Kuss

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Erastes (links) und Eromenos beim Küssen, etwa 480 v. Chr.
Der Kuss (Ölgemälde von Francesco Hayez, 1859), Pinacoteca di Brera, Mailand

Ein Kuss ist ein oraler (von lat. os, oris „Mund“) Körperkontakt mit einer Person oder einem Gegenstand. Die wissenschaftliche Erforschung des Kusses nennt man Philematologie (von gr. φίλημα, phílēma „Kuss“). Es werden sowohl physiologische als auch soziale und kulturelle Aspekte des Küssens erforscht.

Der Kuss gilt in vielen Kulturen als Ausdruck von Liebe, Freundschaft und Ehrerbietung. Die Bedeutung des Kusses, insbesondere des in der Öffentlichkeit entbotenen Kusses, ist jedoch kulturell unterschiedlich. In der westlichen Kultur ist der Kuss meist Ausdruck von Liebe und Zuneigung; häufig auch als Bestandteil sexueller Betätigung.

Geschichte

Entstehungstheorie

Bei vielen Tieren, aber auch einigen noch ursprünglich lebenden Völkern, wird von Müttern vorgekaute Nahrung von Mund zu Mund an ihre Kinder weitergegeben. Manche Forscher sehen dies als möglichen Ursprung des Küssens.

Viele Tiere nehmen daneben auch aus anderen Gründen Kontakt im Kopfbereich auf. Durch die im Bereich des Mundes vorhandenen Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinne werden möglicherweise Informationen aufgenommen, die für Partnerwahl oder andere soziale Interaktion wesentlich sein könnten. Beim Menschen können auch kulturelle Aspekte eine Rolle spielen, die in den unterschiedlichen Varianten des Kussverhaltens zum Ausdruck kommen können.

Neueste Forschungen widersprechen der These von der Mund-zu-Mund-Fütterung als Ursprung. Eine weltweit durchgeführte Studie kam zu dem Ergebnis, dass in 168 Kulturen nur bei 46 % das Küssen üblich war und bei einigen sogar als „eklig“ empfunden wird. Einige Forscher gehen nun vielmehr davon aus, dass sich das Küssen zuerst in einigen höheren Gesellschaftsschichten etablierte und sich von dort als Statusverhalten nach unten verbreitet hat.[1]

Der Kuss im Christentum

Nach verschiedenen Ermahnungen schreibt Paulus an die Korinther: „Zuletzt, liebe Brüder, freut Euch, lasst Euch zurechtbringen, lasst Euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit Euch sein. Grüßt Euch untereinander mit dem heiligen Kuss.“ (2 Kor 13,11f EU)

„Mit einem Kuss verrätst du den Menschensohn“, Skulptur Jesu und des Judas in der Scala Santa von Ignazio Jacometti (1852)

Die alte christliche Kirche kannte den Friedenskuss als Zeichen einer vollständigen Versöhnung.[2] Ivan Illich beschreibt die frühchristliche Praxis: „Diese Menschen kamen zu einer Feier zusammen, die zwei Höhepunkte hatte: einer war die conspiratio (…) mit der Bedeutung von spiritus, Geist, der höchsten Form der Innerlichkeit. Diese conspiratio kam im Mund-zu-Mund-Kuss, dem osculum zum Ausdruck. (…) Das osculum benutzte man [im Römischen Reich] nur als Rechtsmittel. (…) Die Christen übernahmen die Symbolik als Zeichen, dass jeder der Anwesenden um den Esstisch von seinem eigenen Geist, vom Heiligen Geist, der allen gemeinsam war, einen Beitrag dazu leistete, eine spirituelle Gemeinschaft zu schaffen, eine Gemeinschaft aus einem Geist. Dann setzten sie sich hin und teilten miteinander das Mahl. Dieser einfache Esstisch war die zentrale liturgische Zeremonie, bei der die ecclesia, das Zusammenrufen – das bedeutet das Wort – Leib und Seele bekam. (…) Im 4. Jahrhundert (…) war eine körperliche Berührung dieser seltsamen Art bereits suspekt, und man änderte ihren Namen in osculum pacis und schließlich in pax allein.“[3]

Der Judaskuss an der Abteikirche in Saint-Gilles-du-Gard (12. Jahrhundert)

In den orthodoxen Ostkirchen ist noch heute der Osterkuss üblich, woraus auch der Bruderkuss im Ostblock entstand. [4]

Judaskuss oder Todeskuss

Nach Mt 26,48ff EU verriet der von Jesus von Nazaret berufene Apostel Judas Iskariot diesen an die von den Hohenpriestern ausgesandte Truppe mit einem Kuss, der als Erkennungszeichen vorher verabredet worden sei. Daher bezeichnet man heute einen geheuchelten Kuss oder eine andere derartige Geste, hinter der sich statt Freundschaft Feindschaft und böse Absicht verbergen, als „Judaskuss“ oder „Todeskuss“.

