Hans Fallada

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Fallada-Porträtkarikatur von e.o.plauen

Hans Fallada (* 21. Juli 1893 in Greifswald; † 5. Februar 1947 in Berlin; eigentlich Rudolf Wilhelm Friedrich Ditzen) war ein deutscher Schriftsteller. Er gehört zu den bekanntesten deutschen Autoren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Werke sind zum überwiegenden Teil der Neuen Sachlichkeit zuzurechnen.

Leben und Werk

Rudolf Ditzen wurde in gutbürgerlichen Verhältnissen geboren, litt jedoch unter dem Verhältnis zum autoritären Vater, der Richter beim Reichsgericht in Leipzig war, ihm nicht die nötige Anerkennung zollte und für ihn eine Juristenlaufbahn vorgesehen hatte. 1899 zog die Familie nach Berlin, 1909 nach Leipzig, wo er wie schon in Berlin in der Schule als Außenseiter galt, Mitglied des Wandervogels wurde und sich immer mehr in sich zurückzog.

Mit 17 Jahren kam er nach Rudolstadt, wo er das Fürstliche Gymnasium besuchte. Mit seinem Freund Hanns Dietrich von Necker beschloss er am 17. Oktober 1911 einen als Duell getarnten Doppelsuizid zu begehen, bei dem der Freund starb. Ditzen überlebte schwer verletzt, wurde wegen Totschlags verhaftet und in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Die Anklage wurde bei Zuerkennung der Unzurechnungsfähigkeit fallen gelassen. Er verließ jedoch das Gymnasium ohne Abschluss. Zu Beginn des Ersten Weltkriegs meldete er sich als Kriegsfreiwilliger, wurde jedoch als dauernd untauglich abgewiesen. Die Zeit von 1917 bis 1919 verbrachte er aufgrund seiner Alkoholsucht hauptsächlich in Entzugsanstalten und Privatsanatorien, vornehmlich in Posterstein. Da er in Posterstein auch eine landwirtschaftliche Lehre absolviert hatte, konnte er sich danach mit Gelegenheitstätigkeiten, vor allem als Gutsverwalter, aber auch als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter der Landwirtschaftskammer Stettin und später als Angestellter einer Kartoffelanbaugesellschaft in Berlin, finanziell über Wasser halten.

Später wurde Ditzen zweimal zu Haftstrafen verurteilt, weil er zur Finanzierung seiner Drogen- und Alkoholsucht Betrugs- und Unterschlagungsdelikte begangen hatte. 1928, nach seiner zweiten Haftentlassung, lernte er in Hamburg-Eilbek Anna „Suse“ Issel kennen, die zum Vorbild für seine Romanfigur Lämmchen wurde und die er am 5. April 1929 in Hamburg heiratete. Mit Suse hatte er vier Kinder, von denen eines gleich nach der Geburt und ein zweites noch in Jugendjahren starb. Nach der Heirat lebte das Paar zunächst getrennt: sie bei ihrer Mutter in Hamburg, er in Neumünster, wo er vorübergehend den Guttemplern beitrat und als Anzeigenwerber und Reporter für eine Lokalzeitung und zugleich als Angestellter des örtlichen Fremdenverkehrsverbandes arbeitete.

Anfang der 1930er Jahre begann Ditzens schriftstellerischer Erfolg. Nachdem sein Roman über Kleinstadtpolitik und Landvolkbewegung Bauern, Bonzen und Bomben im Deutschen Reich Beachtung gefunden hatte, zogen die Ditzens auf Anraten des Verlegers Ernst Rowohlt in die Nähe von Berlin, wo sie in Neuenhagen und später in Berkenbrück lebten. Rowohlt hatte Ditzen eine Halbtagsbeschäftigung in seinem Verlag verschafft, damit dieser sich ohne größere materielle Sorgen der Arbeit an Kleiner Mann – was nun? widmen konnte. Dieses Werk, das im Deutschen Reich zum Bestseller wurde, brachte ihm den Durchbruch als Schriftsteller und auch internationale Anerkennung.

Im März 1933 wurde Ditzen durch seine Mieter, die ehemaligen Hausbesitzer, die ein Gespräch Ditzens mit Ernst von Salomon belauscht hatten, bei der örtlichen SA denunziert, sodass er kurzzeitig in Haft genommen wurde. Daraufhin gab er das Haus in Berkenbrück auf und kaufte im selben Jahr ein Anwesen in Carwitz. Dort schrieb er weitere Romane, auch sozialkritische wie Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, in dem Ditzen seine Erfahrungen im Gefängnis von Neumünster verarbeitet hatte (hilfreich war hier auch, dass das Buch sich gegen die Behandlung der Gefangenen in der „Systemzeit“ (Weimarer Republik) richtete).

