Koran

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Die erste Sure al-Fātiha in einer Handschrift vom Kalligraphen Aziz Efendi. (Transkription und Übersetzung auf der Bildbeschreibungsseite)
Teil eines Verses aus der 48. Sure Al-Fath in einer Handschrift aus dem 8. oder 9. Jahrhundert.

Der Koran oder Qur'an [qurˈʔaːn] (arabisch القرآن al-qurʾān ‚die Lesung, Rezitation, Vortrag‘) ist die heilige Schrift des Islams, die gemäß dem Glauben der Muslime die wörtliche Offenbarung Gottes (arab. Allah) an den Propheten Mohammed enthält, vermittelt durch „Verbalinspiration“ des Engels Gabriel („Diktatverständnis“ des Korans). Er ist in einer speziellen Reimprosa abgefasst, die auf Arabisch als Sadschʿ bezeichnet wird. Der Koran besteht aus 114 Suren, diese bestehen wiederum aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen (آيات / āyāt).

Ein wichtiges Kennzeichen des Korans ist seine Selbstreferentialität.[1] Das bedeutet, dass der Koran sich an vielen Stellen selbst thematisiert. Auch die meisten Glaubenslehren der Muslime hinsichtlich des Korans stützen sich auf solche selbstreferentiellen Aussagen[2] im Koran. Maßgeblich für alle modernen Ausgaben ist die orthographisch standardisierte Edition der Kairoer Al-Azhar-Universität von 1924.

Der Koran als Glaubensgrundlage

Mohammeds Aufruf zum Prophetentum und die erste Offenbarung; Blatt aus einer Kopie des Madschma at-tawarich (Maǧmaʿ at-tawārīḫ), ca. 1425, timuridisch, aus Herat (heute im Metropolitan Museum of Art)

Der Koran stellt nach islamischem Glauben das Wort Gottes in arabischer Sprache dar, dem Folge zu leisten ist. Er ist die Hauptquelle des islamischen Gesetzes, der Scharia, weitere Quelle der Scharia ist unter anderem die Sunna des Propheten Mohammed. Daneben gilt der Koran auch als ästhetisches Vorbild für arabische Rhetorik und Dichtung. Seine Sprache beeinflusste darüber hinaus stark die Entwicklung der arabischen Grammatik. Neben den erhaltenen Fragmenten der vorislamischen Dichter galt und gilt das koranische Arabisch als Richtschnur für die Korrektheit sprachlichen Ausdrucks.

Im Arabischen wird der Koran mit dem Attribut karīm (edel, würdig) versehen. Unter deutschsprachigen Muslimen ist der Begriff „der Heilige Qur'an“ gebräuchlich.

Gemäß der Überlieferung nach Mohammeds Cousin Ibn ʿAbbās und seinem Schüler Mudschāhid ibn Dschabr fand die erste Offenbarung in der Höhle im Berg Hira statt.[3] Es sind die ersten fünf Verse der Sure 96. Sie beginnt mit den Worten:

« اقرأ باسم ربّك الّذي خلق »

« iqraʾ bi-smi rabbika ’llaḏī ḫalaq »

„Trag vor im Namen deines Herrn, der erschaffen hat!“

Allgemein wird angenommen, dass Mohammed weder lesen noch schreiben konnte, weshalb die Muslime glauben, dass der Erzengel Gabriel ihm den Befehl gab, das zu rezitieren/vorzutragen, was vorher in sein Herz geschrieben wurde. Daher hat der Koran auch seinen Namen: „Lesung/Rezitation“.

Der islamischen Überlieferung, der Sira-Literatur und der Koranexegese (Tafsir) zufolge trat Mohammed nach der ersten Offenbarung aus der Höhle, und der Erzengel Gabriel baute sich in alle Blickrichtungen vor ihm auf. Von diesem Erlebnis soll Mohammed so erschüttert gewesen sein, dass er zitternd zu seiner Frau Chadidscha heimkehrte, die ihn in eine Decke wickelte, worauf die Sure 74 offenbart wurde:

„Der du dich (mit dem Obergewand) zugedeckt hast, erhebe dich und warne (deine Landsleute vor der Strafe Gottes)! Und preise deinen Herrn …“

Der Überlieferung zufolge soll ʿAlī ibn Abī Tālib Augenzeuge der ersten Offenbarung gewesen sein. In den folgenden 22 Jahren wurde Mohammed der gesamte Koran offenbart, wobei viele Verse Bezug auf aktuelle Geschehnisse der Zeit nehmen. Andere Verse erzählen von den Propheten (Adam, Abraham, Noah, Josef, Moses, ʿĪsā ibn Maryam (Jesus) und weiteren) und wieder andere enthalten Vorschriften und allgemeine Glaubensgrundsätze. Dabei wendet sich der Koran an alle Menschen. Es werden auch Nichtgläubige und Angehörige anderer Religionen angesprochen.

