Mexikanische Literatur

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Die mexikanische Literatur ist die spanischsprachige Literatur Mexikos und als solche Teil der hispanoamerikanischen Literatur. Sie ist eine der umfangreichsten, profiliertesten und nicht erst seit der Verleihung des Nobelpreises 1990 an Octavio Paz international bekanntesten Literaturen Lateinamerikas. Vor dem Hintergrund der extremen gesellschaftlichen Diversität Mexikos ist sie durch zahlreiche philosophisch-kulturelle Kontroversen, eine schwierige Suche nach Identität und von der Kolonialzeit bis heute immer wiederkehrende Forderungen nach Gerechtigkeit und Wiedergutmachung geprägt.[1]

In den Vereinigten Staaten gibt es seit Mitte des 19. Jahrhunderts eine Literatur von mexikanischen Immigranten in spanischer Sprache, die sog. Chicano-Literatur, die nicht Gegenstand dieses Artikels ist.

Vorkolumbianische Literaturen

Die bilderschriftliche Hinterlassenschaft der vorkolumbianischen Kulturen Mexikos in Form von Wandmalereien und einiger weniger Codizes wurde außer von einigen Klerikern, die die Reste vor der Inquisition retteten, lange Zeit ignoriert. Die Maya verfügten offenbar über Chroniken in Hieroglyphenschrift, die über die Geschichte des schon im Niedergang begriffenen Volkes berichteten. Der größte Teil der Maya-Literatur und der Bilderschriften wurde von der spanischen Inquisition unter Diego de Landa zerstört. Heute geben vor allem Popol Vuh (Buch des Rates) und Chilam Balam (Prophet Jaguar), die erst zur Zeit der spanischen Kolonisation seit dem 16. Jahrhundert in den Sprachen der Quiché in Guatemala bzw. der Maya Yucatáns mit lateinischen Buchstaben aufgezeichnet wurde, Aufschluss über die Mythologie und Geschichte der Maya.

Der Chichimekenherrscher Nezahualcóyotl hinterließ in mündlicher Form überlieferte Hymnen, von denen einige von spanischen Mönchen niedergeschrieben wurden. Von den Zapoteken und anderen Hochkulturen sind keine schriftlichen Zeugnisse überliefert.

Bei verschiedenen in der klassischen Sprache der Azteken, dem Nahuatl, überlieferten Texten ist unklar, inwieweit die Bearbeitung durch Missionare den ursprünglichen Charakter verfälscht hat und ob sie ursprünglich den Charakter von in metrischem Stil verfassten (Helden-)Epen oder Sagas trugen. Dazu gehören die Annalen von Tlatelolco (eine als Manuskript von 1558 überlieferte Chronik) sowie die Crónica Mexicayotl.[2] Erst im 20. Jahrhundert ließen sich moderne Autoren wieder vom Erbe der Azteken anregen.[3]

Kolonialzeit

Schon seit 1539 wurden in Mexiko Bücher gedruckt (zuerst ein geistliches Werk des ersten mexikanischen Bischofs Juan de Zumárraga). 1551 wurde die Universität von Mexiko gegründet. Bernal Díaz del Castillo (1492–1550), der als Fußsoldat unter Hernán Cortés an der Eroberung der aztekischen Hauptstadt Tenochtitlán teilgenommen hatte, verfasste 1568 einen Bericht über die Eroberung, der sich kritisch mit den Ansprüchen Cortes’ und seiner Politik den Indios gegenüber auseinandersetzte, aber erst Jahrzehnte später gedruckt wurde.

Seite 51 des IX. Buchs des in Nahuatl verfassten und in lateinischer Schrift geschriebenen Codex Florentinus von Bernardino de Sahagún

1569 stellte der Mönch Bernardino de Sahagún in der „Historia general de las cosas de Nueva España“ die Kultur und Geschichte sowie Sprüche und Hymnen der Nahuatl sprechenden Indios dar.[4] Das große Versepos „El Bernardo o Victoria de Roncesvalles“, verfasst von dem Theologen und Kronrichter Bernardo de Balbuena, ist mit 5000 Oktaven (Strophen zu je 8 Versen) ein komplexes Beispiel des Ritter- und Heldenepos des späten 16. Jahrhunderts. Balbuena begründete auch das Genre des Schäferromans in Mexiko.

Im 17. Jahrhundert entwickelte sich in Mexiko das Theaterleben. Juan Ruíz de Alarcón (1581? - 1639) ging nach Spanien und schrieb dort erfolgreiche Stücke in der Tradition Lope de Vegas.[5] Sor Juana Inés de la Cruz verfasste schon als Jugendliche am Hof der Vizekönigin von Neuspanien, später als Nonne in einem liberalen Kloster weltliche und geistliche Gedichte sowie Dramen im Stil des Culturalismo.[6] (mit manierierten Sprachspielen) und verstieß damit gegen das Gebot, sich nur mit geistlichen Dingen zu beschäftigen. Der mit ihr befreundete Mathematiker und Naturwissenschaftler Carlos de Sigüenza y Góngora kann als Vorläufer der Aufklärung gelten. Er lernte Nahuatl, forschte über die Frühgeschichte der Azteken, berichtete über die Hungerrevolte der Indios 1692 und trug zur Entwicklung eines mexikanischen (kreolischen) Nationalismus bei. Eine dominierende Literaturform der Kolonialzeit war die Chronik, die erst vom investigativen Journalismus des 20. Jahrhunderts wiederentdeckt und genutzt wurde.