Später schwenkte er auf politisch unverfängliche Unterhaltungsliteratur um, als die nationalsozialistische Kritiker seine bisherigen Werke ablehnend beurteilten, um seine schriftstellerische Existenz nicht zu gefährden, die ohnehin stets prekär blieb, da Fallada kein eingetragenes Mitglied der Reichsschrifttumskammer war. Sein Aufnahmeantrag wurde nicht positiv beantwortet, jedoch auch nicht abgelehnt. Erst eine endgültige Ablehnung seines Antrags hätte zu einem Publikationsverbot geführt und in dessen Folge die Vernichtung seiner Existenz als Schriftsteller bedeutet.

Den Künstlernamen Hans Fallada wählte er in Anlehnung an zwei Grimmsche Märchen, den glücklosen Hans im Glück und Die Gänsemagd, in der ein Pferd namens Falada vorkommt, das auch nach seinem Tod noch die Wahrheit sagt, bis die betrogene Prinzessin zu ihrem Recht kommt.

1944 scheiterte Ditzens Ehe, das Ehepaar wurde am 5. Juli geschieden. Am 24. August 1944 schoss er bei einem Streit mit seiner geschiedenen Frau mit einem Terzerol in den Tisch. Daraufhin wurde er wegen versuchten Totschlags angeklagt und schließlich am 4. September 1944 bis zum 13. Dezember 1944 als nicht zurechnungsfähig in die Landesanstalt Strelitz eingewiesen. Dort entstand unter anderem Der Trinker. Im Februar 1945 heiratete er die fast 30 Jahre jüngere Ursula Losch, die ebenso wie er mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte.

Gedenktafel am Haus Rudolf-Ditzen-Weg 19, in Berlin-Niederschönhausen
Gedenktafel in Berlin-Niederschönhausen

1945 übte er für eine kurze Zeit das Amt des Bürgermeisters in Feldberg in Mecklenburg aus. Er übersiedelte nach Berlin und arbeitete dort auf Wunsch Johannes R. Bechers für die Tägliche Rundschau. Die Unterstützung Bechers bewirkte auch, dass Fallada zusammen mit den Machthabern der SED und deren zugewandten Prominenten – wie Becher selbst – im bevorzugten und von der Außenwelt abgeschotteten Quartier Majakowskiring („das Städtchen“) wohnen durfte. Die hier erlebte Abgeschottetheit ist in Falladas Roman Der Alpdruck eingegangen.[1]

1947 wurde Ditzen aufgrund seines Alkoholismus und Morphinismus in einem zeitweilig als Lazarett genutzten Schulgebäude in Berlin-Niederschönhausen behandelt und starb dort an Herzversagen, und nicht, wie es die Legende will, an einer Überdosis Rauschgift. Im Jahr seines Todes erschien mit Jeder stirbt für sich allein das erste Buch eines deutschen Schriftstellers, dessen Thema der Widerstand gegen Hitler war. Der Trinker wurde posthum herausgegeben.

Bis 1981 war Ditzen auf einem Pankower Friedhof in einem Ehrengrab beigesetzt. Auf Betreiben von Anna Ditzen erfolgte später die Umbettung nach Carwitz.[2]

Ehrungen

Hans-Fallada-Museum in Carwitz

Zu Ehren von Hans Fallada stiftete die Stadt Neumünster 1981 den Hans-Fallada-Preis.

Das Hans-Fallada-Archiv in Carwitz wird vom Literaturzentrum Neubrandenburg e. V.[3] verwaltet. Hier sind Dokumente vom Schriftsteller und über ihn vorhanden (Manuskripte, Briefwechsel, Signaturen, Filme und Fernsehsendungen, wissenschaftliche Arbeiten). Das Literaturzentrum wird von der Stadt Neubrandenburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern gefördert.

