„Kehrtunnel“ – Versionsunterschied

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[[Datei:Albulabahn01.jpg|mini|Künstliche Längenentwicklung der [[Albulabahn|Albulalinie]] der [[Rhätische Bahn|Rhätischen Bahn]]. Der Zug fährt aus dem unteren Portal eines Kreiskehrtunnels, dem [[Toua-Tunnel]] ]]
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Ein '''Kehrtunnel''' ist ein in einer [[Trassierungselement#Kurven: Bogenformen|Kurve]] und in einer [[Gradiente|Steigung]] liegender [[Tunnel]], der eine [[Kehre (Eisenbahn)|Kehre]] oder eine [[Kreiskehrschleife]] einer [[Trasse (Verkehrsweg)|Trasse]] einer [[Gebirgsbahn]] bildet.<ref name="Röll">Dolezalek: [http://www.zeno.org/Roell-1912/A/Kehrtunnel?hl=kehrtunnel ''Kehrtunnel.''] In: ''Enzyklopädie des Eisenbahnwesens'', herausgegeben von [[Victor von Röll]], Band 6. Berlin und Wien 1914, S.&nbsp;338. (Zeno.org)</ref><ref>''Lexikon der Eisenbahn.'' 5. Auflage. Transpress VEB Verlag, Berlin 1978, S.&nbsp;405 (Stichwort ''Kehrtunnel'')</ref> Dadurch wird die Trasse künstlich verlängert, sodass Höhenunterschiede überwunden werden können, bei denen eine gerade Linienführung zu einer übermäßigen Steigung geführt hätten.<ref name="Siedentop-5.4">Irmfried Siedentop: ''Tunnellabyrinth Schweiz.'' Orell Füssli, Zürich, 1977, ISBN 3-280-00887-5, S.&nbsp;47 (Abschnitt ''Steigungstunnelanlagen'')</ref>

[[Datei:Albulabahn01.jpg|mini|Streckenentwicklung der [[Albulabahn|Albulalinie]] der [[Rhätische Bahn|Rhätischen Bahn]]. Der Zug fährt aus dem unteren Portal des [[Toua-Tunnel]], der eine Spirale im Berg beschreibt ]]
Ein '''Kehrtunnel''' ist ein in einer [[Trassierungselement#Kurven: Bogenformen|Kurve]] und in einer [[Gradiente|Steigung]] liegender [[Tunnel]], der eine [[Kehre (Eisenbahn)|Kehre]] oder eine [[Kreiskehrschleife]] einer künstlich verlängerten [[Trasse (Verkehrsweg)|Trasse]] einer [[Gebirgsbahn]] bildet.<ref name="Röll">Dolezalek: [http://www.zeno.org/Roell-1912/A/Kehrtunnel?hl=kehrtunnel ''Kehrtunnel.''] In: ''Enzyklopädie des Eisenbahnwesens'', herausgegeben von [[Victor von Röll]], Band 6. Berlin und Wien 1914, S.&nbsp;338. (Zeno.org)</ref><ref>''Lexikon der Eisenbahn.'' 5. Auflage. Transpress VEB Verlag, Berlin 1978, S.&nbsp;405 (Stichwort ''Kehrtunnel'')</ref> Die Verlängerung der Trasse dient zur Überwindung von [[Talstufe]]n, bei denen eine gerade Linienführung zu einer übermäßigen Steigung führen würde.<ref name="Siedentop-5.4">Irmfried Siedentop: ''Tunnellabyrinth Schweiz.'' Orell Füssli, Zürich, 1977, ISBN 3-280-00887-5, S.&nbsp;47 (Abschnitt ''Steigungstunnelanlagen'')</ref>


== Einteilung ==
== Einteilung ==
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== Künstliche Längenentwicklung ==
== Künstliche Längenentwicklung ==
Unter der '''künstlichen Längenentwicklung''', manchmal auch '''künstlichen Linienentwicklung''', versteht man die künstliche Verlängerung einer Trasse bei Gebirgsbahnen zur Vermeidung von zu grossen Steigungen. [[Hauptbahn]]en überwinden Steigungen von etwa 25 bis 30 Promille,<ref>Westrampe der [[Arlbergbahn]]: 31&nbsp;‰</ref> Nebenbahnen können Steigungen bis 70 Promille<ref name=":2">[[Berninabahn]]</ref> aufweisen. Die einfachste Variante der künstlichen Längenentwicklung ist die [[Spitzkehre (Eisenbahn)|Spitzkehre]], die zwar kostengünstig zu erstellen ist, aber wegen dem notwendigen [[Fahrtrichtungswechsel]] keinen leistungsfähigen Betrieb zuläßt. Alle anderen Varianten benötigen kein Wechsel der Fahrrichtung, verwenden aber Schleifen und Kehren, deren Kurvenradien bei Hauptbahnen aus betrieblichen Gründen 250 bis 300 Meter betragen muss, ansonsten der Fahrwiderstand in den Bögen zu groß wird. Bei Meterspurbahnen kann der Kurvenradius wegen der geringeren Spurweite bis auf 45 m<ref name=":2" /> reduziert werden. In engen Tälern können diese Trasseelemente meist nicht offen angelegt werden. weshalb in solchen Fällen die Trasse mit einem Tunnel in die Talflanke hineinführt und um die im Tunnel gewonnene Höhe aus dieser wieder austritt.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch |Titel=Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2013-11-27 |ISBN=9783642909580 |Seiten=244 |Online=https://books.google.ch/books?id=U5qfBgAAQBAJ&pg=PA244 |Abruf=}}</ref>
Unter der '''künstlichen Längenentwicklung''', manchmal auch '''künstlichen Linienentwicklung''', versteht man die künstliche Verlängerung einer Trasse bei Gebirgsbahnen zur Vermeidung von zu großen Steigungen. [[Hauptbahn]]en überwinden Steigungen von etwa 25 bis 30 Promille,<ref>Westrampe der [[Arlbergbahn]]: 31&nbsp;‰</ref> Nebenbahnen können Steigungen bis 70 Promille<ref name=":2">[[Berninabahn]]</ref> aufweisen. Die einfachste Variante der künstlichen Längenentwicklung ist die [[Spitzkehre (Eisenbahn)|Spitzkehre]], die zwar kostengünstig zu erstellen ist, aber wegen dem notwendigen [[Fahrtrichtungswechsel]] keinen leistungsfähigen Betrieb zulässt.<ref name="Siedentop-51" /> Alle anderen Varianten benötigen kein Wechsel der Fahrrichtung, verwenden aber Schleifen und Kehren, deren Kurvenradien bei Hauptbahnen aus betrieblichen Gründen 250 bis 300 Meter betragen muss, ansonsten der Fahrwiderstand in den Bögen zu groß wird. Bei Meterspurbahnen kann der Kurvenradius wegen der kleineren Spurweite bis auf 45 m<ref name=":2" /> reduziert werden. In engen Tälern können diese Trasseelemente meist nicht offen angelegt werden. weshalb in solchen Fällen die Trasse mit einem Tunnel in die Talflanke hineinführt und um die im Tunnel gewonnene Höhe aus dieser wieder austritt.<ref name=":0">{{Literatur |Autor=Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch |Titel=Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2013-11-27 |ISBN=9783642909580 |Seiten=244 |Online=https://books.google.ch/books?id=U5qfBgAAQBAJ&pg=PA244 |Abruf=}}</ref>


