Stadtkirche St. Michael (Schlüchtern)

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Die evangelische Stadtkirche St. Michael ist ein ortsbildprägendes Kirchengebäude in Schlüchtern, einer Kleinstadt im Main-Kinzig-Kreis (Hessen). Die evangelische Kirchengemeinde Schlüchtern gehört zum Kirchenkreis Kinzigtal im Sprengel Hanau-Hersfeld der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Außenansicht der Stadtkirche (2019)
Blick in Kirchenraum / Orgel von Kanzel (2023)

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im 9. Jahrhundert war in Schlüchtern eine Kirche vorhanden. Der nachfolgende Kirchenbau, wovon lediglich noch der Turm erhalten ist, stammt ursprünglich aus der Zeit um 1100 und wurde dem Erzengel Michael geweiht. 1167 war Schlüchtern eine Pfarrei, die zum Kloster Schlüchtern und zum Archidiakonat des Landkapitels Karlstadt des Bistums Würzburg gehörte. Damals gehörten zur Pfarrei die Kirchspiele Schlüchtern, Ramholz und die Kirchen Aufenau sowie Marjoß. Zum Kirchspiel Schlüchtern zählten damals Elm, Kressenbach und Hintersteinau.[1] 1405 gehörten dem Bezirk an: Ahlersbach, Bellings, Elm, Hohenzell, Kressenbach, Niederzell und Wallroth.[2]

Am 13. Mai 1543 (Pfingsten) feierte Abt Petrus Lotichius zusammen mit dem gesamten Konvent des Klosters Schlüchtern zum ersten Mal das Abendmahl in beiderlei Gestalt (Austeilung von Brot und Wein an alle). Damit war die Reformation eingeführt und Schlüchtern wurde lutherisch.[3][4]

Seit der zweiten Reformation in der Grafschaft Hanau-Münzenberg unter dem calvinistischen Graf Philipp Ludwig II. war die Kirche reformiert.[4] Bereits im 17. Jahrhundert waren nach dem Dreißigjährigen Krieges umfangreiche Reparaturen nötig. Neben der Stadtkirche gab es noch einen lutherischen Betsaal. Durch die Hanauer Union wurden diese beiden evangelischen Kirchen 1818 vereinigt und der Betsaal geschlossen.[1][3][2]

Das aktuelle Kirchenschiff entstand in den Jahren 1838 bis 1840. Als Architekt gilt E. F. Spangenberg, da die Kirche während des Franzosenkrieges für längere Zeit von ca. 30.000 preußischen und schwedischen Kriegsgefangenen besetzt war und dabei stark demoliert wurde. Der Kirchenraum von 1840 war im Jugendstil mit dunklen Bänken, dunklen Emporen, wobei die Front goldene Verzierungen besaß, sowie marmorfarbenen Säulen gestaltet. In den Zwickeln der Decke, sechs auf jeder Seite, waren die 12 Apostel überlebensgroß abgebildet.[5] Die Wände waren malerisch gestaltet und über der Kanzel prangte ein großes Christusbild.[2] Auf den beiden Seiten der östlichen Wand waren Bibelworte aufgemalt: Gieb mir, mein Sohn, dein Herz – Sprüche 23,36; Kehre dich zu mir, denn ich erlöse dich. – Jesaja 44,22

In den 1950er Jahren wurde die Kirche im nüchternen Stil der Nachkriegszeit neu gestaltet. Eine weitere Renovierung fand in 1971 statt. Jetzt wurden die Wände eierschalengelb, die Empore und die Säulen ochsen-blutrot und die Bänke dunkelgrün gestrichen.[6][2] Die letzte Renovierung fand zwischen 2021 und 2023 statt. Heute erstrahlt der Kirchenraum wieder in hellen grauen und weißen Farben. Über dem komplett neugestalteten Altarraum befindet sich ein modernes Glasmosaik.[7]

Architektur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Außenansicht des Langhauses (2024)