José Joaquín Fernández de Lizardi

Im 18. Jahrhundert kam es mit dem Niedergang der spanischen Scholastik, die mit ihrer Kolononialethik bis ins 19. Jahrhundert nachwirkte, zu einer intellektuellen Stagnation im Vizekönigreich. Die Ziele der erst gegen Ende des Jahrhunderts rezipierten katholischen Aufklärung vertrat der sozial- und kolonianismuskritische Schriftsteller, Journalist und Herausgeber mehrerer Zeitschriften, der „mexikanische Voltaire“[7] José Joaquín Fernández de Lizardi (1776–1827), der zum ersten Berufsschriftsteller Mexikos wurde. Neben Theaterstücken und Fabeln schrieb er mit seinem vierbändigen Werk Periquillo Sarniento (1816 - 1830) eine Kritik der Kolonialbürokratie in Form eines Schelmenromans - eine in Spanien bereits ausgestorbene Gattung. Dieser erste große Roman des Kontinents verbindet die barocke spanische Tradition mit philosophischen Gedanken und Elementen des Erziehungsromans der Aufklärung und der Ständesatire. Sein Held, ein Ich-Erzähler, dient in der Strafkompanie in Manila; er gibt die Institutionen nicht nur der Lächerlichkeit preis, sondern macht auch Verbesserungsvorschläge bis hin zur Kleinkinderernährung. Spätere Werke Lizardis erreichten nicht mehr das Niveau seines Hauptwerks. Wegen seiner Ablehnung der Sklaverei und Angriffe auf den Vizekönig geriet er in Konflikte mit der Zensur und wurde zeitweise inhaftiert; doch auch nach der Unabhängigkeit 1821 wurde er als Föderalist und Freimaurer verfolgt.[8]

Die Zeit nach der Unabhängigkeit und die Wirren des 19. Jahrhunderts

Die Zeit während und nach dem Kampf um Mexikos Unabhängigkeit war sowohl bei den Anhängern des Verbleibs bei Spanien als auch bei den mexikanischen Nationalisten durch die enge Verbindung von Dichtung, Publizistik und praktisch-politischer Tätigkeit der Autoren gekennzeichnet, so z.B. bei Agustín Pomposo Fernández und dessen auf der politischen Gegenseite stehenden Schüler Andrés Quintana Roo. Die Autoren dieser Zeit befassten sich mit der Geschichte der Kolonisation Mexikos, den Konflikten zwischen Zentralmacht und Bundesstaaten und der mühsamen Entstehung einer nationalen Identität. Ein Beispiel stellt die Karriere des Publizisten und Dramatikers Manuel Eduardo de Gorostiza dar. Er wurde durch Lustspiele im Stil Molières bekannt, flüchtete 1820 nach England, trat nach seiner Rückkehr in den diplomatischen Dienst Mexikos, wurde Leiter des Staatstheaters von Mexiko-Stadt und Außenminister.

Der Befreiungskampf von 1821 wurde von Großgrundbesitzern und Kirche inszeniert, auch um den Einfluss liberaler und napoleonischer Ideen aus Spanien nach der dortigen Revolution von 1820 zu verhindern. Er führte zu einer langen Kette von Revolutionen und Gegenrevolutionen, die die Abschottung förderten und den „Import“ europäischer Vorbilder verzögerten, aber auf längere Sicht die Mestizen und schließlich auch die Indios stärker einbezogen und so ihre Politisierung und ihre Teilhabe am kulturellen Leben förderten.[9]

Die europäische Romantik wurde in Mexiko später rezipiert als in anderen lateinamerikanischen Ländern. Besonders in Argentinien gelangte sie in Form einer eigenständigen Gaucholiteratur zur Blüte, während sie in Mexiko weitgehend „europahörig“ blieb wie z. B. im romantischen Werk Fernando Calderóns.[10] Eine Ausnahme bildeten Gedichte, Epigramme, kurze Erzählungen und Theaterstücke des 1842 im Alter von erst 26 Jahren auf Kuba verstorbenen Ignacio Rodríguez Galván, der Ende der 1830er Jahre einige Schlüsselwerke des kreolischen Nationalismus verfasste, so das Gedicht „La profecía de Guatimoc“.

Die enge Verknüpfung von politischen, publizistischen und literarischen Aktivitäten dauerte auch unter der Diktatur von Antonio López de Santa Anna, während der französischen Interventionen der 1860er Jahre und des zweiten Kaiserreichs, nach Wiedererrichtung der Republik sowie unter der langjährigen Diktatur Porfirio Díaz fort. In allen diese Phasen war der liberale Schriftsteller, Historiker und Politiker Guillermo Prieto, der Gründer der mexikanischen Akademie der Dichtung (1836), abwechselnd auf Regierungs- und Oppositionsseite aktiv.

Die kurze Schaffensperiode des Lyrikers Manuel Acuna fiel in die Zeit des kulturellen Aufschwungs nach der Wiedererrichtung der Republik in den späten 1860er Jahren. Sein Werk markiert den Übergang vom vorherrschenden positivistisch-geschichtsphilosophischen Denken zur Neoromantik. In der Regierungszeit Porfirio Díaz' entwickelte sich auch der teils realistische, teils romantische Banditenroman. Zu den politisch-publizistischen Gegnern Díaz‘ zählte der Dichter Salvador Díaz Mirón, der sein Werk bis ins 20. Jahrhundert fortsetzen konnte. Die mexikanischen Lyriker Manuel Gutiérrez Nájera und Amado Nerva gelten neben dem Nikaraguaner Rubén Darío als Mitbegründer bzw. Vertreter des lateinamerikanischen Modernismo, der sich an Frankreich orientierte. An der Schwelle zum Modernismo bzw. Symbolismus steht auch Manuel Gutiérrez Nájera, der Begründer der Literaturzeitschrift „Revista Azul“, die 1898 durch die „Revista moderna“ abgelöst wurde.[11] Zwischen dem realistischen Sittengemälde des Costumbrismo und Modernismo schwankte Rafael Delgado.