Bei einem Wendetunnel verlässt die Trasse den Berg in entgegengesetzter Richtung wie sie eingetreten ist, bei einem Kreiskehrtunnel in ungefähr gleicher Richtung. Die Tunnelportale liegen meist nahe beieinander, die [[Luftlinie]] zwischen den Portalen ist meist sehr viel kürzer als die Länge des Tunnels. Der Nachteil von Kehrtunnel ist die schlechte Lüftung vor allem bei Kreiskehrtunneln, sowie die schwierige Bauausführung und die damit verbundenen hohen Baukosten.<ref name=":0" /> Die schlechte Lüftung war vor allem bei Dampfbetrieben problematisch.<ref name="Röll" /> Neuere Bahnstrecken durchfahren Gebirgsketten in [[Basistunnel]]n mit geringen Steigungen, womit Gebirgsbahnen mit aufwendigen Kehrtunnel überflüssig werden.<ref name="Siedentop-5.4" />
Bei einem Wendetunnel verlässt die Trasse den Berg in entgegengesetzter Richtung wie sie eingetreten ist, bei einem Kreiskehrtunnel in ungefähr gleicher Richtung. Die Tunnelportale liegen meist nahe beieinander, die [[Luftlinie]] zwischen den Portalen ist meist sehr viel kürzer als die Länge des Tunnels.<ref name="Röll" /> Neuere Bahnstrecken durchfahren Gebirgsketten in [[Basistunnel]]n mit geringen Steigungen, womit Gebirgsbahnen mit aufwendigen Kehrtunnel überflüssig werden.<ref name="Siedentop-5.4" />


Die drei häufigsten künstlichen Längenentwicklungen bei denen Kehrtunnel zur Anwendung gelangen sind die Doppelschleife, das Ausfahren von Tälern und die Kehrschleife.
Die drei häufigsten künstlichen Längenentwicklungen bei denen Kehrtunnel zur Anwendung gelangen, sind die Doppelschleife, die Seitentalkehre<ref name=":3">{{Literatur |Autor=Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch |Titel=Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2013-11-27 |ISBN=9783642909580 |Seiten=241 |Online=https://books.google.ch/books?id=U5qfBgAAQBAJ&pg=PA244 |Abruf=}}</ref> und die Kehrschleife.


=== Wendetunnel ===
=== Doppelschleife ===
[[Datei:Power exits Lower Spiral.jpg|mini|Ein talwärts fahrender Zug verlässt den [[Spiral Tunnel|Lower Spiral Tunnel]] auf der transkontinentalen [[Eisenbahn]]strecke der [[Canadian Pacific Railway]] (CPR). Der englische Name täuscht darüber hinweg, dass es sich um einen Wendetunnel handelt. Untypisch für Wendetunnel ist hier, dass die obere Trasse den unteren Bogen über&shy;schneidet.]]
[[Datei:Power exits Lower Spiral.jpg|mini|Ein talwärts fahrender Zug verlässt den [[Spiral Tunnel|Lower Spiral Tunnel]] auf der transkontinentalen [[Eisenbahn]]strecke der [[Canadian Pacific Railway]] (CPR). Der englische Name täuscht darüber hinweg, dass es sich um einen Wendetunnel handelt. Untypisch für Wendetunnel ist hier, dass die obere Trasse den unteren Bogen über&shy;schneidet.]]
Zu den eindrucksvollsten Anlagen zur künstlichen Längenentwicklungen gehören Doppelschleifen mit zwei Kehren von rund 180°. Im Landschaftsbild fallen die drei parallel verlaufenden Trassen auf, von denen die oberste und die unterste die gleiche Fahrrichtung aufweisen. Für die unterste Kehre wird gerne der [[Talboden]] benutzt, falls er breit genug ist, so wie bei der [[Lötschberg-Bergstrecke|Lötschberg-Nordrampe]] mit der
Doppelschleifen kombinieren mit zwei Kehren von rund 180°. Im Landschaftsbild fallen die drei parallel verlaufenden Trassen auf, von denen die oberste und die unterste die gleiche Fahrrichtung aufweisen. Für die unterste Kehre wird gerne der [[Talboden]] benutzt, falls er breit genug ist, so wie bei der [[Lötschberg-Bergstrecke|Lötschberg-Nordrampe]] mit der
<maplink zoom="14" longitude="7.6716" latitude="46.5365" text="offenen Kehrschlaufe in Blausee-Mitholz">
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"properties": {"title": "Offene Kehrschlaufe in Blausee-Mitholz", "marker-color": "228B22" }}</maplink>. Andernfalls wurde ein Wendetunnel gebaut. Nachdem die nun in Richtung Talausgang verlaufende Trasse bedeutend an Höhe gewonnen hat, ist für die zweite Kehre ein Wendetunnel unvermeidlich. Falls sich die erste Kehre in einem [[Seitental]] befindet, kann für die zweite Kehre auf einen Wendetunnel verzichtet werden. Damit eine Seitentalkehre möglich ist, muss das Seitental in einem genügend großen Bogen ausgefahren werden können.<ref name="Siedentop-51" />
"properties": {"title": "Offene Kehrschlaufe in Blausee-Mitholz", "marker-color": "228B22" }}</maplink>. Andernfalls wurde ein Wendetunnel gebaut. Nachdem die nun in Richtung Talausgang verlaufende Trasse bedeutend an Höhe gewonnen hat, ist für die zweite Kehre ein Wendetunnel unvermeidlich.


