André Giraud

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André Giraud 1987

André Giraud (* 3. April 1925 in Bordeaux; † 27. Juli 1997 in Levallois-Perret) war ein französischer Politiker sowie ein hoher Funktionär, Verwaltungsbeamter und Manager. Er war Mitglied der Parti républicain (eine Partei, welche zwischen 1977 und 1997 bestand) und der UDF.

Leben

André Giraud absolvierte die Eliteschule École polytechnique (1944–1948 oder 1949) und wurde nach Abschluss seines Studiums in das Corps des mines aufgenommen (Titel: Ingénieur du corps des mines), eine Art interministerielle technische Arbeitsgruppe. Bis 1978 durchlief er eine Karriere in hohen Ministeriumsämtern und in nationalen Unternehmen, vor allem in der Ölindustrie und in der Atomindustrie, die in Frankreich in den 1970er Jahren aus dem militärischen Komplex entstand, der die atomare Aufrüstung Frankreichs (Force de frappe) realisiert hatte. Er trug maßgeblich dazu bei, dass die französische Atomwirtschaft sehr staatsnah war[1] (und bis heute ist); man könnte sie als einen Militärisch-industriellen Komplex bezeichnen.

François Mitterrand, von 1981 bis 1995 der erste Staatspräsident der Parti socialiste, ließ bald nach seinem Amtsantritt einige große Industrieunternehmen verstaatlichen;[2] dies trug zur Nähe zwischen großen Unternehmen und französischem Staat bei.

Giraud wurde

  • 1958–1964 Directeur général adjoint de l’Institut français du pétrole (dieses heißt seit 2010 IFP Énergies nouvelles),
  • 1964–1969 Directeur des carburants im französischen Industrieministerium,
  • 1965–1971 Vizepräsident von Renault,
  • 1970–1978 Administrateur général délégué du gouvernement auprès du Commissariat à l’énergie atomique (C.E.A.), Administrateur de l’Électricité de France (EDF) und
  • 1976–1978 Präsident der Cogema (Compagnie générale des matières nucléaires, heute Areva bzw. Areva NP)
  • 1986–1988 Verteidigungsminister

Der massive Zubau neuer Kernkraftwerke in Frankreich war nicht (wie vielfach angenommen) eine Reaktion auf die Ölkrise 1973/74. Nach de Gaulles Rücktritt (1969) hatte das französische Atomkommissariat (C.E.A.) etwa 3000 Mitarbeiter. Diese waren unterbeschäftigt, nachdem die Force de frappe fertig bewaffnet war. Es war das Bestreben de Gaulles und vieler anderer französischer Politiker, von den Vereinigten Staaten möglichst unabhängig und autark zu sein. Deshalb wollte man die Abhängigkeit vom Erdöl minimieren. Seit der Sueskrise (1956), der Sperrung des Sueskanals nach dem Sechstagekrieg (1967–1975) sowie der Dekolonisation Afrikas (ab 1961) war diese Abhängigkeit in das allgemeine Bewusstsein gerückt.

1971 wurde André Giraud Leiter des Atomkommissariats. In dieser Funktion veröffentlichte er im März 1971 folgenden resoluten Plan:

  • In den Jahren von 1971 bis 1975 sollten vier oder fünf (statt nur zwei) neue Atomkraftwerke (mit jeweils mehreren Kernreaktoren) mit einer Gesamtleistung von 8000 Megawatt gebaut werden;

Die folgenden Termine des Baubeginns zeigen die Schnelligkeit der Expansion der französischen Kernenergie: Bugey II am 1. November 1972, Bugey III am 1. September 1973, Bugey IV am 1. Juni 1974, Bugey V am 1. Juli 1974. Diese vier Druckwasserreaktoren hatten eine Nettoleistung von 3580 MW (910 + 910 + 880 + 880 MW). Die Bauzeiten waren allerdings deutlich länger als erwartet (Fertigstellung zwischen Mai 1978 und Juli 1979). 1980 gingen sieben französische AKWs in Betrieb, 1981 acht, 1982 zwei, 1983 vier, 1984 sechs, 1985 vier und 1986 sechs.

Giraud war vom 3. April 1978 bis 13. Mai 1981 Industrieminister im 3. Kabinett von Premierminister Raymond Barre.

Im Mai 1981 wurde zum ersten Mal ein Sozialist – François Mitterrand – französischer Staatspräsident (er gewann gegen den Amtsinhaber Valéry Giscard d’Estaing und blieb bis 1995 im Amt). Giraud verlor dadurch seinen Ministerposten; er übernahm 1981 eine Professur an der Université Paris-Dauphine und gründete 1982 das CGEMP (Centre de géopolitique de l’énergie et des matières premières, etwa 'Geopolitisches Zentrum für Energie und Rohstoffe').

Vom 20. März 1986 bis 10. Mai 1988 war er Verteidigungsminister im 2. Kabinett von Jacques Chirac (damals gab es eine Cohabitation). 1988 zog Giraud sich aus der Politik zurück; er blieb ein gefragter Experte und gründete 1991 das Beratungsunternehmen Compagnie générale d’innovation et de développement (Cogidev).

Giraud starb am 27. Juli in Levallois-Perret bei Paris an Krebs.[3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b zeit.de vom 23. April 1971: Das Erbe de Gaulles wird liquidiert
  2. "Teurer Umweg"
  3. spiegel.de 1997: Nachruf