Städteverbandsmodell (Ruhrgebiet)

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Das Städteverbandsmodell für die Neugliederung des Ruhrgebiets, das am 1. Januar 1975 wirksam werden sollte, wurde von dem damaligen nordrhein-westfälischen Innenminister Willi Weyer am 18. Oktober 1972 der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit der Verabschiedung des Ruhrgebiet-Gesetzes am 9. Juli 1974, welches ein alternatives Städte- und Kreismodell verwirklichte, wurde das Städteverbandsmodell verworfen.

Geschichte

Etwa seit 1968 gab es Pläne zur Neugliederung des Ruhrgebiets. Sie alle gingen von dem üblichen Weg der Eingemeindung kleinerer Gemeinden und auch bestimmter Großstädte in benachbarte Großstädte und weitere Städte aus.

Unter dem Innenminister Willi Weyer wurde die Neugliederung des Ruhrgebiets zum 1. Juli 1974 geplant. Er stellte hierzu zwei Modelle vor:

  • Städte- und Kreismodell (inoffiziell: Eingemeindungsmodell)
  • Städteverbandsmodell

Im Gegensatz zum Städte- und Kreismodell sah das Städteverbandsmodell keine Eingemeindung der bisherigen kreisfreien Städte Castrop-Rauxel, Gladbeck, Herne, Wanne-Eickel, Wattenscheid und Witten in benachbarte Großstädte vor.

Die betroffenen Gemeinden und Kreise bekamen ein Anhörungsrecht. Ihre Stellungnahmen sollten dem Innenminister bis zum 10. Januar 1973 vorliegen.

Bochum lehnte die Städteverbandslösung ab, weil die Stadt sowohl Herne, Wanne-Eickel und Wattenscheid eingemeinden als auch Vergrößerungen südlich des bisherigen Stadtgebiets erreichen wollte.[1]

Auch Dortmund wollte sein Stadtgebiet im Süden vergrößern.[1]

Recklinghausen, Herne, Wanne-Eickel und Castrop-Rauxel waren dafür, aus ihren Städten einen eigenen Städteverband zu bilden. Manche Stimmen wollten auch Marl und Herten miteinbeziehen.[1]

Viele Gemeinden lehnten das Städteverbandsmodell ab, weil es im Ruch stand, nur Vorreiter einer späteren Eingemeindungswelle zu sein. Als Vorteil wurde erachtet, dass das Modell eine überörtliche und effektivere Verwaltung ermöglicht, ohne die gewachsenen Städtestrukturen zu zerstören. Schließlich wurde das Städteverbandsmodell nicht akzeptiert.[2] Der Landtag bevorzugte ein modifiziertes Städte- und Kreismodell mit weniger Eingemeindungen als ursprünglich vorgesehen.

Entgegen den ursprünglichen Plänen des Innenministeriums trat die Gebietsreform im Ruhrgebiet erst zum 1. Januar 1975 in Kraft.

Städteverbände

Nach dem Städteverbandsmodell waren vier Städteverbände[3] im Ruhrgebiet vorgesehen:

Städteverband Duisburg

Stadt Einzugliedernde bisherige Gemeinden Fläche
km²
Einwohner
30. Juni 1971
Dinslaken Voerde und Walsum 107,06 123.682
Duisburg Homberg 153,46 487.696
Kamp-Lintfort Borth, Budberg, Orsoy und Landgemeinde Orsoy 134,71 62.169
Moers Kapellen, Neukirchen-Vluyn und Rheinkamp 137,19 130.643
Mülheim an der Ruhr 88,20 192.907
Oberhausen 77,02 246.167
Rheinhausen Rumeln-Kaldenhausen 39,72 83.809
Städteverband Duisburg 737,34 1.327.073