=== Seitentalkehre ===
Mit Wendetunnel können [[Spitzkehre (Eisenbahn)|Spitzkehren]] ersetzt werden. Das machte die [[Rhätische Bahn]] im Jahr 1930, als sie die Spitzkehre bei [[Klosters]] durch einen Kehrtunnel ersetzte. Spitzkehren sind zwar wesentlich einfacher und billiger zu bauen als Wendetunnel, aber nur umständlich und zeitaufwendig zu befahren.<ref name="Siedentop-51" />
Diese Art von künstlicher Längenentwicklung kann nur angewendet werden, wenn das Tal, in dem die Trasse verläuft ein geeignetes [[Seitental]] aufweist. Die Trasse biegt vom Haupttal in einem engen Bogen in das Seitental ab, wendet am Ende des Tals mit einer Schleife, die in einem Wendetunnel liegen kann, und wird wieder zurück ins Haupttal geführt.<ref name=":3" /> Damit eine Seitentalkehre möglich ist, muss das Seitental in einem genügend großen Bogen ausgefahren werden können.<ref name="Siedentop-51" /> Diese Art von Längenentwicklung wird oft auch ''Ausfahren von Seitentälern'' genannt.<ref>{{Literatur |Autor=Karl Trautvetter |Titel=Linienführung elektrischer Bahnen |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2013-03-13 |ISBN=9783642477607 |Seiten=151 |Online=https://books.google.cz/books?id=oWeiBgAAQBAJ&pg=PA151 |Abruf=}}</ref>


=== Schraubtunnel ===
=== Kehrschleife ===
Kehrschleifen sind künstliche Längenentwicklungen, wo die Trassse eine Wendung von 360° ausführt und dadurch zwei Punkte der Trasse übereinander zu liegen kommen,<ref>{{Literatur |Autor=Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch |Titel=Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau |Hrsg= |Sammelwerk= |Band= |Nummer= |Auflage= |Verlag=Springer-Verlag |Ort= |Datum=2013-11-27 |ISBN=9783642909580 |Seiten=243 |Online=https://books.google.ch/books?id=U5qfBgAAQBAJ&pg=PA244 |Abruf=}}</ref> das heisst, dass die obere Trasse an einer Stelle über die untere Trasse geführt werden muss. Die Kehrschleife kann als offene [[Liste von Kreiskehrschleifen|Kreiskehrschleife]] ausgeführt werden, ist aber häufiger wegen Platzmangel in den engen Gebirgstäler als Kreiskehrtunnel anzutreffen. Meistens findet nicht die volle Drehung im Tunnel statt. Kreiskehrtunnel können auf kurzer Distanz große Höhen überwinden ohne Seitentäler zu benutzen. Sie finden deshalb oft Anwendung wenn [[Talstufe]]n das Längsprofil eines Tals stark verändern.<ref name="Siedentop-47" /> Der Nachteil von Kreiskehrtunnel ist die vor allem bei Dampfbetrieb problematische schlechte Lüftung, sowie die schwierige Bauausführung und die damit verbundenen hohen Baukosten.<ref name=":0" />
In Schraubtunnel kurvt die Trasse in einem ungefähr kreisförmigen Bogen 360° empor und überschneidet dabei zwingend den unteren Bogen. Bei den meisten dieser unterirdischen [[Kreiskehrschleife]]n findet nicht die volle Drehung von 360° innerhalb des Berges statt. Schraubtunnel wurden gebaut, wenn ein steiles Talgefälle zu überwinden ist oder wenn plötzlich [[Talstufe]]n das Längsprofil eines Tals stark verändern.<ref name="Siedentop-47" />


In [[Deutschland]] gibt es nur einen Schraubtunnel, nämlich den 1700 Meter langen
In [[Deutschland]] gibt es nur einen Schraubtunnel, nämlich den 1700 Meter langen
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Der Schraubtunnel ''Tunnel Varzo elicoidale'' ist der zweite Tunnel südlich des [[Simplontunnel]]s und ist mit etwa 3 km Länge vermutlich der längste Schraubtunnel Europas.
Der Schraubtunnel ''Tunnel Varzo elicoidale'' ist der zweite Tunnel südlich des [[Simplontunnel]]s und ist mit etwa 3 km Länge vermutlich der längste Schraubtunnel Europas.

=== Unterirdische Wendeanlage ===
Bei einer unterirdischen [[Wendeanlage]] wie in [[Bahnhof Stuttgart Schwabstraße|Stuttgart Schwabstraße]] handelt es sich gemäß obiger Definition nicht um einen Kehrtunnel.