Werke

  • Der junge Goedeschal, 1920
  • Anton und Gerda, 1923
  • Bauern, Bonzen und Bomben, 1931
  • Kleiner Mann – was nun?, 1932
  • Wer einmal aus dem Blechnapf frißt, 1934
  • Wir hatten mal ein Kind, 1934
  • Märchen vom Stadtschreiber, der aufs Land flog, 1935
  • Altes Herz geht auf die Reise, 1936
  • Hoppelpoppel – wo bist du?, Kindergeschichten, 1936
  • Wolf unter Wölfen, 1937
  • Geschichten aus der Murkelei, Märchen, 1938
  • Der eiserne Gustav, 1938
  • Süßmilch spricht, 1938
  • Kleiner Mann, Großer Mann – alles vertauscht oder Max Schreyvogels Last und Lust des Geldes, 1939
  • Süßmilch spricht. Ein Abenteuer von Murr und Maxe, Erzählung, 1939
  • Der ungeliebte Mann, 1940
  • Das Abenteuer des Werner Quabs, Erzählung, 1941
  • Damals bei uns daheim, Erinnerungen, 1942
  • Heute bei uns zu Haus, Erinnerungen, 1943
  • Fridolin, der freche Dachs, 1944
  • Jeder stirbt für sich allein, 1947
  • Der Alpdruck, 1947
  • Zwei Lämmchen weiß wie Schnee, Berlin 1948
  • Der Trinker, 1950 (Manuskript 1944)
  • Ein Mann will nach oben, 1953
  • Die Stunde, eh´du schlafen gehst, 1954
  • Junger Herr – ganz groß, 1965
  • Gesammelte Erzählungen, Braunschweig 1967
  • Ausgewählte Werke in Einzelausgaben, 10 Bände, ab 1962
  • Heute bei uns Zuhaus, Neuausgabe von 1992
  • Frühe Prosa in zwei Bänden, Berlin 1993
  • Der Jungherr von Strammin, Berlin 1996
  • Drei Jahre kein Mensch, Strafgefangener Zelle 32, Berlin 1998, Erstausgabe
  • Sachlicher Bericht über das Glück, ein Morphinist zu sein
  • In meinem fremden Land: Gefängnistagebuch 1944, 2009

Briefe

  • Hans Fallada / Anna Ditzen: Wenn du fort bist, ist alles nur halb. Briefe einer Ehe. Herausgegeben von Dr. Ulrich Ditzen. Aufbau-Verlag, Berlin 2007. ISBN 978-3-351-03220-3
  • Michael Töteberg, Sabine Buck (Hrsg.): Hans Fallada: Ewig auf der Rutschbahn – Briefwechsel mit dem Rowohlt Verlag. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008, ISBN 978-3-498-02121-4
  • Hans Fallada / Uli Ditzen: Mein Vater und sein Sohn. Briefwechsel. Herausgegeben von Dr. Ulrich Ditzen. Aufbau-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-351-02993-4