Einteilung des Textes

Suren und Verse

Die Suren und ihre Namen

Der Koran besteht aus 114 mit Namen versehenen Suren. Während man in der nicht-islamischen Welt bei Koranzitaten üblicherweise die Suren mit ihrer Nummer nennt, wird in Veröffentlichungen von muslimischer Seite bei Koranzitaten meist auf deren arabischen Namen verwiesen. Die Benennung der Sure richtet sich nach einem bestimmten Wort, das in ihr vorkommt, beschreibt jedoch nicht unbedingt ihren Hauptinhalt. Inhaltlich sind viele Suren als unzusammenhängend zu betrachten – die Sure An-Nisa (die Frauen) beispielsweise enthält zwar einen wichtigen Teil der Koranstellen mit Bezug auf Frauen, spricht aber ansonsten auch über das Erbrecht sowie über generelle Glaubensinhalte. Ebenso die zweite Sure (Al-Baqara – Die Kuh), welche zwar eine Geschichte mit einer Kuh als Schlachtopfer enthält, jedoch einen Großteil der gesetzlichen Regeln und der Glaubensinhalte vermittelt.

Die Anordnung der Suren folgt keinem inhaltlichen Muster; vielmehr sind die Suren, mit Ausnahme der ersten Sure Al-Fātiha, grob der Länge nach geordnet (beginnend mit der längsten). Beispielsweise ist die kürzeste Sure die 108. mit nur drei Versen und 42 bzw. 43 Buchstaben, wenn ein Hamza hier als Buchstabe gezählt wird. Auch viele andere Suren weichen von der Anordnung nach der Länge ab, was von den Muslimen als Zeichen dafür gesehen wird, dass die Anordnung nicht willkürlich geschah. Die Muslime sind überzeugt, dass die Anordnung der Suren vom Propheten Muhammad so überliefert wurde. Im Gebet ist es deshalb unerwünscht, eine spätere vor einer früheren Sure zu rezitieren. Im Gegensatz zum Tanach der Juden und zur Bibel der Christen, die zu bedeutenden Teilen aus chronologisch geordneten Geschichtsbüchern bestehen, gibt es eine solche Ordnung weder innerhalb der Suren noch in ihrer Anordnung, obwohl die chronologische Folge der Suren als bestimmbar angenommen wird.[4][5]

Name, Anzahl der Verse und Offenbarungsort – Mekka oder Medina – werden in modernen Koranausgaben gewöhnlich im Titel der Suren angegeben. Von den 114 Suren des Korans beginnen fast alle mit der Basmala (bi-smi llāhi r-rahmâni r-rahīm / بسم الله الرحمن الرحيم / ‚Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen.‘). Nur in Sure 9 fehlt diese Formel.

Die verschiedenen Verszählungen

Fragment einer Koran-Handschrift aus dem 14. Jahrhundert mit einer Dschuz'-Markierung am rechten Rand

Die Suren bestehen jeweils aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen (āyāt, sg. āya). Hierbei gibt es grundsätzlich sieben verschiedene Systeme der Verszählung, die schon im 8. Jahrhundert entstanden sind und nach den großen Zentren der Korangelehrsamkeit benannt sind: Kufa, Basra, Damaskus, Homs, Mekka, Medina I und Medina II.[6] Allerdings gibt es nur für zwei dieser Systeme feste, eindeutige Gesamtverszahlen, nämlich 6.236 für Kufa und 6.204 für Basra.[7] Die heutige Verszählung richtet sich üblicherweise nach der 1924 erschienenen ägyptischen Standardausgabe, die der kufischen Verszählung folgt.[8] Neben diesen Verszählungen begegnet in der älteren orientalistischen Literatur noch eine andere Verszählung, die auf Gustav Flügel zurückgeht und keiner islamischen Verszählungstradition verpflichtet ist.[9] Eine Synopse der kairinischen und der Flügel'schen Zählung bietet die vom Reclam-Verlag herausgegebene Koranübersetzung von Max Henning.[10]

