin und die deutsche Geographie musste sich auf eine enge Auswahl und auf die stichprobenartige Überprüfung von Quellen beschränken.

Die Quellen für die Sven-Hedin-Forschung sind in umfangreichen Archivalien (Primärliteratur, Schriftwechsel, Zeitungsberichte, Nekrologen und Sekundärliteratur) enthalten.

  • Die eigenen Veröffentlichungen von Sven Hedin umfassen etwa 30.000 Seiten.
  • Etwa 2500 Zeichnungen und Aquarelle, Filme und viele Fotografien liegen vor.
  • Dazu kommen 25 Bände mit Aufzeichnungen von den Reisen und Expeditionen und 145 Bände der regelmäßig geführten Tagebücher 1930–1952 mit insgesamt 8267 Seiten.
  • Der umfangreiche Bestand der Sven Hedin-Stiftung (Sven Hedins Stiftelse), die den Nachlass von Hedin verwaltet, befindet sich im Etnografiska museet Stockholm bzw. im Riksarkivet in Stockholm.
  • Sven Hedins Briefwechsel liegen im Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn, im Bundesarchiv in Koblenz, im Institut für Länderkunde Leipzig und vor allem im Etnografiska museet bzw. im Riksarkivet in Stockholm. Der größte Teil des Briefnachlasses ist im Riksarkivet untergebracht und für Forschung und Öffentlichkeit zugänglich. Dieser Bestand umfasst ca. 50.000 nach Ländern und Absendern alphabetisch geordnete Briefe. Bis 30.000 weitere Briefe sind noch ungeordnet archiviert.
  • Der wissenschaftliche Nachlass sowie eine nach Jahren (1895–1952) geordnete, in 60 Folianten gebundene Sammlung von Zeitungsartikeln über Hedin befinden sich im Etnografiska museet in Stockholm.
  • Die Fundstücke aus Tibet, der Mongolei und Xinjiang befinden sich unter anderem in Stockholm im Etnografiska museet (rund 8000 Einzelstücke), in Uppsala in den Geologischen, Mineralogischen und Paläontologischen Instituten der Universität, in den Magazinräumen der Bayerischen Staatssammlung für Paläontologie und Geologie in München und im History Museum in Beijing.

Sven Hedins Dokumentationen und ihre Bewertung

Sven Hedin sah bei seinen Expeditionen den Schwerpunkt seiner Arbeit in der Feldforschung. Er fertigte Routenaufnahmen an, in denen er viele Tausende von Kilometern seiner Karawanenwege mit den Details eines Messtischblattes festlegte und durch zahllose Höhenmessungen und astronomische Ortsbestimmungen ergänzte. Dabei kombinierte er die Feldkarten mit gezeichneten Panoramen. Er entwarf die ersten genauen Karten von bis dahin unerforschten Gebieten: Pamir, Taklamakan, Tibet, Seidenstraße und Himalaya. Wahrscheinlich war er der erste Europäer, der erkannte, dass der Himalaya ein zusammenhängendes Gebirge ist.

Er untersuchte systematisch die Seen Innerasiens, machte durch viele Jahre sorgfältige klimatologische Beobachtungen und legte umfassende Sammlungen von Gesteinen, Pflanzen, Tieren und Altertümern an. Unterwegs fertigte er Aquarelle, Skizzen, Zeichnungen und Fotografien an, die er später in seinen Werken veröffentlichte. Die beste Druckqualität der Fotografien und Landkarten findet sich in den schwedischen Originalwerken.

Hier sieht man das gesamte Gebiet von Zentralasien, das Sven Hedin durch seine Expeditionen für die Kartografie und die Forschung erschlossen hat: unten den Himalaya und den Transhimalaya, darüber die Hochebene von Tibet, oben den Pamir, daneben das Tarim-Becken mit der Taklamakan-Wüste.

Über die Forschungsergebnisse seiner Expeditionen gab Hedin jeweils ein wissenschaftliches Werk heraus. Der Umfang dieser Dokumentationen stieg von Expedition zu Expedition gewaltig an. Seinen Forschungsbericht über die erste Expedition veröffentlichte er im Jahr 1900 unter dem Titel: Die geographisch-wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien 1894–97 (Ergänzungsband 28 zu Petermanns Mitteilungen), Gotha 1900. Das Werk über die zweite Expedition Scientific Results of a Journey in Central Asia wuchs auf sechs Text- und zwei Atlasbände an. Southern Tibet, die wissenschaftliche Veröffentlichung über die dritte Expedition, umfasst insgesamt zwölf Bände, davon drei Atlanten. Die Ergebnisse der Chinesisch-Schwedischen Expedition wurden in den Reports from the scientific expedition to the north-western provinces of China under leadership of Dr. Sven Hedin. The sino-swedish expedition veröffentlicht; diese Edition hat 49 Ausgaben.