Das große Thema: Die Revolution 1910–1920 und ihre Institutionalisierung in den „Goldenen Dreißigern“

Der Arzt, Schriftsteller und Revolutionär Mariano Arzuela, ein später Vertreter des Costumbrismo, begründete 1911 die Gattung des Revolutionsromans.[12] Er publizierte 1915 das erste große Werk der Revolution, das den Kampf gegen Porfirio Díaz mit besonderer Betonung der viloencia, der Gewalt jener Tage beschrieb („Los de abajo“, dt.: „Die Rechtlosen“, 1992). Ebenfalls gegen Díaz stellte sich Martín Luis Guzmán, der zweimal ins Exil gehen musste und durch seine weniger schwarz-weiß zeichnenden Revolutionsbücher „El águila y la serpiente“ (1928) und „Memorias de Pancho Villa“ (1940) berühmt und spät hoch geehrt wurde. Zu den Anhängern der Revolution zählte der durch nationalistische Lyrik bekannt gewordene Dichter und Publizist Ramón López Velarde.

Hingegen gingen der von einer Japanreise beeindruckte Lyriker José Juan Tablada, der die Form des Haiku in der spanischsprachigen Welt bekannt machte und zum Bildgedicht weiterentwickelte, und der durch den Surrealismus, Goethe und die Philosophie José Ortega y Gassets beeinflusste Lyriker und Essayist Alfonso Reyes („La cena“, 1917), ein Mitbegründer der Gruppe „Ateneo de la Juventud“, als Gegner der Revolution ins Exil und kehrten erst 1935 bzw. 1927 zurück.

Auch der Modernismo fand nach der Revolution seine Fortsetzung, so vor allem im Werk von Carlos Pellicer, der 1921 zusammen mit Diego Rivera und anderen die „Grupo Solidario del Movimiento Obrero“ gründete. Enrique González Martínez, Literaturprofessor und späterer Diplomat, deutete jedoch bereits 1911 auf das Ende dieser Entwicklung hin, indem er in seinem berühmten Gedicht „Dreh ihm dem Hals um, dem Schwan mit seinem trügerischen Federkleid“ dem Leitsymbol der Modernisten abschwor und es durch die Eule, das Symbol der Weisheit und Kritik ersetzte.[13]

Zur noch vom Modernismo beeinflussten Generation gehörte auch der Schriftsteller, Philosoph, Kulturminister und Schulreformer José Vasconcelos, der nach den Diskussionen der Jahrhundertwende um die nationale Identität Mexikos nach der Revolution einen erneuten Versuch unternahm, eine Theorie einer neuen nationalen, gemischtrassigen und –kulturellen mexikanischen Identität völkerpsychologisch zu begründen („La raza cósmica“ 1925). Damit beeinflusste er die späteren Vertreter der Indio-Perspektive im magischen Realismus, z.B. den Guatemalteken Miguel Angel Asturias. Die rassistische Perspektive Vasconcelos' implizierte allerdings die Minderwertigkeit der Schwarzen, die an der Rassenmischung nicht teilhaben sollten.[14]

Die „Institutionalisierung“ der Revolution durch Gründung des Partido Revolucionario Institucional (PRI) im Jahr 1929, gewissermaßen ihr „Einfrieren“, führte in den 1930ern erneut zu einer engen Verbindung von Literatur und Politik. Viele Schriftsteller waren in öffentlichen Positionen, als Kulturfunktionäre, Hochschullehrer, Politiker, Diplomaten oder in internationalen Organisationen tätig und wurden von staatlichen Zahlungen und Literaturpreisen abhängig. Auf der anderen Seite war es Ende der 1930er Jahre bis in die 1970er Jahre nur mit dieser staatlichen Unterstützung und Subventionierung möglich, einen engagierten Literaturbetrieb und ein (nicht kostendeckendes) Verlagswesen in Mexiko aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dies war umso wichtiger, da der (Welt-)Markt für spanischsprachige Literatur durch die Zensur des Franco-Regimes und einiger anderer lateinamerikanischer Staaten eng begrenzt und so die literarische Produktion Mexikos gehemmt und von Bevormundung durch Dritte bedroht war.[15] Der 1934 von Daniel Cosío Villegas gegründete, staatlich subventionierte Verlag Fondo de Cultura Económica gab zahlreiche Bücher und Zeitschriften zu günstigen Preisen heraus, die auf dem ganzen lateinamerikanischen Kontinent Verbreitung fanden.[16]

Während der Modernismo in den „Goldenen Dreißigern“, den 1930er Jahren, in der Lyrik fortexistierte, blieb die Revolution das wichtigste Thema der erzählenden Literatur, so in den Romanen von Rafael Felipe Muñoz und vielen Filmen dieser Zeit. Bei José Rubén Romeros („Mi caballo, mi perro y mi rifle“ 1936) gleitet der Revolutionsroman in den Schelmenroman ab.[17] In den 1940er Jahren setzte Agustín Yáñez Delgadillo diese Tradition fort und begründete den modernen mexikanischen Roman. Als Romancier bzw. Erzähler und Drehbuchautoren trat Mauricio Magedaleno und Jorge Ferretis hervor. Unter den Dramatikern der nachrevolutionären Epoche sind Antonio Mediz Bolio und Rudolfo Usigli zu nennen. Auch Héctor Morales Saviñón behandelte in seinen Romanen und Erzählungen die Themen Krieg und Revolution. Das Genre der Kurzgeschichte pflegte mit subtilem Humor Efrén Hernández.[18]

Gegen das machistische Revolutionspathos opponierte allerdings schon um 1928 die Gruppe Los Contemporáneos, zu der eine Reihe der kurz nach der Jahrhundertwende geborener Autoren zählten die sich für transkulturelle Einflüsse öffnete, so die vom französischen Vorbild beeinflussten Lyriker José Gorostiza und Salvador Novo, der Schriftsteller und Publizist Jorge Cuesta und der auch von T. S. Eliot beeinflusste Xavier Villaurrutia.[19] Im Jahr 1938 führte der Besuch des französischen Surrealisten André Bretons in Mexiko, der eigentlich dem dort im Exil lebenden Leo Trotzki galt, zur raschen Verbreitung der Ideen des Surrealismus. Gemeinsam mit Diego Rivera verfasste Breton das Manifest Pour un art révolutionnaire indépendant, das die Arbeit zahlreicher mexikanischer Künstler und Literaten prägte.