Der Turm stammt noch von einem Vorgängerbau der Kirche in frühgotischen Stil um das Jahr 1400. Das Kirchenschiff entstand in den Jahren 1838–1840, wobei das ehemalig gotische Kirchenschiff verschwand und durch einen bedeutend breiteren Saalbau mit Rundbogenfenstern im Stil des Klassizismus ersetzt wurde.[1][3]

Ausstattung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Taufstein[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Taufstein mit neuer Einfassung (2024)

Im Jahr 1960 wurde bei Bauarbeiten an der Klostermauer der Taufstein des ehemaligen Benediktinerklosters aus dem Jahr 1534 wiedergefunden.[5] Dieser wurde während des calvinistischen Bildersturms beseitigt. Nachdem er mit einem Messingbecken versehen und vor der Stufe zum Altarraum platziert wurde, konnte er als Taufbecken genutzt werden.[8] Nach der zwischen 2021 und 2023 erfolgten Renovierung befindet sich der Taufstein mit einer neuen Einfassung im Eingangsbereich der Kirche. Dadurch symbolisiert er eine Grundüberzeugung des christlichen Glaubens, dass man durch die Taufe in die Kirche gelangt.[9][10]

Glaskunstwerk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch das neue zentrale Glaskunstwerk der Kirche schlägt eine Brücke zur Taufe. Die neue Wandgestaltung orientiert sich an der Struktur von Wasseringen.[11] Einzelne Kreisringe überlagern und durchdringen sich. Im Zentrum führen die Kreise zum Goldenen Kreuz, dessen Arme sich aufrichten.[10][9][12]

Altarraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Altarraum mit Kanzelwand (2024)

Der Altarraum, welcher sich bis 2021 im Stil der nüchternen 50er und 60er Jahre darstellte, wurde im Zuge der Innenrenovierung von 2021 bis 2023 grundlegend neugestaltet. Die neuen Prinzipalstücke wurden nach Plan der Künstler Lönne und Neumann[13] durch die Schmiede der Abtei Königsmünster in Meschede gefertigt.[6]

Hierbei sind ein neuer Altar, dessen insgesamt 12 Öffnungen an die Gemeinschaft Jesu Christi mit seinen 12 Aposteln erinnert und neues Lesepult hinzugekommen, welches mit seinen zwei Komponenten zwei aufeinander bezogene Pole, wie das Neue und Alte Testament darstellt.

Das alte Altarkreuz konnte als Standkreuz umfunktioniert werden. Auf den acht Seiten der Kreuzarme ein fortlaufender Text zweier Bibelverse abgebildet:[13]

Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des Lebendigen Wassers umsonst. Wer überwindet, der wird dies ererben, und ich werde sein Gott sein und er wird mein Sohn sein. – Offenbarung 21,6–7.[10] (Lutherübersetzung 2017)

Orgeln[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits im Jahr 1543 ging ein Auftrag an Laurentius Daum aus Fulda, welcher eine Orgel bauen sollte. Diese wurde 1547 fertiggestellt. 1683 war eine andere Orgel (Große Orgel auf der Westempore) vorhanden, welche 1677 angeschafft wurde und 1761 über acht Register auf einem Manual und ein mit drei Registern „angeflicktes“ Pedal verfügte.[14] Johann Heinrich Zinck führte 1738/1739 und 1750 Reparaturen durch. 1765 / 1766 erfolgte ein Orgelneubau durch seinen Neffen Johann Georg Zinck aus Wächtersbach. 1839 wurde wieder ein neues Werk durch Georg Link aus Reinhards gebaut.[1][2]

Ratzmann- / Walcker-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ratzmann-Orgel (1906)

Durch Wilhelm Ratzmann aus Gelnhausen erfolgte 1903 ein weiterer Orgelneubau. Er erfolgte mit Gehäuse im Stil der Neugotik auf der hinteren Empore. Dieses Instrument wurde von 1951 bis 1956 durch die Orgelbaufirma Walcker aus Ludwigsburg umgebaut und von 21 auf 24 Register erweitert. Hierbei wurde das Gehäuse durch einen Freipfeifenprospekt ersetzt.[15] Die meisten Register dieser Orgel sind erhalten geblieben.[1][2]

Peter-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Peter-Orgel (1981)

