Goli otok

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Vorlage:Infobox Insel in Kroatien Goli otok (kroatisch für „Nackte Insel“) ist eine kroatische Adria-Insel zwischen der Insel Rab und dem Festland. Sie gehört zur Gespanschaft Primorje-Gorski kotar und erstreckt sich über eine Fläche von 4,7 Quadratkilometern. Die ehemalige Gefängnisinsel ist heute unbewohnt, kann aber von Touristen besichtigt werden.

Bekannt ist die Insel aufgrund des 1949 durch die Kommunistische Partei Jugoslawiens (KPJ) errichteten Umerziehungslagers für politische Gefangene. In Folge des Bruchs des Tito-Regimes mit der Sowjetunion wurden als „Stalinisten“ bezeichnete Anhänger des Kominforms interniert, die bis zur Aussöhnung mit der Sowjetunion nach Stalins Tod als Staatsfeinde galten. Mehr als 55.000 KPJ-Mitglieder wurden aus der Partei ausgeschlossen und viele von der jugoslawischen Geheimpolizei UDB (ab 1966 SDB) und dem Militärgeheimdienst KOS verhaftet. Zwischen 11.000 und 18.000 von ihnen wurden auf Goli otok (Männerlager) und der Nachbarinsel Sveti Grgur (Frauenlager) inhaftiert.[1] Daneben auch einige überlebende Ustascha-Faschisten.[2] Ab etwa 1955 wurden auch andere angebliche Staatsfeinde gefangen gehalten.

Die Gefangenen wurden zur Zwangsarbeit in den Steinbrüchen und Werkstätten eingesetzt, gefoltert und getötet. 1988 wurde das auch als „Titos KZ[2] oder euphemistisch „Titos Hawaii“ bezeichnete Gefängnis stillgelegt und 1989 völlig verlassen, woraufhin fast sämtliche beweglichen Gegenstände geplündert wurden.

Geschichte

Goli otok

In den vergangenen Jahrhunderten diente die Insel Goli otok hauptsächlich als Weidegrund für Schafherden. Auf der Insel wurden einige Zisternen sowie provisorische Unterkünfte für Hirten errichtet.

Bis zum Ersten Weltkrieg gab es auf Goli otok keine Siedlungen. Österreich-Ungarn errichtete dann während des Krieges auf der Insel ein Gefangenenlager für russische Kriegsgefangene.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde sie von den Italienern übernommen, die versucht haben, auf ihr Bauxit abzubauen, was sich aber als unrentabel erwies. Danach betrieb ein Großhändler aus Brinje namens Rade Vuković dort wieder eine Schafzucht. Im Jahr 1939 gab es im Königreich Jugoslawien Pläne des Generals Dušan Simović, auf der Insel ein Konzentrationslager für Kommunisten einzurichten, die aber nicht verwirklicht worden sind.[2]

Umerziehungslager und Staatsgefängnis Jugoslawiens

Das Gefängnis auf Goli otok (2005).

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfolgte eine Enteignung, wodurch die Insel in Besitz des nun sozialistischen Staates Jugoslawien kam. Nach der Resolution im Informationsbüros der Kommunistischen und Arbeiterparteien (Informbüro) zum Ausschluss Jugoslawiens aus dem Kominform und dem dauerhaften Bruch Titos mit Stalin wurde 1949 auf ihr ein Gefangenenlager für politische Häftlinge errichtet. Das Gefangenenlager diente zuallererst als Auffanglager für jugoslawische Anhänger der Sowjetunion und Stalins und galt anfangs daher auch als Gulag für Stalinisten.[3] Einer der Hauptinitiatoren für diese Idee war der damalige jugoslawische Innenminister Aleksandar Ranković. An dem Beschluss, es dort zu errichten, war auch der spätere Parteidissident und Schriftsteller Vladimir Dedijer beteiligt.[2]

Im Sommer 1949 kamen mit Kominform-Anhängern und Faschisten die ersten Gefangenen auf die Insel. Ab etwa 1955 wurden auch andere angebliche Staatsfeinde gefangen gehalten: Sozialdemokraten, Bürgerliche, Monarchisten und westlich Orientierte. Vielfach waren diese unter Folter zu falschen Selbstbeschuldigungen gezwungen worden und zur Haft auf der lebensfeindlichen Insel verurteilt worden.

Nachdem zuvor die Arbeit in Steinbrüchen verrichtet wurde, stellten ab den 1960er Jahren die Häftlinge auf Goli Otok unter anderem Terrazzofliesen und Möbel her.

Auf Goli Otok herrschte Rechtlosigkeit, Willkür, Terror und Gewalt. Gegenseitige Denunziationen unter den Häftlingen boten Chancen auf leichtere Haft oder gar Entlassung. Die Gefangenen wurden zu schweren körperlichen Arbeiten ohne Rücksicht auf die Wettergegebenheiten gezwungen und waren darüber hinaus regelmäßig Misshandlungen seitens des Wachpersonals ausgesetzt.

Die Gefangenentransporte fanden ohne jegliche Verpflegung und ohne Sitzplätze in Viehwagen statt, welche aus dem Landesinneren mit der Eisenbahn zum Hafen von Bakar gebracht wurden. Von dort wurden sie an Händen und Füssen gefesselt mit einem Schiff auf die Insel gebracht, was je nach Wetterlage 5 bis 6 Stunden dauerte und selbst bei starken Stürmen durchgeführt wurde.

Nachdem die Gefangenen auf der Insel eintrafen, wurden sie zuerst von den Wachleuten verprügelt, anschließend mussten die schon anwesenden Gefangenen diese Prozedur wiederholen. Außerdem wurden die Neuankömmlinge gezwungen, Loblieder und Parolen zu Ehren des Staatspräsidenten Tito zu singen. Dabei kam es manchmal zu grotesken Situationen, in denen Wachleute auf Gefangene einschlugen, mit denen sie ein paar Jahre zuvor während des Krieges in der gleichen Partisaneneineinheit im Einsatz waren.[4]

Auf der Nachbarinsel Sveti Grgur wurde ein vergleichbares Gefängnis, in dem ähnliche Zustände herrschten, ursprünglich nur für Frauen errichtet.

Zwei Jahre vor dem Zerfall Jugoslawiens wurde das Gefängnis auf Goli otok aufgegeben.

Leitung

Mit der Absetzung des jugoslawischen Geheimdienstchefs Aleksandar Ranković wurde auch der damalige Lagerdirektor Slavko Barta seines Postens enthoben.[5] Im Jahr 1981 war Anton Silić Direktor des Lagers.[6]

Gefangene

Insgesamt wurden 16.500 Personen auf der Insel eingesperrt. Die meisten Staatsfeinde wurden ohne Gerichtsurteil auf die Insel verfrachtet. Neben Stalinisten und Ustascha befanden sich darunter auch Arbeiter, Bauern, Intellektuelle, Studenten und Beamte. Die härtesten Gegner des Tito-Regimes blieben bis 1985 auf Goli Otok.[7]

Verarbeitung in der Literatur

Das erste Buch über die Sträflingsinsel war der autobiographische Roman Umiranje na obroke (d..i. „Tod in Raten“) des slowenischen Ex-Dachau-Häftlings Boris Fakin unter dessen Pseudonym Igor Torkar,[8] der mit Unterstützung des kommunistischen Lyrikers und Weltkriegspartisanen Matej Bor 1984 bei Delo in Laibach und im Zagreber Globus-Verlag erschien. Torkar war nach seiner Rückkehr 1948 als angeblicher Gestapo-Agent in einem der stalinistischen Schauprozesse, der „Dachau-Prozesse“ von 1947/48 zu 12 Jahren Lagerhaft verurteilt worden.
Im selben Jahr erschien in den USA Goli otok-The Island of Death, in dem der mazedonisch-bulgarische Schriftsteller Venko Markovski die Schrecken der Gefängnisinsel beschrieb.
Der in Rovinj geborene Poet Ligio Zanini (1927–1993), schrieb im Jahr 1990 sein autobiographisches Werk Martin „Muma“ über seine Häftlingszeit auf der Insel. Der Slowene Branko Hofman schrieb das Buch Noć do jutra (Night till Morning) über seine Erlebnisse als Gefangener auf der Insel.
Auch der Ich-Erzähler im Roman Blindlings  (Alla cieca)  des italienischen Schriftstellers Claudio Magris berichtet über seine Zeit auf Goli otok und die dortigen brutalen Haftbedingungen und Folterungen.
Der Slowene Drago Jančar berichtet über die Region und die Insel in seinem Essayband Brioni.

Literatur

  • Božidar Jezernik: Titos Gulag auf der Insel Goli Otok. Klagenfurt 2014 (Aus dem Slowen. und Serbokroat. von Karin Almasy).
  • Bruno Bušić: UDBA archipelago : prison terror in Croatia. [Das UDBa-Archipel : Gefängnisterror in Kroatien]. Croatian Information Service, Arcadia (Ca.) 1976.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Holm Sundhaussen: Jugoslawien und seine Nachfolgestaaten 1943–2011: Eine ungewöhnliche Geschichte des Gewöhnlichen. Böhlau Verlag, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79609-1, S. 103.
  2. a b c d Ivan Kosić: Goli Otok : najveći Titov Konclogor. „Adamić“, Rijeka 2003, ISBN 953-219-126-7.
  3. Miroslav Lazanski: Tito posle 30 godina. Politika, 17. April 2010
  4. Ilija Vukadinović: U more s njima. In: Borba, 1. Juni 1990
  5. Slobodan Stanković: Titos Erbe : die Hypothek der alten Richtungskämpfe ideologischer und nationaler Fraktionen (= Band 18 von Untersuchungen zur Gegenwartskunde Südosteuropas). R. Oldenbourg, 1981, ISBN 978-3-486-51271-7, S. 128.
  6. Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (Hrsg.): Die Petition : Amnestie für alle politischen Gefangenen in Jugoslawien. 1986, S. 33.
  7. Christian Wehrschütz, Brennpunkt Balkan: Blutige Vergangenheit - Ungewisse Zukunft, ISBN 3-222-13427-8 . S. 111
  8. Braving Life's Bitter Sorrows, Slovenia News v. 16. Dezember 2003 (englisch) (Memento vom 29. April 2007 im Internet Archive)