Autoren im mexikanischen Exil

In den 1930er und 1940er Jahren wurde Mexiko ein wichtiges Exilland für deutsche und österreichische Literaten und politische Publizisten, darunter viele Juden. Besonders bekannt wurde der deutschstämmige B. Traven, einer der Akteure der Münchner Räterepublik, der bereits etwa 1924 nach Mexiko emigrierte, dessen Identität aber erst viel später aufgedeckt wurde.[20] Kein moderner Autor hatte sich bis dahin so intensiv mit Mentalität, Kultur und Lebensbedingungen der Quiché-Maya auseinandergesetzt wie Traven.[21]

Mexiko bildete zwar hinsichtlich der Aufnahmezahl von etwa 1200 - 3000 Deutschsprachigen eines der Schlusslichter unter den Exilländern, war aber wegen der „hochkarätigen politischen und literarischen EmigrantInnen sowie wegen der von ihnen getragenen Verlage, Zeitschriften und Vereinigungen ein Exilzentrum von besonderer Bedeutung“.[22] Dies galt auch für die etwa 20.000 - 30.000 spanischen, katalanischen und baskischen Bürgerkriegsflüchtlinge und intellektuellen Verteidiger der spanischen Republik wie Max Aub („Campo cerrado“ 1943), Odó Hurtado i Martí mit seinen Büchern über das Barcelona der Vorkriegszeit, Pere Calders („Cròniques de la veritat oculta“ 1955), Manuel Altolaguirre, José Bergamín, der Werke von García Lorca und vielen anderen in dem von ihm gegründeten Verlag Séneca herausgab, Telésforo Monzón oder José Moreno Villa. Während der Fondo de Cultura Económica zum wichtigsten internationalen Sprachrohr der spanischen Exilanten wurde, zählte der Verlag El libro libre zu den wichtigsten deutschsprachigen Exilverlagen. Er gab Bücher von 25 im mexikanischen Exil lebenden deutschsprachigen heraus, so von Anna Seghers, Egon Erwin Kisch, Ludwig Renn und anderen. Viele davon wurden ins Spanische übersetzt.[23] Das Goethe-Institut von Mexiko-Stadt widmet sich auch heute noch der Pflege dieses Erbes. Der Einfluss der deutschen Emigranten auf die mexikanische Literatur blieb jedoch wegen ihrer kleinen Zahl und der Sprachbarriere extrem gering.[24]

In den 1950er bis 1980er Jahren gingen verschiedene Autoren aus lateinamerikanischen Diktaturen ins mexikanische Exil, so der guatemaltekische Erzähler Augusto Monterroso oder die kolumbianische Autorin und Aktivistin Laura Restrepo. Andere lateinamerikanische Autoren studierten in dieser Zeit an der in den 1950er Jahren errichteten Autonomen Universität von Mexiko in Coyoacán, die zeitweise die größte der Welt war, so z. B. der Panamese Enrique Jaramillo Levi. In den 1950er Jahren wanderten Paco Ignacio Taibo I und sein Sohn Paco Ingnacio Taibo II, die ihr Heimatland Spanien im Bürgerkrieg verlassen hatten, nach Mexiko aus. Endgültig nach Mexiko übersiedelte 2007 nach jahrelangem Aufenthalt auch der Kolumbianer Fernando Vallejo aus Medellín, der weiterhin über Themen seiner Heimatprovinz schreibt.

Die Nachkriegsgeneration

Eine Reihe von um 1914–1925 geborenen Autoren prägen das Bild der mexikanischen Literatur bis heute. Ihr Schaffen fällt zu größten Teil in die Zeit von 1950 bis 1975 (Generación de los 50). In vielen ihrer Werke drückt sich die Enttäuschung über die institutionalisierte Revolution aus, insbesondere nach dem Massaker von Tlatelolco 1968. Seit den 1950er Jahren treten in der mexikanischen Literatur auch die Frauen deutlicher hervor; ihre Themenwahl unterscheidet sich signifikant von der der männlichen Autoren, für die eben die Männlichkeit ein Dauerthema darstellt.

Das gilt auch für Octavio Paz, der weithin als der große Meister der mexikanischen Literatur anerkannt wird. Sein Werk wurde in viele Sprachen übersetzt. Seine frühen Arbeiten als Lyriker sind vom Surrealismus beeinflusst. Im Spanischen Bürgerkrieg kämpfte er auf Seite der Republikaner und lebte bis 1962 als Diplomat in Frankreich. Bekannt wurde er durch seinen Großessay „El laberinto de la soledad“ (zuerst 1950, 1969 selbstkritisch revidiert durch „Postdata“; dt.: „Das Labyrinth der Einsamkeit“ 1970), in dem er einen neuen Begründungsversuch der nationalen Identität, der „Mexicanid“ unternahm, der unter dem Einfluss der zeitgenössischen französischen Philosophie und der Psychoanalyse stand. In „Piedra de sol“ wird der Einfluss indianischer Mythologie spürbar. Spätere Werke sind durch den Strukturalismus oder - wie „Ladera este“ - durch die indische Dichtung geprägt. Paz erhielt neben dem Nobelpreis für Literatur u.a. den Friedenspreis des deutschen Buchhandels 1984.[25]

