Schöne neue Welt

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Schöne neue Welt (englisch Brave New World) ist ein 1932 erschienener dystopischer Roman von Aldous Huxley, der eine Gesellschaft in der Zukunft, im Jahre 2540 n.Chr. beschreibt, in der „Stabilität, Frieden und Freiheit“ gewährleistet scheinen.

Welt – wohin? Deutsche Erstausgabe, Insel 1932

Mittels physischer Manipulationen der Embryonen und Föten sowie der anschließenden mentalen Indoktrinierung der Kleinkinder werden die Menschen gemäß den jeweiligen gesellschaftlichen Kasten geprägt, denen sie angehören sollen und die von Alpha-Plus (für Führungspositionen) bis zu Epsilon-Minus (für einfachste Tätigkeiten) reichen.

Allen Kasten gemeinsam ist die Konditionierung auf eine permanente Befriedigung durch Konsum, Sex und die Droge Soma, die den Mitgliedern dieser Gesellschaft das Bedürfnis zum kritischen Denken und Hinterfragen ihrer Weltordnung nimmt. Die Regierung jener Welt bilden Kontrolleure, Alpha-Plus-Menschen, die von der Bevölkerung wie Idole verehrt werden.

Das Werk gehört zu den einflussreichsten Romanen des 20. Jahrhunderts. Es inspirierte Autoren aller Generationen zu eigenen Zukunftsvisionen. 1998 wählte die Modern Library, eine bedeutende englischsprachige Institution für Literatur und Kunst, ihn auf Rang 5 der 100 besten Romane des 20. Jahrhunderts.[1] Schöne neue Welt tauchte auch in ähnlichen Listen der BBC[2] und des Observers auf.[3]

Ferner ist Brave New World in einigen deutschen Bundesländern im Fach Englisch eine abiturrelevante Lektüre.[4] Der Roman gilt neben George Orwells 1984 als ein Musterbeispiel einer totalitären Diktatur in der Literatur.

Titel

Der Titel bezieht sich auf einen Dialog im 8. Kapitel des Romans, in dem aus Shakespeares Drama Der Sturm zitiert wird (5. Akt, Vers 181-183): „O, wonder! How many goodly creatures are there here! How beauteous mankind is! O brave new world, that has such people in’t!“ (dt. „O, Wunder! Wie viele herrliche Geschöpfe es hier gibt! Wie schön der Mensch ist! O schöne neue Welt, die solche Bürger trägt!“ (Schlegel-Tieck-Übersetzung))

Motto

Das Buch beginnt mit einem französischen Zitat von Nikolai Berdjajew, in dem dieser die Erwünschtheit von Utopien in Frage stellt und seiner Hoffnung Ausdruck gibt, „zu einer nicht-utopischen Gesellschaft, weniger perfekt und dafür freier“ zurückzukehren:

„Les utopies apparaissent comme bien plus réalisables qu'on ne le croyait autrefois. Et nous nous trouvons actuellement devant une question bien autrement angoissante: Comment éviter leur realisation définitive? Les utopies sont réalisables. La vie marche vers les utopies. Et peut-être un siècle nouveau commence-t-il, un siècle où les intellectuels et la classe cultivée rêveront aux moyens d'éviter les utopies et de retourner à une société non utopique, moins parfaite et plus libre.

(Utopien erscheinen realisierbarer als je zuvor. Wir finden uns mit einer neuartigen, besorgniserregenden Frage konfrontiert: Wie sollen wir ihre endgültige Verwirklichung verhindern? Utopien sind verwirklichbar. Das Leben strebt ihnen entgegen. Und vielleicht wird ein neues Jahrhundert kommen, eines, in dem Intellektuelle und die Bildungsschicht darüber nachdenken werden, wie man Utopien verhindern und zu einer nicht-utopischen Gesellschaft zurückkehren kann, weniger perfekt und dafür freier.)“

Nikolai Berdjajew

Deutsche Übersetzung

Der Roman wurde bereits im Erscheinungsjahr von Herberth E. Herlitschka ins Deutsche übersetzt. Zuerst als Welt – wohin? erschienen, wurde der Titel 1950 in Wackere neue Welt und in späteren Auflagen in Schöne neue Welt geändert – nachdem man erkannt hatte, dass das englische Adjektiv „brave“ zu Shakespeares Zeiten noch „schön“ bedeutete und nicht wie heute im modernen Englisch mit „tapfer“ übersetzt werden darf.

In der vom Verfasser autorisierten[5] deutschen Fassung von 1932 ist die Handlung nach Berlin und Norddeutschland verlegt. Auch einige Namen von Figuren der Handlung wurden verändert: Im Original sind viele Personen nach bekannten britischen Unternehmern benannt, in der deutschen Ausgabe entsprechend nach deutschen Unternehmern; ungeändert blieb allerdings Henry Ford, die für den Roman bedeutendste Unternehmerpersönlichkeit.

1978 erschien eine deutsche Übersetzung von Eva Walch, die wieder die originalen Orte und Namen verwendet. Inzwischen erschien im S. Fischer-Verlag eine neue Übersetzung von Uda Strätling, die auch die Eigennamen des Originals unverändert lässt.

Inhalt

Der Roman spielt um das Jahr 632 A.F.,[6] was dem Jahr 2540 traditioneller Zeitrechnung entspricht. Nach dem Ende des Neun-Jahre-Kriegs im Jahre 150 A.F. (2058 A.D.) wurde der überwiegende Teil der Menschheit in einem einzigen Weltstaat unter einer Weltregierung zusammengefasst. Zu diesem Zeitpunkt begann die „moderne Zivilisation“, in der sich Menschen nicht mehr auf natürliche Weise vermehren und von Eltern erzogen heranwachsen, sondern in staatlichen Brut- und Aufzuchtszentren produziert werden.

Die Menschen werden schon im Brut- und Aufzuchtszentrum in Kasten eingeteilt: Die Alphas bilden die höchste Kaste. Den Epsilons, den Mitgliedern der niedrigsten Kaste, die später untergeordnete Aufgaben übernehmen sollen, entzieht man im Embryonenstadium Sauerstoff, wodurch sie zu geistig beschränkten Menschen werden. Außerdem mischt man den Embryonen niederer Kasten Alkohol ins Blutsurrogat, damit die Angehörigen niederer Kasten nicht so groß werden wie die höherer. Wie viele Mitglieder für die verschiedenen Kasten produziert werden, entscheidet man nach staatlichen und wirtschaftlichen Anforderungen.

