Wohnhöhle

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. September 2016 um 16:02 Uhr durch Hlambert63 (Diskussion | Beiträge) (→‎Verbreitung von Wohnhöhlen). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Wohnhöhle während der Moustérienkultur des Neandertalermenschen. Göpfelsteinhöhle in Veringenstadt auf der Schwäbischen Alb.
Wohnhöhlen in den Sassi di Matera, Basilikata in Italien
Höhlenwohnungen Langenstein in Sachsen-Anhalt

Eine Wohnhöhle ist entweder eine bewohnte natürliche Höhle oder eine künstliche bzw. künstlich erweiterte Aushöhlung, die zu Wohnzwecken genutzt wird. Wohnhöhlen gibt es in Europa, Asien und Afrika seit dem Paläolithikum. Sie prägten seit dem 19. Jahrhundert die Vorstellung einer Entwicklungsstufe des Höhlenmenschen.[1] Die Bewohner einer Höhle werden auch als Troglodyten bezeichnet.

Abgrenzung

Erdhaus (Earth sheltered dwelling) werden in Amerika häufig aus Stahl und Beton konstruierte Häuser genannt, bei denen mehr oder weniger dicke Schichten Erde auf dem Dach und/oder an einem Teil der Außenwände aufgebracht werden. Das Wohnklima entspricht teilweise dem einer Wohnhöhle. Auch der Architekt Peter Vetsch baut solche Häuser, vor allem in der Schweiz. Rein äußerlich kommen sie dem Design der traditionellen Wohnhöhlen sehr nahe.

Durch ihre Nutzung unterscheiden sich Wohnhöhlen außerdem von Höhlentempeln und Felsenkirchen, die ausschließlich für religiöse Zwecke gebaut wurden.

Eigenschaften

Konstruktion

Bei den meist selbsttragenden Hohlräumen wird die dem Festgestein innewohnende Härte genutzt. Die Stabilität der Konstruktion ist abhängig vom Gestein, in das die Höhle gegraben wird, sowie von den Dimensionen der Räume. Die unterirdische Bauweise eröffnet die Möglichkeit, die Höhle bei Bedarf zu vergrößern. Künstliche Wohnhöhlen werden in Hanglagen angelegt, um ein Volllaufen der Wohnung bei Regen und schwankendem Grundwasserspiegel zu vermeiden. Man bezeichnet sie auch als „Haus ohne Dach“ oder spricht von subterraner bzw. subtraktiver Architektur, da beim Bau vor allem Gestein entfernt wird.

Wohnklima

Das ganze Jahr über herrschen weitgehend ausgeglichene, behagliche Temperaturen, die um die mittlere Jahresaußenlufttemperatur des jeweiligen Gebietes schwanken. Je tiefer die Höhle in die Erde reicht, desto geringer werden die jährlichen Temperaturschwankungen.

Zwischen Tag und Nacht gibt es praktisch keine Temperaturschwankungen, da der Fels bzw. die umgebende Erde als Wärmespeicher fungiert. Durch diesen Effekt werden die Höchsttemperaturen in ca. drei Meter Tiefe mit bis zu drei Monaten Verzögerung im Inneren gespürt, also erst im Oktober, und die Tiefsttemperaturen erst im April. Das ändert sich bei Verringerung der Tiefe oder bei stärkerer Be- und Entlüftung.[2] Die Luftfeuchtigkeit bleibt aufgrund der gleichbleibenden Temperaturen und der Pufferfunktion des umgebenden Gesteins üblicherweise um die 50 bis 70 Prozent im für Wohnräume noch angenehmen Bereich. Sie liegt etwas höher als in konventionellen Wohnungen mit 40 bis 60 Prozent. Üblicherweise kann also auf zusätzliche Wärmedämmung, Heizung oder gar Klimaanlagen in Wohnhöhlen verzichtet werden.

Nachhaltigkeit

Der Baumaterialaufwand bei der Erstellung ist gering. Der Energieaufwand für Heizung bzw. Kühlung ist vergleichsweise klein; in südlichen Breitengraden ist er bei großer Wand- und Deckenstärke nahezu null.

Wasserdichtigkeit

Die Dichte gegen eindringende Feuchtigkeit ergibt sich je nach Bodenart und Dicke der Höhlendecke sowie nach der Niederschlagsmenge. In Gegenden im Süden Spaniens und bei Saragossa fallen Mengen bis 400 mm (=400 l/m2 und Jahr). Allerdings scheint weniger die Jahresniederschlagsmenge wichtig, als die Menge einzelner Spitzenniederschlagsereignisse. Vereinzelt kommen bei schlechten Böden und geringer Deckenmächtigkeit auch Abdichtungen aus Beton oder anderen wasserdichten Materialien zum Einsatz. So ist zum Beispiel der Einsatz von Teichfolie vorstellbar oder auch Abdichtungen, die bei der Dachbegrünung verwendet werden. Deren Einsatz ist unter Experten aber umstritten, da durch die Luftdichtigkeit dieser Materialien auch die nachfolgende Trocknung durch Diffusion/Verdunstung aus der Höhlendecke in die darüber befindliche Luft erschwert oder verhindert wird. Bessere Erfahrungen wurde bei zu durchlässigen Deckschichten mit dem Aufbringen von verdichteter Tonerde gemacht.[3]

