junge Welt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Oktober 2016 um 08:27 Uhr durch Ralf Roletschek (Diskussion | Beiträge) (→‎Gründung und Entwicklung in der DDR). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen
junge Welt

Logo junge Welt
Beschreibung deutsche Tageszeitung
Verlag Verlag 8. Mai
Erstausgabe 12. Februar 1947
Erscheinungsweise täglich / Wochenende
Verkaufte Auflage 19.000 Exemplare
(Eigenangaben (05/2015)[1])
Chefredakteur Stefan Huth
Herausgeber LPG junge Welt e. G.
Geschäftsführer seit Juli 1995 Dietmar Koschmieder
Weblink jungewelt.de
ISSN
ZDB 1336467-4

Die junge Welt (jW) ist eine überregionale, deutsche Tageszeitung, die sich selbst als „links“ und „marxistisch orientiert“ sieht.[2] Redaktionssitz ist Berlin. Sie war von 1947 bis 1990 das Zentralorgan der FDJ in der DDR und ist heute parteiunabhängig und genossenschaftlich organisiert.

Geschichte

Gründung und Entwicklung in der DDR

Die Junge Welt (später junge Welt geschrieben) wurde am 12. Februar 1947 im Sowjetischen Sektor von Berlin gegründet. Erster Chefredakteur war das SED-Mitglied (vormals KPD-Mitglied), antifaschistische Widerstandskämpfer und ehemals Vorsitzender der FDJ in Großbritannien Adolf Buchholz. Sie erschien zunächst wöchentlich im Verlag Neues Leben, ab 1. Januar 1950 zweimal wöchentlich und ab März 1952 als Tageszeitung sechsmal in der Woche im neu gegründeten Verlag Junge Welt. Ab dem 12. November 1947 führte sie den Untertitel Zentralorgan der Freien Deutschen Jugend, ab dem 1. März 1952 den Untertitel Organ des Zentralrats der FDJ.

Im Frühjahr 1953 wurde die Junge Gemeinde offen angegriffen und als „Illegale Organisation Junge Gemeinde“ stark attackiert. Mit der „Säuberung“ der FDJ von Anhängern der Jungen Gemeinde wurde der damalige erste Sekretär der FDJ, Erich Honecker, beauftragt. Die junge Welt und die Junge Generation erhielten die Anweisung, die Arbeit der jungen Gemeinde durch Hetzartikel in Misskredit zu bringen. Damit sollte ein Verbot vorbereitet werden.[3][4]

Die Auflage überschritt 1977 die Millionengrenze und lag Anfang 1990 bei 1,6 Mio. Exemplaren. Damit war sie zuletzt die auflagenstärkste Tageszeitung der DDR noch vor dem SED-Zentralorgan Neues Deutschland. In der DDR war die junge Welt im Abonnement und am Kiosk im Gegensatz zu vielen anderen Zeitungen und Zeitschriften ohne Engpässe zu erhalten. Letzter Chefredakteur vor der Wende war Hans-Dieter Schütt, den Uwe Stolzmann vom Deutschlandradio Kultur als brillanten Autor, Feingeist und Scharfmacher bezeichnete, „kurz: ein Demagoge“.[5]

Insgesamt 19 Zeitungen und Zeitschriften wurden in Regie des FDJ-eigenen Verlages Junge Welt publiziert. Damit sollte die Jugend im staatskonformen Sinne beeinflusst und die kommunistische Erziehung der jungen Generation gefördert werden.

Nach dem Mauerfall

Am 21. November 1989 wählte die Redaktion, auf Vorschlag des Zentralrats der FDJ, Jens König zum neuen Chefredakteur. Er löste in dieser Funktion Hans-Dieter Schütt ab, der die Zeitung seit 1984 geleitet hatte. König blieb bis zum April 1994 Chefredakteur.[6] Die Privatisierung des Verlags Junge Welt und der zugehörigen Zeitung verzögerte sich allerdings bis ins Jahr 1991, unter anderem wegen Rückübertragungsansprüchen der Deutschen Bank bezüglich der Immobilie des Verlags in Berlin-Mitte. Im April 1991 wurde die Zeitung aus dem Verlag ausgegliedert und kam in den Besitz einer GmbH, an der wesentlich die Mediengruppe Schmidt & Partner beteiligt war, der zu dieser Zeit auch die Titanic und der Verlag Elefanten Press gehörten. Zeitweise war damals Dietmar Bartsch der Geschäftsführer der Zeitung. Nachdem die Auflage unter 100.000 gesunken war, entzog die Mediengruppe im Februar 1992 der GmbH das Recht zur weiteren Herausgabe der Jungen Welt. Das Blatt ging nun an die Verlagsanstalt in Berlin GmbH, die einem der bisherigen Geschäftsführer gehörte, nämlich Peter Großhaus, und später an den azzurro-Medienverlag, Haupteigentümer blieb jedoch Schmidt & Partner, auch wenn die genauen Eigentumsverhältnisse nicht leicht zu durchschauen waren.[7] Noch in diesen Eigentümerverhältnissen erfolgte 1994 mit der konzeptionellen Hilfe von konkret-Herausgeber Hermann L. Gremliza ein Neustart. Nach nur acht Monaten als Chefredakteur wurde Günter Kolodziej, später stellvertretender Sprecher des Senats in Berlin unter Klaus Wowereit, im November 1994 von Oliver Tolmein abgelöst. Anfang April 1995 wurde dennoch die Produktion der Tageszeitung junge Welt durch den Eigentümer eingestellt.