== Geschichte ==
== Geschichte ==
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{| class="float-right"
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| [[Datei:FreggioAndPratoSpiralTunnelsBetweenRodi-FiessoAndFaidoStationsOnSouthernRampToGotthardTunnel.jpg|mini|Freggio- und Pratotunnel der Gotthard-Südrampe]]
|[[Datei:FreggioAndPratoSpiralTunnelsBetweenRodi-FiessoAndFaidoStationsOnSouthernRampToGotthardTunnel.jpg|mini|Freggio- und Pratotunnel der Gotthard-Südrampe]]
|rowspan="3"| [[Datei:Rampa de Pajares.svg|mini|139px|Nordrampe der Asturien-Bahn]]
| rowspan="3" |[[Datei:Rampa de Pajares.svg|mini|139px|Nordrampe der Asturien-Bahn]]
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| [[Datei:PianotondoAndTraviSpiralTunnelsOnSouthernRampOfGotthardbahn.jpg|mini|Pianotondo- und Travitunnel der Gotthardbahn in der Biaschina-Schlucht bei Giornico]]
|[[Datei:PianotondoAndTraviSpiralTunnelsOnSouthernRampOfGotthardbahn.jpg|mini|Pianotondo- und Travitunnel der Gotthardbahn in der Biaschina-Schlucht bei Giornico]]
|}
|}
Auf der 1867 eröffneten [[Brennerbahn]] wurden auf der Nord- und der Südseite je ein Kehrtunnel gebaut, beide in einem Seitental. Kurz vor [[St. Jodok am Brenner|St. Jodok]] zweigt die von [[Karl Etzel]] erbaute Bahn vom [[Wipptal]] ins [[Schmirntal]] ab, wendet im
Auf der 1867 eröffneten [[Brennerbahn]] wurden auf der Nord- und der Südseite je ein Kehrtunnel gebaut, beide in einem Seitental. Kurz vor [[St. Jodok am Brenner|St. Jodok]] zweigt die von [[Karl Etzel]] erbaute Bahn vom [[Wipptal]] ins [[Schmirntal]] ab, wendet im
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==== Berninabahn ====
==== Berninabahn ====
Kehrtunnel finden nicht nur bei Hauptbahnen Verwendung. Selbst die 70 Promille steile [[Berninabahn]] kann nicht auf Kehrtunnel verzichten. Bei den beiden Schleifenanlagen auf der Südrampe oberhalb
Die 70 Promille steile [[Berninabahn]] weist auf der Südrampe zwei Schleifenanlagen auf eine oberhalb
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gewinnt die Bahn auf vier Kilometer Luftlinie 18&nbsp;km künstliche Längenentwicklung und einen Höhengewinn von rund 600 Metern.


==== Furkabahn ====
==== Furkabahn ====
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Bei der [[Albulabahn]] gibt es auf der Nordseite eine Kehrschleife bei der [[Burg Greifenstein (Filisur)|Burgruine Greifenstein]], eine Doppelschleife oberhalb Bergün, ein einzelner Kreiskehrtunnel oberhalb von [[Muot]], sowie zwei Kehrtunnel bei Toua.
Bei der [[Albulabahn]] gibt es auf der Nordseite eine Kehrschleife bei der [[Burg Greifenstein (Filisur)|Burgruine Greifenstein]], eine Doppelschleife oberhalb Bergün, ein einzelner Kreiskehrtunnel oberhalb von [[Muot]], sowie zwei Kehrtunnel bei Toua.


==== Landquart–Davos ====
Die [[Bahnstrecke Landquart–Davos Platz]] der [[Rhätische Bahn|Rhätischen Bahn]] weist oberhalb von Klosters eine Doppelschleife mit zwei Wendetunnel auf. Der untere 402 m lange ''Klosters-Kehrtunnel'' ersetzte eine Spitzkehre. Die Steigung der Strecke beträgt 45 Promille.
<br />
=== Straßenbau ===
=== Straßenbau ===
[[Datei:PassoSanBoldo1.png|mini|Fünf Wendetunnel für den Straßen&shy;verkehr am [[Passo San Boldo]] in [[Italien]].]]
[[Datei:PassoSanBoldo1.png|mini|Fünf Wendetunnel für den Straßen&shy;verkehr am [[Passo San Boldo]] in [[Italien]].]]
[[Datei:Spiralen2.jpg|mini|Einfahrt in den Schraubtunnel Drammen in Norwegen]]
[[Datei:Spiralen2.jpg|mini|Einfahrt in den Schraubtunnel Drammen in Norwegen]]