Eine weitere Form der Verszählung liegt in der Ahmadiyya-Ausgabe des Korans vor. Hier wird anders als in der ägyptischen Standardausgabe jeweils die Basmala als erster Vers mitgezählt, wodurch sich die Zählung der folgenden Verse jeweils um einen Vers verschiebt (z. Bsp.: 2:30 → 2:31). In den Koranausgaben, die auf der ägyptischen Ausgabe basieren, wird die Basmala dagegen nur bei der ersten Sure Al-Fātiha als eigener Vers mitgezählt. Da die Verszahlen nicht als Teil der Offenbarung gelten, werden sie in den oft kunstvoll ornamentierten Koranbüchern mit einer Umrandung von dem Offenbarungstext ausgeschlossen. Auch andere Seitenzahlen bleiben außerhalb des Offenbarungstextes, der klar ersichtlich abgegrenzt wird.

Einteilungen für liturgische Zwecke

Kolophon des neunten Dschuzʾ einer Rabʿa aus dem 12. Jahrhundert im Walters Art Museum

Während Suren und Verse eine sehr unterschiedliche Länge aufweisen, gibt es noch verschiedene andere Einteilungen des Korans, die den Text in gleich lange Abschnitte gliedern. Sie finden vor allem in der Liturgie Verwendung und dienen als Maßeinheiten zur Festlegung von Gebetspensen. Die wichtigsten derartigen Maßeinheiten sind der 30. Teil des Korans, Dschuzʾ genannt (جزء / ǧuzʾ, Plural أجزاء / aǧzāʾ), und der 60. Teil des Korans, Hizb genannt (حزب / ḥizb, Plural أحزاب / aḥzāb). Die Grenzen zwischen den einzelnen Dschuzʾ- und Hizb-Abschnitten befinden sich meistens mitten in einer Sure.

Die Einteilung des Korans in dreißig Teile ist besonders für den Ramadan-Monat wichtig, denn es ist eine beliebte Praxis, verteilt auf die dreißig Ramadan-Nächte, eine Chatma, also eine Komplettlesung des Korans, vorzunehmen. Dschuzʾ- und Hizb-Einteilungen sind üblicherweise an den Rändern der Koranexemplare markiert, manchmal sind sogar die einzelnen Viertel des Hizb gekennzeichnet.[11]

Für die gemeinsame Koranrezitation bei feierlichen Anlässen wurden in vormoderner Zeit die Dschuzʾ-Abschnitte auch häufig einzeln abgeheftet und in einem speziellen Holzkasten, der Rabʿa genannt wurde, untergebracht. Verschiedene muslimische Herrscher wie Sultan Kait-Bay oder Sultan Murad III. ließen derartige Rabʿa-Kästen in kostbarer Ausführung anfertigen und stifteten sie den heiligen Stätten in Mekka, Medina und Jerusalem.[12] Dort waren ausgebildete Koranleser damit beauftragt, täglich daraus zu rezitieren.[13]

Geschichte

Von der Lesung zum Buch

Der Koran entstand in einem Zeitraum von knapp zwei Jahrzehnten. Nach dem Ort der Offenbarung wird zwischen mekkanischen und medinensischen Suren unterschieden. Die mekkanischen Suren werden noch einmal in früh-, mittel- und spätmekkanische Suren unterteilt.

Der Prozess der Buchwerdung des Korans lässt sich anhand der frühen Entwicklung des arabischen Begriffs qurʾān, der dem deutschen Wort „Koran“ zugrunde liegt, nachverfolgen. Er kommt etwa 70 Mal im Koran selbst vor. Seine ursprüngliche Bedeutung ist „Vortrag, Lesung, Rezitation“. In diesem Sinne erscheint er zum Beispiel in zwei Passagen aus mittelmekkanischer Zeit, in denen sich Allah an Mohammed wendet:[14]

„Und übereile Dich nicht mit dem Vortrag (qurʾān), bevor nicht seine Eingebung vollendet ist“

Sure 20:114

„Verrichte das Gebet vom Niedergang der Sonne an bis zum Einbruch der Nachtfinsternis, und die Rezitation (qurʾān) der Morgendämmerung. Bei ihr soll man zugegen sein.“