Unter der Verwendung alter Register wurde das Werk 1970 durch einen Neubau von Willi Peter aus Köln ersetzt, welches zunächst 33 Register und zwei Manuale besaß. In den Jahren 1974 / 1975 wurde die Orgel erneut erweitert, sodass sie dann 3 Manuale und 45 Register erhielt. Sowohl die Arbeiten von 1951 bis 1956 als auch zwischen 1970 und 1974 wurden nach Plänen von Ernst Karl Rößler durchgeführt.[1] Die Orgel und ihre Register sind als ein Denkmal ihrer Zeit zu bezeichnen. Sie weißt viele unterschiedliche, besondere von Rößler entwickelte Register auf, welche für diese Zeit des Orgelbaus und der Orgelbewegung interessant sind. Viele dieser Register sind heutzutage selten und finden sich nur noch in weniger Orgeln wieder. Nachdem der damalige Landeskirchenmusikdirektor und Leiter der KMF in Schlüchtern Martin Bartsch ein mehrseitiges Gutachten, welches sich für einen Neubau der Orgel einsetze, eingereicht hatte, begannen Anfang des Jahres 1992 Planungen für einen Neubau.[2] Nachdem die Peter-Orgel am 16. Januar 1994 das letzte Mal im Gottesdienst erklang, wurde sie durch Orgelbau Hüfken aus Halberstadt abgebaut. Das Unternehmen baute die Orgel leicht um und stelle sie in der Neuapostolische Kirche Magdeburg auf, wo sie heute noch im Einsatz ist.[16] Disposition der Orgel nach 1974 / 1975 mit 45 Registern:[17]

I Hauptwerk C–g3
Rohrpommer 16′
Prinzipal 08′
Gedeckt 08′
Gemsquinte 513
Oktave 04′
Schweizerpfeife 04′
Nasat 223
Dolcan überblasend 02′
Spanischer Hintersatz III 223
Mixtur VI–VII 02′
Trompete 08′
Tremulant
II Schwellwerk C–g3
Rohrflöte 08′
Bleioktave 08′
Gemshorn (S II) 08′
Prinzipal 04′
Nachthorn 04′
Sesquialtera III 223
Doppeloktave 02′
Mixtur V 223
Scharf V (S II) 113
Un-Tredezime 811′ + 813
Basson-Schalmei 16′
Rohrkrummhorn (S II) 08′
Tremulant
III Seitenwerk C–g3
Gedeckt 8′
Quintade 8′
Prinzipal 4′
überblasender Schwiegel 223
Octave 2′
Rohrschweizerpfeife 2′
Terzflöte 135
Quinte 113
Octävlein 1′
Cimbel IV 23
Dulcian 8′
Tremulant
Pedalwerk C–f1
Prinzipalbaß 16′
Subbaß 16′
Quinte 1023
Oktavbaß 08′
Rauschpfeife 513
Spitzflöte 04′
Doppelrohrflöte 02′
Posaune 16′
Feldtrompete 04′

Die mit S II gekennzeichneten Register stehen auf einer Sonderlade und sind auch im Haupt-, Seiten- und Pedalwerk frei koppelbar.

  • Koppeln: I/P, II/P, III/P, S II/P, II/I, III/I, S II/ I, III/II, S II/III
  • Schweller: 2 Jalousieschweller (Schwellwerk, Seitenwerk); Rollschweller–Walze
  • Spielhilfen: 6 unsichtbare Setzerkombinationen
  • Pedalklaviaturen: Parallel- und Radialbauart, auswechselbar
  • Effektregister: Zimbelstern

Schuke-Orgel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schuke-Orgel (2023)