Dies spiegelt sich wider in Kriminalfilmen und Erzählungen mit Mafia-Hintergrund, in denen ein Kuss als Todesdrohung verwendet wird, siehe Der Todeskuß, Kiss of Death und Der Pate.

Mittelalter

Im Mittelalter hatte der Kuss große Bedeutung: Er besiegelte die Abhängigkeit zwischen Lehensherren und Untergebenem. Auch der Verlobungskuss hatte damals rechtlich bindende Wirkung.[5]

Kussarten

Küsschen

Als Küsschen oder Busserl (Bussi) bezeichnet man einen Kuss mit fast geschlossenen Lippen. Die Lippen werden hierbei etwas nach außen gewölbt, um eine größere Lippenfläche für den Kusspartner bereitzustellen. Oft wird dieser Kuss auch unter engen Freunden und Verwandten durchgeführt, auch als „Gutenachtkuss“.

Spitzkuss

Der Spitzkuss ist ein mit spitzen, dünnen Lippen ausgeführter Kuss, der die Lippen des Kusspartners nur leicht oder überhaupt nicht berührt. Es handelt sich hierbei eher um die Geste, die im wahrsten Sinne des Wortes „überspitzt“ wird.

Luftkuss

Luftkuss

Symbolisch angedeutet überbrückt der Luftkuss von den Lippen über die Handfläche gehaucht größere Distanzen. Hierbei wird zuerst in die Handinnenfläche geküsst. Danach wird diese nach oben gehalten und der „Kuss“ in Richtung des zu Küssenden „geblasen“. Diese Geste sollte vom Empfänger des Kusses wahrgenommen werden, damit sie tatsächlich ankommt.

Nippen

Beim Nippen werden die Lippen beim Beenden des Kusses nicht vollständig geschlossen. Stattdessen wird der Mund etwas offen gelassen, um beim Trennen der Lippen die Oberlippe oder Unterlippe des Partners mit den eigenen Lippen – eventuell auch mit sanftem Einsatz der Zähne – zu fangen und kurz zu halten. Hierbei handelt es sich um einen spielerischen Abschluss des Kusses.[6]

Zwischen Nippen und Zungenkuss

Zungenkuss

Ein Zungenkuss (auch französischer Kuss,[6] florentinischer Kuss[7] oder Seelenkuss) ist ein Kuss, bei dem die Zunge des Partners mit der eigenen Zunge berührt wird.[8][9] Neben dem Berühren der Zungen kann auch das Saugen an Ober- oder Unterlippe des Partners dazugehören.[10] Neben dem Menschen sind Bonobos und Orang-Utans die einzigen Primaten, bei denen Zungenküsse beobachtet wurden.[11]

Schmerzkuss

Einige Menschen beziehen aus Schmerzen sexuelle Erregung (vgl. BDSM). Bei diesem Kusstyp handelt es sich jedoch nicht um einen Kuss im eigentlichen Sinne, sondern um einen leichten Biss, welcher etwa in die Lippen, den Hals (bevorzugt im Bereich der Vena jugularis interna), die Nase oder auf den Nacken erfolgt und unterschiedlich intensive Schmerzreize hervorruft.[6]

Intimkuss

Als Intimkuss werden Küsse auf primäre oder sekundäre Geschlechtsmerkmale und -organe, wie zum Beispiel Busen, Penis, Vulva oder Anus verstanden. Küsse im Bereich der erogenen Zonen werden meist intensiver wahrgenommen, da diese sexuell erregen können. Intimküsse können als erotisches Vorspiel oder auch als alleinige Form des Oralverkehrs eingesetzt werden.

Handkuss

Ein Handkuss ist ein vollendeter oder bewusst unvollendeter Kuss auf den Rücken einer vom Adressaten meist eigens dafür hingehaltenen Hand. Er kann unter anderem aus Respekt, Unterwürfigkeit oder Liebe gegeben werden.