Zu Beginn macht der Direktor des „Central London Hatchery and Conditioning Centre“ (in der deutschen Übersetzung die „Brut- und Normzentrale Berlin-Dahlem“) eine Gruppe Studenten als neue Mitarbeiter mit dem Ablauf des Betriebs vertraut: Menschliche Embryonen und Föten entwickeln sich in künstlichen Gebärmuttern, genannt „Flaschen“. Weitere Stationen der Führung sind der Kindergarten, in dem Babys durch Lärm und Stromschläge konditioniert werden, Bücher und Blumen zu fürchten, ein Schlafsaal, in dem die Kinder durch „Schlaflernen“ mit moralischen Vorstellungen indoktriniert werden, und der Garten, wo Kinder angehalten werden, sich mit sexuellen Spielen zu vergnügen. Dort trifft die Gruppe auf Mustapha Mond (dt. Mustafa Mannesmann), den Weltaufsichtsrat für Westeuropa. Dieser erklärt den Studenten die Geschichte des Weltstaates und preist dessen Erfolge, wie etwa das Auslöschen starker Gefühle und die sofortige Befriedigung jedes Wunsches.

Lenina Crowne (dt. Lenina Braun), eine Beta und Mitarbeiterin des Zentrums, wird von ihrer Freundin Fanny (dt. Stinni) kritisiert: Lenina treffe sich zu oft und ausschließlich mit Henry Foster (dt. Henry Päppler), dies widerspreche der staatlich gewünschten Promiskuität. Lenina gibt zu, sich von dem eigenbrötlerischen, extrem intelligenten, aber wegen eines „Fabrikationsfehlers“ körperlich unterentwickelten Alpha-Mann Bernard Marx (dt. Sigmund Marx) angezogen zu fühlen. Bernard leidet unter seiner relativen Kleinwüchsigkeit und kompensiert seinen Minderwertigkeitskomplex durch nonkonformistische Ansichten und aufrührerische Bemerkungen. Sein einziger Freund ist der gutmütige Alpha Helmholtz Watson (dt. Helmholtz Holmes-Watson), der Bernards rebellische Attitüde toleriert. In seiner Freizeit ist Bernard verpflichtet, an einer Orgy-Porgy-Gruppe teilzunehmen, die sich regelmäßig zu gemeinsamem Singen und Tanzen und anschließendem Gruppensex trifft, wobei sie die Droge „Soma“ konsumieren.

Lenina nimmt Bernards Einladung zu einem gemeinsamen Kurzurlaub in einem Reservat in New Mexico an. Die Reservate sind Gebiete, in denen Menschen leben, die als „Wilde“ gelten und nicht in die moderne Gesellschaft integriert werden können. Hier findet die menschliche Fortpflanzung noch auf natürliche Weise statt, was in der „Zivilisation“ als anstößig und peinlich betrachtet wird.

Als Bernard den Direktor des Zentrums um seine Unterschrift für die Erlaubnis bittet, das Reservat besuchen zu dürfen, erinnert dieser sich, vor zwanzig Jahren selbst das Reservat besucht und dort seine damalige Freundin in einem Sturm verloren zu haben. Die Frau konnte nie gefunden werden. Der Direktor gibt Bernard die Genehmigung, verwarnt ihn aber zugleich wegen seines unangepassten Verhaltens und droht damit, ihn in ein anderes Zentrum auf Island zu schicken. Bernard nimmt die Drohung nicht ernst und fühlt sich sogar geschmeichelt, als „Rebell“ und damit als Individuum gesehen zu werden. Als er jedoch auf der Reise telefonisch von Helmholtz erfährt, dass der Direktor seine Versetzung tatsächlich veranlasst habe, gerät er in Panik und verfällt in Depressionen.

Lenina und Bernard empfinden das Reservat und seine Bewohner als primitiv sowie dreckig und sind schockiert vom ungewohnten Anblick alter, gebrechlicher und kranker Menschen. Als sie sich ein religiöses Geißelungs-Ritual ansehen, lernen sie den hellhäutigen „Wilden“ John (dt. Michel) kennen, der im Dorf seit frühester Kindheit ausgegrenzt wird. Sie finden heraus, dass seine Mutter Linda (dt. Filine) die bislang verschollene Freundin des Direktors ist, die nach einem Unfall von den „Wilden“ gesund gepflegt wurde, sich aber nicht dem Leben in der Dorfgemeinschaft anpassen konnte. Nach der Geburt ihres Sohnes wurde Linda zur Alkoholikerin, was zu einem vorzeitigen körperlichen Verfall geführt hat. Johns Vater ist der Direktor. Bernard bittet Mustapha Mond, John und seiner Mutter die Erlaubnis zu erteilen, das Reservat zu verlassen und in die „Zivilisation“ zurückzukehren. Mond ist neugierig, den „Wilden“ kennenzulernen, und erteilt daher die Genehmigung.

Bei der Rückkehr in die Zentrale wartet bereits der Direktor auf Bernard. Er will ein Exempel statuieren und Bernard vor der gesamten Belegschaft ins Exil schicken. Bernard präsentiert der Belegschaft Linda und John. Die öffentliche Schande, Vater zu sein, veranlasst den Direktor, seine Stelle zu kündigen.

Während sich Linda in ihr Zuhause zurückzieht und die Zeit im Drogenrausch verbringt, werden Bernard und Helmholtz mit der Betreuung des „Wilden“ beauftragt. John wird wegen des seltsamen Lebens, das er im Reservat geführt hat, zum Star der Alpha-Gesellschaft. Als Entdecker und Beschützer des „Wilden“ wird auch Bernard populär. Er nutzt seinen neuen Status, um mit möglichst vielen Frauen zu schlafen und zahlreiche Dinnerpartys zu geben. Die meisten seiner Gäste verachten ihn, sind aber bereit, sich mit ihm abzugeben, um einmal mit dem „Wilden“ in Kontakt zu kommen. Zunächst ist John von den Wundern der modernen Gesellschaft beeindruckt; mehr und mehr aber wird er durch deren Sitten verstört. Als er sich eines Abends trotzig weigert, Bernards Gäste zu begrüßen, sinkt Bernards gerade errungenes gesellschaftliches Ansehen und er wird wieder zu einem mürrischen Außenseiter.

John verliebt sich in Lenina. Sie ist fasziniert von seiner Andersartigkeit, jedoch unfähig, eine echte emotionale Bindung zu ihm aufzubauen. Ihre offenen, rein sexuellen Annäherungsversuche zerstören sein idealisiertes Bild von ihr. Angewidert weist er ihre Avancen zurück. Das Objekt seiner Anbetung wird zum Ziel seiner Verachtung und Auslöser seines Selbsthasses.