Ein Teil der Redaktion führte die Zeitung daraufhin in Eigenregie weiter. Es kam zu einem „verspäteten Management-Buy-out[8], das heißt, aus der Belegschaft wurde mit Hilfe des Kredits eines „südbadischen Kommunisten“[9] eine Verlag 8. Mai GmbH gegründet, die die Zeitung herausgab. Zugleich begann man mit der Gründung einer Genossenschaft, der LPG junge Welt eG, die seit 1998 die Mehrheit der Anteile hält. Chefredakteur Tolmein schloss sich der Neugründung nicht an und wurde durch den früheren Kulturchef Klaus Behnken ersetzt. Der Umfang der Zeitung wurde von 24 auf 16 Seiten reduziert, die Ressorts Frauen, Medien und Ökologie wurden gestrichen. 1996 initiierte die junge Welt eine Internationale Rosa-Luxemburg-Konferenz, die seitdem mit jeweils etwa tausend Besuchern jährlich am zweiten Sonnabend im Januar organisiert wird. Schwerpunkt sind Vorträge und Diskussionen zu Erfahrungen linker Bewegungen und Parteien weltweit und die politischen Entwicklungen in Deutschland.[10]

Spaltung der Redaktion

1997 kam es zu einer Besetzung der Redaktionsräume durch einen Großteil der Mitarbeiter, nachdem der Geschäftsführer Dietmar Koschmieder den Chefredakteur Klaus Behnken abgesetzt hatte. Letzterer produzierte mit drei ihm gegenüber loyal gebliebenen Redakteuren während der Besetzung Notausgaben, bis die Auseinandersetzung mit dem Ausscheiden der Besetzer aus der Redaktion endete. Die Redaktionsmehrheit hatte während der Besetzung die Wochenzeitung Jungle World als Gegenprojekt gegründet und führte diese anschließend weiter.[11] Behnkens Nachfolger wurde Holger Becker, einer der drei loyal gebliebenen Redakteure. Nachdem es zu Auseinandersetzungen mit der Geschäftsleitung und der die Zeitung herausgebenden Genossenschaft gekommen war, wurde er jedoch im Februar 2000 durch Arnold Schölzel ersetzt; mit ihm verließen Werner Pirker und Ulrike Schulz, die beiden anderen im Konflikt von 1997 der jungen Welt treugebliebenen Mitarbeiter, die Zeitung, Pirker kehrte allerdings später als Autor zurück.

Seit 2000

Das Ressort Innenpolitik wurde von 2002 bis 2005 von Ulla Jelpke geleitet, die zuvor Mitglied des Deutschen Bundestages war und die Zeitung anschließend wieder in Richtung Parlament verließ. Im September 2004 wurde das Zeitungsformat vom Tabloid- auf das doppelt so große Berliner Format umgestellt. Dieser ungewöhnliche Schritt – der Trend ging zu dieser Zeit in einigen Ländern vom Broadsheet- zum Tabloid-Format und wurde so 2007 auch von der Frankfurter Rundschau vollzogen – war der Zeitung durch Veränderungen in der Druckerei aufgezwungen worden. Bis zum Relaunch am 3. Oktober 2014[12] verwendete die junge Welt die alte Rechtschreibung, während nun „die Rechtschreibung mit ss statt ß“[13] angewandt wird.

Die Junge Welt ist regelmäßig auf den Buchmessen in Frankfurt am Main, Leipzig und Havanna vertreten.