Sure 75:16–18

In der islamischen Lehrtradition wird das Wort dementsprechend als Verbalsubstantiv zum arabischen Verb qaraʾa (قرأ / ‚vortragen, lesen‘) erklärt. Moderne westliche Gelehrte hingegen haben die Vermutung geäußert, dass es sich um eine Entlehnung vom syrischen Wort qeryânâ handelt, das in der christlichen Liturgie eine Perikopenlesung bezeichnet. Tatsache ist, dass das Wort in vorkoranischer Zeit im Arabischen nicht bezeugt ist.[15]

In einigen Versen, die ebenfalls aus mittelmekkanischer Zeit stammen, bezeichnet der Begriff qurʾān bereits einen vorgetragenen Text. So wird es in Sure 72:1f dem Propheten mitgeteilt, dass eine Gruppe von Dschinn gelauscht und anschließend gesagt habe: „Siehe, wir haben einen wunderbaren qurʾān gehört, der auf den rechten Weg führt, und wir glauben nun an ihn“.

Im Laufe der Zeit erhielt dann der Begriff die Bedeutung einer in Buchform vorliegenden Sammlung von Offenbarungen. So wird der qurʾān in verschiedenen Passagen, die der frühmedinensischen Zeit zugeordnet werden (Sure 12:1f; 41:2f; 43:2f), als die arabische Version von „dem Buch“ (al-kitāb) ausgewiesen. In Sure 9:111, einer Passage, die auf das Jahr 630 datiert wird,[16] erscheint der qurʾān schließlich als ein heiliges Buch in einer Reihe mit der Tora und dem Evangelium. Zwar ist der Prozess der Buchwerdung damit noch nicht abgeschlossen, doch lässt sich erkennen, dass der Koran bereits als ein Buch aufgefasst wurde.[17] Als einer der letzten geoffenbarten Verse des Korans gilt Sure 5:3. Von diesem Vers wird überliefert, dass Mohammed ihn erstmals wenige Monate vor seinem Tod bei der sogenannten Abschiedswallfahrt den Gläubigen vortrug.[18]

Die Sammlung des Korans

Taschkenter Koran (9. Jahrhundert)

Vor dem Tod des Propheten Mohammed waren bereits verschiedene Teile des Korans schriftlich niedergeschrieben worden, und nach Abstimmung mit allen, die den Koran sowohl mündlich (Hafiz) als auch schriftlich bewahrt hatten, entstand nach dem Tode des Propheten Mohammed im Jahre 11 n. H. (632 n. Chr.) zu Zeiten des ersten Kalifen Abū Bakr der erste Koran-Kodex (مصحف muṣḥaf), um ihn vor dem Verlorengehen oder Verwechseln mit anderen Aussagen des Propheten Mohammed zu bewahren.

Der dritte Kalif, Uthman ibn Affan (644–656), ließ diese ersten Koran-Kodizes, die auch z. T. in anderen Dialekten als dem quraischitischen Dialekt – dem Dialekt des Propheten Mohammed – abgefasst waren, einsammeln und verbrennen, um dann einen offiziell gültigen Koran herzustellen. Dabei mussten mindestens zwei Männer bei jedem Vers bezeugen, dass sie diesen direkt aus dem Munde des Propheten Mohammed gehört hatten. Sechs Verse im Koran sind aber nur von einem Zeugen, nämlich Zaid ibn Thabit, dem ehemaligen Diener des Propheten Mohammed, auf diese Weise bezeugt worden. Dass diese Verse heute doch im Koran stehen, hängt damit zusammen, dass der Kalif ausnahmsweise die Zeugschaft von Zaid alleine akzeptierte, obwohl eigentlich mindestens zwei Männer bezeugen mussten.