Nasenkuss

In Asien und der Arktis weit verbreitet ist der Nasenkuss (häufig auch Eskimokuss oder selten Riechgruß genannt). Dieses Verhalten ist vom Beschnüffeln des Gegenübers ableitbar. Dass es in der Arktis üblich sei, sich mit der Nase zu küssen, zählt zu den zahlreichen populären Irrtümern über die Inuit. Damit gemeint ist der sogenannte „Riechgruß“, der keine ethnische Variante des Küssens darstellt, sondern eine Geste eigener Art.[12]

Schmetterlingskuss

Der Schmetterlingskuss ist ein Wimpernschlag, der das Gegenüber berührt, vergleichbar mit der Berührung durch die Flügel eines Schmetterlings.

Gesellschaftliche Bewertung von Küssen

Ein Kuss kann je nach dem kulturellen Umfeld und den Umständen als freundschaftliche Geste oder sexuelle Handlung angesehen werden. In vielen nichteuropäischen Ländern werden Küsse in der Öffentlichkeit als Bestandteil des sexuellen Vorspiels gesehen. Insbesondere gelten intensive Zungenküsse als sexuelle Handlung.[13]

Über einhundert Jahre nachdem die Sklaverei in den Vereinigten Staaten bereits abgeschafft war und in den 1950er und 1960er Jahren dann eine weitergehende Gleichberechtigung aller Einwohner mit der Bürgerrechtsbewegung eingefordert wurde, kam es zum ersten Fernsehkuss von Schwarz und Weiß in den USA. Dieser Kuss in der Science-Fiction-Serie Raumschiff Enterprise war 1968 ein Hinweis auf eine beginnende Normalisierung des Verhältnisses zwischen den Bevölkerungsgruppen.[14] Ein Kopf verdeckte zwar im letzten Moment die Sicht auf den Kuss – dies war aber damals bei Film- und Fernsehküssen üblich. Viele (südliche) US-Bundesstaaten, in denen weiter Diskriminierung herrschte, untersagten damals eine Ausstrahlung der Folge Plato’s Stepchildren (Platons Stiefkinder).

Zwei Männer beim Kuss

In fast allen Ländern, auch im vergleichsweise liberalen Europa, kann ein Kuss, je nachdem ob es sich um einen Kuss zwischen gleich- oder gegengeschlechtlichen Partnern handelt, unterschiedlich bewertet werden. Während ein Kuss zwischen Mann und Frau in der Öffentlichkeit, im Film oder anderen Medien, als Austausch von üblichen Zärtlichkeiten, in der Regel nicht besonders beachtet wird, kann ein intensiver gleichgeschlechtlicher Kuss als Tabubruch und sexuell konnotiert betrachtet werden. Gleichgeschlechtliche Partner müssen bei öffentlichen Küssen mit Anfeindungen und unter Umständen sogar gewalttätigen Übergriffen rechnen.[15][16][17]

In Filmen werden Küsse von Schwulen oder Lesben häufig selbst dann nicht gezeigt – die entsprechenden Szenen, oft nach heftigen Protesten diverser, häufig christlich orientierter Gruppierungen herausgeschnitten oder im Zuge einer Selbstzensur gar nicht erst gedreht –, obwohl diese thematisch passend wären.[18] Der Kieler Sozialpsychologe Bernd Simon hat 2006 etwa 900 zwischen 14 und 20 Jahre alte Berliner Gymnasiasten und Gesamtschüler befragt:[19] Fast die Hälfte empfand es als abstoßend, wenn sich Männer in der Öffentlichkeit küssen, wobei die Ablehnung bei den türkischstämmigen Jugendlichen besonders ausgeprägt war.[20]

Inwieweit ein Kuss eine sexuelle Belästigung darstellen kann, wurde auch in Deutschland juristisch mehrfach geprüft.[21] Demgegenüber stellt der Kuss für viele Menschen die Verbindung zwischen der (rein körperlichen) Sexualität und der partnerschaftlichen Liebe dar, weshalb er in weiten Kreisen der Prostitution als unerwünscht galt.

Kussgelegenheiten

Liebe

Der Kuss von Frischvermählten als Hochzeitsbrauch. Oft eingeleitet mit dem Satz „Sie dürfen sich jetzt küssen“.