Diese Dokumentationen waren von Hedin kostbar ausgestattet, und der Preis wurde dadurch so hoch, dass nur wenige Bibliotheken und Institute sie bezahlen konnten. Die immensen Kosten für die Drucklegung musste Sven Hedin, ebenso wie die Kosten der Expeditionen, zum größten Teil selbst tragen. Er verwendete dazu die Honorare, die er für seine populärwissenschaftlichen Bücher und für seine Vorträge bekam.

Sven Hedin hat seine Dokumentationen nicht selber wissenschaftlich ausgewertet, sondern anderen Wissenschaftlern zur Auswertung übergeben. Da er die Erlebnisse bei seinen Expeditionen populärwissenschaftlich verbreitete und in einer Vielzahl von Vorträgen, Reiseberichten, Jugend- und Abenteuerbüchern verarbeitete, wurde er jedoch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Er galt bald als eine der bekanntesten Persönlichkeiten seiner Zeit.

D. Henze schrieb im Zusammenhang mit der Ausstellung des Deutschen Museums Sven Hedin, der letzte Forschungsreisende im Jahr 1997 über Sven Hedin: Er war Pionier und Wegweiser im Übergang zum Jahrhundert der Spezialforschung. Kein Einzelner hat als Erheller und Darsteller unbekannter Länderräume mehr vollbracht als er. Allein seine Karten stellen eine einmalige Schöpfung dar. Dem Reisekünstler stand der Gelehrte nicht nach, der in entrückten Nachtstunden mit Schnelle und scheinbar mühelos ehrfurchtgebietende Werke schuf. Die Geographie, zumindest die deutsche, hat sich bislang nur an seine volkstümlichen Berichte gehalten. Noch steht der konsequente Einbau der ungehobenen Riesenschätze seines wissenschaftlichen Werks in der Länderkunde Asiens aus.

Aktuelle Sven-Hedin-Forschung

Eine wissenschaftliche Überprüfung der Persönlichkeit von Sven Hedin und seiner Beziehungen zum Nationalsozialismus wurde in der Universität Bonn von Professor Hans Böhm, Dipl.-Geogr. Astrid Mehmel und Christoph Sieker M.A. im Rahmen des DFG-Projekts Sven Hedin und die deutsche Geographie vorgenommen.

Literatur

Primärliteratur

Wissenschaftliche Dokumentationen

  • Sven Hedin: Die geographisch-wissenschaftlichen Ergebnisse meiner Reisen in Zentralasien 1894–97. Ergänzungsband 28 zu Petermanns Mitteilungen. Gotha 1900.
  • Sven Hedin: Scientific results of a journey in Central-Asia. 10 Text- und 2 Atlasbände. Stockholm 1904–1907.
  • Sven Hedin: Southern Tibet. 11 Text- und 3 Atlasbände. Stockholm 1917-1922.
  • Sven Hedin: Der wandernde See. F.A. Brockhaus, Leipzig 1937.
  • Reihe Reports from the scientific expedition to the north-western provinces of China under leadership of Dr. Sven Hedin. The sino-swedish expedition. mit bisher über 50 Bänden, enthält Primär- und Sekundärliteratur. Stockholm 1937ff.
  • Sven Hedin: Central Asia atlas. Maps, Statens etnografiska museum. Stockholm 1966. (erschienen in der Reihe Reports from the scientific expedition to the north-western provinces of China under the leadership of Dr. Sven Hedin. The sino-swedish expedition; Ausgabe 47. 1. Geography; 1)
  • Sven Hedin: Mein Leben als Zeichner. Zum 100. Geburtstag herausgegeben von Gösta Montell. Brockhaus, Wiesbaden 1965. Enthält 240 seiner Zeichnungen.

Autobiografie

  • Sven Hedin: Mein Leben als Entdecker. F.A. Brockhaus, Leipzig 1928.

