Lagune von Venedig
Die Lagune von Venedig ist ein durch Landzungen und Inseln weitgehend abgetrenntes Haff im Norden der Adria. Sie entstand um 4000 v. Chr. durch Ablagerungen der Brenta und anderer die Poebene entwässernder Flüsse. In ihr liegt die Stadt Venedig.
Sie bedeckt eine Fläche von ca. 550 km². Rund 8 % der Lagunenoberfläche bestehen aus Inseln (darunter Venedig selbst und eine Reihe kleinerer Inseln), 11 % sind dauerhaft von Wasser bedeckt (inklusive der verschiedenen Kanäle), der Rest besteht aus den Fischgründen, sowie aus Watt- und Marschland.
Laguna morta, laguna viva
Der nördliche Teil, etwa ab Torcello, enthält vorwiegend Süßwasser und wird vom Gezeitenwechsel kaum erreicht. Er heißt daher laguna morta (‚tote Lagune‘). Die Salzwasserlagune, deren Wasserstand mit Ebbe und Flut sinkt und steigt und die vom Meerwasser durchspült wird, heißt laguna viva (‚lebende Lagune‘).
Gefährdung
Ohne weitere menschliche Eingriffe würde sich die Lagune in ein tiefes Wasserbecken verwandeln und die Sandbänke und Salzmarschen (Barene) darin verschwinden lassen. Dies hängt damit zusammen, dass ursprünglich kleine Flüsse in die Lagune mündeten, die die Republik Venedig direkt in die Adria umleiten ließ, um eine Verlandung zu verhindern. Damit erhielt sich die Stadt ihren Schutz durch das sie umgebende Wasser. Doch kam dadurch nur noch wenig Sand, Schlick und Geröll in die Lagune, Material, das durch die Auslässe zur Adria langsam entwich. Diese Entwicklung wurde im 19. und 20. Jahrhundert dadurch verschärft, dass die Ausgänge für die erheblich angewachsenen Schiffe, vor allem der Industrieregionen um Mestre und Marghera, stark verbreitert und vertieft wurden. Fehlender Nachschub und verstärkte Erosion veränderten die Lagune stetig. So verliert die Lagune jedes Jahr rund 500.000 m³ Land.
Ökologische Folgen
Verteidigungs- und Wirtschaftsmotive haben eine Situation geschaffen, die durch das Verschwinden von Salzmarschen, Sandbänken und Untiefen die Artenvielfalt bedroht. Dabei schreitet die Verlandung des Nordens, der laguna morta, schneller voran. Hingegen wird das Wasserbecken im Süden, die laguna viva, immer tiefer und lebensfeindlicher. Während im Norden die Marschen wachsen, verschärft das regelmäßige Ausbaggern der Zufahrten, vor allem nach Mestre und Marghera, die Situation im Süden. Dazu kommt, dass Grundwasser abgepumpt wird, was den Lagunenboden weiter absenkt. Schließlich treten seit einigen Jahren Nahrungskonkurrenten auf, die inzwischen erhebliche ökonomische Bedeutung erlangt haben, wie die Philippinische Venusmuschel. Hierbei reißen sogenannte Caparozzolante mit ihren Fangkörben den Lagunenboden auf und setzen damit eine Verschärfung des Materialverlusts in der Lagune in Gang, was durch ein relativ neues Phänomen der organisierten Kriminalität ermöglicht wird, welche solche Zerstörungen des Bodenbewuchses durch illegale Fischpraktiken in Kauf nimmt.
Dabei ist der Schutz durch den Pflanzenbewuchs von großer Bedeutung. In den Salzmarschen und auf den Sandbänken brechen Pflanzen die Kraft der Wellen und ihre Wurzeln halten den Boden fest. Algen- und Bakterienmatten sind geeignet, den Verlust von Sand und Schlick zu verlangsamen. Gerade ihre Zerstörung durch Muschelsammler verschärft die Materialverluste.
Die Philippinische Venusmuschel und die Caparossolanti
Für eine Missstimmung zwischen Venedig und Chioggia sorgen seit einiger Zeit die sog. ‚Caparossolanti’, die Muschelmänner, wie sie im venezianischen Dialekt heißen. Ende der 80er Jahre wurde von Züchtern die philippinische Venusmuschel, das ‚schwarze Gold der Lagune’ hier angesiedelt und hat die heimischen Muscheln verdrängt. Sie gedeiht besonders in den von Industriegewässern verschmutzen und aufgeheizten Gewässern von Chioggia. Die Caparossolanti fangen sie in ihren 150–PS–Booten mit eisernen Fangkörben in Sperrgebieten und reißen dabei den Lagunenboden auf. Über 1000 dieser Muschelmänner fischen mittlerweile (2006) in den Gewässern zwischen Chioggia und Venedig und verdienen dabei wesentlich mehr als die traditionellen Fischer, deren Lebensgrundlage sie gefährden. In nur 15 Jahren ist durch die neue Muschelsorte die Wasserwelt der Lagune ins Schwanken geraten. Bekämpft werden die Caparossolanti von der venezianischen Polizei in ihren ‚gelben Flammen’ genannten Booten, die in Chioggia äußerst unbeliebt sind. Vor allem nachts ist die Jagd der venezianischen Polizei gefährlich. Bereits fünf Muschelmänner sind dabei ums Leben gekommen.