Nach der islamischen Überlieferung wurden fünf Abschriften des uthmanischen Kodex in die verschiedenen Städte versandt, und zwar nach Medina, Mekka, Kufa, Basra und Damaskus. Gleichzeitig erging die Anordnung, alle privaten Koranaufzeichnungen zur Vorbeugung falscher Überlieferungen zu verbrennen. Man nahm früher an, dass die Abschrift, die nach Medina gesandt wurde, sich heute in Taschkent befindet und ein zweites Exemplar im Topkapi-Museum in İstanbul verwahrt wird. Beide Exemplare sind aber in kufischer Schrift, die sich in das 9. Jahrhundert n. Chr. datieren lässt, aufgeschrieben worden und somit wohl frühestens 200 Jahre nach Mohammed entstanden. In einer Bibliothek in Birmingham, der Cadbury Research Library, entdeckte man 2015 zwei Pergamentblätter, die sich in einer Koranausgabe des späten 7. Jahrhunderts befanden, und die sich auf die Zeit zwischen 568 und 645 mittels Radiocarbonmethode datieren ließen. Die Blätter enthalten Teile von Sure 18 bis 20, geschrieben mit Tinte in einer frühen Schriftform des Arabischen, des Hijazi. Damit zählen sie zu den ältesten Koranstücken der Welt.[19]

Auch die heutige Anzahl und Anordnung der Suren gehen auf die Redaktion von Uthman zurück. Der Koran-Kodex des ʿAbdallāh ibn Masʿūd, der nach der Einführung des uthmanischen Kodexes noch eine Zeit weiter benutzt wurde, hatte nur 110 oder 112 Suren, die anders angeordnet waren.[20] Charidschitische Gruppen im Iran bestritten, dass Sure 12 und Sure 42 Bestandteil des ursprünglichen Korans gewesen seien.[21] Handschriftenfunde in der Großen Moschee von San'a deuten an, dass Korankodices aus dem ersten muslimischen Jahrhundert (7. Jahrhundert n. Chr.) bedeutende Unterschiede in der Orthographie, in den Lesarten (d. h. im Inhalt) und den Anordnungen der Suren aufweisen.

Die arabische Schrift des Uthman'schen Kodex kannte noch keine diakritischen Punkte, wie sie in der heutigen arabischen Schrift verwendet werden, um gleich aussehende Konsonanten zu unterscheiden. Deshalb war das mündliche Beherrschen des Textes wichtig, und die Schriftform diente vor allem als Gedächtnishilfe.

In den Orten mit Abschriften des uthmanischen Kodexes entwickelten sich verschiedene Lesarten des Korans. Die islamische Tradition hat später sieben solcher Lesetraditionen als „kanonisch“ anerkannt.[22] Erst Anfang des 8. Jahrhunderts wurden die Buchstaben im Korantext mit diakritischen Zeichen versehen. Die Initiative dazu ging auf al-Haddschādsch ibn Yūsuf zurück, den Statthalter des umayyadischen Kalifen Abd al-Malik im Irak, der auf diese Weise alle Uneindeutigkeiten in der Überlieferung des Korans ausräumen wollte. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Belege für die Bedeutung des Korans im öffentlichen Leben der Muslime, denn Abd al-Malik ließ die von ihm geprägten Münzen sowie die Inschriften des von ihm errichteten Felsendoms mit Koranzitaten (insbesondere Sure 112) versehen.[23]

Theologische Diskussionen über das Wesen des Korans

Im Koran selbst finden sich einige Aussagen über seine himmlische Herkunft. So ist in Sure 85:21 von einer wohlverwahrten Tafel (lauḥ maḥfūẓ) die Rede, auf der sich der Koran befinden soll und in Sure 43:3f wird ausgesagt, dass es zu dem arabischen Koran ein „Urbuch“ (Umm al-kitāb) gibt, das sich bei Gott befindet. Es wird außerdem mitgeteilt, dass der Koran im Monat Ramadan (Sure 2:185) bzw. in der „Nacht der Bestimmung“ (Sure 97 „Al-Qadr“) von Gott herabgesandt wurde. Später wurden diese Aussagen im Bereich des sunnitischen Islams so interpretiert, dass der Koran in der „Nacht der Bestimmung“ in die unterste Himmelssphäre herabgesandt und von hier aus Mohammed während seines zwanzigjährigen Wirkens als Prophet jeweils dann, wenn sich die entsprechenden Offenbarungsanlässe ergaben, in Einzelteilen übermittelt.[24] Aus den genannten Aussagen im Koran wurde allgemein geschlossen, dass dem Koran ein übernatürliches Wesen zukommt.