* Ein klassischer Schraubtunnel bildet die [[Galleria delle Casse]] in der italienischen [[Val Formazza]] mit einem Durchmesser von 300 Metern und einem Drehwinkel von 390°.<ref>[http://www.openstreetmap.org/index.html?mlat=46.34&mlon=8.42&zoom=16 Galleria delle Casse] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 9. Juni 2013.</ref>
* Ein klassischer Schraubtunnel bildet die [[Galleria delle Casse]] in der italienischen [[Val Formazza]] mit einem Durchmesser von 300 Metern und einem Drehwinkel von 390°.<ref>[http://www.openstreetmap.org/index.html?mlat=46.34&mlon=8.42&zoom=16 Galleria delle Casse] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 9. Juni 2013.</ref>
* Einen klassischen Wendetunnel mit einem Winkel von 180° bildet der Kehrtunnel der Kraftwerksstraße vom österreichischen [[Kühtai]] zum [[Finstertaler Stausee]].<ref>[http://www.openstreetmap.org/index.html?mlat=47.1999&mlon=11.0250&zoom=17 Kraftwerksstraße Finstertaler Stausee] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 9. Juni 2013.</ref>
* Einen klassischen Wendetunnel mit einem Winkel von 180° bildet der Kehrtunnel der Kraftwerksstraße vom österreichischen [[Kühtai]] zum [[Finstertaler Stausee]].<ref>[http://www.openstreetmap.org/index.html?mlat=47.1999&mlon=11.0250&zoom=17 Kraftwerksstraße Finstertaler Stausee] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 9. Juni 2013.</ref>
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* Der 1200 Meter lange Chuchischleiftunnel auf der Zufahrtsstrasse zum Dorf [[Isenfluh]], rund 10 Kilometer südlich von [[Interlaken]] im [[Kanton Bern]] in der [[Schweiz]], beschreibt im unteren Teil eine 360°-Kurve mit circa 85 Meter Radius.<ref>Landeskarte 1:25000.</ref> Der schmale Tunnel ist einspurig und hat mehrere Ausweichstellen. Er ersetzt seit 1992 eine 1987 durch Hangrutsch zerstörte oberirdische Verbindung.<ref>[http://www.openstreetmap.org/?mlat=46.34&mlon=8.42&zoom=16#map=16/46.6233/7.8964 Chuchischleif-Tunnel] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 19. Januar 2014.</ref>
* Der 1200 Meter lange Chuchischleiftunnel auf der Zufahrtsstrasse zum Dorf [[Isenfluh]], rund 10 Kilometer südlich von [[Interlaken]] im [[Kanton Bern]] in der [[Schweiz]], beschreibt im unteren Teil eine 360°-Kurve mit circa 85 Meter Radius.<ref>Landeskarte 1:25000.</ref> Der schmale Tunnel ist einspurig und hat mehrere Ausweichstellen. Er ersetzt seit 1992 eine 1987 durch Hangrutsch zerstörte oberirdische Verbindung.<ref>[http://www.openstreetmap.org/?mlat=46.34&mlon=8.42&zoom=16#map=16/46.6233/7.8964 Chuchischleif-Tunnel] bei [[OpenStreetMap]], aufgerufen am 19. Januar 2014.</ref>
* Der 1312 Meter lange Wendetunnel [[Muttner Tobel]] im [[Kanton Graubünden]] auf der Straße von [[Obersolis|Solis]] nach [[Mutten GR|Mutten]] wurde im Jahr 2006 dem Verkehr übergeben.<ref>{{Internetquelle |url=http://tools.tiefbauamt.gr.ch/pdf/tba-info-74_eroeffnung_muttnerstrasse.pdf |titel=Dank neuer Strasse neue Chancen für Mutten |hrsg=Tiefbauamt Graubünden |datum=Oktober 2006 |zugriff=2018-01-07 |format=PDF, 558&nbsp;kB}}</ref>
* Der 1312 Meter lange Wendetunnel [[Muttner Tobel]] im [[Kanton Graubünden]] auf der Straße von [[Obersolis|Solis]] nach [[Mutten GR|Mutten]] wurde im Jahr 2006 dem Verkehr übergeben.<ref>{{Internetquelle |url=http://tools.tiefbauamt.gr.ch/pdf/tba-info-74_eroeffnung_muttnerstrasse.pdf |titel=Dank neuer Strasse neue Chancen für Mutten |hrsg=Tiefbauamt Graubünden |datum=Oktober 2006 |zugriff=2018-01-07 |format=PDF, 558&nbsp;kB}}</ref>

== Abgrenzung ==

=== Unterirdische Wendeanlage ===
Bei einer unterirdischen [[Wendeanlage]] wie in [[Bahnhof Stuttgart Schwabstraße|Stuttgart Schwabstraße]] handelt es sich nicht um einen Kehrtunnel. Die Trasse wendet sich zwar in der Anlage um 180°, überwindet aber keinen Höhenunterschied.


== Einzelnachweise und Anmerkungen ==
== Einzelnachweise und Anmerkungen ==

Version vom 21. August 2019, 00:25 Uhr

Künstliche Längenentwicklung der Albulalinie der Rhätischen Bahn. Der Zug fährt aus dem unteren Portal eines Kreiskehrtunnels, dem Toua-Tunnel

Ein Kehrtunnel ist ein in einer Kurve und in einer Steigung liegender Tunnel, der eine Kehre oder eine Kreiskehrschleife einer Trasse einer Gebirgsbahn bildet.[1][2] Dadurch wird die Trasse künstlich verlängert, sodass Höhenunterschiede überwunden werden können, bei denen eine gerade Linienführung zu einer übermäßigen Steigung geführt hätten.[3]

Einteilung

Es wird zwischen Tunnel unterschieden, die eine Kehre bilden und solchen, die eine Kreiskehrschleife bilden.

Kehre im Tunnel

Bei diesen Tunnel wendet sich die Trasse in die entgegengesetzte Fahrtrichtung, also um etwa 180°. Sie kommen fast ausschließlich in Verbindung von Doppel- oder Mehrfachschleifen vor.[4] Für diese Tunnel werden die Bezeichnungen Wendetunnel,[4] Schleifentunnel[5] oder Kehrtunnel[6] verwendet.

Kehrschleife im Tunnel

Bei diesen Tunnel wendet sich die Trasse um mehr als 270° und beschreibt damit ein beinahe vollständigen Kreis im Berg. Für diese Bauwerke werden die Bezeichnungen Spiraltunnel,[5] Kreiskehrtunnel[7], Schraubtunnel[7] oder Kehrtunnel[6] verwendet. Der Begriff Schraubtunnel wird im Schweizer Hochdeutsch nicht verwendet. Es sind zu diesem Stichwort in E-Periodica keine Treffer zu finden. Ebenso ist der Begriff Spiraltunnel in der Schweizer Literatur kaum anzutreffen.

Verwendung des Begriffs Kehrtunnel

Der Begriff Kehrtunnel ist mehrdeutig. Er wird sowohl als Oberbegriff für Kehren und Kreiskehrschleifen im Berg benutzt, aber auch als Unterbegriff für eine der beiden Gruppen verwendet. Weil beide Gruppen die Bezeichnung Kehrtunnel tragen können, lässt sich der Begriff nur eindeutig zuordnen, wenn der Zusammenhang bekannt ist. Dazu muss entweder die Bezeichnung der anderen Gruppe bekannt sein oder sicher gestellt sein, das zwischen den Gruppen nicht unterschieden wird. Im letzteren Fall wird Kehrtunnel als Oberbegriff verwendet. Bei den Gruppenbezeichnungen kommen typischerweise die Begriffspaare Kehrtunnel – Kreiskehrtunnel[8], Wendetunnel – Kehrtunnel,[6] WendetunnelSpiraltunnel vor.

