Gwardeisk

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Stadt
Gwardeisk
Гвардейск
Wappen
Wappen
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Gwardeisk
Gegründet 1255
Frühere Namen Tapiau (bis 1946)
Stadt seit 1722
Fläche 12 km²
Bevölkerung 14.122 Einwohner
(Stand: 1. Okt. 2021)[1]
Bevölkerungsdichte 1177 Einwohner/km²
Höhe des Zentrums 10 m
Zeitzone UTC+2
Telefonvorwahl (+7) 40159
Postleitzahl 238209–238210
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 206 501
Geographische Lage
Koordinaten 54° 39′ N, 21° 4′ OKoordinaten: 54° 39′ 0″ N, 21° 4′ 0″ O
Gwardeisk (Europäisches Russland)
Gwardeisk (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Gwardeisk (Oblast Kaliningrad)
Gwardeisk (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad
Liste der Städte in Russland

Gwardeisk (russisch Гвардейск (anhören/?), übersetzbar in etwa mit „Gardestadt“; deutsch Tapiau; litauisch Tepliuva, Tepliava; polnisch Tapiawa) ist eine Stadt in der russischen Oblast Kaliningrad mit 14.122 Einwohnern (Stand 1. Oktober 2021).[1] Die Stadt ist das administrative Zentrum des Rajons Gwardeisk und Verwaltungssitz der kommunalen Selbstverwaltungseinheit Stadtkreis Gwardeisk.

Geographische Lage

Gwardeisk befindet sich auf einer bergigen Anhöhe am Fluss Pregel im historischen Ostpreußen, etwa 35 Kilometer östlich von Kaliningrad (Königsberg), an der Hauptstraße A229, der ehemaligen Reichsstraße 1, und an der Bahnstrecke Kaliningrad–Nesterow, der Haupteisenbahnlinie von Kaliningrad in Richtung russisches Kernland, dem früheren Endstück der Preußischen Ostbahn-Strecke nach Eydtkuhnen (heute Tschernyschewskoje). Vom Pregel zweigt bei Gwardeisk die Deime ab.

Geschichte

Tapiau östlich von Königsberg und südlich des Kurischen Haffs auf einer Landkarte von 1910.

Der bis 1946 offizielle Ortsname entwickelte sich von Tapiow (1255) über Castrum Tapiow, quod Prutheni nominant Surgurbi (Dusburg, 1326) zur endgültig deutschen Bezeichnung Tapiau, die seit 1684 nachgewiesen ist. Dieser Name ist abgeleitet aus den prußischen Wörtern „tape, teplu, toplu, tapis“ = warm, „tape“ = Wärme, Temperatur und „sur garbis“ = um den Berg herum.

Westlich von Tapiau ist eine prußische Wehranlage belegt. Sie sollte – ebenso wie die zwischen Deime und Pregel gelegene prußische Burg – einst das Samland vor den Wikingern schützen, die durch einen damaligen Durchbruch in der Nehrung bei Sarkau leicht in das Haff eindringen konnten. Anstelle dieser Holzburg baute der Deutsche Ordens 1351 die Burg Tapiau. 1385 wurde hier der Sohn des litauischen Großfürsten Kęstutis, Vytautas (Witold), getauft, der später mit seinem Vetter Jagiello die polnisch-litauische Union errichtete und regierte. Nach der Verlegung des Ordenshochsitzes übernahm Tapiau die Ordensbibliothek sowie das Archiv.

Die Stadtrechte erhielt Tapiau 1722.

1895 umfasste die Stadt ein Postamt zweiter Klasse, Telegraph, Warendepot der Reichsbank, Gärtnerlehranstalt mit Obstweinfabrik, Provinzial-Besserungs- und Landarmenanstalt, Biskuit- und Zuckerfabrik, Dampfschneide- und Mahlmühlen, Brauereien, Schifffahrt, Handel mit Holz, Steinen, Getreide, Butter und Käse. In der Besserungsanstalt wurden Decken, grobes Tuch (Want), Baumwollzeug (Nessel), Strohmatten und Fischernetze angefertigt.

Von 1818 bis 1945 gehörte die Stadt Tapiau zum Landkreis Wehlau im Regierungsbezirk Königsberg der Provinz Ostpreußen.

Am 25. Januar 1945 wurde Tapiau von der Roten Armee eingenommen. Als eine der wenigen Städte Nordostpreußens überstand Tapiau den Zweiten Weltkrieg ohne größere Schäden und ist auch heute vergleichsweise gut erhalten.