Die heutige Orgel der Stadtkirche wurde 1994 von Karl Schuke erbaut und am 25. September desselben Jahres eingeweiht.[2] Die Disposition stammt von Wolfgang Theer (Schuke), Gerhard Holzner (BZK Marienkirche-Hanau), Jürgen Hessel (Orgelsachverständiger EKKW), Martin Bartsch, Hans-Martin Balz sowie Gunther Martin Göttsche. Die Orgel sollte als „Vorbild-Instrument“ für viele weitere Generationen dienen und musste deshalb klanglich sowie technisch höchsten Vorgaben entsprechen. Dabei war es wichtig, keine Stilkopie einer bestimmten Epoche des Orgelbaus entstehen zu lassen. Es sollte ein Instrument mit einer großen Bandbreite von Romantik über Barock bis zu einem französischen Klang entstehen. Das Gehäuse orientiert sich am Prospekt der Ratzmann Orgel aus 1903. Finanziert wurde das Instrument zur Hälfte durch die Landeskirche und zum anderen Teil durch die Kirchengemeinde sowie zahlreiche Spender und dem Verkauf der alten Orgel. Im Jahr 2005 wurde sie bereits um einen Zimbelstern sowie ein Register im Positiv erweitert. Zusätzlich zu den wöchentlichen Gottesdiensten erklingt sie regelmäßig in Gemeindekonzerten. Außerdem wird sie als Prüfungs- und Konzertinstrument der Kirchenmusikakademie (KMA) genutzt. Momentan (2024) besitzt die Orgel 37 Register, mehrere Koppeln, Sperrventile sowie Feste Kombinationen in den drei Manualen.[18] Fünf vakante Register sowie eine Setzeranlage sollen in den nächsten Jahren ergänzt werden, sodass die Orgel dann insgesamt 42 Register besitzt.[8][19]

I Hauptwerk C–a3
Bordun 16′
Principal 08′
Gedackt 08′
Octave 04′
Blockflöte 04′
Octave 02′
Mixtur V–VI 113
Trompete 08′
II Positiv C–a3
Rohrflöte 8′
Principal 4′
Spitzflöte 4′
Flachflöte 2′
Quinte 113
Sesquialtera II 223
Scharff IV 23
Cromorne 8′
Tremulant
III Schwellwerk C–a3
Flötenprincipal 8′
Bordun 8′
Salicional 8′
Vox coelestis 8′
Octave 4′
Traversflöte 4′
Nasat 223
Octave 2′
Tierce 135
Martinshorn 1′
Fourniture IV 2′
Hautbois 8′
Tremulant
Pedal C–f1
Holzprincipal 16′
Subbaß 16′
Octavbaß 08′
Gedacktbaß 08′
Choralbaß 04′
Hohlflöte 04′
Rauschpfeife 223
Posaune 16′
Trompete 08′
  • Koppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
  • Spielhilfen: Pleno HW an – Pleno HW ab, Pleno Pos. an – Pleno Pos. ab, Zungen SW an – Zungen SW ab, Sperrventile: Großpedal, Kleinpedal
  • Effektregister: Zimbelstern

Bosch-Orgel im Konferenzraum[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bosch-Orgel im Konferenzraum (1986)

Im Jahr 1974 wurde eine Orgel, welche Werner Bosch um 1950[20] für die Johanniskirche in Kassel erbaut hatte (damals ohne Pedal), im Konferenzraum der Stadtkirche aufgestellt.[1] Momentan (2024) befindet sich die Orgel aufgrund der erfolgten Renovierung der Kirche eingelagert.

I Manual C–f3
Gedackt 8′
Prinzipal 4′
Gemshorn 2′
Zimbel I–II
Pedal C–f1
Subbaß 16′
Choralbaß 04′

Continuo-Positiv[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zeitgleich zur Erweiterung der großen Orgel in der Stadtkirche wurde in den Jahren 1974 / 1975 ein transportables Continuo-Positiv, ebenfalls durch die Firma Willi Peter, erbaut. Es besitzt eine mechanische Schleiflade in einem Gehäuse mit Schwellkasten (Plexiglasschweller). Es besitzt drei Register. Es wurde bei zahlreichen Konzerten in der Stadtkirche als auch in anderen Kirchen verwendet.[1][17] Im Jahr 2019 wurde das Positiv verkauft und ist an einem anderen Ort weiterhin im Einsatz.

Für Konzerte in der Stadtkirche steht nun das 2004 durch Tilman Trefz aus Stuttgart erbaute Orgelpositiv der Kirchenmusikakademie zur Verfügung, welches in der Andreaskapelle des Klosters steht.