Der Erzähler und politische Essayist José Revueltas wurde mehrfach inhaftiert, unter anderem wegen des Vorwurfs, Miturheber der Studentenunruhen zu sein, die zum Massaker von Tlatelolco führten. Juan Rulfo („El Llano en llamas“, 1953, dt.: Der Llano in Flammen; „Pedro Páramo“, 1955), ein Vertreter des Magischen Realismus wurde durch extrem konzentrierte Kurzgeschichten zum Vorbild vieler Autoren. Nach ihm wurde der Premio de Literatura Latinoamericana y del Caribe Juan Rulfo benannt. Auch die Dramen und Romane von Elena Garro, die zeitweise mit Octavio Paz verheiratet war, zeigen Anklänge an den Magischen Realismus. Die Erzählungen von Guadalupe Dueñas zeichnen sich durch Präzision und einen sparsamen bis minimalistischen Stil aus. Als surrealistischer Dramatiker, Erzähler und Essayist wurde Rafael Solana bekannt, der über 50 Jahre lang ununterbrochen publizierte. Sein Thema ist der Humanismus unter Bedingungen einer technischen Zivilisation, zunehmender Arbeitsteilung, Korruption, Vetternwirtschaft und geistiger Paralyse. Die Romane und Kurzgeschichten des etwas jüngeren Sergio Galindo wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Die Erzählungen und Romane von Ramón Rubín, eines Vertreters des Indigenismo, handeln vom Leben der Indios im Nordwesten des Landes und zeigen, dass die besser Gebildeten unter ihnen die armen ungebildeten Indios ebenso verachten wie dies die Kreolen tun.[26] Die Ärztin Emma Dolujanoff stellte in ihren Romanen und Erzählungen alltägliche familiale und psychische Konflikte dar und behandelte Themen aus der Psychiatrie.

Eine besondere Stellung nimmt Guadalupe Teresa Amor Schmidtlein („Pita Amor“) mit ihrer expressionistisch-metaphyischen Lyrik ein. Sie diente vielen Künstlern als Modell und Muse (so dem Maler Diego Rivera) und war unter anderem mit Salvador Dalí, Frida Kahlo, Pablo Picasso, Juan Rulfo und Juan José Arreola befreundet. Dieser setzte sich als sozialkritischer, durch das kubanische Experiment beeinflusster Autor von Kurzgeschichten und Mikroerzählungen (sog. microrelatos wie in „La Feria“ 1963, dt. „Der Jahrmarkt“) deutlich von Rulfo ab.[27] Elena Garro, zeitweise mit Octavio Paz verheiratet, beeinflusste durch ihre Prosa vermutlich den Kolumbianer Gabriel García Márquez. Ihre Theaterstücke zeigen Einflüsse des Existenzialismus. Rosario Castellanos war eine feministische Autorin, die sich auch mit Hilfe des Puppentheaters für die indigenen Völker und die Alphabetisierung engagierte. Ihr Roman „Oficio de Tenieblas“ (dt. „Das dunkle Lächeln der Catalina Díaz“, 1993), der in der Tradition des magischen Realismus steht, beschreibt den Aufstand der Chamula-Indios gegen die weißen Großgrundbesitzer im Hochland von Chiapas.

In ganz Lateinamerika und zum Teil auch in Europa und Nordamerika bekannt wurden Werke von Emilio Carballido. Von den 1950er bis zu den 1980er Jahren verfasste er über 100 Theaterstücke und Drehbücher (u. a. für den Film „El censo“, 1977) sowie Romane und Kurzgeschichten. Jorge Ibargüengoitia wurde als Theaterautor, Romanschreiber und Erzähler durch seinen humoristisch-sarkastischen Stil bekannt, der mit sexuellen Anspielungen durchsetzt war und auch zynische und düstere Seiten aufweist; er schrieb Satiren über Kirche, den Wissenschaftsbetrieb und demontierte die Mythen der mexikanischen Revolution. 1983 starb er bei einem Flugzeugunglück in Madrid, bei dem viele lateinamerikanische Künstler und Intellektuelle umkamen.

Sozialkritik und Sozialdokumentation

Zwischen den Generationen steht Carlos Fuentes, der als Sohn eines Diplomaten eine lange Zeit seines Lebens in den USA, Lateinamerika und Europa verbrachte und zu den großen lateinamerikanischen Romanciers neben Gabriel García Márquez und dem Peruaner Mario Vargas Llosa zählt. Über 50 Jahre hinweg veröffentlichte das frühere Mitglied der Kommunistischen Partei Mexikos zahlreiche Romane und Kurzgeschichten, die in viele Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet wurden (u.a. mit dem Cervantespreis 1987 und der Picasso-Medaille der UNESCO 1994). Die Polyphonie der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten und scharfe Sozialkritik an der Unterdrückung sozialer Bewegungen in dem sich rasch industrialisierenden Land unter der Präsidentschaft von Adolfo López Mateos verbinden sich in seinem Werk mit historischer Rückschau. Er verleiht Indios, kleinen Angestellten und Händlern ebenso eine Stimme wie Militärs unterschiedlichen Rangs, Intellektuellen, Unternehmern und Großgrundbesitzern. In seinem Roman „Terra Nostra“ analysiert er 2000 Jahre Geschichte der spanischen Kultur und der Beziehungen Mexikos zur spanischen Kolonialmacht. „La muerte de Artemio Cruz“ (1962) ist ein desillusionierender Roman über Hoffnung und Verrat während der mexikanischen Revolution. Die Erzählungssammlung „La frontera de cristal“ behandelt kritisch die Beziehungen zu den USA. In „La nueva novela hispanoamericana“ analysiert er die Geschichte des mexikanischen Romans und der auf ihn wirkenden Einflüsse - allerdings unter Vernachlässigung der Chicano-Literatur. In „Cambio de piel“ (1967) wird der Einfluss der phantastischen argentinischen Literatur deutlich.[28]