Auf dem Marktplatz steht auch nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 weiterhin ein Lenindenkmal.

Kirchen

Kirchengebäude

Siehe dazu den Hauptartikel: Kirche Johannes der Täufer (Gwardeisk)

Die ehemals evangelische Stadtkirche Tapiaus und heutige russisch-orthodoxe Kirche in Gwardeisk

Am heutigen Ploschtschad Pobedy (ehemaliger Marktplatz) steht die im Jahre 1502 errichtete ehemalige evangelische Stadtkirche Tapiaus, die heutige Kirche Johannes der Täufer. Mehrmals durch Brand zerstört erfuhr das Gotteshaus 1767/68 eine Instandsetzung. In der Sakristei befand sich das von Lovis Corinth angefertigte Triptychon mit Abbildungen Jesus am Kreuz und dem Apostel Paulus sowie dem Evangelisten Matthäus. Die Kirche wurde 1945 als Lager und Geschäftshaus zweckentfremdet und wird jetzt – nach gründlicher Restaurierung – zu Gottesdienstzwecken der russisch-orthodoxen Kirche genutzt.

Kirchengemeinden

Evangelisch

Von der Reformation bis 1945 bestand in Tapiau eine evangelische Kirchengemeinde mit zwei Pfarrstellen an der Stadtkirche und einer Predigerstelle in der Anstaltsgemeinde der Heil- und Pflegeanstalt. Zu ihr gehörte ein weitflächiges Kirchspiel mit mehr als 20 Orten. Im Jahre 1925 wurden bei einer Volkszählung in Tapiau 9.000 dazugehörige Kirchenglieder gezählt. Tapiau gehörte zum Kirchenkreis Wehlau (heute russisch Snamensk) innerhalb der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union. Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges brach aufgrund Flucht und Vertreibung der einheimischen Bevölkerung das evangelisch-kirchliche Leben in Tapiau ein.

1997 gründete sich in Gwardeisk eine deutsch-russische Gemeinde innerhalb der Propstei Kaliningrad[2] im Verbund der Evangelisch-Lutherischen Kirche Europäisches Russland. Sie ist eine Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg).

Katholisch

Bis 1945 gab es in Tapiau eine römisch-katholische Gemeinde, die 1904 entstand und deren Pfarrkirche die St.-Joseph-Kirche war. Die Gemeinde gehörte zum Bistum Ermland. Heute besteht wieder eine katholische Pfarrei, die im Haus Sankt Josef in der uliza Telmana (Thälmannstraße) ihren Sitz hat und zurzeit (Stand: 2011) von Steyler Missionaren und Angehörigen der Schönstatt-Bewegung betreut wird.

Orthodox

Die ehemals evangelische Stadtkirche am Marktplatz wird seit 1998 von einer Gemeinde der russisch-orthodoxen Kirche genutzt, die seit 2009 der Diözese Kaliningrad und Baltijsk eingegliedert ist.

Bahnhofsgebäude Gwardeisk (dt.:Tapiau)

Verkehr

Es gibt mehrmals täglich eine Busverbindung nach Kaliningrad-Stadt. Der Bus startet vom Marktplatz aus.

Wirtschaft

Neben einem Internetcafé, einer Bankfiliale mit Geldautomat sowie diversen Einzelhandels- und Lebensmittelgeschäften prägen zahlreiche Kioske, in denen vor allem alkoholische Getränke verkauft werden, das Stadtbild. Rund um die Stadt haben sich seit 2004 diverse Landwirtschaftsbetriebe und mittelständische Betriebe, u. a. für die Fertigung von Haushaltsgeräten, neu angesiedelt. Ferner gibt es in Gwardeisk eine Pension, einen Handyshop und verschiedene Bars. An den Wochenenden bieten freie Händler und Privatpersonen häufig landwirtschaftliche Erzeugnisse, Textilien und Haushaltsgegenstände am Straßenrand zum Verkauf an.

Häuserzeile in der Innenstadt

Infrastruktur

Es gibt in Gwardeisk einen russisch-orthodoxen Friedhof, eine Oberschule, eine staatliche Sozialberatungsstelle mit angeschlossenem, allgemeinmedizinischen Dienst, eine staatliche, tierärztliche Lebensmittelkontrollstelle und einen öffentlichen Sportplatz.