Der Kuss ist Ausdruck der zärtlichen, oft partnerschaftlichen Liebe zwischen Menschen, da das Berühren der Lippen, möglicherweise unter Einsatz der Zunge, die körperliche Distanz zwischen Menschen nahezu vollständig aufhebt. Im europäischen Westen und in den meisten Ländern Nordamerikas gilt es heutzutage meist nicht mehr als anstößig, sich in der Öffentlichkeit zu küssen, in anderen Kulturkreisen dagegen schon. In einigen Ländern ist sogar das Küssen unter Erwachsenen verschiedenen Geschlechts, die nicht miteinander verwandt oder verheiratet sind, eine strafbare Handlung.

Überraschungskuss

Ein Überraschungskuss kann sowohl unter sich liebenden Partnern vorkommen – hierbei wird der Partner geküsst, wenn sich dieser in einer entspannten Situation befindet (etwa beim Schlafen) – als auch spontaner Teil eines Flirts sein, wenn sich die Partner aufgrund einer gemeinsam ausgeführten Tätigkeit körperlich sehr nahe sind, wie zum Beispiel beim Tanzen.

In Deutschland stellt nach Ansicht einiger Kritiker der Änderung des Sexualstrafrechts 2016 eine Überraschungskuss sexuelle Nötigung bzw. eine Vergewaltigung dar, statt wie vorhergehend „nur“ eine mögliche sexuelle Belästigung, da nun speziell das Ausnutzen eines Überraschungsmoments strafbar ist. Dennoch werde es hier kaum zu Anzeigen kommen, da den meisten Betroffenen nicht klar sei, dass es sich hier um mögliche Tatbestand der Nötigung/Vergewaltigung handelt.[22] Strafbar macht sich nach Wortlaut von § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB, „wer eine andere Person […] unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist, nötigt, sexuelle Handlungen des Täters […] an sich zu dulden […]“.

Begrüßung und Abschied

Küssen kann auch eine Grußform zwischen Menschen sein. Je nach verschiedener Kultur ist der Begrüßungskuss auf den Familienkreis beschränkt oder wird auch im engeren oder weiteren Bekanntenkreis gepflegt. In Griechenland, Frankreich, Luxemburg, Spanien, Monaco, Andorra, Argentinien, Portugal, Italien, der Türkei, Ungarn, Polen, Serbien, Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Slowenien, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz sowie in Teilen Süddeutschlands ist es zum Beispiel üblich, Familienmitglieder und Freunde mit einem beso („Küsschen“) bzw. beijo, bacio, bisou zu begrüßen und zu verabschieden. Dabei wird typischerweise auf die Wange geküsst („Wangenkuss“). Eine Akkolade (französisch accolade „umarmen“) ist ein angedeuteter Wangenkuss links und rechts. In Ungarn ist die gängige Grußformel der Kinder für Erwachsene „csókolom“ („ich küsse“), eine umgangssprachliche Abkürzung von „kezét csókolom“ („ich küsse Ihre Hand“).

Für Missverständnisse sorgt oft die korrekte Zahl der Wangenküsse. Während in Deutschland oder Italien meist zwei Küsse reichen, wird in der Schweiz oder den Niederlanden bei Begrüßung und Abschied durchgängig ein dritter Kuss erwartet. In Frankreich variiert die Zahl der üblichen Wangenküsse je nach Region zwischen zwei und vier. Der Abschiedskuss kann je nach sozialer Stellung, Enge der Beziehung, Länge der Trennung usw. unterschiedlich erfolgen.

Verehrung

Auch den Kuss aus Gründen der Ehrerbietung gibt es. Beispiele sind der Handkuss, wobei sich der Mann vor der Dame zum Handkuss respektvoll verneigt oder niederkniet. Noch ehrerbietigere Formen sind der Kuss des Ringes, des Kleidsaumes der Dame oder auch der Fußkuss als Zeichen der absoluten Ergebenheit eines Mannes gegenüber einer Dame, wobei der Mann das Knie vor ihr beugt. Zu nennen ist auch der Kuss eines repräsentativen Symbols (Ring oder Zepter des Herrschers bzw. kirchlichen Würdenträgers). Hier wird der Kuss zu einer symbolischen Handlung. Sehr bekannt sind z. B. die Szenen, in denen Papst Johannes Paul II. den Boden küsste, wenn er ein Land zum ersten Mal betrat.