Elena Poniatowska (2008)

Vier Jahre jünger als Fuentes ist die in Paris geborene Elena Poniatowska, deren Eltern 1941 nach Mexiko geflohen waren. Sie zählt seit Jahrzehnten zu den herausragenden Journalistinnen, Chronistinnen und Schriftstellerinnen Mexikos. Beeinflusst u. a. durch Teresa de la Parra schuf sie sich durch die Dokumentarliteratur einen Namen, in der sie die Unterdrückung der mexikanischen Frau und das Leben in den Armenvierteln thematisierte. In „La noche de Tlatelolco“ (1970) beschreibt sie das Massaker von 1968, in „Nada, nadie. Las voces del temblor“ (1988) die Folgen des Erdbebens von 1985. 2013 erhielt sie den Cervantespreis. In ihrem Werk, so auch in ihren Biographien mexikanischer Frauen, mischen sich dokumentarische mit fiktionalen Elementen.

Auch der in Chiapas geborene politische Lyriker und Abgeordnete Jaime Sabines setzt sich in bewusster „verarmter“ Alltagssprache mit den Ereignissen von Tlatelolco auseinander („Tlatelolco“ 1968). Octavio Paz hielt ihn für einen der größten Lyriker spanischer Sprache.

„La Generación de Medio Siglo“

Eine ganze Generation mexikanischer Schriftsteller/innen, die seit den 60er Jahren publizieren, die „Generación de Medio Siglo“[29] oder „Generation der Fünfziger“ – in der Malerei wird die entsprechende Bewegung „Generación de la Ruptura“ genannt, weil sie mit den übergroßen Vorbildern wie Rivera oder Siqueiros bricht – ist in Europa wenig bekannt geworden. Ihre Vertreter haben den wachsenden Wohlstand kennen gelernt, die der Exportboom des Zweiten Weltkriegs mit sich gebracht hat. Sie verzichten auf große Entwürfe, ihre Werke lassen kaum noch Einflüsse philosophischer Positionen und Diskussionen erkennen. Sie vermeiden das Revolutionspathos, beziehen Position gegen Nationalismus und Realismus und sind kosmopolitisch orientiert. Dazu gehören der im Tiefland von Yucatán geborene extrem vielseitige Juan García Ponce, einer der wenigen mexikanischen Kenner der deutschen Literatur,[30] ferner der Dichter und Essayist Gabriel Zaid, der von Ezra Pound beeinflusste Avantgardist Salvador Elizondo, der Mitbegründer der Zeitschrift „Cuadernos del Viento“ Huberto Batis und der weitgereiste Lyriker, Romancier, Erzähler, Dozent und Cervantespreisträger José Emilio Pacheco, dessen realistische Berichte und psychologischen Studien aus der banalen Alltagswelt oft ins Phantastische und Erträumte kippen. Zu nennen sind weiterhin José de la Colina, Inés Arredondo und der Übersetzer Sergio Pitol.

"Literatur der Katastrophen" seit 1980

Die mexikanische Prosa der letzten 30 Jahre wurde von politischen und ökonomischen Krisen, von historischen Traumata, den Auswirkungen unvollständiger Modernisierung, den ethnischen Konflikten, der Migration und der fortwährenden Verstädterung 1982 stark beeinflusst.[31] Das Ende des Erdölbooms und der wirtschaftliche Niedergang des Landes lösten zu Beginn der 1980er Jahre eine politische Krise und die Zahlungsunfähigkeit des Landes aus, die in der Literatur als Krise der staatlichen Institutionen und des korrupten Pateienapparats, vor allem der Partei der institutionalisierten Revolution PRI entlarvt wurde. Der Alltag blieb von Gewalt geprägt. Zwischen den verschiedenen ethnischen Gruppen, zu denen auch immer mehr Ostasiaten gehören, kam zu zunehmenden Spannungen. Zu den bekanntesten Autoren dieser Zeit zählen Carlos Montemayor („Guerra en el Paraíso“ 1991, dt.: „Krieg im Frieden“ 1998), José Agustín („Cerca del fuego“ 1986), der wie der heute in den USA lebende Gustavo Sainz der „Bewegung der Welle“ („La Onda“)[32] angehört, sowie Héctor Aguilar („Morir en el Golfo“). Der sozialistische Sozialanthropologe, Lyriker und Erzähler Eraclio Zepeda förderte das Indiotheater und die sozialen Bewegungen in Chiapas.[33]

Viele Autoren dieser Generation setzen sich stilistisch von den großen Vorbildern der 60er und 70er Jahre ab. Ángeles Mastretta („Arráncame la vida“) beschreibt die Korruption aus der Perspektive der Ehefrau eines Kaziken und nutzt dabei die Form des Politthrillers, wobei er auch vor trivialen Klischees nicht zurückschreckt. Die Einbeziehung der Umgangssprache kennzeichnet auch die Kriminalromane und Politthriller von Paco Ignacio Taibo II, der als Gewerkschaftsaktivist der Protestbewegung von 1968 nahe stand und auch Sachbücher zu politischen und historischen Themen verfasst.

Zu einem ähnlichen Trauma wie das Massaker von Tlatelolco wurde das Erdbeben in Mexiko-Stadt von 1985. Cristina Pacheco („Zona de desastre“) und andere kritisierten das völlige Versagen der staatlichen Institutionen, das die Selbstorganisation der Armen in den Barrios (Literatura de barrio) und die neuen sozialen Bewegungen förderte. Carlos Monsiváis, Cristina Pacheco und Elena Poniatowska begannen, tageweise Chroniken zu schreiben und diese fortlaufend in Zeitungen zu publizieren.