Linda liegt aufgrund ihres übermäßigen Drogenkonsums im Sterben. Bei seinem Besuch im Hospital erlebt John, wie eine Gruppe von Kindern von ihren Erziehern gegen Todesangst konditioniert wird. Als sich zwei Jungen über das Aussehen seiner sterbenden Mutter lustig machen, verliert er die Fassung und schlägt einen der Jungen.

Auf dem Heimweg versucht John, eine Gruppe von Deltas, denen er zufällig an der Soma-Ausgabestelle des Hospitals begegnet, zu einer Revolte anzustiften. Er wirft das an die Deltas ausgeteilte Soma aus dem Fenster und ruft sie zum freien Denken auf. Die Deltas reagieren jedoch aggressiv auf seine Einmischung und es kommt zu einer Schlägerei. Bernard und Helmholtz werden von dem Alpha, der zuvor das Soma an die Deltas verteilt hatte, telefonisch verständigt und eilen herbei. Helmholtz kommt John zu Hilfe, Bernard zieht sich ängstlich in den Hintergrund zurück. Die Auseinandersetzung wird schließlich durch Soma-Dämpfe und verbale Manipulation aus Lautsprechern beendet. John, Bernard und Helmholtz werden festgenommen und Mustapha Mond vorgeführt, der Bernard und Helmholtz nach Island bzw. auf die Falkland-Inseln verbannt.

John und Mond diskutieren über die Vorteile (allgemeines Glück und gesellschaftliche Stabilität) und die Nachteile (die Sinnlosigkeit einer solchen menschlichen Existenz) der „schönen neuen Welt“. Religion, Kunst, Liebe, freies Denken und starke, echte Emotionen werden nicht mehr gebraucht. Jeder tut nur, was er kann, wozu er geboren ist, und kennt kein Scheitern, kein Leid, keine unerwiderte Liebe, kein Altern, keinen vorzeitigen Tod. Doch dieses Leben muss erkauft werden mit dem Verlust der Freiheit: Wer frei sein will, nimmt auch die damit verbundenen Nachteile in Kauf. Mond fragt John, ob er bereit sei, alle negativen Seiten menschlicher Freiheit hinzunehmen. Nach kurzem Überlegen bejaht John die Frage. Mond schickt auch ihn in die Verbannung. Da John keine Erlaubnis erhält, Bernard oder Helmholtz zu begleiten, sucht er sich zum Leben einen verlassenen Leuchtturm aus.

In der Einsamkeit befällt ihn ein Verlangen nach Lenina, für das er durch Selbstgeißelung büßen möchte, ein Ritual, das er aus seinem Leben im Reservat kennt. Einige Delta-Minus-Landarbeiter beobachten ihn dabei und berichten der Presse von seinem merkwürdigen Verhalten. John wird heimlich gefilmt. In der Folge belagern Horden von Schaulustigen sein Haus und fordern ihn auf, sich zu geißeln. Auch Henry und Lenina besuchen mit Henrys privatem Helikopter das Spektakel. Lenina möchte John zur Begrüßung umarmen. John verliert aus Zorn die Kontrolle über sich und stürzt sich mit der Geißel auf sie. Henry bringt sich im Helikopter in Sicherheit und lässt Lenina zurück. Die Umstehenden missverstehen Johns aggressives Verhalten als orgiastische Ausschweifung und folgen dem Muster, das ihnen eingeprägt wurde: Sie beginnen zu singen, zu tanzen und sexuell aktiv zu werden. John schließt sich in seinem Wahn der Gruppe an. Als er am nächsten Morgen aufwacht, überkommt ihn bei der Erinnerung blankes Entsetzen und er erhängt sich. In der Verfilmung „Brave New World“ der BBC Television Production von 1981[7] findet John Lenina am nächsten Morgen leblos in der Nähe des Leuchtturms, und (ähnlich wie Shakespeares Romeo seine Julia) hält er die Schlafende für tot und erhängt sich.

Figuren

Lenina Crowne

Lenina Crowne (dt. Lenina Braun) gehört zur Beta-Klasse und ist eine perfekte Bürgerin der „schönen neuen Welt“: stets glücklich und angepasst im Verhalten, erfüllt sie ihre Funktion in dieser Gesellschaft vollständig und anscheinend freiwillig. Lenina wird als sehr hübsch, großbusig und rothaarig beschrieben. Sie arbeitet in der Zentrale für Brut- und Normaufzucht. Sie ist ein Objekt der sexuellen Begierde für eine Reihe von Neben- und Hauptfiguren. Ihre Verhältnisse zu Bernard und John scheitern, da beide Männer eine über oberflächliche Freizeitvergnügungen und Sexualität hinausgehende Beziehung zu ihr wünschen, was sie als „unnormal“ empfindet. Ihre engsten Freunde sind Fanny und Henry.

Bernard Marx

Bernard Marx (dt. Sigmund Marx) ist ein Außenseiter, zwar intelligent und zur Alpha-Klasse gehörig, aber physisch deutlich kleiner als die anderen Alphas, weswegen er auf der Arbeit mitunter von den anderen nicht respektiert wird. Nur Helmholtz, sein einziger Freund, und Lenina begegnen ihm mit Achtung und Interesse. Lenina empfindet Bernard in seiner Schmächtigkeit als „niedlich“, Helmholtz amüsiert sich über Bernards rebellisches Gehabe. Bernard grübelt über soziale Probleme, wie die Behandlung von Frauen als „Fleisch“, den Mangel an Respekt vor niederen Klassen und die ständige Berieselung durch Radio und Fernsehen. Er ist uninteressiert an Sport, liebt das Alleinsein, zieht Melancholie dem Soma-Gebrauch vor und gibt oft unkonformistische Bemerkungen von sich. Als sich aber sein gesellschaftlicher Status durch die Entdeckung des „Wilden“ John erhöht, genießt Bernard seine neuerlangte scheinbare Popularität. In Krisensituationen zeigt sich Bernard als ein schwacher Charakter, der schnell in Ängste verfällt und letztlich den Komfort der modernen Gesellschaft für sein Wohlbefinden braucht.