Städteverband Essen

Stadt Einzugliedernde bisherige Gemeinden Fläche
km²
Einwohner
30. Juni 1971
Bottrop Kirchhellen (teilweise) 63,24 109.866
Dorsten Altendorf-Ulfkotte, Altschermbeck, Bricht, Gahlen, Kirchhellen (teilweise), Lembeck, Rhade, Schermbeck und Wulfen 223,37 66.036
Essen Kettwig 210,85 711.669
Gelsenkirchen 104,18 346.351
Gladbeck Kirchhellen (Hauptteil) 70,89 91.325
Velbert Langenberg und Neviges 73,93 107.592
Städteverband Essen 746,44 1.432.839

Städteverband Bochum

Stadt Einzugliedernde bisherige Gemeinden Fläche
km²
Einwohner
30. Juni 1971
Bochum 121,42 343.318
Datteln Ahsen, Horneburg, Oer-Erkenschwick, Olfen und Olfen, Kirchspiel 157,31 69.442
Hattingen 71,34 59.855
Herne 30,05 103.837
Herten Polsum (teilweise) und Westerholt 35,22 70.191
Marl Hamm (teilweise), Lippramsdorf und Polsum (teilweise) 110,12 94.556
Marl Flaesheim, Haltern, Kirchspiel Haltern, Hamm, Hullern, Lippramsdorf und Polsum (teilweise) 246,09 119.737
Recklinghausen 66,35 125.809
Wanne-Eickel 21,31 97.920
Wattenscheid 23,88 81.339
Witten Herbede 72,31 112.722
Städteverband Bochum 709,31 1.158.989
Städteverband Bochum mit Haltern und Umgebung 845,28 1.184.170

Anmerkung: Haltern sowie Flaesheim, Haltern, Kirchspiel, Hamm (teilweise) und Hullern sollten gegebenenfalls als Ortsteile der Stadt Marl hinzukommen (kursiv dargestellt).

Städteverband Dortmund

Stadt Einzugliedernde bisherige Gemeinden Fläche
km²
Einwohner
30. Juni 1971
Castrop-Rauxel Henrichenburg 51,61 86.174
Dortmund 271,49 642.324
Kamen Bergkamen (Hauptteil) und Bönen 127,16 97.965
Lünen Altlünen, Bork, Selm und Waltrop 166,29 136.196
Schwerte Ergste, Geisecke, Holzen, Lichtendorf, Villigst, Wandhofen und Westhofen 65,00 49.685
Unna Holzwickede 110,68 66.125
Werne an der Lippe Bergkamen (teilweise), Capelle, Herbern, Stockum und Südkirchen 150,30 40.102
Städteverband Dortmund 942,53 1.118.571

Aufgabenübernahme und Verwaltung

Die Städteverbände sollten nach den Vorstellungen des Innenministeriums u. a. die folgenden Aufgaben von ihren Mitgliedsstädten übernehmen: Bauleitplanung, Entwicklungsprogramme, Freizeitzentren, Großkrankenhäuser, Müllbeseitigung und öffentlicher Nahverkehr.

Die Verwaltung des Städteverbandes sollte bei der Städteverbandsversammlung liegen, die sich aus den Städteverbandsvertretern, die von den Räten der Mitgliedsgemeinden gewählt werden, zusammensetzt. Der Vorsitzende dieser Versammlung sollte den Titel Städteverbandspräsident tragen. Keine der Mitgliedsstädte durfte in diesem Parlament über die absolute Mehrheit der Sitze verfügen. Dieses betraf vor allem Dortmund, das mehr als die Hälfte der Einwohner des Stadtverbandes aufgewiesen hätte. Aber auch Essen hätte hiervon betroffen sein können.[3]

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. a b c Westfälische Rundschau, Ausgabe vom 11. Januar 1973
  2. Westfälische Rundschau, Ausgabe vom 19. Oktober 1972, Kommentar von Wolfgang Clement, damals Redakteur dieser Zeitung
  3. a b Westfälische Rundschau, Ausgabe vom 19. Oktober 1972