Manualwerk C, D–c3
Gedackt 8′
Rohrflöte 4′
Prinzipal 2′

Glocken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Stadtkirche besitzt ein Geläut aus drei Glocken. Die älteste Glocke, die kleine Marienglocke, stammt vermutlich aus dem 14. Jahrhundert und wurde ursprünglich für das benachbarte Kloster gegossen. Im Jahr 1953 wurde sie als Leihgabe im Turm der Stadtkirche aufgehängt. Die mittlere Glocke wurde 1700 von Johann Schneidewind in Frankfurt gegossen und ist dem heiligen Erzengel Michael gewidmet. Sie zeichnet sich durch eine kunstvoll gestaltete Krone mit Löwenköpfen auf den Henkeln aus.[21] Die größte Glocke des Geläuts wurde 1953 von der Glockengießerei Gebr. Rincker in Sinn hergestellt. Sie ersetzt zusammen mit der alten Marienglocke aus dem Kloster zwei Glocken der Gießerei Bach aus Windecken aus den Jahren 1753 und 1805, die im Zweiten Weltkrieg eingeschmolzen wurden. Alle Glocken sind in einem historischen Holzglockenstuhl aufgehängt. Während die dritte Glocke ein Stahljoch verwendet, hängen die Glocken 1 und 2 an Holzjochen.[22][23][2]

Nr.
 
Name
 
Gussjahr
 
Gießer, Gussort
 
Material
 
Durchmesser
(mm)
Schlagton
 
Inschrift
 
Bild
1 Grosse Glocke 1953 Rincker, Sinn Bronze 1.200 e1 „Einmal werden alle Stimmen jauchzend Gottes Thron umschweben Ihr dürft hier, ihr freudberufenen, seinen Namen schon erheben Dein ist Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“
2 Michaelsglocke 1700 Johann Schneidewind, Frankfurt a. M. Bronze 1.000 g1 „GOS MICH MIOHANNES SCHNEIDEWIND IN FRANCKFURT H. IOHAN PETER BRAUN PFARRER 1700 H. IOHAN MICHAEL WEICHEL H. IOHAN CASPAR HENSLER BEIDE H. K. BAUMEISTER IN SCHLÜCHTERN“
3 Marienglocke ca. 14. Jhd. unbekannt Bronze 850 h1 „AVE MARIA GRATIA PLENA DOMINVS TECVMBENEDICTA MV LIERIBVS BENEDICTVS“[23]

Türmerwohnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Über der Glockenstube wohnte im 16. und 17. Jahrhundert ein Türmer, welcher bei Feuer Sturm zu läuten hatte und in ein Horn blasen musste. Inmitten des Dreißigjährigen Krieges, im Jahr 1642, musste der damalige Bewohner Stoffel Artz ausziehen, da er „cassiert“ wurde und es wurde kein neuer Türmer eingestellt.[3] Die Türmerwohnung selbst ist durch den Einbau des elektrischen Läutewerks in den 50er Jahren sowie einem Vogelnistkasten nahezu völlig zerstört. Die historische Blocktreppe wurde ebenfalls in dieser Zeit durch einen Kirchendiener zersägt. Die Wohnung besaß zwei Stockwerke, die Wände waren in Fachwerkbauweise ausgeführt und mit Lehm beworfen. Das Untergeschoss der Türmerwohnung war ungefähr so groß wie eine Schiffskoje.[21][23]

Umgebung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grab des Ehepaares Orth (2024)
Grab von Richard Jung (2024)

Gräber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Kirche sowie um die Kirche herum befinden sich abgesehen von der Kriegsgräberstätte hinter der Kirche weitere Gräber oder Grabsteine von wichtigen Geistlichen der Region.