Helmholtz Watson

Helmholtz Watson (dt. Helmholtz Holmes-Watson) ist ein Alpha-Plus, der sich durch ein außergewöhnlich gutes Aussehen, seine hohe Intelligenz und seine natürliche, nicht drogenbedingte, ausgeglichene Gemütsart von seiner Gruppe abhebt. Er arbeitet als Dozent am „College of Emotional Engineering“ („Hochschule für Emotionstechnik“) – „Department of Writing“ („Abteilung für Schriftstellerei“). Helmholtz ist ein integrer Charakter, der aus echter Überzeugung handelt und Schwächeren wie Bernard unterstützend zur Seite steht. Nach seiner Bekanntschaft mit John beginnt er, Gedichte zu schreiben und äußert den Wunsch, schriftstellerisch tätig zu sein. Seine Verbannung auf die Falkland-Inseln empfindet er daher weniger als Strafe, sondern eher als eine Chance auf mehr persönliche Freiheit.

John

John (dt. Michel), genannt der „Wilde“, ist der Sohn des Direktors des Brut- und Aufzuchtzentrums und wuchs bei seiner Mutter Linda (dt. Filine) in einem Reservat auf. Er ist der vollendete Außenseiter, er wurde auf natürliche Weise gezeugt, im Reservat geboren und durch seine Mutter und die Dorfgemeinschaft aufgezogen. Mit einer Bedienungsanleitung brachte ihm seine Mutter das Lesen bei. Später fällt ihm eine alte, in der „Zivilisation“ verbotene Shakespeare-Gesamtausgabe in die Hände. Seine gesamte Weltansicht bezieht er als Erwachsener aus den Dramen Shakespeares, aus denen er häufig zitiert. Durch seine Mutter erfuhr er von der modernen Welt, die er unbedingt kennenlernen möchte. Die „Zivilisation“ wirkt jedoch abstoßend auf ihn, so dass er sich nicht einfügen kann. Vor allem irritiert ihn der ständige Drogenkonsum der Menschen, die Banalität der Unterhaltungsmedien und die praktizierte Sexualität.

Mustapha Mond

Mustapha Mond (dt. Mustafa Mannesmann) ist der Weltaufsichtsrat (engl. Resident World Controller) für Westeuropa, dem durch Untergebene wie dem Direktor des Zentrums Ehrfurcht und Verehrung entgegengebracht wird. Helmholtz Watson vertraut er an, dass er als junger Mann einige verbotene, echte wissenschaftliche Experimente wagte. John gegenüber verrät Mond, Shakespeare und die Bibel gelesen zu haben, eben weil dies verboten sei. Die Vorstellung eines Gottes und einer menschlichen Seele, die sich nach Schönheit und echten Gefühlen sehnt, ist ihm vertraut, er verdrängt diese philosophischen Gedanken aber zum Wohle der Allgemeinheit. Der Weltkontrolleur ist sich als Alpha-Plus-Plus der negativen Seiten der modernen Welt voll bewusst, verhält sich aber systemkonform, um deren Fortbestand und seine Führungsrolle nicht zu gefährden. In einem Gespräch mit John erläutert er die Folgen der „schönen neuen Welt“ für Mensch und Gesellschaft.

Die „schöne neue Welt“

Der Weltstaat

In seinem Roman beschreibt Huxley eine Welt, in der es gelungen ist, mit Hilfe künstlicher Fortpflanzung, Konditionierung und Indoktrination eine perfekt funktionierende Gesellschaft zu erschaffen. Das Jahr 1 jener Welt entspricht dem Jahr 1908 unserer Zeitrechnung, in dem das Model T von Henry Ford erstmals vom Band lief. Im Jahre 141 A.F. (Anno Ford, in Anlehnung an A.D; anno domini), also im Jahr 2049 n. Chr., brach ein neun Jahre dauernder Krieg aus, in dem chemische und biologische Massenvernichtungswaffen eingesetzt wurden. Danach folgte ein weltweiter wirtschaftlicher Kollaps. Die damaligen Regierungen bildeten deshalb eine Weltregierung und versuchten, eine Konsumideologie in der Bevölkerung durchzusetzen. Damit trafen sie aber in Teilen der Bevölkerung auf Widerstand, der auch nicht mit Gewalt kontrolliert werden konnte. Die Weltregierung beschloss daher eine langfristige friedliche Reformation. Um eine fortwährend glückliche und wohlhabende Gemeinschaft zu schaffen, wurde Propaganda gegen die natürliche Fortpflanzung gemacht und die ersten Brut- und Aufzuchtzentren geschaffen. Diese Kampagne beinhaltete auch das Schließen sämtlicher Museen, die Zerstörung aller Denkmäler und das Verbot aller vor dem Jahr 150 A.F. verfassten Bücher. Der Roman spielt im Jahr 632 A.F., zu einer Zeit, in der sich der Weltstaat vollständig etabliert hat und fast alle Menschen auf der Erde unter seiner Kontrolle stehen. Es herrscht ein totalitäres, jedoch nicht gewalttätiges politisches System unter dem Primat von „Gemeinschaftlichkeit, Einheitlichkeit, Beständigkeit“. Ein Relikt der alten „primitiven“ Kultur wird in einem kleinen isolierten Reservat von der Weltregierung geduldet. Die Menschen im Reservat leben in einer traditionellen Stammeskultur, die natürliche Lebensvorgänge wie Geburt, Krankheit und Altern einschließt.

Der Mensch in der „schönen neuen Welt“

Kastensystem

Alle Mitglieder der Gesellschaft haben eine vorbestimmte Aufgabe. Die Menschen werden in einer Art Massenproduktion im Labor künstlich „gezüchtet“ und durch Konditionierung auf ihre Rolle vorbereitet. Sie werden in Reproduktions-Fabriken je nach wirtschaftlichem Bedarf in fünf Kasten (Alphas, Betas, Gammas, Deltas oder Epsilons) produziert. Damit keine Menschen mehr auf natürliche Weise gezeugt und geboren werden und der Staat nicht die Kontrolle über Anzahl und Ausprägung seiner Bürger verliert, werden die Menschen konditioniert, natürliche Empfängnis und Elternschaft als etwas Unanständiges aus barbarischen Zeiten zu betrachten. Zusätzlich werden die meisten Frauen sterilisiert, die wenigen fruchtbaren Frauen nehmen nach einem festen Ritual Verhütungsmittel ein. Bei der Produktion von Kindern, also neuen Bürgern, wird die Entwicklung der Embryonen je nach der Klasse, der das Kind zugehören soll, gesteuert. Der Herstellungsvorgang besteht aus zwei unterschiedlichen Verfahren für die beiden oberen und die drei unteren Kasten. Im sogenannten Bokanowsky-Verfahren wird eine befruchtete Eizelle zur Teilung angeregt, aus der 8 bis 96 Embryos entstehen. Hierbei entwickeln sich Klone, identische Menschen, welche allerdings unterentwickelt sind und sich zu „Gammas“, „Deltas“ und „Epsilons“ entwickeln. Zukünftigen Mitgliedern niederer Kasten werden zudem gezielt schädliche Substanzen wie Alkohol verabreicht und Sauerstoff entzogen, um ihre Entwicklung zu hemmen und ihre Intelligenz niedrig zu halten. Alphas und Betas entstehen dagegen aus einer ungeteilten Eizelle, sie sind Individuen. Sie werden mit für die Entwicklung wichtigen Substanzen und Impfungen versorgt.