Den Kuss als Zeichen der Verehrung gibt es auch in der christlichen Liturgie; so küsst im katholischen eucharistischen Gottesdienst der Priester zu Beginn der Feier den Altar und nach der Verkündigung des Evangeliums das Evangelienbuch, beide sind Zeichen der Gegenwart Christi. In den orthodoxen Kirchen werden die Ikonen mit einem Kuss verehrt.

Darstellung des Sozialistischen Bruderkusses zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker (1991 an der Berliner East Side Gallery)

Bruderkuss und „Schwesternkuss“

Beispiele für echte Mundküsse sind einerseits der sozialistische Bruderkuss, der vor allem bei Staatsbesuchen oder Parteiversammlungen des damaligen Ostblocks gepflegt wurde.

Daran angelehnt ist der schwule „Schwesternkuss“ als demonstrative Geste, in der Szene dazuzugehören. Weiterhin ist der Schwesternkuss das Symbol für „Auf Leben und Tod – wir halten zueinander“ auf sog. Kiss-Ins bei AIDS-Demonstrationen.

Das Spiel „Küsse(r)raten“ in der Franzosenzeit (Anfang des 19. Jahrhunderts)

Kussspiele

Aus der Epoche des Empire haben sich bildliche Darstellungen eines „Küsse(r)raten“ genannten Spiels erhalten, dessen Inhalt unschwer zu erkennen ist: Einer Dame wurden die Augen verbunden, bevor einer der anwesenden Herren zu einem Kuss auf ihren Mund ansetzt, den sie im Folgenden wohl zu identifizieren hatte. Auch heute sind Kuss-Spiele vor allem bei Jugendlichen in der Pubertät als Zeitvertreib auf Partys verbreitet, so zum Beispiel das Flaschendrehen oder Wahrheit oder Pflicht.

Eine spezielle Form des Kussspiels stellt auch die sogenannte Kiss Cam dar, die vor allem in den USA und Kanada bei größeren Sportveranstaltungen zum Einsatz kommt.

Kuss unter dem Mistelzweig

Zur Weihnachtszeit werden vor allem in westlichen Ländern Mistelzweige als Brauchtum aufgehängt. Stellt sich eine Person darunter, verlangt es der Brauch, diese Person zu küssen.

Küssen und Gesundheit

Herpes labialis

Ein Kuss kann nicht nur liebevoll und sexuell anregend wirken, sondern ist nach Auffassung einiger Mediziner auch gesundheitsfördernd, da er das Herz und das Immunsystem stärken soll. Je nach Kussintensität bewegen sich bis zu 34 Gesichtsmuskeln. Der Körper bildet mehr Hormone, der Herzschlag beschleunigt sich; der Blutdruck steigt.[23]

Beim Küssen auf den Mund kann es durch Speichelaustausch zur Übertragung von Krankheiten kommen. Durch Speichel übertragbare Krankheiten sind zum Beispiel das Pfeiffer-Drüsenfieber, Herpes und Hepatitis B.[24] Küssen stellt jedoch kein erkennbares Risiko für die Übertragung von HIV dar.[25] Ein Knutschfleck ist ein ungefährlicher Bluterguss, der beim Küssen entstehen kann.

Sonstiges

  • Der 6. Juli ist der jährliche Internationale Tag des Kusses. Angeblich wurde der Aktionstag im Jahr 1990 in Großbritannien etabliert.[5]
  • Der längste Kuss der Welt fand vom 18. September 2010 bis 19. September 2010 in New Jersey zwischen „Matty“ und „Bobby“ statt und dauerte 33 Stunden (Guinness-Rekord).
  • Zwei Drittel aller Menschen drehen beim Küssen ihren Kopf nach rechts.[26]
  • Der längste Filmkuss bis jetzt fand im Film „Kids in America“ von 2005 statt und dauert 5 Minuten und 43 Sekunden und wurde ausgetauscht zwischen Gregory Smith (Holden Donovan) und Stephanie Sherrin (Charlotte Pratt). Er ist ganz am Ende des Filmes im Abspann zu sehen und beginnt bei 1:20:47 und endet bei 1:26:30. Davor hielt den Rekord der Film „You’re In The Army Now“ (deutscher Titel „Der Schrecken der 2. Kompanie“) von 1941, in dem Jane Wyman Regis Toomey für 185 Sekunden küsst, womit der Film gegen die Zensurvorschrift von 1922 verstieß, die nur einen maximal drei Sekunden dauernden Kuss im Film erlaubte. Den ersten Kuss in einem Film gab es in „The Kiss“ (deutscher Titel „Der Kuss“) im Jahre 1896.