Ehepaar Orth[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der Ostseite der Kirche befindet sich eine Grabtafel für Friedrich Orth (* 13. Februar 1854; † 30. Juli 1934), Superintendent i. R. des Kirchenkreises Schlüchtern von 1900–1925 und seine Frau Emilie Orth geb. Schirmer (* 1. Juni 1856; † 5. Dezember 1933).[24]

Ehepaar Jung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

An der südlichen Kirchenmauer sind die beiden Grabsteine von Marta Jung geb. Horn und Richard Jung (* 9. Februar 1908; † 22. Oktober 1961). Richard Jung war von 1948 bis zu seinem Tod im Jahr 1961 Dekan den Kirchenkreises Schlüchtern. Aufgrund seines plötzlichen Todes wurde das Ev. Gemeindezentrum bei der Einweihung im Jahr 1962 „Richard-Jung-Haus“ genannt. Zuvor war Jung Pfarrer in Oberkalbach und verhinderte im Jahr 1945 als solcher durch seine Verhandlungskünste die völlige Zerstörung Oberkalbachs durch die Amerikaner.[4]

Pfarrer Rollmann[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Neben den Grabsteinen des Ehepaares Jung steht das Grab von Rudolf Wilhelm Rollmann (* 12. Juni 1869; † 19. März 1961), welcher von 1905 bis 1933 Pfarrer der Schlüchterner Pfarrstelle II war und nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten vorzeitig in den Ruhestand versetzt wurde.[24]

Kriegsgräberstätte mit Blick auf Kirche (2024)

Kriegsgräberstätte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Hinter der Stadtkirche befindet sich die 1963 eingeweihte Kriegsgräberstätte, auf welcher 338 Tote bestattet sind. Die meisten der dort bestatteten Menschen starben im Frühjahr 1945, also gegen Ende des 2. Weltkriegs. Begraben sind zum einen Soldaten der Wehrmacht oder SS als auch KZ-Häftlinge, welche während eines Todesmarsches aus den Frankfurter Adlerwerken durch die Nazis ermordet wurden, zivile Kriegstote, sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter aus Osteuropa. Des Weiteren sind noch 4 Tote des 1. Weltkriegs begraben. 91 der 338 Toten sind Unbekannt.[25][26]

Kirchengemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schlüchtern gehört zusammen mit Elm, Niederzell, Hutten und Gundhelm sowie Klosterhöfe und Herolz zur Kirchengemeinde Schlüchtern. Zusammen mit der Kirchengemeinde Ramholz mit Vollmerz, Sannerz und Hinkelhof sowie Ahlersbach aus der Kirchengemeinde Hohenzell – Ahlersbach – Bellings bilden die Gemeinden einen Kooperationsraum.[27] Der Kooperationsraum verteilt sich auf 4 Pfarrstellen, wovon sich Pfarramt II und III in Schlüchtern befinden.[28]

Persönlichkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Organisten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Wilhelm Zinkhan (1798–1863), Präzeptor in Steinau, erhielt wegen seiner großen musikalischen Begabung den Kantorentitel.[29]
  • Ernst Karl Rößler (1909–1980), Pfarrer, Kirchenmusiker, Komponist und Orgelsachverständiger
  • Walter Opp (1931–2022), Kirchenmusiker, Hochschullehrer und Universitätsmusikdirektor in Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
  • Martin Bartsch (* 1942), Kirchenmusiker, ehem. Landeskirchenmusikdirektor Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck[30]
  • Gunther Martin Göttsche (* 1953), Kirchenmusiker und Komponist, ehem. Leiter der Kirchenmusikakademie Schlüchtern[31]
  • Michael Schneider (* 1977), evangelischer Theologe, Präses der EKKW und Kirchenmusiker[30][32]

Pfarrer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Liste der Pfarrer seit der Hanauer Union (1818). Zuvor gab es in Schlüchtern bereits kurz nach dem Petrus Lotichius 1543 die Reformation eingeführt hatte zwei reformierte Pfarrstellen.

Pfarrer der Stadtkirche (Pfarramt II)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von 1832 bis 1843 wurden die Gemeinden Hohenzell und Bellings von der zweiten Pfarrstelle versehen. Heute ist die Pfarrstelle Schlüchtern II für einen großen Teil Schlüchterns und die Klosterhöfe zuständig. Herolz zählt auch dazu, welches früher noch zu dem Gebiet der Pfarrstelle I gehörte.