Nach der Geburt werden die Menschen ihrer „Produktionsklasse“ entsprechend konditioniert. Diese Konditionierung beinhaltet als grundlegende Lektionen für alle Kasten:

  • Man ist glücklich, zu seiner Kaste zu gehören und zu keiner anderen.
  • Alle Klassen sind unverzichtbar für die Gemeinschaft.
  • Man kann nur in der Gemeinschaft glücklich sein, Einsamkeit ist etwas Schlechtes.

Die Konditionierung findet durch zwei Methoden statt: Einerseits über die Belohnung bzw. Bestrafung von Handlungen, andererseits über das Abspielen von Tonbändern mit einfachen, eingängigen Botschaften während des Schlafs der Kinder und Jugendlichen, die „Schlafschule“ (im Original: „hypnopaedia“). Sie stabilisiert die Gesellschaft, indem sie garantiert, dass alle Menschen mit dem System zufrieden sind. Das so vermittelte gemeinsame, einheitliche Weltbild lässt das Individuum ganz in der Gesellschaft aufgehen, nur dort fühlt es sich geborgen.

Sexualität

Die gesellschaftlichen Normen fordern von den Bürgern mit kontinuierlich wechselnden Partnern zahlreiche sexuelle Kontakte, die ausschließlich dem Vergnügen dienen sollen. Liebe und emotionale Leidenschaft gefährden nach Meinung der Weltregierung die Stabilität. Kunst und Literatur sind durch das „Fühlkino“ (im Original: Feelies) ersetzt, in dem auch körperliches Empfinden dem Zuschauer physiologisch übertragen wird. Der Handlungsverlauf der gezeigten Stücke ist allerdings ohne tiefere Bedeutung, da aufgrund der emotionalen Verarmung der Menschen die Grundlage für einen anspruchsvollen Inhalt fehlt. Die Geschichten sind daher trivial und gleichförmig auf Action und Erotik ausgelegt.

Die Droge Soma

Um größere Gefühlsschwankungen zu vermeiden, die zu negativen Verstimmungen führen können, nehmen die Menschen regelmäßig Soma ein, eine Droge, die stimmungsaufhellend und anregend wirkt und auch als Aphrodisiakum verwendet wird. Anders als Alkohol hat es bei üblicher Dosierung keine Nebenwirkungen und wird synthetisch hergestellt. Motto: Ein Gramm versuchen ist besser als fluchen.[8]

Krankheit und Altern

Krankheiten gibt es nicht mehr, sie wurden durch pränatale Impfungen ausgemerzt. Die Menschen sind stets gesund und leistungsfähig. Das Altern geschieht fast unmerklich: Die Menschen spüren keinen körperlichen Leistungsrückgang und verändern sich durch Sportaktivitäten und Verwendung moderner Kosmetik äußerlich nur geringfügig. Die menschliche Lebenszeit ist auf ein Alter zwischen 60 und 70 begrenzt. Bis dahin bleiben die Menschen vital und versterben dann sehr schnell und schmerzlos im Soma-Halbschlaf. Die Angst vor dem Tod wurde durch Konditionierung beseitigt: Kindergruppen werden durch Sterbehospitale geführt, wo sie die still vor sich hin dämmernden Sterbenden sehen.

Bildung

Bildung beschränkt sich auf eine pragmatische, für die Gemeinschaft nützliche Wissensvermittlung. Humanistische Bildung ist gesellschaftlich nicht gewünscht, da sie den Menschen zum Nachdenken anregt und ihm eine kritischere Sicht auf die Welt ermöglicht. Da es nicht im Interesse der Allgemeinheit ist, den Menschen für die Defekte dieser Gesellschaft zu sensibilisieren, wird jede Bildung, die sich auf kulturelle Überlieferung stützt, unterdrückt. „Geschichte ist Mumpitz“ (Original: History is bunk, ein bekannter Ausspruch Henry Fords) lautet einer der Leitsätze der Weltregierung. Die offizielle Propaganda über die schlechten Zustände in der „alten Welt“ ist für die allermeisten Bürger die einzige Geschichtskenntnis. Auch der technische Fortschritt wird eingeschränkt, um die Stabilität der Gesellschaft nicht zu gefährden. So werden z. B. arbeitssparende Erfindungen ignoriert bzw. verboten, da Arbeitslosigkeit, selbst bei materiellem Wohlstand, zu Unzufriedenheit führt.

Kulthandlungen

An die Stelle der Religion tritt ein Verehrungskult für den Automobilbauer Henry Ford. Wichtige Persönlichkeiten werden als „Fordschaft“ (Original: „Fordship“) angesprochen. Symbol des Kultes ist der Buchstabe T in Erinnerung an das Modell T des Ford-Konzerns und auch in Anlehnung an das christliche Kreuz, welches durch ein T ersetzt wurde. Eine Variante des Ford-Kultes ist die Verehrung Sigmund Freuds, des Begründers der Psychoanalyse. So wurde aus der häufig gebrauchten Floskel „Oh, Gott“ der Ausruf „Oh, Ford“ oder „Oh, Freud“. Im sogenannten „Solidarity Service“ wird eine Art Gottesdienst mit Singen und Tanzen begangen, der nach Soma-Einnahme in einer Gruppensex-Orgie endet.

Die Menschen im Reservat leben nach einem religiösen Kult, der christliche Vorstellungen mit indianischem Naturglauben verbindet. Dazu gehören auch Initiations- und Geißelungsrituale.

Wissenschaftlicher Hintergrund

Die Einteilung der Menschen in die fünf Kasten erfolgt im Roman nicht durch Gentechnik, sondern durch pränatale biologische Einwirkung und postnatale Konditionierung der Mentalität. Gentechnik wurde erst durch die Entschlüsselung des genetischen Codes durch die Wissenschaftler James Watson und Francis Crick in den 1950er-Jahren möglich. Der Beginn der Gentechnik liegt in den 1970er-Jahren, nachdem es dem Molekularbiologen Ray Wu 1970 erstmals gelang, DNS zu sequenzieren und zu klonieren.