Eigentumsverhältnisse

Herausgeberin der Zeitung ist die Linke Presse Verlags-Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt e. G. (LPG). Vorbild für die 1995 erfolgte Gründung war das Genossenschaftsmodell der TAZ. Ursprünglich aus 32 Mitgliedern bestehend wuchs die Genossenschaft zunächst auf 1000 Mitglieder im Januar 2010[14]. Im September 2012 waren bereits 1269 Mitglieder zu verzeichnen[15] und die Zahl der Genossenschaftsmitglieder wuchs bis Ende 2015 weiter auf 1802 an.[16] Unter den Anteilseignern befinden sich Anna Conrads und weitere Politiker der Linken.[17]

Die junge Welt erscheint im Verlag 8. Mai GmbH, der Ende 2008 auch die 1957 gegründete Musikzeitschrift Melodie und Rhythmus übernahm und seitdem herausgibt.[18] Der Verlag gehört zu 52 Prozent der Genossenschaft, 48 Prozent hält der Geschäftsführer der Verlags-GmbH, Dietmar Koschmieder. Die GmbH erwirtschaftete zuletzt 2006 einen Überschuss. 2010 beliefen sich die Verbindlichkeiten auf 1,57 Millionen Euro.

Arbeitsbedingungen

Für die junge Welt wurde 1998 mit der IG Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst ein Firmentarifvertrag geschlossen. Der – als „ungewöhnlich“ angesehene – Vertrag ermöglicht es, die Löhne zwischen Betriebsrat, Gewerkschaftsvertretern und Verlagsleitung selbst auszuhandeln. Die Wirksamkeit dieses Tarifvertrags war 2012 Gegenstand eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht Berlin, das Rainer Balcerowiak angestrengt hatte. Balcerowiak, der elf Jahre als Redakteur für die Zeitung tätig war, wurde 2011 gekündigt. Er machte geltend, bei seiner Beschäftigung als freier Mitarbeiter habe es sich um ein Scheinarbeitsverhältnis gehandelt. Zudem sei der monatliche Lohn in Höhe von rund 2.000 Euro „krass sittenwidrig“ gewesen. Die junge Welt bezeichnete die entsprechende Berichterstattung als Shitstorm.[19]

Umfang

Der Umfang der Zeitung beträgt montags bis freitags 16 Seiten:

  • Seite 1: Leitartikel, ein weiterer längerer Artikel sowie Kurzmeldungen;
  • Seite 2: Interview, ein Artikel sowie weitere Kurzmeldungen;
  • Seite 3: Schwerpunkt, meist drei Artikel unterschiedlicher Länge zu einem bestimmten Thema;
  • Seiten 4 und 5: Innenpolitik;
  • Seiten 6 und 7: Auslandsnachrichten;
  • Seite 8: zwei Kommentare (der zweite mit dem Titel „[…] des Tages“), ein Interview sowie die Rubrik „Abgeschrieben“;
  • Seite 9: Wirtschaftsteil (unter dem Titel „Kapital & Arbeit“);
  • Seiten 10 und 11: Feuilleton;
  • Seiten 12 und 13: Thema (ein ausführlicher Artikel über Innen-, Außen-, Wirtschaftspolitik, Kultur, Geschichte oder marxistische Theorie);
  • Seite 14: Leserbriefe (manchmal auch Ratgeber) und Hinweise zum Fernsehprogramm sowie zu Veranstaltungen;
  • Seite 15:
    • montags: Rezensionen politischer Literatur,
    • dienstags: Betrieb und Gewerkschaft,
    • mittwochs: Antifa,
    • donnerstags: Medien,
    • freitags: Feminismus,
    • sonnabends (Wochenendausgabe): Geschichte;
  • Seite 16:
    • an Werktagen: Sport,
    • samstags (Wochenendausgabe): Aktion.

Sonnabends erscheint zusätzlich zu den 16 Seiten die achtseitige Beilage Faulheit und Arbeit. Sie enthält in der Regel ein Interview (2 Seiten), eine Reportage (2 Seiten), eine Fotoreportage (2 Seiten), Texte der Klassiker (Marx, Engels, Lenin) und Schwarzer Kanal (Medienkritik, insgesamt eine Seite). Manchmal wird auch eine Kurzgeschichte abgedruckt. Auf Seite acht der Wochenendbeilage erscheint ein großes Kreuzworträtsel und unter der Rubrik Pol & Pott – ein Wortspiel mit Pol Pot – ein mit einem Kochrezept ergänzter feuilletonistischer Beitrag.[20]

Des Weiteren erscheinen in der jungen Welt regelmäßig Beilagen u. a. zu den Themen Literatur, Antifa, Krieg/Frieden, Feminismus, Fußball, Wirtschaft, Politische Gefangene (in Zusammenarbeit mit der Roten Hilfe), Wein, Kinder, Semesteranfang/Studierende etc.