Populärwissenschaftliche Literatur

Die deutschen Veröffentlichungen von Sven Hedin wurden im F.A. Brockhaus-Verlag aus dem Schwedischen in das Deutsche übersetzt. Insofern sind schwedische Ausgaben jeweils die Originalausgabe. Der F.A. Brockhaus-Verlag veröffentlichte nach der Erstausgabe oft auch gekürzte Versionen unter dem gleichen Titel. Mit dem Verleger Albert Brockhaus verband Sven Hedin nicht nur eine wichtige Geschäftsbeziehung, sondern auch eine enge Freundschaft. Ihr Briefwechsel befindet sich in dem Riksarkivet in Stockholm. Es gibt dazu folgende Veröffentlichung:

  • Sven Hedin, Albert Brockhaus: Sven Hedin und Albert Brockhaus. Eine Freundschaft in Briefen zwischen Autor und Verleger. F.A. Brockhaus, Leipzig 1942.

Bibliografie

  • Willy Hess: Die Werke Sven Hedins. Versuch eines vollständigen Verzeichnisses. Sven Hedin – Leben und Briefe, Vol. I. Stockholm 1962. dgl.: Erster Nachtrag. Stockholm 1965
  • Manfred Kleiner: Sven Anders Hedin 1865–1952 - eine Bibliografie der Sekundärliteratur. Eigenverlag Manfred Kleinert, Princeton 2001.

Biografien (enge Auswahl)

  • Detlef Brennecke: Sven Hedin mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1986, 1991. ISBN 3499503557
  • Johannes Paul: Abenteuerliche Lebensreise – Sieben biografische Essays. dar.: Sven Hedin. Der letzte Entdeckungsreisende. Wilhelm Köhler Verlag, Minden 1954, S. 317–378.
  • Alma Hedin: Mein Bruder Sven. Nach Briefen und Erinnerungen. Brockhaus Verlag, Leipzig 1925.
  • Eric Wennerholm: Sven Hedin 1865–1952. F. A. Brockhaus Verlag, Wiesbaden 1978. ISBN 3-7653-0302-X

Sven Hedin und der Nationalsozialismus

  • Mehmel, Astrid: Sven Hedin und nationalsozialistische Expansionspolitik. In: Geopolitik. Grenzgänge im Zeitgeist Bd. 1 .1 1890 bis 1945 hrsg. von Irene Diekmann, Peter Krüger und Julius H. Schoeps, Potsdam 2000, S. 189-238.

Weblinks

Commons: Sven Hedin – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Über Sven Hedin

Anmerkungen

  1. Überprüfte Quellen: Sven Hedins im Stockholmer Riksarkivet archivierte Briefwechsel mit Hans Draeger, Wilhelm Frick, Joseph Goebbels, Paul Grassmann und Heinrich Himmler.
  2. Siehe Brief von Hans Draeger vom 17.01.1942 an Sven Hedin aus dem Riksarkivet in Stockholm, Akte: Sven Hedins Arkiv, Korrespondens, Tyskland, 457.
  3. Siehe Akte R 135 des Bundesarchivs, gelagert in der Dienststelle Berlin-Lichterfelde.
  4. In: Abenteuerliche Lebensreise, S. 367.
  5. Bisher unveröffentlichter Brief aus dem Riksarkivet in Stockholm, Akte von Heinrich Himmler: Sven Hedins Arkiv, Korrespondens, Tyskland, 470. Die Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden aktualisiert.
  6. Zu diesem Vorgang gibt es eine eingehende Untersuchung im Aufsatz Sven Hedin und nationalsozialistische Expansionspolitik von Astrid Mehmel a.a.O.
  7. Bisher unveröffentlichte Briefe aus dem Riksarkivet in Stockholm, Akte: Sven Hedins Arkiv, Korrespondens, Tyskland, 487.
  8. vgl. Sven Hedin's German Diary 1935–1942, Dublin 1951, S. 204–217 und Eric Wennerholm, Sven Hedin 1865–1952, S. 229–230.
  9. vgl. Christian Thorén: Upptäcktsresanden Sven Hedins ordenstecken i Kungliga Livrustkammarens samlingar. In: Livrust Kammaren. Journal of the Royal Armoury 1997-98. Stockholm. Seiten 91-128. ISSN 0024-5372. (Schwedischer Text mit englischen Bildunterschriften und englischer Zusammenfassung, farbige Abbildungen der Orden von Sven Hedin, Literaturangaben.)