Um die Mitte des 8. Jahrhunderts kam es allerdings zu heftigen Diskussionen, als verschiedene Theologen aus dem Kreis der Murdschi'a die Präexistenz des Korans in Zweifel zogen und die Theorie der Erschaffenheit des Korans (ḫalq al-Qurʾān) aufbrachten. Während die Traditionalisten diese Theorie bekämpften, wurde sie von den Muʿtaziliten und Ibaditen übernommen und weiter ausgearbeitet. Die drei Kalifen al-Maʾmūn, al-Muʿtasim und al-Wāthiq erhoben die Lehre von der Unerschaffenheit des Korans sogar zur offiziellen Doktrin im Abbasidenstaat und ließen alle diejenigen, die sich nicht dazu bekennen wollten, im Zuge der Mihna inquisitorisch verfolgen. In dieser Situation entwickelte der Theologe Ibn Kullāb eine Zwischenposition, indem er zwischen dem Inhalt der Offenbarung und seiner „Ausdrucksform“ (ʿibāra) differenzierte. Er lehrte, dass nur Ersteres unerschaffen und anfangsewig sei, während die Ausdrucksform der Rede Gottes in der Zeit variieren könne. Diese Lehre wurde später von den Aschʿariten übernommen.

Zwar bestritten die Muʿtaziliten die Unerschaffenheit des Korans, doch entwickelten sie dafür das Dogma von der „Unnachahmlichkeit des Korans“ (iʿdschāz al-qurʾān). Dieses stützte sich auf verschiedene Stellen im Koran, an denen die Ungläubigen aufgefordert werden einzugestehen, dass sie nicht imstande sind, etwas dem Koran Ebenbürtiges hervorzubringen (vgl. Sure 2:223; 11:13), bzw. an denen deutlich ausgesagt wird, dass, selbst wenn Menschen und Dschinn sich zusammentäten, sie nichts Ebenbürtiges hervorbringen könnten (vgl. Sure 17:88). Der Koran gilt damit gleichzeitig als „Beglaubigungswunder“ für den prophetischen Anspruch Mohammeds.[25] Dieses Iʿdschāz-Dogma hat später im Islam allgemeine Verbreitung gefunden.[26]

Auslegung und Entwicklung der Koranwissenschaften

Der Koran bildete die Grundlage für zahlreiche Zweige der arabischen Wissenschaft. Aus dem Bedürfnis nach Auslegung (Exegese) des Offenbarungsinhalts entwickelte sich die ilm at-tafsir, die Wissenschaft der (Koran-)Interpretation. Ausführliche, oft Dutzende Bände füllende Kommentarwerke sind vom 2. muslimischen Jahrhundert an (8. Jahrhundert n. Chr.) entstanden; zu den berühmtesten zählen die von 'Abd al-Razzâq al-San'ânî, al-Baghawî, Ibn Abî Hâtim, Tabari, Qurtubi, Risale-i Nur, Ibn Kathīr und anderen.

Übersetzungen des Korans

Arabischer Koran mit persischer Interlinearübersetzung

Allgemein

Eine wirkliche Übersetzung des Korans gilt in der traditionellen islamischen Theologie als unmöglich, da jede Übersetzung zugleich eine Interpretation enthält. Daher wird das Studium des Korans im arabischen Originaltext empfohlen. Einige Sufis zum Beispiel glauben, es sei segensreicher, sich die arabischen Buchstaben eines Korantextes anzuschauen, auch wenn man kein Arabisch versteht, als eine schlechte Übersetzung zu lesen. Allerdings sind schon im Mittelalter verschiedene persische und türkische Übersetzungen des Korans erstellt worden.

Ab dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Koran in verschiedene indische Sprachen übersetzt. Den Anfang machte der Brahmo-Gelehrte Girish Chandra Sen mit der Übersetzung in die Bengalische Sprache (1881–1883).[27]

Übersetzungen ins Deutsche

Titelblatt der ersten direkt aus dem Arabischen erstellten deutschen Koranübersetzung von Megerlein 1772 →„Die türkische Bibel, oder des Korans allererste deutsche Uebersetzung direkt aus der Arabischen Urschrift

Die erste Übersetzung ins Deutsche stammt vom Nürnberger Pfarrer Salomon Schweigger 1616. Er übersetzte dabei die erste italienische Fassung aus dem Jahre 1547 von Andrea Arrivabene, die ihrerseits auf einer lateinischen Übersetzung aus dem 12. Jahrhundert basierte. Der Orientalist Friedrich Rückert übertrug in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts weite Teile des Korans in gebundener Sprache ins Deutsche. Rückerts Übersetzung versucht den Klang des koranischen Arabisch im Deutschen wiederzugeben, hat aber Textstellen nach eigenem Ermessen ausgelassen. Rudi Paret, dessen Übersetzung (Erstausgabe 1962) in Fachkreisen als die philologisch zuverlässigste gilt,[28] setzt demgegenüber bei unterschiedlich zu verstehenden Passagen die zusätzlichen Übersetzungsmöglichkeiten bzw. die wörtliche Bedeutung (mit einem w. gekennzeichnet) in Klammern dahinter.