Julian Huxley, ein Bruder des Schriftstellers, war Vorsitzender der Eugenics Society, die sich mit der Anwendung der Ergebnisse der Mendelschen Vererbungslehre auf den Menschen und die Gesellschaft befasste (Eugenik).

Aldous Huxley zur „schönen neuen Welt“

Vorwort zur zweiten Ausgabe

Im Vorwort zu zweiten Ausgabe von Brave New World (1949) bzw. Welt - Wohin? (1950 unter dem Titel Wackere neue Welt. Ein Roman der Zukunft) übt Aldous Huxley Selbstkritik an seinen „literarischen Unzulänglichkeiten“[9], deren größte es sei, „dem Wilden“ John (dt. Michel) nur zwei Lebensmöglichkeiten geboten zu haben: ein „wahnwitziges Leben im Lande Utopia oder das [irrwitzige] Leben eines Primitiven in einem Indianerdorf“. Eine dritte Lebensform zwischen den beiden Extremen läge „in der Möglichkeit geistesgesunden Lebens, verwirklicht in einer Gemeinschaft von Verbannten und Flüchtigen aus der schönen neuen Welt“ mit einer nicht zentralistischen Wirtschaft, einer kooperativen Politik und einer dem Menschen dienenden, nicht ihn versklavenden Naturwissenschaft und Technologie. In dieser dritten Lebensform würde Religion - angesiedelt zwischen purer Mythologie und reinster Areligiosität - zu einer Art Vernunftreligion im Sinn eines „Strebens nach Geistesgesundheit der frei zusammenwirkenden Individuen“. Ziel dabei sei ein „höherer Utilitarismus, worin das Prinzip des größten Glücks dem des höchsten Zwecks untergeordnet sei“, dem Endzweck nämlich, eine „einende Erkenntnis des immanenten Taos oder Logos“ zu erreichen - und somit auch soziale Beständigkeit.

Darin läge die „wirklich revolutionäre Revolution, die sich nur [mit Hilfe von Biologie und Psychologie, also wissenschaftlich fundiert] in den Seelen und Körpern der Menschen bewirken lasse“, nicht aber in irgendeiner äußeren Form, z.B. einer oberflächlich-politischen wie bei Robespierre, einer wirtschaftlichen wie bei Babeuf oder einer sexuell konnotierten, letztlich chaotisch-zerstörerischen wie beim Marquis de Sade, aber auch nicht als rein naturwissenschaftliche.

An einem Roman der Zukunft müsse interessieren, wie weit dessen Prophezeiungen Wirklichkeit werden könnten. Hat die Menschheit die Vernunft, Kriege nicht oder so eingeschränkt zu führen, um derart Schaden zu minimieren? Bestimme nicht z.B. die Atomphysik ein Prokrustes-Bett, in das sich die Menschheit einfügen müsse? Sie müsse lernen, die Atomkraft zu zähmen und setze dabei, wie die unmittelbare Vergangenheit gezeigt habe, sehr wahrscheinlich „hochzentralisierte totalitäre Regierungen“ ein; denn: technische Umwälzungen neigten in einer „massenerzeugenden Wirtschaft und vorwiegend besitzlosen Bevölkerung“ stets zu wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Unruhen. „Nur eine ganz große, auf Dezentralisierung und Selbsthilfe gerichtete Volksbewegung könnte den gegenwärtigen Zug zur Staatsallmacht aufhalten.“

Dieser Totalitarismus herrsche nicht über eine Bevölkerung von Zwangsarbeitern wie bisher mit niederknüppelnder Macht, sondern weit effizienter, indem er dem Volk mittels Propaganda, Medien und schulischer Erziehung dessen Versklavung zu lieben beibrächte. Besonders wirksam dabei sei es, der Bevölkerung nicht mit Argumenten beizukommen, um unerwünschte Entwicklungen zu verhindern, sondern gezielt Informationen zu verbergen: „groß ist die Wahrheit, aber größer, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen der Wahrheit“. Voraussetzung dafür sei wirtschaftliche Sicherheit, die aufrechtzuerhalten erste Priorität eines solchen totalitären Staates sein dürfte. Weitere staatliche Manipulationen seien zu erwarten: 1) Suggestion schon im Kleinkindesalter und Einsatz von Medikamenten; 2) staatlich maximierte und geförderte klare Zuweisung von Rangplätzen innerhalb der Gesellschaft zwecks Hebung allgemeiner Zufriedenheit, 3) noch zu ersinnende Rauschmittel, die weniger gefährlich sind als Alkohol oder Heroin, aber ein Ausklinken aus dem Alltagstrott erlaubten zur Erhöhung allgemeinen Wohlbefindens; schließlich 4) eugenische Normung der künftigen Menschen. Letzteres ist literarisch, in der „schönen neuen Welt“, schon vermittels Brut- und Normierungsanstalten ebenso perfekt entwickelt wie die Wohlfühldroge Soma oder die Medikamentengaben in Form von Hormonen und Schutzimpfungen.

Von der einstigen Gegenwart um 1950 aus gesehen dürften die Äquivalente für das Rauschmittel Soma, die Hypnopädie (Schlafschule, Suggestion) und das wissenschaftlich durchgeführte Kastensystem nur noch drei bis vier Generationen entfernt zu sein, doch die sexuelle Promiskuität der „schönen neuen Welt“ zeige sich schon in deutlicheren Umrissen (steigende Scheidungsraten). „Je mehr sich politische und wirtschaftliche Freiheit verringern, desto mehr strebt, entschädigungsweise, die sexuelle Freiheit danach, sich zu vergrößern. Der Diktator [...] wird gut daran tun, diese Freiheit zu fördern. In Verbindung mit der Freiheit des Tagträumens unter dem Einfluss von Rauschmitteln, Kino und Rundfunk wird die sexuelle Freiheit dazu beitragen, seine Untertanen mit der Sklaverei, die ihr Los ist, zu versöhnen.“ In diesen Hinsichten dürfte sich „Utopia“ bereits weit mehr verwirklicht haben als man auf den ersten Blick hin glaube.

Essaysammlung

Brave New World Revisited (Harper, New York 1958 (Erstausgabe)) bzw. Dreißig Jahre danach oder Wiedersehen mit der wackeren neuen Welt (Piper, München 1960 (dt. Zweitausgabe)) ist eine Sammlung von zwölf Essays, welche die im Vorwort zur Zweitausgabe der "schönen neuen Welt" (1949 bzw.1950) angelegten Gedanken weiter ausführt; mehr dazu unter Brave New World Revisited.