Positionen

Das Selbstbild der jungen Welt ist das einer unabhängigen marxistischen Tageszeitung, sie versteht sich als Teil einer linken Gegenöffentlichkeit. Die junge Welt propagiert die Notwendigkeit einer antikapitalistisch orientierten Linken, die das Ziel einer sozialistischen Gesellschaft verfolgt. Ihre Hauptlinie ist gegen die neoliberale Ideologie und Politik gerichtet und sieht einen Schwerpunkt im Antimilitarismus.[21] Das Credo der jungen Welt kennzeichnet eine antifaschistische Traditionslinie, die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit sowie die Verteidigung einer historischen Legitimität der DDR. Innenpolitisch ist die sozialpolitische Berichterstattung prägend. Die Reformpolitik der deutschen Bundesregierung wird abgelehnt. Viel Raum erhalten Initiativen gegen Sozialabbau, gewerkschaftliche Aktivitäten und Arbeitskämpfe. Umfassend werden auch Entwicklungen und Debatten in der Linkspartei.PDS und der WASG sowie später der Partei Die Linke, aber auch in kleineren linken Parteien und Gruppierungen, wie der DKP, Attac und der SAV, dargestellt.

Im Bereich internationaler Politik vertreten die Autoren der jungen Welt überwiegend einen antiimperialistischen Ansatz. Dies fand seinen Ausdruck beispielsweise in der Unterstützung der umstrittenen Kampagne 10 Euro für den irakischen Widerstand der Antiimperialistischen Koordination durch einige jW-Autoren. Im Schulterschluss mit Cuba Sí und anderen Solidaritätsorganisationen werden links-autoritäre Regierungen wie die von Kuba unterstützt.[22] Die Zeitung gibt unter anderem antizionistischen Positionen Raum und wird vom Verfassungsschutz des Bundes beobachtet.

Reichweiten und Internetpräsenz

Nach eigenen Angaben erreicht die Printausgabe 50.000 Leser. Ein unabhängig von der Zeitung erhobener Wert zur bezahlten Auflage existiert nicht, da die junge Welt diese nicht prüfen lässt. Nach Eigenangaben lag die Auflage seit dem Neustart von 1994 nicht mehr über 20.000. Nachdem die verkaufte Auflage Ende 2010 nach Eigenangaben 17.000 Exemplare betrug, stieg sie bis Januar 2013 auf 18.174 an.[23]

Seit einem Relaunch im Februar 2006 ist die junge Welt auch im Internet vollständig zu lesen, das Archiv ist für die zurückliegenden drei Monate frei zugänglich. Das Artikel-Archiv reicht bis 1997 zurück. Besucher können politische, soziale und kulturelle Veranstaltungen und Aktivitäten aus dem linken Spektrum in einem Terminkalender ankündigen. Beilagen und Serien sind ebenfalls online verfügbar. Ein Web-Feed wird angeboten. Im Monatsdurchschnitt kam die Internetseite der jW 2006 nach Eigenangaben auf 3,4 Millionen Seitenabrufe.

Chefredakteure

Bisherige Chefredakteure der jungen Welt (unvollständig):

Zeitraum Name Anmerkungen
Februar bis August 1947 Adolf Buchholz erster Chefredakteur, vorher Vorsitzender der FDJ in der Tschechoslowakei und in Großbritannien
August 1947 bis Februar 1948 Horst Brasch war 1965–1969 stellvertretender DDR-Kulturminister
Februar 1948 bis September 1949 Rudolf Mießner[24] später Mitarbeiter des Fernsehens der DDR
September 1949 bis Januar 1954 Heinz Stern[24] später Chefreporter des Magazins
1954–1960 Joachim Herrmann war 1978–1989 SED-Politbüromitglied
1960–1966 Dieter Kerschek später Chefredakteur der Berliner Zeitung
1966–1971 Horst Pehnert später stellvertretender Minister für Kultur und Leiter der Hauptverwaltung Film
1971–1977 Klaus Raddatz später stellvertretender Vorsitzender des Staatlichen Komitees für Fernsehen der DDR
1977–1984 Dieter Langguth später stellvertretender Leiter der Abteilung „Agitation“ des ZK der SED
1984 bis Herbst 1989 Hans-Dieter Schütt letzter Chefredakteur vor der Wende, später beim Neuen Deutschland
1989–1994 Jens König
1994 Günter Kolodziej
1994–1995 Oliver Tolmein
1995–1997 Klaus Behnken
1997–2000 Holger Becker
2000–2016 Arnold Schölzel promovierter Philosoph
seit 2016 Stefan Huth