1939 erschien eine von der Ahmadiyya-Gemeinde herausgegebene Koranübersetzung; sie gilt als erste deutsche, durch Muslime herausgegebene Koranübersetzung.[29][30] Es folgten danach weitere Übersetzungen, u. a. durch den arabisch-christlichen Theologieprofessor Adel Theodor Khoury (traditionsgebunden, vom Islamischen Weltkongress unterstützt), von Lazarus Goldschmidt, von Ahmad von Denffer und von Max Henning (Reclam).

Die Übersetzung von Henning ist von Murad Wilfried Hofmann überarbeitet und mit Anmerkungen versehen worden. Die Überarbeitung wird von vielen seiner Glaubensgenossen aus dem deutschen Sprachraum geschätzt, von Seite der Islamwissenschaften teils deutlich kritisiert.[31] Eine zeitgenössische Übersetzung, die auch den arabischen Text und gleichzeitig zu jedem Vers eine Auswahl aus wichtigen, ins Deutsche übersetzten Kommentaren bringt, wurde von einer Gruppe deutschsprachiger Muslima unter Leitung von Fatima Grimm unter dem Titel Die Bedeutung des Koran herausgegeben. Eine weitere Übersetzung hat Muhammad Rassoul unter dem Titel Die ungefähre Bedeutung des Al-Qur’an Al-Karim in der Islamischen Bibliothek veröffentlicht. Dies ist die Übersetzung, die auf der Website des ZMDs[32] zu finden ist.

Eine Bearbeitung in zeitgenössischer deutscher Sprache, die sich auch an Kinder und Jugendliche wendet, wurde im Jahr 2008 von den Islamwissenschaftlerinnen Lamya Kaddor und Rabeya Müller erstellt. Die Neuübersetzung soll nach Lamya Kaddor „den Respekt vor dem heiligen Buch der Muslime mit einem verständlichen Zugang verbinden“.[33]

Siehe auch

Portal: Islam – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Islam

Literatur

Einführungen

Deutsche Koranübersetzungen

Älteste deutsche Übersetzungen

siehe Koranübersetzung

Neue Übersetzungen

Weblinks

Wiktionary: Koran – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikiquote: Koran – Zitate
Commons: Koran – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Der Koran im Internet