  • 1818–1824: Johann Christoph Osius
  • 1814–1831: Jakob Friedrich Pauli
  • 1831–1842: Friedrich August Stamm
  • 1843–1856: Johann Valentin Albach
  • 1856–1875: Philipp Wilhelm Rudoph Walther
  • 1875–1885: Justus Philipp Heinrich Wilhelm Heck
  • 1886–1891: Georg Friedrich Hartmann
  • 1892–1900: Johannes Christian Hattendorf
  • 1900–1905: Ernst Valentin Heinrich Kahl
  • 1905–1933: Rudolf Wilhelm Rollmann
  • 1934–1936: Jeremias Jakobus Wilhelm Pfeiffer
  • 1947–1955: Heinrich Laag
  • 1955–1957: Oswald Krause
  • 1957–1991: Karlheinz Happich
  • 1991–2018: Joachim Truß
  • Seit 2018: Simone Schneider[33]

Ehemaliges Dekanat (Pfarramt I)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die erste Pfarrstelle war bis 1832 auch für die Gemeinden Hohenzell, Niederzell, Bellings und die Klosterhöfe zuständig. Für die Gemeinde Niederzell war das zweite Pfarramt bis 1966 zuständig. Zugleich war der Pfarrer der Pfarrstelle I seit 1885 auch gleichzeitig Dekan (vormalig: Superintendent) des ehemaligen Kirchenkreises Schlüchtern. Da dieser im Jahr 2020 mit dem Kirchenkreis Gelnhausen fusionierte, wanderte auch der Dekanatssitz nach Gelnhausen.

  • 1818–1824: Johann Christoph Osius
  • 1818–1851: Georg Friedrich Baist
  • 1852–1864: Wilhelm Schäfer
  • 1864–1885: Heinrich Georg Ludwig Reuss
  • 1885–1900: Justus Philipp Heinrich Wilhelm Heck
  • 1900–1925: Friedrich Wilhelm Orth
  • 1925–1928: Hermann Drüner
  • 1928–1936: Karl Burhenne
  • 1937–1947: Johann Elbrechtz
  • 1948–1961: Richard Heinrich Jung
  • 1962–1968: Dietrich Gang
  • 1968–1978: Joachim Stahl
  • 1978–1989: Ernst Giese
  • 1989–2002: Klaus Dietrich
  • 2002–2015: Fritz-Eckhardt Schmidt
  • 2015–2020: Wilhelm Hammann

Pfarrer in Schlüchtern und Niederzell (Pfarramt III)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die dritte Pfarrstelle in Schlüchtern wurde am 1. Juni 1966 errichtet und sollte die ehemalige Pfarrstelle I (Dekanat) entlasten. Zum Einzugsgebiet gehören Teile von Schlüchtern und Niederzell.