Politische Einordnung

In Artikeln für die Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) zählt der freiberufliche Extremismusforscher und frühere Referent und Referatsleiter der Abteilungen für Linksextremismus und Linksterrorismus beim Bundesamt für Verfassungsschutz[25][26] Rudolf van Hüllen die jW zu den organisationsunabhängigen, linksextremistischen Periodika, die jW bediene „traditionskommunistische Vorstellungen“ und van Hüllen bezeichnet sie als „traditionsstalinistisch“.[27][28]

Verfassungsschutz

Die junge Welt wird vom Verfassungsschutz des Bundes (BfV) beobachtet. Im Verfassungsschutzbericht 2009 wurde die Zeitung als „ein bedeutendes Printmedium im linksextremistischen Bereich“ bezeichnet, in den Verfassungsschutzberichten ab 2010[29][30][31][32] als das bedeutendste und auflagenstärkste. Die politische und moralische Rechtfertigung der DDR und die Diffamierung der Bundesrepublik spielten eine bedeutende Rolle.[33] Sie pflege „eine traditionskommunistische Ausrichtung“ und propagiere „die Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft“. Der Verfassungsschutz vertritt weiterhin die Ansicht, dass einzelne Mitglieder der Redaktion und ein großer Teil der Autoren dem „linksextremistischen Spektrum“ zuzuordnen seien. Wiederholt sei festzustellen, dass in Beiträgen der jW (etwa über Kurdistan oder Irak) Gewalt als Mittel im Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus anerkannt werde. Über ausländische Guerilla- und Terrororganisationen wie die linksgerichtete kolumbianische FARC-EP, die baskische ETA und insbesondere palästinensische Gruppen, werde wohlwollend und unkritisch berichtet. Sie würden zu „Befreiungsbewegungen“ umgedeutet.[34][35] Sozialistische Staaten, insbesondere Kuba, würden verherrlicht.

Kontroversen und Kritik

Vorwurf des Antisemitismus

Anke Fiedler und Michael Meyen zeigen im Zusammenhang mit dem Antizionismus antisemitische Positionen in der Historie der jungen Welt auf. Sie heben die Gleichsetzung Israels mit den Nazis und dem Hitlerfaschismus durch die junge Welt hervor.[36] Laut Timo Stein knüpft das Blatt heute nahezu nahtlos an die antizionistisch-antiimperialistische Rhetorik der DDR an und überschreitet die Grenze zum Antisemitismus.[37]

Der Politikwissenschaftler Daniel Kilpert, ehemaliges Vorstandsmitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, warf der jW eine Verharmlosung antisemitischer Positionen des iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad vor. Er kritisiert zudem ihren Antizionismus; der Zionismus würde als eine „Form des Rassismus“ bezeichnet und die Souveränität Israels über ganz Jerusalem sei „alttestamentarischer[38] Unduldsamkeit geschuldet“. Ferner wurde in einem Artikel behauptet, dass die „deutschen Antisemitismus-Debatten“ nach „den Vorgaben israelischer Propagandaoffiziere“ verlaufen würden. In einem Kommentar hieß es dazu, „der Zionismus hat das kollektive Gedächtnis an die jüdische Leidensgeschichte zum religiös-chauvinistischen Kult der Auserwähltheit pervertiert.“ Mit Ismail Haniyya fand die Zeitung zudem 2006 einen „Hamas-Terroristen“ als Autor. Nach der Ablehnung eines kritischen Berichts über Ahmadinedschad richteten sechs Autoren einen offenen Brief an die junge Welt, in dem es heißt: „Die Blattlinie der jungen Welt folgt an vielen Punkten einer antiimperialistischen Hauptfeind USA- und -Israel-Linie. In letzter Zeit ergehen sich Kommentatoren der jW in einer unerträglichen Verniedlichung des offen antisemitischen Staatschefs des Iran, was nicht selten wie eine Legitimation dessen Politik wirkt. […] Wir fragen uns, wie man in Zukunft ähnlichen ‚Überlegungen‘ von Neonazis argumentativ entgegen treten will.“ Der offene Brief wurde von dem Blatt nicht abgedruckt und schließlich im Internet publiziert.[39]