Nachwirkung

Philosophische Diskussion

Wie ähnlich unsere Welt in Bezug auf biotechnologische Möglichkeiten der „schönen neuen Welt“ ist oder einmal sein wird, wurde im September/Oktober 1999 in der Wochenzeitung Die Zeit diskutiert. Die Diskussion entzündete sich an einem Vortrag des Philosophen Peter Sloterdijk mit dem Titel Regeln für den Menschenpark,[10] in dem er althergebrachte humanistische Rezepte der Menschheitsverbesserung in Frage stellt und an deren Stelle „anthropotechnische“ Maßnahmen [11] andenkt. Eine für den damals gerade losgetretenen Diskurs verbindliche Fassung dieses Vortrags wurde von Peter Sloterdijk in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht[12] (Leserstimmen dazu[13]). An der damaligen Sloterdijk-Debatte beteiligten sich Philosophen, Rechtswissenschaftler und Bioethiker wie Thomas Assheuer[14] (Leserstimmen dazu[15] und Assheuers Übersicht zur Debatte in anderen Medien[16]), Jürgen Habermas,[17] Manfred Frank,[18] Ludger Lütkehaus[19] und Ernst Tugendhat[20] sowie - in Erwiderung bzw. Angriff auf Thomas Assheuer und Jürgen Habermas und die Kritische Theorie - Peter Sloterdijk[21] (Leserstimmen dazu).[13] Im Jahr 2000 lieferte Helmut Walther eine geraffte Zusammenfassung[22] dieser Debatte; weitere Diskursbeiträge aus dem Jahr 1999 finden sich im bereits oben genannten Verweis.

Der Roman Elementarteilchen

Michel Houellebecq setzt sich in seinem Roman Elementarteilchen (im 10. Kapitel des 2. Teils) intensiv mit Aldous Huxley und dessen Bruder Julian auseinander. Er vertritt die These, es sei Heuchelei, in dem Buch einen totalitären Albtraum zu sehen, es sei vielmehr hinsichtlich der genetischen Kontrolle, der sexuellen Freiheit, des Kampfes gegen das Altern und der Freizeitkultur ein Paradies. Aldous Huxley habe erst später in seinem Essayband Brave New World Revisited (dt. Dreißig Jahre danach) versucht, seinen Roman als Anklage und Satire hinzustellen. In der Wochenzeitung Die Zeit erschien 1999 im Umfeld der damaligen Sloterdijk-Debatte von Norbert Niemann eine Rezension[23] zu diesem Roman, die sowohl biotechnologische Möglichkeiten der Menscheitsverbesserung als auch den Teilverlust des Menschseins ins rein Sexuelle - mit Bezug auf die „schöne neue Welt“[24] - thematisiert.

Hörspiele

Bühnenfassungen

Am 8. Oktober 1994 fand die Bühnenerstaufführung von Schöne neue Welt als Musical im Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim statt. Die Musik stammt von Stefan Wurz, der Rock- und Musicalmusik mit Zwölftonelementen kombinierte; das Libretto von Roland Maier.

Der Komponist und Musiker Achim Gieseler bekam 1998 in einem persönlichen Gespräch mit der Witwe von Aldous Huxley, Laura Huxley, die deutschsprachigen Musicalrechte für eine Bühnenaufführung des Romans Schöne neue Welt übertragen. Die Dramatisierung des Romans verfasste der Autor Volker Ludwig.

Am 2. November 2006 fand im GRIPS Theater in Berlin die Weltpremiere des Musicals Schöne neue Welt statt. Das Mittelsächsisches Theater Freiberg und Döbeln brachte das Musical am 19. Mai 2007 erstmals auf die Bühne.

Anfang September 2012 startete die American Drama Group mit Brave New World eine mehrmonatige Europatournee.

Die Uraufführung des Theaterstücks Schöne neue Welt in der Bearbeitung von Robert Koall fand am 12. September 2014 am Staatsschauspiel Dresden statt. Regie führte dabei Roger Vontobel.[27]

Adaptionen

Musik

Film

Schöne neue Welt wurde bislang nur für das Fernsehen verfilmt.

  • 1980 erschien die erste Verfilmung unter dem Titel Brave New World. Sie wurde inszeniert von Burt Brinckerhoff und von dem US-amerikanischen Fernsehsender Universal TV produziert.
  • 1998 wurde der Stoff als Geklonte Zukunft (Originaltitel erneut Brave New World) von Dan Wigutow Productions für das Fernsehen ein weiteres Mal verfilmt. In tragenden Rollen waren u. a. Peter Gallagher (Bernard Marx), Rya Kihlstedt (Lenina Crowne), Tim Guinee (John), Sally Kirkland (Linda), Miguel Ferrer (DHC) und Leonard Nimoy (Mustapha Mond) zu sehen.
  • 2008 wurde eine Neuverfilmung unter Regie von Ridley Scott und mit Leonardo DiCaprio als John angekündigt,[28] die jedoch in den darauf folgenden Jahren nicht realisiert wurde und einem Interview mit Scott von 2012 zufolge eventuell ganz im Sand verlaufen wird, da es „sehr schwer umsetzbar“ sei und „vielleicht lieber ein Buch bleiben sollte“.[29]

Buchausgaben

  • Welt – wohin? Ein Roman der Zukunft (Übersetzt von Herberth E. Herlitschka), Insel, Leipzig 1932, OCLC 72070200.
  • Wackere neue Welt. Ein Roman der Zukunft. 2. Ausgabe. Mit dem Vorwort zur englischen Neu-Ausgabe 1949. Deutsch von Herberth E. Herlitschka, Steinberg, Zürich 1950, OCLC 72070204.
  • Schöne neue Welt. Wunschtraum und Alptraum der Zukunft. Ins Deutsche übersetzt von Herberth E. Herlitschka, (Fischer Bücherei Taschenbuch 26). Fischer, 1953.
  • Schöne neue Welt. Utopischer Roman. Aus dem Englischen von Eva Walch. Mit einem Nachwort von Horst Höhne, Das neue Berlin, Berlin 1978 (DNB 790194880).
  • Dreißig Jahre danach oder Wiedersehen mit der wackeren neuen Welt. Essayband. (Originaltitel: Brave New World Revisited). Piper, München 1960 (DNB 452152453).

Übersetzung von Herberth E. Herlitschka:

  • Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17577-2.