In den 1990er Jahren gewann der Roman – vor allem die alternative Geschichtsschreibung in Romanform – im Vergleich zur Erzählung weiter an Boden. Fernando del Paso ist ein wichtiger Vertreter des mit phantastischen Elementen durchsetzen historischen Romans; in deutscher Sprache liegt seit 1996 „Nachrichten aus dem Imperium“ vor. Bei anderen Autoren weicht die barocke Sprache der Verknappung und Lakonie, die sich an Arreola und Rulfo orientiert. In dieser Tradition stehen Augusto Monterrosos Kurzprosa und Bernarda Solís‘ feministische Erzählungen. Ihre Kritik der Geschlechterbeziehungen und des Machismo ist nach wie vor eines der wichtigsten Themen der mexikanischen Frauenliteratur. Zu erwähnen sind Aline Pettersson, Ethel Krauze, Dorelia Barahona und die heute in New York lebende Carmen Boullosa, die auch historische Themen in feministischer Perspektive behandelte. Von ihr liegen zwei Romane in deutscher Sprache vor. Gewalt, Selbstjustiz und Drogen sind Themen einer Trilogie von Yuri Herrera (dt: „Der König, die Sonne, der Tod“).[34]

Auf der Suche nach Diversität statt nationaler Identität

Jüngere Autoren wie José Agustín oder Sara Sefchovich brechen heute mit der Suche nach „Mexicanidad“ und wenden sich von Vorbildern wie Octavio Paz ab. Ihre Arbeiten dokumentieren eine wachsende Breite möglicher Lebensentwürfe und nehmen auch die Kultur der indigenen und der Immigrantengruppen verstärkt in den Blick. Bárbara Jacobs, Tochter libanesischer Einwanderer, wurde durch Romane und Erzählungen bekannt. Myriam Moscona, die aus einer bulgarisch-jüdischen Familie stammt, schreibt nicht nur in spanischer, sondern auch in sephardischer Sprache. Auch Jorge Volpi bricht in seinen psychologisch-forschenden Romanen, z. B. in seiner fiktiven Wissenschaftlerbiographie Das Klingsor-Paradox mit den Traditionen des lateinamerikanischen Literatur und dem Magischen Realismus.

Homosexuelle Autoren (aber noch selten lesbische Autorinnen) verschaffen sich seit den 1980er Jahren verstärkt Gehör für ihre Themen. Dazu gehören der Erzähler und Dramatiker Luis Zapata Quiroz (* 1951), der Publizist und Essayist Carlos Monsiváis (1938–2010), Salvador Novo und Ethel Krauze („Atrapadas en la casa“, 2002).

Das literarische Leben Mexikos dezentralisiert sich derzeit weiter. Die Kultur des Nordwestens rückte ins Zentrum der Arbeit des Historikers Ricardo Elizondo Elizondo (1950–2013) aus Monterrey.[35] In Guadalajara lehrt der Historiker und Schriftsteller José Raúl Navejas Dávila. Auch in Tijuana und Mexicali (beide in Baja California) sowie in Baja California Sur bilden sich seit den 1980er Jahren literarische Zirkel und Werkstätten.[36] Autoren aus Baja California sind Oscar Hernández („Nubes“, 1993), Edmundo Lizardi (* 1953) und Manuel Romero. Es waren auch Literaten, die sich für die Gründung der Universidad Autónoma de Baja California und damit für die Befreiung Niederkaliforniens aus der kulturellen Isolation einsetzten. In Analogie zur Mexicanidad spricht man dort bei der Suche nach der regionalen Identität von Californidad.[37]

Verlagswesen und Buchmessen

Der Fondo de Cultura Económica hat seit seiner Gründung 1934 etwa 7000 Bücher herausgegeben, von denen 5000 immer wieder nachgedruckt werden. Er unterhält mittlerweile Zweigstellen in vielen lateinamerikanischen Staaten und in den USA und hat sich zum größten Verlag Lateinamerikas entwickelt. Seit 1987 gibt es in Guadalajara eine gut ausgestattete internationale Buchmesse mit Literaturfestival (Feria Internacional del Libro de Guadalajara, FIL), die heute die größte der spanischsprachigen Welt ist.[38] Obwohl die Publikationsmöglichkeiten in Mexiko vergleichsweise gut sind, müssen viele Autoren von Zeitschriftenveröffentlichungen und den zahlreichen staatlichen und universitären Literaturpreisen leben. Die steigende Zahl der Übersetzungen in fremde Sprachen schafft hier Abhilfe.[39]

Wichtige Literaturpreise

In Mexiko werden zahlreiche nationale, internationale oder von Hochschulen gestiftete Literaturpreise vergeben. Dazu zählen der Premio Nacional de Ciencias y Artes (seit 1945) in der Kategorie Linguistik und Literatur, der Premio Nacional de Literatura José Fuentes Mares (seit 2000), der von der Buchmesse in Guadalajara seit 1991 vergebene Premio FIL de Literatura en Lenguas Romances (früher Juan-Rulfo-Preis), der ebenfalls von der Buchmesse seit 1993 vergebene Premio Sor Juana Inés de la Cruz, der Premio nacional de ensayo joven Octavio Paz, der Premio Xavier Villaurrutia, der nach dem mexikanisch-spanischen Dramatiker des 17. Jahrhunderts benannte Premio Estatal al Mérito Literario Juan Ruiz de Alarcón des Bundesstaates Guerrero und viele andere. Eine besondere Ehrung stellt die Aufnahme von Autoren in die Academia Mexicana de la lengua dar, die überwiegend Wissenschaftlern vorbehalten ist.[40]

Vier mexikanischen Autoren erhielten den wichtigsten Literaturpreis des hispanischen Sprachraums, den Premio Cervantes: Octavio Paz, Carlos Fuentes, Sergio Pitol und José Emilio Pacheco.