Künstliche Längenentwicklung

Unter der künstlichen Längenentwicklung, manchmal auch künstlichen Linienentwicklung, versteht man die künstliche Verlängerung einer Trasse bei Gebirgsbahnen zur Vermeidung von zu großen Steigungen. Hauptbahnen überwinden Steigungen von etwa 25 bis 30 Promille,[9] Nebenbahnen können Steigungen bis 70 Promille[10] aufweisen. Die einfachste Variante der künstlichen Längenentwicklung ist die Spitzkehre, die zwar kostengünstig zu erstellen ist, aber wegen dem notwendigen Fahrtrichtungswechsel keinen leistungsfähigen Betrieb zulässt.[4] Alle anderen Varianten benötigen kein Wechsel der Fahrrichtung, verwenden aber Schleifen und Kehren, deren Kurvenradien bei Hauptbahnen aus betrieblichen Gründen 250 bis 300 Meter betragen muss, ansonsten der Fahrwiderstand in den Bögen zu groß wird. Bei Meterspurbahnen kann der Kurvenradius wegen der kleineren Spurweite bis auf 45 m[10] reduziert werden. In engen Tälern können diese Trasseelemente meist nicht offen angelegt werden. weshalb in solchen Fällen die Trasse mit einem Tunnel in die Talflanke hineinführt und um die im Tunnel gewonnene Höhe aus dieser wieder austritt.[11]

Bei einem Wendetunnel verlässt die Trasse den Berg in entgegengesetzter Richtung wie sie eingetreten ist, bei einem Kreiskehrtunnel in ungefähr gleicher Richtung. Die Tunnelportale liegen meist nahe beieinander, die Luftlinie zwischen den Portalen ist meist sehr viel kürzer als die Länge des Tunnels.[1] Neuere Bahnstrecken durchfahren Gebirgsketten in Basistunneln mit geringen Steigungen, womit Gebirgsbahnen mit aufwendigen Kehrtunnel überflüssig werden.[3]

Die drei häufigsten künstlichen Längenentwicklungen bei denen Kehrtunnel zur Anwendung gelangen, sind die Doppelschleife, die Seitentalkehre[12] und die Kehrschleife.

Doppelschleife

Ein talwärts fahrender Zug verlässt den Lower Spiral Tunnel auf der transkontinentalen Eisenbahnstrecke der Canadian Pacific Railway (CPR). Der englische Name täuscht darüber hinweg, dass es sich um einen Wendetunnel handelt. Untypisch für Wendetunnel ist hier, dass die obere Trasse den unteren Bogen über­schneidet.

Doppelschleifen kombinieren mit zwei Kehren von rund 180°. Im Landschaftsbild fallen die drei parallel verlaufenden Trassen auf, von denen die oberste und die unterste die gleiche Fahrrichtung aufweisen. Für die unterste Kehre wird gerne der Talboden benutzt, falls er breit genug ist, so wie bei der Lötschberg-Nordrampe mit der offenen Kehrschlaufe in Blausee-Mitholz. Andernfalls wurde ein Wendetunnel gebaut. Nachdem die nun in Richtung Talausgang verlaufende Trasse bedeutend an Höhe gewonnen hat, ist für die zweite Kehre ein Wendetunnel unvermeidlich.

Seitentalkehre

Diese Art von künstlicher Längenentwicklung kann nur angewendet werden, wenn das Tal, in dem die Trasse verläuft ein geeignetes Seitental aufweist. Die Trasse biegt vom Haupttal in einem engen Bogen in das Seitental ab, wendet am Ende des Tals mit einer Schleife, die in einem Wendetunnel liegen kann, und wird wieder zurück ins Haupttal geführt.[12] Damit eine Seitentalkehre möglich ist, muss das Seitental in einem genügend großen Bogen ausgefahren werden können.[4] Diese Art von Längenentwicklung wird oft auch Ausfahren von Seitentälern genannt.[13]

Kehrschleife

Kehrschleifen sind künstliche Längenentwicklungen, wo die Trassse eine Wendung von 360° ausführt und dadurch zwei Punkte der Trasse übereinander zu liegen kommen,[14] das heisst, dass die obere Trasse an einer Stelle über die untere Trasse geführt werden muss. Die Kehrschleife kann als offene Kreiskehrschleife ausgeführt werden, ist aber häufiger wegen Platzmangel in den engen Gebirgstäler als Kreiskehrtunnel anzutreffen. Meistens findet nicht die volle Drehung im Tunnel statt. Kreiskehrtunnel können auf kurzer Distanz große Höhen überwinden ohne Seitentäler zu benutzen. Sie finden deshalb oft Anwendung wenn Talstufen das Längsprofil eines Tals stark verändern.[7] Der Nachteil von Kreiskehrtunnel ist die vor allem bei Dampfbetrieb problematische schlechte Lüftung, sowie die schwierige Bauausführung und die damit verbundenen hohen Baukosten.[11]

In Deutschland gibt es nur einen Schraubtunnel, nämlich den 1700 Meter langen Großen Stockhalde-Kehrtunnel der Wutachtalbahn („Sauschwänzlebahn“), der außerdem weltweit der einzige Tunnel dieser Art in einem Mittelgebirge ist. In den Alpen finden sich Schraubtunnel z. B. bei der Gotthard-, Tenda-, Simplon- und Albulabahn, aber kein einziger in Österreich.

Der Schraubtunnel Tunnel Varzo elicoidale ist der zweite Tunnel südlich des Simplontunnels und ist mit etwa 3 km Länge vermutlich der längste Schraubtunnel Europas.

Geschichte

Ein Denkmal erinnert in Triberg an Gerwig, den Erbauer der Schwarzwaldbahn.