  • 1969–1995: Klaus Georg Arnold[34]
  • 1996–2023: Wilfried Battefeld
  • Seit 2024: Marieke Richber[33]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Stadtkirche St. Michael – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h Gottfried Rehm: Die Orgeln des ehemaligen Kreises Schlüchtern. In: Uwe Pape (Hrsg.): Norddeutsche Orgeln. Band 10, Nr. 10. U. Pape, Berlin 1975, ISBN 978-3-921140-14-7, S. 152, 156–166; 168.
  2. a b c d e f g h i Hans Möller: Geschichte und Geschichten aus Schlüchtern - Ausschnitte aus 1250 Jahre Stadtgeschichte. Hrsg.: Stadt Schlüchtern. 1. Auflage. CoCon-Verlag, Hanau 1994, ISBN 3-928100-18-1.
  3. a b c d Festschrift 800 Jahre Evangelische Stadtkirche St. Michael.
  4. a b c Alfred Kühnert: Erlittene Geschichte. In: Bergwinkel-Studien. 1. Auflage. Band 3. Verlag H. Steinfeld Söhne, Inhaber G. Geisel, Schlüchtern 1980.
  5. a b Otto Rabenstein, Hans Möller: 1000 Jahre Schlüchtern 993-1993. Ein historisches Lesebuch. Hrsg.: Stadt Schlüchtern. 1. Auflage. Schlüchtern 1993.
  6. a b Evangelischer Gemeindebrief Kirchentöne. Nr. 134. März, April, Mai 2023, S. 4–5, 8, 15.
  7. Stadtkirche in Schlüchtern wird für 1,6 Millionen Euro saniert – Zwei Jahre Bauarbeiten. 15. Dezember 2020, abgerufen am 13. Juni 2023.
  8. a b Evangelischer Gemeindebrief Kirchentöne. Nr. 116, September – November 2018. S. 8–20.
  9. a b Evangelischer Gemeindebrief Kirchentöne. Nr. 135, Juni, Juli, August 2023. S. 4, 5, 14, 15
  10. a b c Evangelischer Gemeindebrief Kirchentöne. Nr. 124, September – November 2020. S. 5–7.
  11. In neuem Glanz – evkis.de. Abgerufen am 28. März 2024 (deutsch).
  12. Evangelischer Gemeindebrief Kirchentöne. Nr. 126, S. 6 (Vergleich: Pfarrer Wilfried A. Battefeld).
  13. a b Lönne Neumann Stadtkirche Schlüchtern Abgerufen am 24. August 2023.
  14. Krystian Skoczowski: Die Orgelbauerfamilie Zinck. Ein Beitrag zur Erforschung des Orgelbaus in der Wetterau und im Kinzigtal des 18. Jahrhunderts. Haag + Herchen, Hanau 2018, ISBN 978-3-89846-824-4, S. 166.
  15. OPUS 3422 Schlüchtern Walcker Website
  16. Orgel. 28. September 2021, abgerufen am 9. September 2023.
  17. a b Disposition der großen Orgel in der Stadtkirche zu Schlüchtern nach der Erweiterung 1974/75. – Willi Peter, E. K. Rößler über die Orgel
  18. Schuke Orgel – Kirchenmusik Schlüchtern. Abgerufen am 13. Juni 2023 (deutsch).
  19. Kirchenmusikakademie – Steckbrief Schuke.Orgel. Abgerufen am 24. August 2023.
  20. a b Bosch-Orgel im Konferenzraum auf der Seite der KMA. Abgerufen am 18. Oktober 2023. (über Wayback Machine)
  21. a b Der Kirchturm der Ev. Stadtkirche St. Michael, Text und Fotos: Bernd Ullrich und Jörn Hagemann, Stadtarchiv Schlüchtern, Hrsg.: Kirchengemeinde Schlüchtern 2015
  22. Createsounscape Glockenfinder
  23. a b c „Glocken in Schlüchtern.“ Heft.
  24. a b Pfarrarchiv Schlüchtern II Pfarrer Karlheinz Happich Band 12
  25. Kriegsgräberstätte Schlüchtern. Abgerufen am 28. März 2024.
  26. Kriegsgräberstätte | Stadt Schlüchtern. Abgerufen am 28. März 2024 (deutsch).
  27. Evangelische Kirchengemeinde Schlüchtern + Ramholz. Abgerufen am 24. August 2023.
  28. Kirchenkreis Kinzigtal – Kooperationsraum Schlüchtern Ramholz. Abgerufen am 24. August 2023.
  29. Praesent, Wilhelm, Schlüchterner Gestalten aus sieben Jahrhunderten, (Verlag H. Steinfeld Söhne; Schlüchtern; 1978;)
  30. a b Kirchenmusikakademie Schlüchtern
  31. Private Homepage Hartmut Darmstadt. Abgerufen am 24. August 2023.
  32. evkis.de - Kooperationsraum Schlüchtern-Ramholz - Kirchenmusik Abgerufen am 13. November 2023
  33. a b Jakob Schneider: Kirchengemeinde Schlüchtern Wir – evkis.de. Kirchengemeinde Schlüchtern, abgerufen am 28. März 2024 (deutsch).
  34. Pfarrer Klaus Arnold: . Hrsg.: Evangelische Kirchengemeinde Niederzell. 1. Auflage. H. Steinfeld Söhne, Inh. G. Geisel, Schlüchtern 1986.

Koordinaten: 50° 20′ 49,5″ N, 9° 31′ 38,7″ O