Das Deutsch-Russische Haus in Kaliningrad bietet in Gwardeisk in Zusammenarbeit mit der GIZ und dem Auswärtigen Amt Fortbildungen im gewerblich-technischen Bereich an.[3]

Die aus sowjetischer Zeit stammenden Wohnblocks in der Telmana und an der Ausfallstraße nach Kaliningrad werden im Winter ausschließlich mit individuell nicht regulierbarer Fernwärme beheizt. Seit ihrem Bau in den 1960er und 1970er Jahren sind diese heute weitgehend in Privatbesitz befindlichen Wohnblocks an den Außenfassaden und vielfach auch im Inneren unverändert geblieben.

Der Hausmüll wird in Gwardeisk auf unweit der Stadt gelegenen Deponien gesammelt und dort von Zeit zu Zeit verbrannt, was zu einer Beeinträchtigung der Luft- und Trinkwasserqualität führt.

Chronologie

Zeitraum Grund der Änderung
Historisches Ereignis
Verwaltung von Gwardeisk
Kreis Regierungsbezirk Provinz Land
1260–1525 Komturei Königsberg Ordensland Preußen Staat des Deutschen Ordens
1525–1657 Reformation Herzogtum Preußen Lehen vom Königreich Polen
1657–1701 Vertrag von Wehlau Kurfürstentum Brandenburg
1701–1818 Königreich Preußen
1818–1824 Verwaltungsgliederung Preußens Landkreis Wehlau Regierungsbezirk Königsberg Provinz Preußen
(nur Ostteil)
1824–1866 Verwaltungsreform Provinz Preußen
1866–1871 Deutscher Krieg Königreich Preußen
Norddeutscher Bund
1871–1877 Gründung Deutsches Kaiserreich Deutsches Kaiserreich
Bundesstaat Königreich Preußen
1877–1918 Verwaltungsreform Provinz Ostpreußen
1919–1933 Weimarer Republik
1933–1945 Deutsches Reich 1933 bis 1945
1945–1946 Einmarsch der Roten Armee Oblast Königsberg Russische Sozialistische Föderative Sowjetrepublik (RSFSR)
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR)
1946–1991 Verwaltungsreform und Umbenennung Rajon Gwardeisk Oblast Kaliningrad
1991– Zerfall der Sowjetunion Föderationskreis Nordwestrussland
Russische Föderation

Bevölkerungsentwicklung

Jahr Einwohner Bemerkungen
1782 über 1.200[4]
1875 2.679
1890 3.763 davon 97 Katholiken und 73 Juden
1895 4.061 davon 81 Katholiken und 53 Israeliten
1910 5.986
1933 7.683
1939 9.326
1959 7.560
1970 10.544
1979 10.819
1989 11.904
2002 14.572
2010 13.899

Anmerkung: Volkszählungsdaten

Persönlichkeiten

Nach Geburtsjahr geordnet

Sehenswürdigkeiten

Luftaufnahme von Gwardeisk
Sowjetisches Kriegsdenkmal

Partnerschaften

Literatur

  • Max Toeppen: Ueber preussische Lischken, Flecken und Städte. Ein Beitrag zur Geschichte der Gemeindeverfassungen in Preußen. In: Altpreußische Monatsschrift, Band 4, Königsberg 1867, S. 511-536, insbesondere S. 528–536 (Volltext)
  • Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 13 (Online).

Weblinks

Commons: Gwardeisk – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Таблица 1.10 «Численность населения городских округов, муниципальных районов, муниципальных округов, городских и сельских поселений, городских населенных пунктов, сельских населенных пунктов» Программы итогов Всероссийской переписи населения 2020 года, утвержденной приказом Росстата от 28 декабря 2021г. № 963, с данными о численности постоянного населения каждого населенного пункта Калининградской области. (Tabelle 1.10 „Bevölkerungsanzahl der Stadtkreise, munizipalen Rajons, Munizipalkreise, städtischen und ländlichen Siedlungen [insgesamt], städtischen Orte, ländlichen Orte“ der Ergebnisse der Allrussischen Volkszählung von 2020 [vollzogen am 1. Oktober 2021], genehmigt durch die Verordnung von Rosstat vom 28. Dezember 2021, Nr. 963, mit Angaben zur Zahl der Wohnbevölkerung jedes Ortes der Oblast Kaliningrad.)
  2. Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad
  3. Deutsch-Russisches Haus Kaliningrad
  4. Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preußen. Teil I: Topographie von Ost-Preußen. Marienwerder 1785, S. 13.