Eduard Müller (Politiker, 1848)

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Eduard Müller

Eduard Müller (* 12. November 1848 in Dresden; † 9. November 1919 in Bern, heimatberechtigt in Nidau) war ein Schweizer Rechtsanwalt, Richter, Offizier und Politiker (FDP). Er war unter anderem als Gerichtspräsident, Journalist und ausserordentlicher Bundesanwalt tätig; im Militär stieg er bis in den Rang eines Oberstdivisionärs auf. Seine politische Karriere begann 1882 mit der Wahl in den Grossen Rat des Kantons Bern. 1884 wurde er in den Nationalrat, 1888 zum Stadtpräsidenten von Bern und 1895 in den Bundesrat (dem er bis zu seinem Tod angehörte) gewählt. Zu seinen grössten Verdiensten gehören die Einführung des Zivilgesetzbuches und die Revision der Militärartikel in der Verfassung.

Biografie

Studium und Karriere

Müller wurde in Dresden im Königreich Sachsen geboren, wo sein Vater, der spätere Theologieprofessor Eduard Müller sen., als protestantischer Pfarrer wirkte; seine Mutter stammte aus dieser Stadt. 1849 kehrte die Familie in die Schweiz zurück. Sie liess sich in Bern nieder, wo der Vater Pfarrer der Heiliggeistkirche wurde. Sohn Eduard Müller besuchte die städtischen Schulen, 1864 begann er in Genf das Studium der Theologie. Drei Jahre später wechselte er jedoch das Studienfach, befasste sich fortan an der Universität Bern mit der Rechtswissenschaft und trat der Studentenverbindung Helvetia bei.

Nach den Auslandssemestern in Leipzig, Heidelberg und Paris erhielt Müller 1872 das Anwaltspatent und trat als Praktikant in die Kanzlei von Ständerat Christian Sahli ein. 1874 wurde er vom Grossen Rat zum Gerichtspräsidenten des Amtsbezirks Bern gewählt. Im selben Jahr heiratete er Emma Vogt. 1880 trat er als Amtsrichter zurück und eröffnete eine eigene Anwaltskanzlei. Daneben war er auch als Redaktor der Zeitung Berner Nachrichten (Vorgängerin der Berner Zeitung) tätig. 1885 war er ausserordentlicher Bundesanwalt und leitete als solcher eine gesamtschweizerische Untersuchung gegen Anarchisten. Sein Untersuchungsbericht hatte verschiedene gesetzliche Neuerungen zur Folge, darunter die Wiedereinführung einer ständigen Bundesanwaltschaft.

Neben seiner beruflichen verfolgte Müller auch eine militärische Karriere. 1872 wurde er zum Hauptmann befördert, zwei Jahre später zum Major. Als Oberstleutnant kommandierte er ab 1879 das 9. Infanterieregiment. 1885 folgten Beförderungen zum Obersten und zum Oberstbrigadier. 1888 übernahm er als Oberstdivisionär das Kommando über die 5. Division, 1892 jenes der 3. Division. Eduard Müller war Cousin von Oberst Armin Müller (Marokko-Müller).

Kommunale und nationale Politik

Die Freisinnige Partei der Stadt Bern wählte ihn 1882 zu ihrem Präsidenten. Noch im selben Jahr folgte die Wahl Müllers in den Grossen Rat, den er 1885/86 präsidierte. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Neuorganisation des Gerichtswesens und der Ausarbeitung einer neuen Kantonsverfassung (die jedoch letztlich abgelehnt wurde). Nachdem es den Freisinnigen gelungen war, die konservative Stadtregierung zu stürzen, wurde Müller 1888 zum Stadtpräsidenten von Bern gewählt. Zu seinen Verdiensten gehören die Einrichtung einer Arbeitslosenfürsorge sowie die Errichtung von Lehrwerkstätten, Gemeindewohnungen und einer Armenanstalt.

Ab 1884 vertrat Müller den Kanton Bern im Nationalrat, wobei er insbesondere bei der Ausarbeitung der Militärgerichtsordnung eine führende Stellung innehatte. 1890 war er Nationalratspräsident. Er gehörte jener Kommission an, welche die Revision der Militärartikel in der Bundesverfassung vorbereitete. Zwar konnte er das Parlament überzeugen, den Artikeln zuzustimmen, doch das Volk lehnte diese im November 1895 ab.[1]

Bundesrat

Vier Wochen nach dem Unfalltod von Karl Schenk wählte die vereinigte Bundesversammlung Müller am 16. August 1895 zu dessen Nachfolger im Bundesrat. Seine Kandidatur war unbestritten, im ersten Wahlgang erhielt er 136 von 164 gültigen Stimmen. Während seiner 24 Jahre dauernden Amtszeit stand Müller drei Departementen vor: bis 1897 dem Justiz- und Polizeidepartement, bis 1911 dem Militärdepartement, danach wiederum dem Justiz- und Polizeidepartement; in den Jahren 1899, 1907 und 1913, als er Bundespräsident war, übernahm er turnusgemäss die Leitung des Politischen Departements und war somit vorübergehend Aussenminister.