Kulturelle Referenzen

Der Kuss, Jugendstil-Illustration von Peter Behrens in der Zeitschrift Pan, 1898

In der klassischen Literatur umschrieb Samuel Taylor Coleridge den Kuss als „Atmen von Nektar“ und William Shakespeare umschrieb den Kuss als „See der Liebe“.

Der Kuss spielt auch eine Rolle in verschiedenen Märchen, siehe Dornröschen.

Zitate

„Eine richtige Antwort ist wie ein lieblicher Kuss.“

Die Bibel, Spr 24,26 LUT

„Ein Kuss ist eine Sache, für die man beide Hände braucht.“

„Der Kuss treibt in der Vereinigung zweier Physiognomien die Individualität der Liebenden zu einer höheren Blüte, in der sich gleichsam das Niedere und Triebhafte mit dem Adel des Geistes zu einer einzigen Figur verbindet.“

„Ein Kuss ist ein reizender Trick der Natur, den Redefluss zu beenden, wenn Worte überflüssig werden.“

„Mit Humor kann man Frauen am leichtesten verführen, denn die meisten Frauen lachen gerne, bevor sie anfangen zu küssen.“

„Ein Kuss ist eine Anfrage im ersten Stock, ob das Parterre frei ist.“

„Ein Kuss ist Mund-zu-Mund-Beatmung ohne medizinischen Anlass.“

„Küssen ist, wenn oben einer klingelt und unten einer aufmacht.“

Literatur

  • Judith Beisenherz: Der Kuss als Versprachlichung von Erotik in der deutschen Literatur zur Mitte des 18. Jahrhunderts (= Edition Wissenschaft, Reihe Germanistik, Band 13). Tectum, Marburg 1996, ISBN 3-89608-883-1 (Mickrofiche-Ausgabe).
  • Otto F. Best: Der Kuss. Eine Biographie. Unter Mitarbeit von Wolfgang M. Schleidt. Fischer, Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-10-005208-0.
  • Otto F. Best: Die Sprache der Küsse. Eine Spurensuche. Koehler & Amelang, München 2001, ISBN 3-7338-0318-3.
  • Otto F. Best: Der Lippen süßer Eros. Kußgedichte. Manesse, Zürich 2002, ISBN 3-7175-4020-3.
  • Otto F. Best: Vom Küssen. Ein sinnliches Lexikon. Reclam, Leipzig 2003, ISBN 3-379-20056-5.
  • Lana Citron: KussKuss: Wirklich alles über den Kuss (Originaltitel; A Compendium of Kisses). Sanssouci, München 2011, ISBN 978-3-8363-0267-8.
  • Julie Enfield: Kiss and tell. An intimate history of kissing. Harper Collins, Toronto 2004, ISBN 0-00-200634-0.
  • Sylva Harst: Der Kuß in den Religionen der Alten Welt. Ca. 3000 v. Chr. – 381 n. Chr. (= Religionswissenschaft, Band 7). Lit, Münster 2004, ISBN 978-3-8258-7600-5 (Dissertation Universität Bonn 2004, 583 Seiten).
  • Alexandre Lacroix: Kleiner Versuch über das Küssen (Originaltitel: Contribution à la théorie du baiser, übersetzt von Till Bardoux). Matthes & Seitz, Berlin 2013, ISBN 978-3-88221-033-0.
  • Nadja Dimassi, A. J. Kremer: Küssen in Köln. Ein Kusswegweiser durch die Domstadt. Emons, Köln 2008, ISBN 978-3-89705-594-0.
  • Alain Montandon: Der Kuss. Eine kleine Kulturgeschichte (Originaltitel: Le baiser, übersetzt von Sonja Finck). Wagenbach, Berlin 2006, ISBN 3-8031-2549-9.
  • Kiril Petkov: The kiss of peace. Ritual, self and society in the high and medieval west (= Cultures, beliefs and traditions, Band 17.). Brill, Leiden 2003, ISBN 90-04-13038-1.
  • Hans-Wolfgang Strätz: Der Verlobungskuß und seine Folgen, rechtsgeschichtlich gesehen. Universitätsverlag, Konstanz 1979, ISBN 3-87940-138-1.
  • 1000 Küsse, Hrsg. von Studio Zuffi, Redaktion Virginia Ponciroli, Parthas, Berlin 2010, ISBN 978-3-86964-019-8.