Max Brym warf der jungen Welt in einem Beitrag für haGalil Antisemitismus und Antiamerikanismus vor.[40] Die Redaktionsspaltung von 1997 resultierte aus einem internen Konflikt über das Verhältnis zwischen Antiimperialismus und Antisemitismus. Ivo Bozic, Redakteur der daraus unter anderem hervorgegangenen Jungle World, warf dem jW-Redakteur Pirker einen „rabiaten Antizionismus“ und „Sympathien für den islamistischen Terror“ im Irak vor. Er verwies u. a. auf das Lob Rechtsextremer für Pirkers Buch Ami go home. Zwölf gute Gründe für einen Antiamerikanismus.[41]

Beschäftigung ehemaliger MfS-Mitarbeiter

In die Kritik geriet die Zeitung 2006/2007 von Seiten anderer Medien wie Der Spiegel[42] und Die Welt[43] aufgrund der Beschäftigung von früheren hauptamtlichen und inoffiziellen Mitarbeitern (IM) des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) als Redakteure und Mitarbeiter. So war Chefredakteur Arnold Schölzel unter dem Decknamen André Holzer langjährig als IM tätig. Peter Wolter, ehemaliger Ressortleiter Innenpolitik, wurde als Westjournalist für die Weitergabe von Informationen in der Bundesrepublik Deutschland zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.[43] Auch der ehemalige Agent Rainer Rupp (Deckname Topas) arbeitet als Autor für die Zeitung.[42] und der ehemalige Terrorist der Bewegung 2. Juni und spätere inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit Till Meyer (Deckname Waldorf) war eine Zeit lang Frankfurter Korrespondent der Zeitung.

Titelseite zum 50. Jahrestag des Mauerbaus 2011

Heftige Kritik erntete die Zeitung für ihre Titelseite vom 13. August 2011 anlässlich des 50. Jahrestages des Mauerbaus. Zu einem Foto von Angehörigen der Kampfgruppen auf der westlichen Seite des Brandenburger Tors am 14. August 1961 schrieb die Zeitung: „Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke!“[44] Darunter waren Gründe für den Dank angegeben, etwa „für 28 Jahre Friedenssicherung in Europa“, „28 Jahre Hohenschönhausen ohne Hubertus Knabe“, „für 28 Jahre Club Cola und FKK“ und „für munteren Sex ohne Feuchtgebiete und Bild-Fachwissen“.[45]

Diese Titelseite wurde vielfach als geschmacklos verurteilt. In einem Aufruf der innerparteilichen Strömung Emanzipatorische Linke der Partei Die Linke heißt es: „Wir fordern den Parteivorstand sowie alle verantwortlichen Funktions- und Mandatsträger der Partei Die Linke auf, jegliche Zusammenarbeit mit der Tageszeitung junge Welt zu beenden. Der Verherrlichung von Diktatur, von polizeilicher, geheimdienstlicher und militärischer Gewalt im Namen des Sozialismus darf keinerlei finanzielle und werbende Unterstützung zukommen.“[46] Ein weiterer ähnlich gerichteter innerparteilicher Aufruf erreichte in den ersten fünf Tagen ca. 400 Unterstützer.[47] 31 ehemalige DDR-Bürgerrechtler, Politiker und Intellektuelle forderten daraufhin von der Partei Die Linke ein Ende der Zusammenarbeit mit der jW. Gregor Gysi folgte dem Entschluss einiger anderer Linke-Bundestagsabgeordneter und kündigte an, sich über den bereits bestehenden Stopp von Anzeigen der Fraktion in der Print-Ausgabe hinaus auch für ein Ende der Schaltung von Anzeigen in der Online-Ausgabe einzusetzen.[48] Die Kritik aus der Linkspartei wird vorwiegend von den Strömungen Emanzipatorische Linke und Forum Demokratischer Sozialismus sowie dem Bundesarbeitskreis Shalom der Linksjugend Solid getragen. Mitglieder dieser Gruppen wurden in der jungen Welt häufiger für ihre Politik kritisiert. Den Boykottaufrufen gegen die junge Welt widersprach dagegen die innerparteiliche Strömung Antikapitalistische Linke. Sie kritisiert insbesondere, dass von den Boykotteuren mit zweierlei Maß gemessen werde. Sie hätten bisher weder gefordert, noch dazu aufgerufen, „jede Kooperation mit Medien einzustellen, die imperialistische Kriege in Afghanistan und andernorts propagieren, die den barbarischen Kapitalismus schönreden und Hartz IV verteidigen, die dem Überwachungsstaat das Wort reden“ oder die die Partei Die Linke regelmäßig diffamieren.[49] Für die DKP ist die Kritik an der Titelseite eine von „staatsnahen Medien aufgepeitschte Stimmung im Umfeld des 13. August“, die „offenbar dazu genutzt werden [soll], linke Opposition zu kriminalisieren.“[50] Nach Ansicht des Telepolis- und ehemaligen junge-Welt-Autors Peter Nowak lese sich die Titelseite so, „als hätten sich DDR-Patrioten und Satiriker zusammengetan.“[51]

