Andreas Maislinger

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Andreas Maislinger (* 26. Februar 1955 in Sankt Georgen bei Salzburg) ist ein österreichischer Politikwissenschaftler.

Leben und Wirken

Andreas Maislinger bei Aktion Sühnezeichen Friedensdienste in Polen (1981)

Andreas Maislinger wuchs in einem Landgasthaus in Sankt Georgen bei Salzburg auf. Sehr geprägt wurde er von seinem Vater Andreas Maislinger sen.[1] sowie seinem Nachbarn Georg Rendl. Nach der Hauptschule in Ostermiething besuchte er das Musisch-pädagogische Bundesrealgymnasium in Salzburg. Er maturierte über die Todesfuge von Paul Celan.

Andreas Maislinger studierte Rechts- und Politikwissenschaft an der Paris-Lodron-Universität Salzburg, sowie Politikwissenschaft und Geschichte an der Universität Wien, mit Studienaufenthalten an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, an der Freien Universität Berlin, der Universität Innsbruck und dem Salzburg Seminar. 1980 promovierte er bei Anton Pelinka in Salzburg über Probleme der österreichischen Verteidigungspolitik.

Im Folgenden war Maislinger als Freiwilliger im Polenreferat der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste tätig. Im Museum Auschwitz-Birkenau betreute er deutsche Jugendgruppen. Anschließend leistete er seinen Zivildienst beim Internationalen Versöhnungsbund in Wien.

Von 1982 bis 1991 war Maislinger am Institut für Politikwissenschaft der Universität Innsbruck, an der University of New Orleans, an der Humboldt-Universität zu Berlin, an der Johannes Kepler Universität Linz und an der Hebräischen Universität Jerusalem tätig.

Bürgermeister Gerhard Skiba, Andreas Maislinger und Gedenkdiener erinnern vor dem Adolf-Hitler-Geburtshaus an Gerechte unter den Völkern. (2002)

Andreas Maislinger ist der Initiator des österreichischen Gedenkdienstes. Er setzte sich seit seinem Studium[2] für die gesetzliche Verankerung dieser Art des Militärersatzdienstes ein, der die Aufklärung über den Holocaust zum Ziel hat[3]. Unterstützt wurde er dabei vor allem von Simon Wiesenthal, Teddy Kollek[4], Ari Rath, Herbert Rosenkranz, Gerhard Röthler und Karl Pfeifer.[5] Am 10. Oktober 1980 hatte Maislinger auf Einladung von Anton Pelinka die Möglichkeit in der von Dolores Bauer geleiteten ORF-Sendung "Kreuzverhör" den "Zivildienst in Auschwitz"[6] vorzustellen. Nach der Realisierung konnte am 1. September 1992 der erste Gedenkdiener seinen Dienst im Museum Auschwitz-Birkenau antreten. Als Vorsitzende des Vereins Gedenkdienst wurden Maislinger und Andreas Hörtnagl allerdings 1997 abgewählt.[7] So gründeten sie, nach einer längeren Auseinandersetzung mit dem neuen Vorstand des Vereins Gedenkdienst, den Verein für Dienste im Ausland, 2005 umbenannt auf Verein Österreichischer Auslandsdienst.[8] Dabei wurde der Gedenkdienst um die Bereiche Sozialdienst und Friedensdienst erweitert. Der Verein Österreichischer Auslandsdienst begann 2006 den Austrian Holocaust Memorial Award.

Engagement

Während seines Studiums in Salzburg war er Mitglied der Österreichischen Studentenunion und versuchte eine österreichische Beteiligung an der Internationalen Jugendbegegnungstätte Auschwitz zu erreichen. Bundespräsident Rudolf Kirchschläger hatte dies jedoch mit der Begründung ein Österreicher hat in Auschwitz nichts zu sühnen abgelehnt. Später anerkannte Kirchschläger das positive Ergebnis des von Maislinger durchgesetzten Gedenkdienstes[9]. Den Sommer 1978 verbrachte er im Kibbuz Kfar HaHoresh in der Nähe von Nazareth.[10] 1980 promovierte er bei Anton Pelinka zum Dr. phil. mit einer Dissertation über Probleme der österreichischen Verteidigungspolitik. Der Auschwitz-Überlebende Jerzy Adam Brandhuber war während dieser Zeit sein Vertrauter. Hermann Langbein klärte ihn über den Antisemitismus beim Verband der Kämpfer für Freiheit und Demokratie in Polen auf.[11] Auf Anregung von Jan Parcer rief er in Österreich zur Unterstützung des Baus der Maximilian-Kolbe-Kirche in Oswiecim auf.[12]

In der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Friedensinitiativen Österreichs war er vor allem für den Dialog mit Friedensgruppen in der DDR Polen engagiert und setzte sich für die Freilassung von Roland Jahn ein.