Als Justizminister beschäftigte sich Müller insbesondere mit der Vereinheitlichung des Zivil- und Strafrechts. Der Bundesrat beauftragte Eugen Huber im Jahr 1892 mit der Ausarbeitung eines Vorentwurfs. 1898 nahm das Volk eine Verfassungsänderung an, welche den Grundsatz der Rechtsvereinheitlichung festhielt.[2] Huber beendete seine Arbeit 1904 mit dem definitiven Entwurf des Zivilgesetzbuches (ZGB). Die parlamentarischen Beratungen zogen sich bis 1907 hin, und nach einer vierjährigen Übergangsfrist trat das ZGB schliesslich 1912 in Kraft. Für seine Bemühungen um die Vereinheitlichung des Strafgesetzes (die aber erst 1942 abgeschlossen werden konnte) erhielt Müller von der Universität Zürich die Ehrendoktorwürde.

Urs Paul Engeler sieht [3] Müller als Vertreter des linken Flügels der FDP, der in einer für den Bundesrat 1885 abgefassten Studie zum Anarchismus in der Schweiz vor der polizeilichen Überwachung von politischen Parteien und sozialen Bewegungen gewarnt habe, die zu einer Verletzung der Bürgerfreiheiten führen könne. Genau das, so Engeler, sei aber dann in den Folgejahrzehnten – mit der Kulmination im Fichenskandal – faktisch eingetreten. Zudem habe sich Müller als Bundesrat wohl nach dem Landesstreik, wo die Streikführer unter seiner ausdrücklichen Zustimmung gerichtlich verfolgt wurden, nicht mehr so sehr an seine Prinzipien erinnern können – habe er doch 1885 noch formuliert, dass solche Bewegungen durch die weitverbreitete soziale Armut legitimiert seien.

Auch als Verteidigungsminister konnte Müller auf seine juristische Erfahrung zurückgreifen. Nach dem Scheitern der Revision der Militärartikel in der Verfassung 1895 erarbeitete er einen weniger zentralistischen Kompromissvorschlag. Er wies dem Bund zwar die Leitung des Militärwesens zu, doch stellten und bewaffneten die Kantone die Bataillone der Infanterie, des Landsturms und der Hilfsdienste sowie die Schwadronen der Dragoner weiterhin selbst. Die Vorlage wurde im November 1907 vom Volk angenommen.[4] 1911 brachte Müller die Reorganisation der Truppenordnung zum Abschluss.

Kontroverse

Nach Ludwig Forrers Rücktritt im Dezember 1917 musste ein neuer Vize-Bundespräsident gewählt werden. Vor allem in der Romandie stiess Müllers Kandidatur auf Widerstand, da er zu Beginn des Ersten Weltkriegs eine ausgesprochen deutschfreundliche Haltung gezeigt hatte. Trotzdem erhielt Müller den Vorzug gegenüber Gustave Ador. Im August 1918 schlug Felix Calonder vor, das Amt des Aussenministers wieder von jenem des Bundespräsidenten zu entkoppeln. Doch Müller war nur gewillt, das Präsidium zusammen mit dem Vorsitz des Politischen Departements zu übernehmen, Kompromissvorschläge lehnte er kategorisch ab. Es folgte eine gehässige Kampagne in der französischsprachigen Presse (wobei insbesondere die Tatsache thematisiert wurde, dass seine Mutter Deutsche gewesen war), woraufhin Müller auf das Präsidium verzichtete. Er hatte vor, per Ende 1919 zurückzutreten, doch starb er etwas weniger als zwei Monate zuvor im Alter von fast 71 Jahren.

Literatur

  • Peter Martig: Eduard Müller. In: Urs Altermatt (Hrsg.): Die Schweizer Bundesräte. Ein biographisches Lexikon. 2. Auflage. Artemis Verlag, Zürich/München 1991, ISBN 3-7608-0702-X, S. 269–274.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bundesbeschluss über die Revision der Militärartikel der Bundesverfassung, Abstimmungsergebnis vom 3. November 1895 auf admin.ch
  2. Bundesbeschluss betreffend Revision des Artikels 64 der Bundesverfassung, Abstimmungsergebnis vom 13. November 1898 auf admin.ch
  3. Urs. P. Engeler: Grosser Bruder Schweiz, 1990
  4. Militärorganisation der schweizerischen Eidgenossenschaft, Abstimmungsergebnis vom 3. November 1907 auf admin.ch
VorgängerAmtNachfolger
Karl SchenkMitglied im Schweizer Bundesrat
1895–1919
Karl Scheurer
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