Die Linke Medienakademie (Lima) nahm diese Titelseite zum Anlass, ihre Beziehungen zur jungen Welt einzustellen.[52]

Literatur

  • Norman Bock: Zwischen Verdrängung und Verklärung. Die "junge Welt" in der Auseinandersetzung mit der Geschichte des europäischen Kommunismus (= Extremismus und Demokratie. Bd. 29). Nomos, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-8487-1111-6.
  • Anke Fiedler, Michael Meyen: Fiktionen für das Volk: DDR-Zeitungen als PR-Instrument: Fallstudien zu den Zentralorganen Neues Deutschland, Junge Welt, Neue Zeit und Der Morgen. Lit Verlag, Berlin/Münster 2011, ISBN 978-3-643-11077-0.
  • Anke Fiedler, Michael Meyen: Wer jung ist, liest die Junge Welt - Die Geschichte der auflagenstärksten DDR-Zeitung. Lit Verlag, Berlin/Münster 2013, ISBN 978-3-86153-749-6.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Umsteigen, bitte!: Zeitung als Luxusgut? Das jW-Abonnement soll bezahlbar bleiben. In: junge Welt. 30./31. Mai 2015, S. 16.
  2. Diese Zeitung: Was ist die junge Welt?, auf: jungewelt.de.
  3. Ilko-Sascha Kowalczuk, Armin Mitter, Stefan Wolle (Hrsg.): Der Tag X – 17. Juni 1953. Die „Innere Staatsgründung“ der DDR als Ergebnis der Krise 1952/54. Ch. Links Verlag, 1995, ISBN 3-86153-083-X, S. 318.
  4. Die Junge Gemeinde, auf: jugendopposition.de.
  5. Uwe Stolzmann: Selbstanklage eines Verbohrten. In: Deutschlandradio Kultur. 7. Oktober 2009. Rezension des Buches von Hans-Dieter Schütt: Glücklich beschädigt. Republikflucht nach dem Ende der DDR. Berlin 2009.
  6. Arne Kapitza: Transformation der ostdeutschen Presse. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S. 119.
  7. Arne Kapitza: Transformation der ostdeutschen Presse. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S. 161ff.; Christoph Links: Das Schicksal der DDR-Verlage. Christoph Links Verlag, Berlin 2009, S. 261f.
  8. Arne Kapitza: Transformation der ostdeutschen Presse. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S. 168.
  9. Arne Kapitza: Transformation der ostdeutschen Presse. Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S. 168.
  10. Über die Rosa-Luxemburg-Konferenz
  11. Wie man einen Dschungel pflanzt jungle-world.com vom 27. Juni 2007
  12. [1]
  13. [2]
  14. jW Nr. 19 vom 23./24. Januar 2010
  15. Informationen zur Genossenschaft Genossenschaftsmitglieder laut Website (Stand: 21. September 2012)
  16. Unsere Genossenschaft. Abgerufen am 19. Januar 2016.
  17. Anna Conrads wird Genossenschaftsmitglied der LPG junge Welt eG, auf: anna-conrads.de, 5. Oktober 2010.
  18. Von wegen Krise: Linke Tageszeitung übernimmt Musikzeitschrift. (Memento vom 22. Januar 2009 im Internet Archive) auf: presseportal.de, 22. Dezember 2008.
  19. Färbt ab: Ein »Shitstorm«. In: Junge Welt. 25. Februar 2012, S. 16.
  20. Rubrik 'Pol & Pott' in der jungen Welt
  21. [3] Unsere Genossenschaft. Eine Broschüre der Linke Presse Verlags-, Förderungs- und Beteiligungsgenossenschaft junge Welt eG, Dezember 2014, S. 5
  22. Bewegende Preisverleihung. auf: jungewelt.de, 22. Juni 2011.
  23. Der Kampf geht weiter. auf: jungewelt.de, 31. Dezember 2010.
  24. a b Martin Broszat, Hermann Weber, Gerhard Braas (Hrsg.): SBZ-Handbuch: Staatliche Verwaltungen, Parteien, gesellschaftliche Organisationen und ihre Führungskräfte in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–1949. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 1993, ISBN 3-486-55262-7, S. 689.