1986 war er Gründungsmitglied der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft Tirol und 1988 im Auftrag der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte in der DDR. Dieser und frühere DDR-Aufenthalte Maislingers wurden von dem Ministerium für Staatssicherheit beobachtet. Mit Bischof Kurt Scharf setzte er sich für die Freilassung politischer Häftlinge in der DDR ein.[13] Die von Maislinger erstmals 1984 organisierte Fahrt zum Museum Auschwitz-Birkenau wird von der Gesellschaft für politische Aufklärung bis heute angeboten.[14] Gemeinsam mit Yaacov Lozowick realisierte er 1992 das erste deutschsprachige Seminar in Yad Vashem.[15] Einer breiteren Öffentlichkeit wurde Maislinger vor allem durch seine Auftritte im Club 2 bekannt.

Von 1992 bis 2012 war Maislinger der wissenschaftliche Leiter der Braunauer Zeitgeschichte-Tage in Braunau am Inn. Bürgermeister Gerhard Skiba hatte diese von Maislinger bereits 1987[16] vorgeschlagene Tagung ermöglicht.

Bis 1996 veröffentlichte Andreas Maislinger Kolumnen in der Jüdischen Rundschau.[17] Zu dieser Zeit organisierte er auch Sommerakademien für hochbegabte Kinder. Nach der FPÖ-Regierungsbeteiligung im Jahr 2000 schlug Maislinger der Stadt Braunau am Inn vor, im Geburtshaus von Adolf Hitler ein „Haus der Verantwortung“[18] einzurichten.

Maislinger leitete das von ihm begründete Georg Rendl Symposion, das sich mit Leben und Werk des Malers und Schriftstellers Georg Rendl befasst, dessen Bekanntschaft Maislinger schon als Kind in St. Georgen gemacht hatte.[19] Bereits in den 80er-Jahren beschäftigte er sich mit dem ehemaligen „Arbeitserziehungslager“ und „Zigeunersammellager“ Weyer in der Nachbargemeinde St. Pantaleon. Ludwig Laher griff den Stoff auf und veröffentlichte 2001 den Roman Herzfleischentartung.

Ab 2006 leitete Maislinger das in Bürmoos stattfindende Ignaz-Glaser-Symposion. Im August 2006 verlegte Gunter Demnig auf Einladung Maislingers im Bezirk Braunau am Inn 13 Stolpersteine für Opfer des Nationalsozialismus. Bereits 1997 wurden zwei Stolpersteine für die hingerichteten Zeugen Jehovas Johann und Matthias Nobis in Maislingers Heimatgemeinde verlegt.[20]

Als Tierschützer engagierte sich Andreas Maislinger 2007 mit Johann Maier für ein Schweizerkracher-Verkaufsverbot.[21]

Veröffentlichungen

Herausgeberschaft

  • Costa Rica. Politik, Gesellschaft und Kultur eines Staates mit ständiger aktiver und unbewaffneter Neutralität. Inn-Verlag, Innsbruck 1986, ISBN 3-85123-091-4.
  • Der Putsch von Lamprechtshausen. Zeugen des Juli 1934 berichten.[23] Eigenverlag, Innsbruck 1992, ISBN 3-901201-00-9.
  • Handbuch zur neueren Geschichte Tirols. Band 2: Zeitgeschichte. (gemeinsam mit Anton Pelinka), Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 1993.

Filme

Auszeichnungen

Andreas Maislinger und Branko Lustig in Los Angeles (2009)

Literatur

  • Joana Radzyner: Einsam unter Friedensengeln: Wehrdienstverweigerer Andreas Maislinger lebt alternativen Friedensdienst vor. In: Profil, 12. Juli 1982.[33]
  • Thomas Trescher: Der unbedankte Narziss. In: Datum 7–8/2008.[34]
  • Anton Legerer: Andreas Maislinger: Überzeugungsarbeit gegen den „Opfermythos“. In: Ders.: Tatort: Versöhnung. Aktion Sühnezeichen in der BRD und in der DDR und Gedenkdienst in Österreich. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2011, ISBN 978-3-374-02868-9, S. 421–440.