Einzelnachweise

  1. Gerhard Kruip: Kirche und Gesellschaft im Prozeß ethisch historischer Selbstverständigung. Die mexikanische Kontroverse um die ‚Entdeckung Amerikas’. Münster: Lit Verlag 1996 (= Schriften des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften der Westfälischen Wilhelms Universität Münster 34), S. 325.
  2. Ronald A. Barnett: Mesoamerican epic poetry and saga: A survey. Online in: mexconnect.com 2014, Abruf 31. Oktober 2015
  3. Hermann Trimborn: Die altamerikanischen Literaturen. In: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literatur-Lexikon. München 1996, Band 20, S. 57f.
  4. Rössner 1996, S. 41.
  5. Rössner 1996, S. 41.
  6. Das Gegenstück zum Conceptismo, dem scharfsinnig-lakonischen Stil mit überraschenden Pointen, zwei Hauptströmungen des spanischen Barock. Rössner 1996, S. 42.
  7. Jim Tuck: Mexico's Voltaire: Jose Joaquin Fernandez de Lizardi (1776-1827). auf: mexconnect.com, 1999, Abruf 31. Oktober 2015
  8. Michael Rössner (Hrsg.): Lateinamerikanische Literaturgeschichte. 2. Auflage, 2002, S. 112 ff.
  9. Oerley 1968, Vorwort, S. 12f.
  10. Rössner 1996, S. 45.
  11. Rössner 1996, S. 47.
  12. Klaus Meyer-Minnemann: Der mexikanische Revolutionsroman. In: Iberoamerica. 6. Jg. (1982), Nr. 1, S. 88. (online)
  13. Rössner 1996, S. 47.
  14. Rössner 1996, S. 49.
  15. Oerley 1968, Vorwort, S. 13 f.
  16. Website des Verlages
  17. Rössner 1996, S. 48.
  18. Oerley 1968, Vorwort, S. 17.
  19. Rössner 1996, S. 51.
  20. Wolfgang Bittner: B. Traven, Geheimnisse und Rätsel. In: Lettre International Nr. 106/2014, S. 136-138.
  21. Günter Dammann (Hg.): B. Travens Erzählwerk in der Konstellation von Sprachen und Kulturen. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005.
  22. Lateinamerikanachrichten
  23. Alexander Abusch: Literatur im Zeitalter des Sozialismus. Beiträge zur Literaturgeschichte 1921-1966. Bd. 1-2, Berlin, Weimar 1967
  24. Tierradenadie.de
  25. Reden zur Friedenspreisverleihung 1984 online unter [1]
  26. Oerley 1968, Vorwort, S. 16.
  27. relue-online.de
  28. Rössner 1996, S. 53.
  29. iifl.unam.mx
  30. Siehe biograph. Notiz in Brandenberger (Hrsg.) 2007, S. 223.
  31. Zum Folgenden siehe auch Portal Mexico-Mexico.de
  32. Den Begriff kreierte Margo Glantz. Siehe http://www.elem.mx/estgrp/datos/39
  33. Siehe biograph. Notiz in Brandenberger (Hrsg.) 2007, S. 225 f.
  34. Besprechung im NDR
  35. mexiko-mexico.de
  36. Literatura de Baja California
  37. larc.sdsu.edu
  38. Website der Messe 2014
  39. Für neuere Übersetzungen ins Deutsche siehe Perlentaucher: Mexikanische Literatur
  40. Website der Mexikanischen Akademie der Sprache mit Informationen über ihre Mitglieder

Literatur

  • Adalbert Dessau: Der mexikanische Revolutionsroman. (= Neue Beiträge zur Literaturwissenschaft. Band 26). Berlin 1967.
  • David William Foster (Hrsg.): Mexican Literature: A History. University of Texas Press, 2010, ISBN 978-0-292-78653-0.
  • Seymour Menton: El cuento hispanoamericano. (= Colección Commemorativa 70 Aniversario, vol. 33). Fondo de Cultura Económica, Mexico-City 2005, ISBN 968-16-7687-4.
  • Michael Rössner: Die hispanoamerikanische Literatur. In: Walter Jens (Hrsg.): Kindlers Neues Literatur-Lexikon. Band 20, München 1996, S. 40–56.
  • Michael Rössner: Lateinamerikanische Literaturgeschichte. 2. erweiterte Auflage. Stuttgart/Weimar 2002, insbes. S. 10-27, 110-115, 137-148, 263-283, 406-422.
  • Mexikanische Literatur. In: Der Literatur-Brockhaus. Mannheim 1988, Band 3.
  • Arbeitskreis Mexiko-Studien Münster (Hrsg.): Streifzüge durch die mexikanische Gegenwartsliteratur. Verlag Walter Frey, Berlin 1998. (Werkanalysen)
  • Wolfgang Bittner: B. Traven, Geheimnisse und Rätsel. In: Lettre International Nr. 106/2014, S. 136-138.
Anthologien
  • Erna Brandenberger (Hrsg.): Cuentos mexicanos. Erzählungen aus Mexiko. 5. Auflage. dtv, München 2007. (deutsch/spanisch)
  • Andreas Klotsch (Hrsg.): Mexikanische Erzähler. Volk und Welt, Berlin 1978. (38 Erzählungen)
  • W. A. Oerley (Hrsg.): Mexiko. (= Moderne Erzähler der Welt. Band 2). 3. Auflage. Horst Erdmann Verlag, Tübingen/ Basel 1968.

Weblinks