  25. Friedrich Burschel: Verfassungsschutzwissenschaftsjournalismus. Der ehrbare Karriereweg von der Uni über den Geheimdienst in die Publizistik, Forschung und Bildung. Rosa Luxemburg Stiftung, 2013.
  26. Stefan Schölermann, Nachrichtendienst: CDU will Enquetekommission, in: NDR Info, 17. März 2014, siehe auch: [4].
  27. Rudolf van Hüllen: Linksextremistische Medien. Bundeszentrale für politische Bildung, 16. April 2008.
  28. Rudolf van Hüllen: "Antiimperialistische" und "antideutsche" Strömungen im deutschen Linksextremismus Bundeszentrale für politische Bildung, 5. Januar 2015
  29. Verfassungsschutzbericht 2010- Vorabfassung. Juli 2011, S. 113.
  30. Verfassungsschutzbericht 2011
  31. http://www.verfassungsschutz.de/embed/vsbericht-2012.pdf Verfassungsschutzbericht 2012
  32. https://www.verfassungsschutz.de/download/vsbericht-2015.pdf Verfassungsschutzbericht 2015
  33. Verfassungsschutzbericht 2009. (PDF; 4,3 MB) 21. Juni 2010, S. 149 ff, archiviert vom Original am 4. Juli 2010; abgerufen am 20. Mai 2011., Verfassungsschutzbericht 2010. Juli 2011, S. 113.
  34. Verfassungsschutzbericht 2006. Juni 2007, S. 152 ff, archiviert vom Original am 6. August 2009; abgerufen am 20. Mai 2011.
  35. Verfassungsschutzbericht 2007. Juni 2008, S. 135 ff, archiviert vom Original am 20. September 2008; abgerufen am 20. Mai 2011.
  36. Anke Fiedler, Michael Meyen: Fiktionen für das Volk: DDR-Zeitungen als PR-Instrument : Fallstudien zu den Zentralorganen Neues Deutschland, Junge Welt, Neue Zeit und Der Morgen, LIT Verlag Münster, 2011, ISBN 978-3-643-11077-0, S. 209.
  37. Timo Stein: Zwischen Antisemitismus und Israelkritik. Springer, 2011, ISBN 978-3-531-94002-1, S. 85.
  38. Zum Begriff „alttestamentarisch“ vgl. Georg Freuling: alttestamentarisch / alttestamentlich. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff., abgerufen am 12. September 2015.
  39. Daniel Kilpert: Antisemitismus von links. Bundeszentrale für politische Bildung, 28. November 2006.
  40. haGalil.com: Eine Ausstellung in Schweden und die „junge Welt“, 23. Januar 2004; Jungle World: Gegendarstellung, 17. März 1999.
  41. Jungle World: Rotbraunes Waffenarsenal, 1. Februar 2006.
  42. a b Sichtbare Front. In: Der Spiegel. Nr. 28, 2006 (online).
  43. a b Die schöne junge Welt der Stasiveteranen. auf: welt.de, 21. März 2007.
  44. Wir sagen an dieser Stelle einfach mal: Danke. auf: jungewelt.de, 13. August 2011. Abgerufen am 13. August 2011.
  45. Carsten R. Hoenig: Die Linke sagt Danke. 13. August 2011. Unter dem Artikel ist jw-Titelseite vom 13. August 2011 abgebildet.
  46. Kampagne des Tages: NO TO junge Welt. Auf: jungewelt.de, 17. August 2011. Abgerufen am 18. August 2011.
  47. Aufruf „Freiheit und Sozialismus“
  48. Matthias Meisner: Gysi will nicht mehr in der „Jungen Welt“ werben. In: Der Tagesspiegel. 18. August 2011.
  49. Angriff auf die Pressefreiheit. auf: jungewelt.de, 19. August 2011. Abgerufen am 23. August 2011.
  50. Meinungsfreiheit verteidigen! auf der Website der Berliner DKP vom 18. August 2011. Abgerufen am 23. August 2011.
  51. Peter Nowak: Die Mauer, eine Satire und ihre Opfer. In: Telepolis. 18. August 2011. Abgerufen am 19. August 2011.
  52. „junge Welt“ nicht länger Medienpartner. Auf: linke-journalisten.de, 17. August 2011.
    Auf Abwegen. junge Welt, 23. August 2011.