Das Prinzip des Kehrtunnels gelangte erstmals bei der von 1863 bis 1873 nach den Plänen Robert Gerwigs erbauten Schwarzwaldbahn zur Anwendung. Die Doppelschleife oberhalb Hornberg besteht aus dem Niederwasser-Tunnel und einer offenen Kehre. In der zweiten Doppelschleife bei Triberg wendet die Trasse in einem Seitental im Großem Triberger-Tunnel und wechselt bei Gremmelsbach das zweite Mal die Fahrtrichtung, um wieder ins Haupttal zu gelangen. Die Kehrtunnel der Schwarzwaldbahn dienten als Vorbild für weitere Bahnen.[4] Bereits 1862/63 war für die Höllentalbahn der weltweit erste Spiraltunnel geplant, der jedoch aufgrund anderer Streckenführung nicht umgesetzt wurde.[15]

Freggio- und Pratotunnel der Gotthard-Südrampe
Nordrampe der Asturien-Bahn
Pianotondo- und Travitunnel der Gotthardbahn in der Biaschina-Schlucht bei Giornico

Auf der 1867 eröffneten Brennerbahn wurden auf der Nord- und der Südseite je ein Kehrtunnel gebaut, beide in einem Seitental. Kurz vor St. Jodok zweigt die von Karl Etzel erbaute Bahn vom Wipptal ins Schmirntal ab, wendet im Jodoktunnel und kehrt mit einem kurzen Sporntunnel wieder ins Wipptal zurück.[4] Auf der Talfahrt im Südtirol drehte die Brennerbahn beim Bahnhof Schelleberg vom Wipptal ins Pflerschtal ab, fuhr im Nordhang zum Talboden hinunter, wendete im Aster Tunnel und fuhr dem Pflerscher Bach entlang zurück ins Wipptal. Der Kehrtunnel mit der steinschlaggefährdeten Rampe im Berghang wurde 1999 durch einen neuen Streckenabschnitt ersetzt.

Die 1882 dem Betrieb übergebene Gotthardbahn war die zweite Alpenbahn mit Kehrtunnels. Nebst den bereits erwähnten Kehrtunnels auf der Nordrampe bei Wassen wurden auf der Südseite vier Schraubtunnels gebaut, denn das Tessintal war für die Schleifenentwicklung zu schmal. Mit dem Freggio- und Prato-Kehrtunnel bewältigen die Züge nach Rodi-Fiesso die Piottino-Schlucht. Die Talstufe von Giornico wird mit dem Pianotondo- und dem Travi-Tunnel überwunden.[7]

Zwei Jahre später wurde in Nordspanien die Nordrampe der Asturien-Bahn von León nach Gijón in der dort üblichen iberischen Breitspur mit den Kehrtunnel Bustiello und Orri in Dienst gestellt.

1890 nahm die Landquart-Davos-Bahn mit dem schmalspurigen Cavadürli-Tunnel den ältesten Kehrtunnel der Rhätischen Bahn in Betrieb. Der zweite Richtungsänderung der Züge erfolgte bis 1930 mit der Spitzkehre Klosters, seither mit dem Klosters-Kehrtunnel.[5]

Beispiele von Kehrtunneln

Eisenbahnbau

Gotthardbahn

Kehrtunnel der Gotthard-Bergstrecke bei Wassen
Oberste und mittlere Ebene der Doppelschleife bei Wassen an der Gotthardbahn, darunter die bekannte Kirche Wassen

Bei der Gotthardbahn gibt es drei Gruppen von Kehrtunneln: auf der Südrampe liegen zwei Kreiskehrtunnel zwischen Rodi-Fiesso und Faido und zwei Kreiskehrtunnel bei der Biaschina, die bekannteste Längenentwicklung liegt aber auf der Nordseite bei Wassen. Dort überwindet die Trasse der Nordrampe auf neun Kilometer Streckenlänge einen Höhenunterschied von 190 Metern, wobei die Steigung durchgehend 26 Promille beträgt. Dies wird mit einem Kreiskehrtunnel und einer Doppelschleife bewerkstelligt, wobei beide Schleifen in einem Wendetunnel liegen.

Bei der Ausfahrt aus den Wendetunneln der Doppelschleife sind viele Reisende überrascht, dass sich die Talsohle auf der anderen Seite befindet als bei der Einfahrt in den Tunnel, auf der mittleren Trasse staunt er weiter, dass der Zug plötzlich vom Reiseziel wegfährt. Die Schweizer Schüler lernten, dass die Dorfkirche von Wassen als Orientierungshilfe bei der Zugfahrt dienen kann, weil sie von allen drei Ebenen der Doppelschleife sichtbar ist, was Emil Steinberger zu einem in der Deutschschweiz sehr bekannten Sketch verarbeitete.[16]

Berninabahn

Die 70 Promille steile Berninabahn weist auf der Südrampe zwei Schleifenanlagen auf – eine oberhalb Poschiavo und eine oberhalb von Cavaglia. In diesem Abschnitt wurde auf 4 km Luftlinie eine künstliche Längenentwicklung von 18 km gebaut, mit der einen Höhengewinn von rund 600 Metern erreicht wird.

Furkabahn

Auf der Strecke über den Furkapass, die heute im Besitz der Dampfbahn Furka-Bergstrecke ist, gibt es einen Kreiskehrtunnel, der mit Zahnstange ausgestattet ist. Im 578 m langen Gletsch-Kehrtunnel gewinnt die Strecke mit einer Steigung von 80 Promillen 46 Höhenmeter. Dabei wendet sich die Trasse um 304° und beschreibt dabei einen Kreis mit 80 m Radius.[17]

Albulabahn

Die Albulabahn überwindet von Bergün nach Preda drei Schraub- und zwei Wendetunnel.

Bei der Albulabahn gibt es auf der Nordseite eine Kehrschleife bei der Burgruine Greifenstein, eine Doppelschleife oberhalb Bergün, ein einzelner Kreiskehrtunnel oberhalb von Muot, sowie zwei Kehrtunnel bei Toua.

Landquart–Davos

Die Bahnstrecke Landquart–Davos Platz der Rhätischen Bahn weist oberhalb von Klosters eine Doppelschleife mit zwei Wendetunnel auf. Der untere 402 m lange Klosters-Kehrtunnel ersetzte eine Spitzkehre. Die Steigung der Strecke beträgt 45 Promille.