Weblinks

Commons: Andreas Maislinger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Andreas Maislinger über seinen Vater Andreas Maislinger sen. (2007)
  2. Pressearchiv und Briefarchiv (Memento vom 21. Mai 2011 im Internet Archive) dokumentieren Engagement für den Gedenkdienst seit 1977.
  3. "Zivildienst in Holocaust Gedenkstätten": Peter Huemer und Andreas Maislinger, ORF Moment - Leben Heute, 9. März 1988
  4. Teddy Kollek zum Projekt Gedenkdienst (Tiroler Tageszeitung, 12. Jänner 1993)
  5. Interview mit Dr. Andreas Maislinger, Die GEMEINDE, 22. Dezember 1982 (Memento vom 9. März 2001 im Internet Archive)
  6. Andreas Maislinger: "ZIVILDIENST" in Auschwitz (Memento vom 9. März 2001 im Internet Archive), Stattblatt – Linzer Programm- und Belangzeitschrift 22/1980
  7. Gerhard Marschall: "Keine Spielwiese", Oberösterreichische Nachrichten vom 18. Juni 1997 (Memento vom 23. April 2001 im Internet Archive)
  8. "Einem Obmann zum Gedenken", KURIER, Tirol, 5. Dezember 1997
  9. Brief von Dr. Rudolf Kirchschläger an Dr. Andreas Maislinger, Wien 3. Februar 1995
  10. Andreas Maislinger: "Kreiskys Interview und Israel" (Memento vom 18. Januar 2005 im Internet Archive), Salzburger Nachrichten, 24. Oktober 1978
  11. Brief von Hermann Langbein an Andreas Maislinger, Wien 20. Dezember 1980 (Memento vom 7. Juli 2002 im Internet Archive)
  12. Kirchenbauer für Auschwitz gesucht. Salzburger Nachrichten 31. Juli 1981
  13. Brief von Andreas Maislinger an Bischof Kurt Scharf vom 21. Januar 1981. (Memento vom 2. Juli 2003 im Internet Archive)
  14. http://www.uibk.ac.at/gfpa/ablage/dokumente/studienfahrt2010_1.pdf
  15. Herbert Rosenkranz: Ein österreichischer Historiker, der gegen den Strom schwimmt. (Memento vom 9. März 2001 im Internet Archive), Israel Nachrichten, 10. April 1992
  16. Alfred Jungraithmayr: "Chance für Braunau", Braunauer Rundschau 11. Mai 1989.
  17. Kolumnen von Andreas Maislinger in der Jüdischen Rundschau
  18. Haus der Verantwortung (HRB)
  19. Dr. Andreas Maislinger: „An Pfarrer, der schön singt“, 5. April 2004 (dorfzeitung.com)
  20. „Stolpersteine“ zur mahnenden Erinnerung (19. Juli 1997) (Memento vom 7. Juli 2009 im Internet Archive)
  21. Mail an die Abgeordneten zum Österreichischen Nationalrat vom 24. Dezember 2007.
  22. „Den Nationalsozialisten in die Hände getriebe“n – Zur Geschichtspolitik der SPÖ von 1970 bis 2000.' Europäische Rundschau, Heft 3/2001
  23. Zeugen des Juli 1934 berichten auf Maislinger.net
  24. Bauern gegen Hitler. Eine Dokumentation von Andreas Maislinger. Informations- und Pressedienst der Österreichischen Widerstandsbewegung Nr. 1/199
  25. Dokumentarfilm „Keine gebrochenen Frauen“ (Österreich 1986).
  26. Maislinger: Auszeichnung für Lebenswerk
  27. Auszeichnung durch den Weltmenschverein
  28. Verleihung Großes Verdienstzeichen des Landes Salzburg (MS Word; 26 kB) am 19. Oktober 2010 (salzburg.gv.at)
  29. John-Rabe-Preis für Andreas Maislinger, 2. November 2010 (salzburg.orf.at)
  30. Urkunde: 10 Bäume in den Bergen Jerusalems (Memento vom 16. September 2011 im Internet Archive), IKG-Innsbruck an Andreas Maislinger, Januar 2011
  31. Welser Antifa verlieh Elfriede-Grünberg-Preis (Memento vom 20. Oktober 2005 im Internet Archive), antifa.at, November 2011
  32. Gedenkdienst: Maislinger Edelritter ORF Salzburg, 3. Oktober 2012
  33. Joana Radzyner: Einsam unter Friedensengeln: Wehrdienstverweigerer Andreas Maislinger lebt alternativen Friedensdienst vor. Profil, 12. Juli 1982.
  34. Thomas Trescher: Der unbedankte Narziss. Datum (Zeitschrift), 7–8/2008