Es gibt ein ausgeklügeltes Informationssystem dieser Leute untereinander, das über Handys und Computer funktioniert und vor allem nachts eingesetzt wird. Ihre Boote sind mit Radar ausgerüstet, so dass sie auch nachts und im Nebel manövrieren können.
Die Einwohner von Chioggia betrachten die Philippinische Venusmuschel als Gottesgeschenk. Sie habe die Wirtschaft der Stadt beflügelt und die Kriminalität ausgerottet. Vor 15 Jahren noch war das Gefängnis von Venedig voll von Chioggiotti. Heute sind die ehemaligen Kriminellen alle im Muschelgeschäft. Die Caparossolanti sind der neue wirtschaftliche Motor der Stadt, in der es mittlerweile mehr Banken und Juweliergeschäfte gibt als Bäckereien.
Hochwasserschutz-Bauwerk Mose
Schon jetzt sind Fluttore zum Schutz vor massiven Überschwemmungen beschlossen und im Bau, doch dies wird langfristig wahrscheinlich nicht genügen. Das winterliche Hochwasser in der Stadt (it. Acqua Alta) soll durch sie in den Höchstständen etwas gesteuert werden. Derzeit befindet sich das lange umstrittene MO.S.E-Projekt (für MOdulo Sperimentale Elettromeccanico)[1], eine Art dreiteiliges Wasserstauwerk an den Ausfahrten der Lagune, in der Realisierung und soll spätestens 2016 fertiggestellt werden.
Stabilisierende Eingriffe
Die Lagune, wie sie heute besteht, ist ein Biotop aus Menschenhand, das unter Beibehaltung der derzeitigen Bedingungen in wenigen Jahrzehnten verschwunden sein wird. Daher wird derzeit darüber nachgedacht, einige Flüsse zumindest zeitweise in die Lagune zu entwässern, wobei künstliche Kanäle die Verteilung der Sedimente unterstützen könnten.
Immerhin hat Venedig dafür Sorge getragen, dass seine Kanäle ausgebaggert werden, doch gelangt immer noch eine große Menge an Fäkalien, Abfällen und vor allem gifthaltige Industrierückstände und Müll in die Lagune. Dazu kommen die zahlreichen Motorboote, die eine der Hauptursachen für die Belastung der Lagune mit ölhaltigen Resten darstellen.
Inseln
Die größten Inseln
- Venedig (bestehend aus über 120 Einzelinseln) 517 ha
- Sant’Erasmo 326 ha
- Borgo San Giovanni 236 ha
- Murano (sieben Einzelinseln) 117 ha
- Chioggia 67 ha
- Giudecca (acht Einzelinseln) 59 ha
- Mazzorbo 52 ha
- Torcello 44 ha
- Sant’Elena 34 ha
- La Certosa 24 ha
- Burano (fünf Einzelinseln) 21 ha
- Sacca Fisola 18 ha
- Tronchetto 18 ha
- Sacca Sessola 16 ha
- San Michele 16 ha
- Santa Cristina 13 ha
Andere Inseln und Landzungen
- Littorale del Cavallino
- Lazzaretto Nuovo
- Lazzaretto Vecchio
- Lido di Venezia
- Pellestrina
- Poveglia
- San Clemente
- San Francesco del Deserto
- San Giorgio in Alga
- San Giorgio Maggiore
- San Lazzaro degli Armeni
- Santa Maria della Grazia
- San Pietro di Castello
- San Servolo
- Sant’Angelo della Polvere
- Santo Spirito
- Sant' Ariano
- Sottomarina
- Vignole
In der Literatur
- Der historische Roman Die Lagune der Galeeren wurde von Rainer M. Schröder in der Lagune des 16. Jahrhunderts angesiedelt.
- Das Jugendbuch Herr der Diebe von Cornelia Funke und seine Verfilmung spielen in Venedig und in der Lagune.
Siehe auch
Weblinks
- Bibliografia della laguna di Venezia ( vom 9. Mai 2011 im Internet Archive)
- Salvaguardia di Venezia ( vom 17. Juni 2014 im Internet Archive) (ital./engl.)
- Hans-Jürgen Hübner: Die Lagune von Venedig
Einzelnachweise
- ↑ Il sistema MOSE - Dal sito della Città di Venezia progetto e iter processuali, legislativi e cantieristici.
Koordinaten: 45° 24′ 47″ N, 12° 17′ 50″ O