Verfilmungen

Literatur

  • Nils Arnöman: „Ach Kinder …“ Zur Rolle des Kindes und der Familie im Werk Hans Falladas. Germanistisches Institut, Stockholm 1998. (= Schriften des Germanistischen Instituts, Universität Stockholm; 25)
  • Daniel Börner: „Wenn Ihr überhaupt nur ahntet, was ich für einen Lebenshunger habe!“ - Hans Fallada in Thüringen. Ausstellungskatalog, (Literaturmuseum "Romantikerhaus", 3. Juli bis 10. Oktober 2010), Stadtmuseum Jena (Dokumentation, Bd. 18), Jena 2010
  • Maria E. Brunner: Proletarisierungsprozesse und Politikverständnis in Hans Falladas Werk. Ars Una, Neuried 1997. ISBN 3-89391-304-1
  • Günter Caspar: Fallada-Studien. Aufbau, Berlin 1988. ISBN 3-351-01241-1
  • Tom Crepon: Kurzes Leben – langes Sterben. Hans Fallada in Mecklenburg. Hinstorff, Rostock 1998. ISBN 3-356-00797-1
  • Tom Crepon: Leben und Tode des Hans Fallada. Ullstein, Frankfurt/M. – Berlin – Wien 1984 (zuerst: Mitteldeutscher Verlag, Halle – Leipzig: 1978). ISBN 3-548-27529-X
  • Ulrich „Uli“ Ditzen:[4] Mein Vater und sein Sohn. Aufbau, Berlin 2004. ISBN 978-3351-0299-3-7
  • Enno Dünnebier: Hans Fallada. 1893–1947. Eine Bibliographie. Federchen, Neubrandenburg 1993. ISBN 3-910170-11-0
  • Klaus Farin: Hans Fallada. „welche sind, die haben kein Glück“. Tilsner, München 1993. (= Taschenführer populäre Kultur; 3) ISBN 3-910079-52-0
  • Hugo von Keyserlingk: Liebe, Leben, Alkohol. Suchtkrankheiten im Spiegel deutscher Literatur. Mit den Lebenswegen der Dichter Reuter, Grabbe, Fallada. Pabst Science Publ., Lengerich 2004. ISBN 3-89967-127-9
  • Hannes Lamp: Fallada unter Wölfen. Schreiben im Dritten Reich: Die Geschichte des Inflationsromans „Wolf und Wölfen“. Steffen, Friedland 2002. ISBN 3-9807532-9-8
  • Hannes Lamp: Fallada – Der Alp meines Lebens. Gundlach und Klamp, 2007. ISBN 3-00-020616-7.
  • Sabine Lange: Fallada – Fall ad acta? Sozialistische Erbepflege und das Ministerium für Staatssicherheit. Edition Temmen, Bremen 2006.[5]
  • Werner Liersch: Fallada. Der Büchersammler, der Literaturkritiker, der Photographierte, der Missbrauchte. Individuell, Schöneiche bei Berlin 2005. ISBN 3-935552-12-2
  • Werner Liersch: Hans Fallada. Sein großes kleines Leben. Rowohlt, Reinbek 1997 (zuerst: Verlag Neues Leben, Berlin 1981). ISBN 3-499-13675-9
  • Jürgen Manthey: Hans Fallada. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten. 11. Aufl. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1998 (= rororo 50078; Rowohlts Monographien). ISBN 3-499-50078-7
  • Silvia Menke: Schreiben als Daseinsbewältigung. Die Bedeutung literarischer Produktivität für Hans Fallada und Gottfried Keller. Shaker, Aachen 2000. ISBN 3-8265-8177-6
  • Thomas Peter: Hans Falladas Romane in den USA. 1930–1990. Umeå univ. Inst. för moderna språk, Umeå 2003. (= Skrifter från moderna språk; 8) ISBN 91-7305-416-X
  • Cecilia von Studnitz: Es war wie ein Rausch. Fallada und sein Leben. Droste, Düsseldorf 1997. ISBN 3-7700-1064-7
  • Cecilia von Studnitz: Ich bin nicht der, den Du liebst – Die frühen Jahre des Hans Fallada in Berlin. Steffen, Friedland 2007. ISBN 978-3-910170-63-6
  • Anja C. Schmidt-Ott: Young love – negotiations of the self and society in selected German novels of the 1930s (Hans Fallada, Aloys Schenzinger, Maria Leitner, Irmgard Keun, Marie Luise Kaschnitz, Anna Gmeyner and Ödön von Horváth). Lang, Frankfurt am Main u. a. 2002. (= Europäische Hochschulschriften; Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur; 1835) ISBN 3-631-39341-5
  • Ruth Schmidt-WiegandFallada, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 5, Duncker & Humblot, Berlin 1961, ISBN 3-428-00186-9, S. 17 (Digitalisat).
  • Geoff Wilkes: Hans Fallada's crisis novels 1931–1947. Lang, Bern u. a. 2002. (= Australian and New Zealand studies in German language and literature; 19) ISBN 3-906770-32-X
  • Jenny Williams: Mehr Leben als eins. Hans-Fallada-Biographie. Aufbau, Berlin 2002. ISBN 978-3351-0253-2-8
  • Rudolf Wolff (Hrsg.): Hans Fallada. Werk und Wirkung. Bouvier, Bonn 1983. (=Sammlung Profile, 3) ISBN 3-416-01723-4
  • Reinhard K. Zachau: Hans Fallada. Eine kritische Untersuchung zur Rezeption seines Werks in den Jahren 1930–1997. Heinz, Stuttgart 2000. (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik; 371) ISBN 3-88099-376-9
Commons: Hans Fallada – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Dauerausstellung in den Torhäusern von Schloss Schönhausen (Seite 3 der verlinkten Datei)
  2. knerger.de: Das Grab von Hans Fallada
  3. Hans-Fallada-Archiv
  4. Der Autor und Wuppertaler Rechtsanwalt Dr. Ulrich Ditzen ist der älteste Sohn Hans Falladas.
  5. „Fesselnde“ Geschichte des Fallada-Archivs, von der in der DDR suspendierten, dann wieder eingestellten, unter einem Vorwand erneut entlassenen Archivarin.