Weblinks

Wiktionary: Kuss – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Zungenkuss – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Kuss – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Kuss – Zitate
  • Der Kuss. Jeannette Sallmann, abgerufen am 8. Januar 2011.
  • Literaturhinweise. Michael Kleinschmidt, abgerufen am 8. Januar 2011.
  • Doris Marszk: Forscherin: Ein Zungenkuss ist ein symbolischer Geschlechtsverkehr. Forschungsergebnisse von Ingelore Ebberfeld. Bild der Wissenschaft 2001, abgerufen am 8. Januar 2011.
  • Christine Amrhein: Warum sich die meisten Paare rechtsrum küssen. Forschungsergebnisse Onur Güntürkün. Bild der Wissenschaft 2003, archiviert vom Original am 6. Dezember 2006; abgerufen am 8. Januar 2011.

Einzelnachweise

  1. National Geographic, Februar 2016, S. 29.
  2. Meyers Konversationslexikon, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885–1892
  3. Ivan Illich: In den Flüssen nördlich der Zukunft; letzte Gespräche über Religion und Gesellschafft. Verlag C.H. Beck, München 2006, ISBN 3-406-54214-X, S. 242.
  4. Osterkuss
  5. a b Augsburger Allgemeine vom 6. Juli 2010, anlässlich des Weltkusstages (Internationaler Tag des Kusses).
  6. a b c Hugh Morris: The art of kissing. Dolphin Books, 1977, ISBN 0-385-12630-1.
  7. Wissen.de: Zungenkuss
  8. Zungenkuss. In: Die Zeit. Ausgabe 17, 2000, abgerufen am 28. Februar 2009.
  9. Exklusiv-Umfrage von Laura zeigt, was Frauen beim Vorspiel antörnt: Zungenkuss steht mit 96 Prozent auf Platz eins. Presseportal vom 1. Oktober 2004, abgerufen am: 28. Februar 2009.
  10. Margit Tetz: Bei den meisten Partnern sind Zungenküsse der Ausgangspunkt für sexuelle Handlungen (Vorspiel).
  11. vgl. Frans de Waal, Frans Lanting: Bonobo. The forgotten ape. 1998, ISBN 0-520-21651-2, S. 103.
  12. Rolf Bökemeier: Küssen Eskimo mit der Nase? In: NZZ FOLIO. 7/2004.
  13. Andere Länder – andere Kuss-Sitten …, rewirpower.de, abgerufen am 28. Februar 2009.
  14. Nadja Sennewald: Alien Gender: die Inszenierung von Geschlecht in Science-Fiction-Serien. transcript Verlag, 2007, ISBN 978-3-89942-805-6, S. 226.
  15. Italien: „Küsse zwischen Schwulen ekeln mich an“, diepresse.com
  16. Schwulenhass in Serbien: Schwule und Lesben in Serbien riskieren, bedroht, beleidigt und geschlagen zu werden, tagesspiegel.de
  17. Spanien: Zwei Schwule nach einem Kuss in einer Bar verprügelt, comprendes.de
  18. Der verbotene Zungenkuss. Die Darstellung von Homosexualität in lateinamerikanischen Telenovelas. In: Lateinamerikanachrichten. Nummer 391, Januar 2007.
  19. Julia Becker: Studie: Einwandererkinder sind besonders schwulenfeindlich. Spiegel Online, 25. September 2007, abgerufen am 29. Mai 2013.
  20. Homo-Hass in der Schule: „Alles total verweichlichte Tunten hier“, spiegel.de
  21. Urteil zum Kuss zwischen erwachsenen Personen verschiedenen Geschlechts OLG München 20. Oktober 2008 5St RR 180/08.
  22. Sechs Dinge, die Sie beim Sex jetzt besser lassen sollten, Legal Tribune Online, 19. Juli 2016
  23. Lippenbekenntnis der Zuneigung, focus.de: Positive Auswirkungen auf Gehirn und Immunsystem, Thomas Miethke, Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der TU München.
  24. Zungenkuss. In: Focus Sexlexikon, abgerufen am 28. Februar 2009.
  25. Wie hoch ist die Übertragungswahrscheinlichkeit von HIV bei verschiedenen Sexualpraktiken? Robert-Koch-Institut, 26. November 2013, abgerufen am 17. Februar 2014.
  26. Onur Güntürkün: Human behaviour: Adult persistence of head-turning asymmetry. In: Nature. Band 421, 13. Februar 2003, S. 711.