Neuübersetzung von Uda Strätling

  • Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-596-95015-7.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. 100 Best Novels. Abgerufen am 8. Februar 2015.
  2. BBC – The Big Read – Top 100 Books. Abgerufen am 8. Februar 2015.
  3. The 100 greatest novels of all time: The list. Abgerufen am 8. Februar 2015.
  4. Lektüren für das Abitur – umfassend interpretiert und analysiert. Abgerufen am 8. Februar 2015.
  5. Schöne neue Welt. Ein Roman der Zukunft. Fischer Taschenbuch, Frankfurt am Main 2007, Verso des Titelblattes.
  6. In Anspielung auf A.D. (Anno Domini = im Jahre des Herrn, also „nach Christus“) bedeutet A.F. „Anno Fordii“ bzw. „After Ford“ = nach (Henry) Ford. Als Bezugspunkt dient das Jahr 1908, als das erste T-Modell vom Band lief.
  7. Brave New World
  8. Manipulation von Menschen und Massen durch Drogen
  9. Die folgenden, in Anführungszeichen gesetzten Zitate entstammen der Übersetzung von Herberth E. Herlitschka.
  10. Auszug aus dem Vortrag (S. 38–60)
  11. „Ob aber die langfristige Entwicklung auch zu einer genetischen Reform der Gattungseigenschaften führen wird - ob eine künftige Anthropotechnologie bis zu einer expliziten Merkmalsplanung vordringt; ob die Menschheit gattungsweit eine Umstellung vom Geburtenfatalismus zur optionalen Geburt und zur pränatalen Selektion wird vollziehen können - dies sind Fragen, in denen sich, wie auch immer verschwommen und nicht geheuer, der evolutionäre Horizont vor uns zu lichten beginnt.“ Peter Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark; in: Die Zeit Nr. 38 vom 16. September 1999.
  12. Peter Sloterdijk: Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben zum Brief über den Humanismus - die Elmauer Rede von Peter Sloterdijk. In: Die Zeit Nr. 38 vom 16. September 1999.
  13. a b Leserstimmen zu: * Peter Sloterdijk: "Offener Brief an Thomas Assheuer und Jürgen Habermas", ZEIT Nr. 37 / * "Regeln für den Menschenpark", ZEIT Nr. 38. In: Die Zeit Nr. 41 vom 7. Oktober 1999.
  14. Thomas Assheuer: Das Zarathustra-Projekt. Der Philosoph Peter Sloterdijk fordert eine gentechnische Revision der Menschheit. In: Die Zeit Nr. 36 vom 2. September 1999.
  15. Leserstimmen zu: Das weibliche Genom: nahezu entwildert. Thomas Assheuer: "Das Zarathustra-Projekt", ZEIT Nr. 36. In: Die Zeit Nr. 39 vom 23. September 1999.
  16. Thomas Assheuer: Was ist deutsch? Sloterdijk und die geistigen Grundlagen der Republik. In: Die Zeit Nr. 40 vom 30. September 1999
  17. Juergen Habermas: Replique zu Peter Sloterdijk: "Die Kritische Theorie ist tot" - Offener Brief an Thomas Assheuer und Jürgen Habermas, Die Zeit Nr. 37. In: Die Zeit Nr. 38 vom 16. September 1999.
  18. Manfred Frank: Geschweife und Geschwefel. Die düster-prophetische Elmauer Rede über den "Menschenpark" beunruhigt, ... Ein offener Brief (an Peter Sloterdijk). In: Die Zeit Nr. 39 vom 23. September 1999.
  19. Ludger Lütkehaus: Diktat der Geburt. Der Angriff der Biowissenschaften auf Natalität und Kindheit. In: Die Zeit Nr 52 vom 22. Dezember 1999.
  20. Ernst Tugendhat: Es gibt keine Gene für die Moral. Sloterdijk stellt das Verhältnis von Ethik und Gentechnik schlicht auf den Kopf. In: Die Zeit Nr. 39 vom 23. September 1999.
  21. Peter Sloterdijk: Die Kritische Theorie ist tot. Peter Sloterdijk schreibt an Assheuer und Habermas. In: Die Zeit Nr. 37 vom 9. September 1999.
  22. Helmut Walther: Die Sloterdijk-Debatte anläßlich der "Regeln für den Menschenpark". Referat vom 2. Februar. 2000 vor der Gesellschaft für Kritische Philosophie Nürnberg (GKPN).
  23. Norbert Niemann: Korrekturen an der Schönen Neuen Welt. Michel Houellebecqs Skandalroman über den Abschied von der Liebe. In: Die Zeit Nr. 44 vom 30. Oktober 1999.
  24. „Huxleys Voraussagen von 1932, lässt Houellebecq Bruno Clément [eine der tragenden Romanfiguren], den Bruder Michels, im Jahr 1998 sagen, haben sich als ‚unglaublich zutreffend‘ erwiesen. Wir leben heute tatsächlich in einer Gesellschaft ohne Ethos, die ausschließlich damit beschäftigt ist, die Befriedigung unserer Bedürfnisse zu verwalten. […] Doch obwohl wir uns der Vision Huxleys so sehr angenähert haben, sind wir doch von der vermeintlich daraus resultierenden, ruhig gestellten, aber ‚glücklichen Gesellschaft‘ unendlich weit entfernt. Denn in einem entscheidenden Punkt, sagt Bruno, hat Huxley - wie alle Philosophie vor ihm - sich geirrt. Man könne das Leid nicht aufheben, indem man alle Begierden stillt. Im Gegenteil würden diese dadurch erst recht unentwegt angestachelt. […] Die Folge sei ein brutaler sexueller Wettbewerb auf dem Niveau von Rangordnungskämpfen im Primatenrudel.“ Norbert Niemann, Korrekturen an der Schönen neuen Welt, in: Die Zeit Nr. 44 vom 30. Oktober 1999.
  25. [1], Teil 1, Teil 2
  26. Das Making-of: "Brave Neue Welt". In: Wdr3.de. Westdeutscher Rundfunk, 29. Januar 2013, abgerufen am 2. Juli 2014: „Das Hörspiel überprüft unsere Welt: Wie nahe sind wir totalitären Strukturen aus Huxleys Dystopie? Ein pseudo-individualisierter, künstlich produzierter Mensch trifft auf unsere Zivilisation, die im Social-Media-Hype um Besinnung ringt.“
  27. Schöne neue Welt. www.staatsschauspiel-dresden.de, abgerufen am 15. September 2014.
  28. Brave New World: Leonardo DiCaprio und Ridley Scott nehmen sich den Huxley-Roman vor. In: filmstarts.de. Filmstarts, 30. März 2008, abgerufen am 27. November 2012.
  29. Peter Sciretta: Interview: Ridley Scott Explains How ‘Alien: Paradise’ Became ‘Prometheus’, Planning for a ‘Prometheus’ Sequel and More. In: slashfilm.com. /Film, 30. März 2008, abgerufen am 6. Juni 2012 (englisch).