Weblinks zu einzelnen Übersetzungen finden sich unter Koranübersetzung

Weitere Links

Einzelnachweise

  1. Stefan Wild (Hrsg.): Self-referentiality in the Qurʾān. Wiesbaden 2006.
  2. Sure 2:2: „Dies ist die Schrift, an der nicht zu zweifeln ist, (geoffenbart) als Rechtleitung für die Gottesfürchtigen.“
  3. Adel Theodor Khoury: Der Koran. Band 12. Gütersloher Verlagshaus, 1987, ISBN 3-579-00336-4, S. 497.
  4. Mission Islam: Revelation Order of the Qur'an
  5. Hans Bauer: Über die Anordnung der Suren und über die geheimnisvollen Buchstaben im Qoran – Über die Anordnung der Suren und über die geheimnisvollen Buchstaben im Qoran. In: Zeitschriften der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft. Nr. 75, 1921, S. 1–20; im Online-Archiv der Universitäts- und Landesbibliothek Sachsen-Anhalt
  6. Vgl. Bergsträßer/Pretzl: Die Geschichte des Korantexts. 1938. S. 237.
  7. Vgl. Anton Spitaler: Die Verszählung des Koran nach islamischer Überlieferung. C.H. Beck, München, 1935. S. 17f.
  8. Vgl. Bergsträßer/Pretzl: Die Geschichte des Korantexts. 1938. S. 273.
  9. Vgl. Alford T. Welch: "al-Qurʾān" in EI² S. 411a.
  10. Der Koran. Aus dem Arabischen übersetzt von Max Henning. Einleitung und Anmerkungen von Annemarie Schimmel. Philipp Reclam jun., Stuttgart, 1960.
  11. W. Montgomery Watt, Alford T. Welch: Der Islam I. Mohammed und die Frühzeit, islamisches Recht, religiöses Leben. Stuttgart 1980. S. 210.
  12. Zur Rabʿa von Sultan Murad III. aus dem Jahr 1592 für die al-Aqsa-Moschee in Jerusalem vgl. hier: Discover Islamic Art – Virtual Museum
  13. Zur Rezitation der Rabʿa von Sultan Kait-Bay vgl. Quṭb al-Dīn al-Nahrawālī: Kitāb al-I‘lām bi-a‘lām bayt Allāh al-ḥarām. Ed. F. Wüstenfeld. F.A. Brockhaus, Leipzig 1857, S. 225.
  14. Zitiert nach Hartmut Bobzin, S. 19.
  15. Alford T. Welch: al-Qurʾān. In: The Encyclopaedia of Islam. S. 400b.
  16. T. Nöldeke, F. Schwally: Geschichte des Qorāns. Bd. I, S. 225.
  17. Alford T. Welch: al-Qurʾān. In: The encyclopaedia of Islam. S. 401a.
  18. T. Nöldeke, F. Schwally: Geschichte des Qorāns. Bd. I, S. 227.
  19. Birmingham Qur'an manuscript dated among the oldest in the world, University of Birmingham, 22. Juli 2015.
  20. Theodor Nöldeke: Geschichte des Qorans. Mit einem literarhistorischen Anhang über die muhammedanischen Quellen und die neuere christliche Forschung. 3 Bände; Neuausg. Dietrich, Leipzig 1909/38. Band 2, S. 39–42.
  21. Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert der Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. Band 1, De Gruyter, Berlin 1991, S. 33.
  22. Hartmut Bobzin: Der Koran. S. 104.
  23. Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2. und 3. Jahrhundert der Hidschra. Eine Geschichte des religiösen Denkens im frühen Islam. Band 1, De Gruyter, Berlin 1991, S. 12.
  24. Vgl. Hans Zirker: Der Koran. Zugänge und Lesarten. S. 46 und das Kapitel über die „Art seiner Herabsendung“ (kaifīyat inzāli-hī) in as-Suyūṭī: al-Itqān fī ʿulūm al-qurʾān. Band 1; Kairo 1978; S. 53.
  25. Hartmut Bobzin: Der Koran. S. 118f.
  26. Josef van Ess: Theologie und Gesellschaft im 2./3. Jh. d.H. Bd. 4., S. 605–612.
  27. Amit Dey: Bengali Translation of the Quran and the Impact of Print Culture on Muslim Society in the Nineteenth Century. In: Societal Studies. Nr. 4, 2012, S. 1299–1315.
  28. Siehe zum Beispiel Johann Büssow, Stefan Rosiny und Christian Saßmannshausen: ORIENTierung: Ein Leitfaden für (werdende) IslamwissenschaftlerInnen an der FU Berlin. Berlin, 2013. S. 25
  29. Der Koran. Arabisch-Deutsch. Übersetzung, Einleitung und Erklärung von Maulana Sadr ud-Din, Verlag der Moslemischen Revue (Selbstdruck), Berlin 1939; 3. unveränderte Auflage 2006, ohne ISBN.
  30. Mirza Baschir ud-Din Mahmud Ahmad (Hrsg.): Koran. Der Heilige Qur-ân. Islam International Publications, 1954; Zuletzt: Mirza Masrur Ahmad: Koran der heilige Qur-ân; arabisch und deutsch. 8., überarbeitete Taschenbuchauflage, Verlag Der Islam, Frankfurt a.M. 2013, ISBN 978-3-921458-00-6.
  31. Hartmut Kistenfeger: „Manche Stellen habe ich ungern übersetzt“; Focus-Interview mit Hartmut Bobzin; In: Focus. Nr. 12, 2010, S. 64.
  32. islam.de
  33. Jos Schnurer: Lamya Kaddor und Rabeya Müller: Der Koran. Für Kinder und Eltern. „Gottes unerschaffenes Wort“. Rezension bei Socialnet; abgerufen am 24. September 2014.
    Lamya Kaddor, Rabeya Müller: Der Koran für Kinder und Erwachsene. 3. Auflage, Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-57222-7.