Radonanreicherung in der Luft

Abhängig von der natürlichen Radioaktivität des Bodens kann es durch den Aufstieg von Radon aus dem Boden zu Anreicherungen von Radon-Gas kommen, wie er auch aus Kellern bekannt ist. Radon reichert sich bei normaler Belüftung nicht an. Im Zweifel kann man Messungen der Radonbelastung der Luft vornehmen oder vorher Karten der zuständigen Strahlenschutzbehörde, zum Beispiel des Bundesamtes für Strahlenschutz, konsultieren.[4]

Dunkelheit

Das Fehlen von Tageslicht ist ein Problem in Erdwohnungen, bei denen in mehreren Reihen Räume hintereinander in die Erde gegraben sind. Wenn sich die Räume parallel zur Fassade befinden, kann jeder Raum mit Tageslichtöffnungen ausgestattet werden. Um auch Räume der Höhle in einigen Metern Tiefe mit Tageslicht zu versorgen, werden seit einiger Zeit spezielle Lichtröhren oder „Skylights“ angeboten, die das Tageslicht bis zu acht Meter tief ohne merkliche Verluste transportieren können. An deren Ende ist eine lampenähnliche Vorrichtung angebracht, die eine regelbare, blendfreie Leuchtkraft besitzt.

Optional kann mit diesem System auch eine Belüftung erfolgen. Andere Möglichkeiten sind die Vergrößerung der Fenster in der Fassade und der Einbau von Fenstern oder anderen transparenten Elementen (Glasziegel oder -block) zwischen inneren und äußeren Räumen.

Belüftung

Tieferliegende Räume können mittels passiver und aktiver Be- und Entlüftung mit der nötigen Frischluft versorgt werden. Die passive Belüftung nutzt Temperaturunterschiede zwischen Innen- und Außenluft; z.B. baut man auf der am weitesten vom Eingang entfernten Seite einen Entlüftungsschacht. Zusätzlich können heute auch steuerbare Ventilatoren zur Be- und Entlüftung eingebaut werden.

Verbreitung von Wohnhöhlen

Noch oder wieder bewohnte, ausgegrabene Höhlen finden sich an folgenden Orten:

Nur noch als Museum sind sie zu besichtigen:

In einigen Orten werden Wohnhöhlen auch an Touristen vermietet.[7][8]

Wohnhöhlen in der Romanliteratur

Bilder

Literatur

  • Andus Emge: Wohnen in den Höhlen von Goereme. Traditionelle Bauweise und Symbolik in Zentralanatolien. Reimer, Berlin 1990, 170 S. mit Abbildungen und einem Faltplan, kart m.U., Kölner ethnologische Studien; Band 17, ISBN 3-496-00487-8
  • DISTRICT COUNCIL OF COOBER PEDY:Guidelines for the Construction of underground buildings in Coober Pedy (Memento vom 26. Juni 2004 im Internet Archive)[9]
  • Erhard Wagner, Christoph Schubert-Weller: Erd- und Höhlenhäuser von Peter Vetsch. Niggli, Sulgen 1994, 136 S., ISBN 3-7212-0282-1. Ein Großteil der information und Bilder befindet sich auch auf seiner Webseite
  • Lambert Karner: Künstliche Höhlen aus alter Zeit. Wien 1903
  • Vladimir Mikulitsch: Denkmalschonende Stabilisierung von Lösshöhlen- Beispiel Höhlenkloster Kiew. Karlsruhe 1998, BMBF Schlussbericht, Uni Karlsruhe (TH) – Inst. für Bodenmechanik und Felsmechanik, als PDF verfügbar
  • Mike Edelhart: Das Erdhaus. Verlag ORAC, Wien 1983. (englischer Originaltitel: The earth house. Dolpfhin books, 1982, ISBN 3-85368-920-5)
  • Zoelly, Pierre: Terratektur: Einstieg in die unterirdische Architektur. Book
  • Carl W. Neumann: Auf den Spuren der Eiszeitmenschen - [Über Wohnhöhlen in der Dordogne]. Mit sieben Illustrationen nach photographischen Originalaufnahmen. In Reclams Universum - Moderne illustrierte Wochenschrift 27.1 (1911), S. 10-13

Quellen

Einzelnachweise

  1. Vgl. z.B. Eduard Peters, Adolf Rieth: Die Höhlen von Veringenstadt und ihre Bedeutung für die Vor- und Frühgeschichte Hohenzollerns. In: Verein für Geschichte, Kultur und Landeskunde Hohenzollerns (Hrsg.): Hohenzollerische Jahreshefte. Band 3. 1936. S. 240–264.
  2. Mike Edelhart: Das Erdhaus. S. 82
  3. Angebliche Erfahrungswerte eines andalusischen Höhlenrenovierers
  4. http://www.bfs.de/ion/radon/radon_im_freien.html
  5. Tal der Loire: Höhlenwohnungen
  6. http://www.aldealosriscos.com/lgenerales-casas.html
  7. http://de.toprural.com/serci/?cx=014659097291663710340%3Achh78m7oom0&cof=FORID%3A9&q=h%C3%B6hle&sa=Suche#955 Zugriff 25. August 2008
  8. http://www.sueddeutsche.de/reise/erlebnis-hotels-originell-um-jeden-preis-1.250799 Zugriff 25. August 2008
  9. Welcome to the Opal Capital of the World (Memento vom 19. September 2004 im Internet Archive)

Siehe auch

Weblinks

Commons: Höhlenwohnungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien