Hermann Brommer

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Hermann Brommer in der Merdinger St. Remigius-Kirche (Juli 2012)

Hermann Brommer (* 18. März 1926 in Bühl, Baden; † 26. Oktober 2012 in Waldkirch) war Schullehrer und beschäftigte sich als Kunsthistoriker mit der Landschaft des Oberrheins, besonders für die Zeit des Barock.

Leben

Seine Eltern waren der Bankangestellte Alois Brommer und seine Frau Emma geb. Hodapp. Hermann besuchte das Missionsgymnasium der Weißen Väter in Haigerloch und das Gymnasium Hohenbaden in Baden-Baden, beides humanistische Gymnasien. In Baden-Baden legte er nach Reichsarbeitsdienst und Kriegseinsatz die Abiturprüfung ab. Den Direktor des Gymnasiums, Leo Wohleb, behielt er in dankbarer Erinnerung. Weil ihm die Nachkriegsverhältnisse das gewünschte universitäre Geschichts- und Lateinstudium nicht erlaubten, studierte er an der Pädagogischen Akademie Gengenbach und legte 1948 die erste und 1950 die zweite Lehramtsprüfung für Volksschulen ab. In Gengenbach lernte er seine Frau Elisabeth geb. Lehmann (1927–2006) kennen, mit der er eine Tochter und einen Sohn hatte. Nach verschiedenen Lehrerstellen wurde er 1956 als Oberlehrer Leiter der Volksschule in Merdingen, dann Rektor dieser Schule und 1980 Rektor der Grund- und Hauptschule in Ihringen. In Merdingen leitete er den Kirchenchor, während seine Frau Organistin war. 1985 trat er in den Ruhestand. Die Trauermesse nach seinem Tod fand am 3. November 2012 in der Merdinger Remigius-Kirche statt. Die Predigt wurde nach seinem Wunsch über ihm wichtige, zur Liebe aufrufende Verse aus dem Johannes-Evangelium (Joh 13,34-35 EU) gehalten. Anschließend wurde er neben seiner Frau auf dem Merdinger Friedhof beerdigt.

Der Sohn, Wolfgang Brommer, ist einer der Geschäftsführer des Unternehmens Waldkircher Orgelbau Jäger & Brommer, das unter anderem die neue Orgel der Merdinger Pfarrkirche St. Remigius gebaut hat.[1]

Kunstgeschichtliches Werk

Allgemeines

Neben Brommers Lehrerberuf wuchs sein kunsthistorisches Werk. Am Anfang standen neben persönlicher Neigung der Wunsch der Gemeinde Merdingen nach einer Ortschronik, der Wille, die Kinder Präzises zu ihrer Heimat zu lehren, und die Liebe zur Merdinger Pfarrkirche St. Remigius. Aus Merdingen stammte der Bildhauer Johann Baptist Sellinger (1714–1779); Werke von ihm waren in Merdingen zu vermuten, jedoch war er praktisch unerforscht geblieben. Sellinger galt Brommers erste, 1962/63 in zwei Teilen erschienene wissenschaftliche Publikation. Bemerkenswert ist die kritische Distanz, die Brommer zu seinem Forschungsgegenstand wahrt. Sellinger habe nicht den Rang Johann Christian Wentzingers, „dessen Meisterwerke … auch heute noch einen Wertmaßstab für die Kunst des 18. Jahrhunderts im Breisgau abgeben. Hätte ich mit meiner Abhandlung über Bildhauer Sellinger nur die Absicht verfolgt, die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit zu markieren, könnte ich den Schlußpunkt setzen. Der heimatgeschichtlichen Bedeutung unseres Meisters wäre ich damit nicht gerecht geworden. Ihm, der zu einem eigenen, unverwechselbaren Stile fand, blieb hoher Künstlerruhm versagt, obwohl seine Arbeiten zum liebenswerten Kulturgut zahlreicher Gemeinden des Breisgaues gehören. Grund genug, meinen Beitrag zur heimatlichen Kunstgeschichte mit dem Wunsche zu schließen, daß mir eine Würdigung des Bildhauers Johann Baptist Sellinger gelungen sei, die ihn vor dem Vergessenwerden bewahrt.“[2] Etwa siebzehn Jahre später hat Brommer seine ersten Sellinger-Studien wesentlich ergänzt.[3]

Kritische Sympathie prägte auch das, was folgte. Über den Anfang um 1960 schrieb Brommer einmal: „Diese Forschungen, die ich eigentlich schon in den großen Herbstferien 1959 … begonnen hatte, lösten eine Lawine von kunstgeschichtlichen Weiterbearbeitungen aus. … Ich arbeitete mich in ungeahnte Verästelungen hinein, die von einer fast kriminalistisch anmutenden Spurensuche geprägt waren. Mich hatte die Forschung als ansteckende Krankheit befallen. Ich kam nicht mehr davon los.“

Brommer war kunstgeschichtlich Autodidakt, doch gaben der Direktor des Freiburger Augustinermuseums Werner Noack (1888–1969) und andere Mitglieder des Breisgau-Geschichtsvereins Anregungen. Besonders förderte ihn der Vorsitzende des Kirchengeschichtlichen Vereins für das Erzbistum Freiburg und ab 1964 ordentliche Professor für kirchliche Landeskunde Wolfgang Müller (1905–1983). Brommer dankte ihm 1980 in der Festschrift für Wolfgang Müller mit einem Aufsatz „War Hans Loy der Meister H L?“.[4]

Durch Genealogie und Stilvergleich hat Brommer einerseits die Biographien und Werkverzeichnisse von Künstlern, andererseits die Entstehung einzelner Kunstwerke, besonders Kirchengebäude und ihrer Ausstattung, erforscht. Bei der Analyse von Kunstwerken war ihm ihre Deutung – bei religiösen Kunstwerken ihre theologische Deutung – ein Anliegen. So schrieb er zur Merdinger Pfarrkirche: „Für die während des 18. Jahrhunderts in einfachen persönlichen Verhältnissen lebenden Einwohner der Gemeinde Merdingen muß ihre neue Pfarrkirche ein Stück Himmelreich auf Erden gewesen sein. Unter großen persönlichen Opfern <ist sie> hervorgegangen aus der echten Religiosität jener Zeit, die auch sonst fruchtbarste Quelle für die Kunstschöpfungen des Barock gewesen ist. Das bei Betrachtung und Würdigung des Merdinger Gotteshauses zu vergessen, hieße am Wesentlichen vorbeizusehen. Nur so wird erklärbar, warum von den Verantwortlichen überragende Meister aus Oberschwaben und dem Bodenseegebiet herbeigeholt worden sind, um in dem Rebdorf am Tuniberg einen Barockbau zu schaffen, der unter den Landkirchen des Breisgaus einmalig ist.“[5]

Als seine bedeutendste Entdeckung bezeichnete Brommer die Identifizierung der Künstler des Altars der Sebastianskapelle in Dambach-la-Ville. Man wusste, er war 1691 bis 1693 von zwei Bildhauern Philipp und Clemens geschaffen worden, Holländern, meinte man im Dorf. „In Verfolgung der Spuren und getrieben von der Überlegung, daß der lange Aufenthalt der Bildhauer Philipp und Clemens zu persönlichen Beziehungen in Dambach-la-Ville geführt haben könnte, untersuchte ich systematisch die in Straßburg aufbewahrten Standesbücher der Pfarrei Dambach-la-Ville. Zwei entdeckte Taufeinträge klärten auf einwandfreie Weise die Urheberschaft.“ Einer der Einträge lautete (lateinisch und von Brommer übersetzt): „Patrinus fuit Dnus Clemens Winterhalder Adlsns quoque Brisgoius et artificiosus Sculptor p. t. hic Novi Altaris pro Sacello S. Martyr. Sebastiani in eius monte hic. – Taufpate ist Herr Clemens Winterhalder gewesen, der aus dem Breisgau stammende Jungmann und sich derzeit hier aufhaltende, kunstreiche Bildhauer des neuen Altars für die Kapelle des heiligen Märtyrers Sebastian auf dessen hiesigem Berg.“[6] Clemens und Philipp Winterhalder, Brüder aus Kirchzarten, haben „das schönste im Elsaß erhaltene geschnitzte Altarwerk aus dem 17. Jahrhundert“[7] geschaffen. Vom Einzelfall abgesehen hat Brommer damals eine Brücke zwischen der Kunst im Breisgau und im Elsass entdeckt.

Galt sein Hauptaugenmerk dem Barock, so hat er doch auch Früheres untersucht wie das Konstanzer Münster oder Späteres wie die einheitlich historistische, 1880–1902 entstandene Ausstattung der St. Hilarius-Kirche in Bollschweil oder die 1991–1992 gebaute St. Michaels-Kirche in Rheinfelden-Karsau. Merdingen gehörte zur Zeit der Erbauung von St. Remigius der Freiburger Kommende des Deutschen Ordens. 1986 reiste Brommer nach Wien, um im Zentralarchiv des Ordens zu arbeiten. Dort wurde er gebeten, in Freiburg die 800-Jahr-Feier des Deutschen Ordens zu planen. Bleibendes Produkt der Feier im Herbst 1989 ist die Sammlung der Vorträge,[8]

Künstlermonographien

Ein weiteres Beispiel für Brommers Künstlermonographien ist die zweiteilige, teilweise zusammen mit seinem Freund Manfred Hermann geschriebene Abhandlung über die Bildhauersippe Hauser (1611–1842).[9] Zahlreiche Artikel im Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne stammen von ihm, sowie folgende Artikel im Allgemeinen Künstlerlexikon:

Kunstführer

Sind viele Arbeiten Brommers in erster Linie für Kunsthistoriker bedeutsam, so hat er in der Reihe der Kleinen Kunstführer und Großen Kunstführer des Verlags Schnell und Steiner und ab 1996 des Kunstverlags Joself Fink in Lindenberg im Allgäu eine ungemeine Breitenwirkung erzielt. Seine Kunstführer sind hier chronologisch nach dem Jahr der Erstausgabe gereiht:

Kunstführer Merdingen, 5. Auflage 1999

Die Liste – knapp 70 Positionen – beschränkt sich auf die deutschsprachigen Erstausgaben. Der Führer zur Hohkönigsburg bei Orschwiller im Elsass existiert zum Beispiel auch in französischen, englischen, spanischen, italienischen, holländischen und japanischen Versionen. Der Führer zur Wallfahrtskirche Birnau ist 2010 in der 43. Auflage erschienen. Brommer hat mit seinen Führern die Kunstlandschaft des Oberrheins auf deutscher wie französischer Seite der Allgemeinheit erschlossen, und das auf hohem Niveau: „Hermann Brommers Kunstführer stellen stets eine kleine Monographie des jeweiligen Bauwerks dar, die auf intensiven Archivstudien fußt und das Gebäude kunstwissenschaftlich und theologisch erschließt.“[10]

Urkunde des Deutschen Ordens

Ehrungen

Brommer erhielt 1978 das Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland und 1980 den päpstlichen Ehrenorden Pro Ecclesia et Pontifice. 1985 verlieh ihm die baden-württembergische Landesregierung den Titel „Professor“. Die Gemeinde Merdingen machte ihn 1986 zum Ehrenbürger. 1991 ehrte ihn die Stadt Gengenbach mit der Otto Ernst Sutter-Medaille. 1995 ernannte ihn Papst Johannes Paul II. zum Ritter des Silvesterordens. Im selben Jahr wurde er Ehrendirigent des Merdinger Kirchenchors und wurde seine Frau Ehrenorganistin. 1996 erschien zu seinem 70. Geburtstag, herausgegeben vom Bau- und Kunstreferenten des Erzbistums Freiburg Bernd Mathias Kremer, eine Festschrift „Kunst und Kultur am Oberrhein“. Die Republik Frankreich nahm ihn 1997 als Ritter in den Ordre des Palmes Académiques auf. Der Hochmeister des Deutschen Ordens zeichnete ihn 2003 mit dessen Crux pro meritis aus. 2006 verlieh ihm das Land Baden-Württemberg die Verdienstmedaille und das Erzbistum Freiburg die Konradsplakette.[11] Zu seinem 85. Geburtstag wurde er 2011 mit dem Europäischen Regio-Kultur-Preis für kunsthistorische Forschung geehrt. Im Jahr 2014 wurde die Merdinger Grundschule zu seinen Ehren in Hermann-Brommer-Schule umbenannt.[12]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Josef Moosmann: Das Barock-Juwel am Tuniberg erhält eine neue Orgel. (Memento vom 23. Februar 2014 im Internet Archive)
  2. Hermann Brommer: Johann Baptist Sellinger. Ein Breisgauer Barockbildhauer (1714–1779). Lebensgeschichte und verwandtschaftliche Beziehungen. In: Schau-ins-Land 80, 1962, S. 51–69; Hermann Brommer: Johann Baptist Sellinger. Ein Breisgauer Barockbildhauer (1714–1779). Werke und kunstgeschichtliche Bedeutung. In: Schau-ins-Land 81, 1963, S. 66–98.
  3. Hermann Brommer: Johann Baptist Sellinger (1714–1779). Neues zu Leben und Werk des Breisgauer Barockbildhausers. In: Schau-ins-Land 98, 1979, S. 59–80.
  4. Hermann Brommer: War Hans Loy der Meister H L? in: Freiburger Diözesan-Archiv 100, 1980, S. 161–202.
  5. Hermann Brommer: Pfarrkirche St. Remigius Merdingen. München und Zürich, Schnell & Steiner 1974.
  6. Hermann Brommer: Philipp und Clemens Winterhalder. Die Bildhauer des Sebastiansaltars in Dambach im Elsass. In: Das Münster 24, 1971, S. 234–239.
  7. René Haberer, Lucien Gall und Pierre Siegel: St Sébastien / Dambach-la-Ville. 4. Auflage. München und Zürich, Schnell & Steiner 1982.
  8. Hermann Brommer (Hrsg.): Der Deutsche Orden und die Ballei Elsaß-Burgund. (= Veröffentlichungen des Alemannischen Instituts Freiburg i.Br. Nr. 63. Bühl/Baden, Konkordia-Verlag 1996, ISBN 3-7826-1263-9, darin Brommers Aufsatz „Die Deutschordenskommende Freiburg“).
  9. Hermann Brommer: Die Bildhauer Hauser in Kirchzarten, Schlettstadt und Freiburg i. Br. (1611–1842) Teil I, in: Schau-ins-Land 89, 1971, S. 47–93; Manfred Hermann und Hermann Brommer: Die Bildhauer Hauser in Kirchzarten, Schlettstadt und Freiburg i. Br. (1611–1842) Teil II, in: Schau-ins-Land 94/95, 1976/77, S. 165–200.
  10. Kremer 1996, S. 14.
  11. Internetseite der Gemeinde Merdingen: Professor Hermann Brommer. Abgerufen am 1. November 2012.
  12. Mario Schöneberg: Merdinger Schule bekommt neuen Namen. In: Badische Zeitung. 16. Dezember 2013.