Straßenbau

Fünf Wendetunnel für den Straßen­verkehr am Passo San Boldo in Italien.
Einfahrt in den Schraubtunnel Drammen in Norwegen
  • Ein klassischer Schraubtunnel bildet die Galleria delle Casse in der italienischen Val Formazza mit einem Durchmesser von 300 Metern und einem Drehwinkel von 390°.[18]
  • Einen klassischen Wendetunnel mit einem Winkel von 180° bildet der Kehrtunnel der Kraftwerksstraße vom österreichischen Kühtai zum Finstertaler Stausee.[19]
  • Der Spiraltunnel Drammen im Süden Norwegens besteht aus sechs übereinanderliegenden Spiralen. Der Kreisdurchmesser beträgt 100 m, die Steigung etwa 10 Prozent.[20]
  • In Lysebotn, ebenfalls im Süden Norwegens, befindet sich der 1103 Meter lange Kehrtunnel Lysetunnelen, der aus drei gekrümmten und zwei langen geraden Abschnitten zusammengesetzt ist. Der zweite Kurvenbogen der Mitte des Tunnels ist eine Haarnadelkurve. Insgesamt entsteht dadurch ein Drehwinkel von 360°.[21][22]
  • Der Schranbachtunnel auf der Straße vom österreichischen Kaprun zum Wasserfallboden besteht aus mehreren S-förmigen Kurven im Bergesinnern.[23]
  • Eine Folge von fünf 180°-Kehrtunneln findet sich am Passo San Boldo 100 km nördlich von Venedig.[24]
  • Der 1200 Meter lange Chuchischleiftunnel auf der Zufahrtsstrasse zum Dorf Isenfluh, rund 10 Kilometer südlich von Interlaken im Kanton Bern in der Schweiz, beschreibt im unteren Teil eine 360°-Kurve mit circa 85 Meter Radius.[25] Der schmale Tunnel ist einspurig und hat mehrere Ausweichstellen. Er ersetzt seit 1992 eine 1987 durch Hangrutsch zerstörte oberirdische Verbindung.[26]
  • Der 1312 Meter lange Wendetunnel Muttner Tobel im Kanton Graubünden auf der Straße von Solis nach Mutten wurde im Jahr 2006 dem Verkehr übergeben.[27]

Abgrenzung

Unterirdische Wendeanlage

Bei einer unterirdischen Wendeanlage wie in Stuttgart Schwabstraße handelt es sich nicht um einen Kehrtunnel. Die Trasse wendet sich zwar in der Anlage um 180°, überwindet aber keinen Höhenunterschied.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. a b Dolezalek: Kehrtunnel. In: Enzyklopädie des Eisenbahnwesens, herausgegeben von Victor von Röll, Band 6. Berlin und Wien 1914, S. 338. (Zeno.org)
  2. Lexikon der Eisenbahn. 5. Auflage. Transpress VEB Verlag, Berlin 1978, S. 405 (Stichwort Kehrtunnel)
  3. a b Irmfried Siedentop: Tunnellabyrinth Schweiz. Orell Füssli, Zürich, 1977, ISBN 3-280-00887-5, S. 47 (Abschnitt Steigungstunnelanlagen)
  4. a b c d e f Siedentop, S. 51–57 (Abschnitt Die Wendetunnel)
  5. a b c Hans G. Wägli: Schienennetz Schweiz/Réseau ferré suisse – Bahnprofil Schweiz CH+/Le rail suisse en profil CH+. AS Verlag, Zürich 2010, ISBN 978-3-909111-74-9, S. 151–155 (Abschnitt Tunnels)
  6. a b c Schneider, Ascanio.: Gebirgsbahnen Europas : Mitteleuropa, Iberische Halbinsel, Großbritannien, Skandinavien, Italien, Jugoslawien, Griechenland. 3., vollst. überarb. und erw. Auflage. Orell Füssli, Zürich 1982, ISBN 3-280-01320-8, Die Trassierung der Gebirgsbahn, S. 10.
  7. a b c d Siedentop, S. 47–51, Abschnitt Schraubtunnel (Kreiskehre)
  8. Tunnel. In: Sauschwänzlebahn. Bahnbetriebe Blumberg, abgerufen am 19. August 2019 (deutsch).
  9. Westrampe der Arlbergbahn: 31 ‰
  10. a b Berninabahn
  11. a b Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch: Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-90958-0, S. 244 (google.ch).
  12. a b Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch: Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-90958-0, S. 241 (google.ch).
  13. Karl Trautvetter: Linienführung elektrischer Bahnen. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-47760-7, S. 151 (google.cz).
  14. Erich Giese, Otto Blum, Kurt Risch: Linienführung: II. Teil. Eisenbahnwesen und Städtebau. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-642-90958-0, S. 243 (google.ch).
  15. Hans-Wolfgang Scharf, Burkhard Wollny: Die Höllentalbahn. Von Freiburg in den Schwarzwald. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg im Breisgau 1987. ISBN 3-88255-780-X, S. 31.
  16. NEAT Mythos Kirche Wassen, Tele 1 Beitrag vom 27.05. Abgerufen am 19. August 2019.
  17. Streckenbeschreibung  Gletsch - Oberwald. DFB, abgerufen am 19. August 2019.
  18. Galleria delle Casse bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  19. Kraftwerksstraße Finstertaler Stausee bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  20. Schraubtunnel Drammen bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  21. Lysetunnelen bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  22. Film einer Fahrt durch den Lysetunnelen bei Youtube, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  23. Schranbachtunnel bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  24. Passo San Boldo bei OpenStreetMap, aufgerufen am 9. Juni 2013.
  25. Landeskarte 1:25000.
  26. Chuchischleif-Tunnel bei OpenStreetMap, aufgerufen am 19. Januar 2014.
  27. Dank neuer Strasse neue Chancen für Mutten. (PDF, 558 kB) Tiefbauamt Graubünden, Oktober 2006, abgerufen am 7. Januar 2018.