Eugene Paul Wigner

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Eugene Paul Wigner (1963)

Eugene Paul Wigner (ungarisch Wigner Jenő Pál; * 17. November 1902 in Budapest; † 1. Januar 1995 in Princeton, New Jersey) war ein ungarisch-amerikanischer Physiker und Nobelpreisträger.[1]

Leben und Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wigner wurde in eine jüdische Familie der Mittelklasse geboren und besuchte in den Jahren 1915 bis 1919 gemeinsam mit John von Neumann das humanistische Lutheraner-Gymnasium in Budapest. Danach studierte er Chemie-Ingenieurwesen und promovierte 1925 an der Technischen Hochschule Berlin bei Michael Polanyi mit der Arbeit „Bildung und Zerfall von Molekülen, Statistische Mechanik und Reaktionsgeschwindigkeit“[2]. Hier lernte er unter anderem Albert Einstein und Leó Szilárd kennen. In seiner freien Zeit beschäftigte er sich intensiv mit Physik. Als Besucher der Kolloquien der Deutschen Physikalischen Gesellschaft war er bald vertraut mit den aktuellen Fragen der Forschung und entwickelte eine Vorliebe für theoretische Physik. 1926 wurde er zunächst Assistent von Richard Becker an der Technischen Hochschule Berlin, der heutigen Technischen Universität Berlin.

1927 erhielt Wigner eine Anfrage von Arnold Sommerfeld, um an der Universität Göttingen als Assistent des bedeutenden Mathematikers David Hilbert zu arbeiten. Dies erwies sich jedoch als eine große Enttäuschung für ihn, weil Hilbert nicht mehr sehr produktiv war. Wigner forschte dennoch unabhängig und legte den Grundstein für die Theorie der Symmetrien in der Quantenmechanik.[3] In seiner Göttinger Zeit leitete er die Transformation von Drehimpulseigenzuständen in der Quantenmechanik bei Rotation ab (Wignersche D-Matrix). Wigner und Hermann Weyl waren verantwortlich für die Einführung der Gruppentheorie als mathematische Methode in die Quantenmechanik. Diese bekam später (1928) eine allgemein gültige Formulierung in der Veröffentlichung Gruppentheorie und Quantenmechanik, war aber nicht leicht zu verstehen, besonders bei jüngeren Physikern. Wigners spätere Veröffentlichung von 1931, Gruppentheorie und ihre Anwendung auf die Quantenmechanik der Atomspektren, machte Gruppentheorie eher zugänglich für einen größeren Leserkreis.

1928 kehrte Wigner nach Berlin zurück, um sich dort an der Technischen Hochschule zu habilitieren, und wurde 1930 zum nichtbeamteten außerordentlichen Professor für Theoretische Physik ernannt. Anfang der 1930er Jahre ging Wigner in die USA und arbeitete seit 1931 in Princeton. Wegen seiner jüdischen Herkunft verlor er nach der nationalsozialistischen Machtergreifung seine Position an der TH Berlin und siedelte endgültig in die USA über.[4] Abgesehen von zwei Jahren 1936/37 als Professor für Physik an der University of Wisconsin verbrachte er sein akademisches Leben an der Princeton University als Professor für Mathematik von 1938 bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1971. 1937 nahm er die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Zu seinen Schülern in Princeton zählten Frederick Seitz, der spätere Präsident der National Academy of Sciences und der Rockefeller University, sowie John Bardeen, der Erfinder des Transistors und zweifache Nobelpreisträger für Physik.

Eugene Paul Wigner (1928)

Wigner war ein wissenschaftlicher Pionier, der Ende der zwanziger Jahre das Fundament für die Anwendung der Gruppentheorie in der Physik legte. Seine Darstellungstheorie der Poincarégruppe war auch in der Mathematik bahnbrechend.[5][6] Gemeinsam mit seinem ungarischen Landsmann Leó Szilárd entwickelte er auch die Theorie der nuklearen Kettenreaktion und engagierte sich für das amerikanische Atombombenprojekt in Los Alamos, da er befürchtete, Hitler würde eine solche Bombe bauen lassen. Im Manhattan-Projekt plante Wigner den Bau des ersten Industrie-Reaktors, der Plutonium als bombentaugliches Material erbrüten sollte. Mit ihm gemeinsam arbeiteten auch Edward Teller, John von Neumann und Leó Szilárd. Alle vier Wissenschaftler waren ungarischer Abstammung und wurden wegen ihrer „überirdischen“ geistigen Fähigkeiten von ihren amerikanischen Kollegen als „Marsianer“ bezeichnet.

Neben zahlreichen Begriffen, die explizit seinen Namen tragen, siehe unten, „generierte“ er implizit zahlreiche fundamentale Techniken auf dem Gesamtgebiet der Theoretischen Physik: So geht u. a. die vielfach benutzte Theorie der Zufallsmatrizen auf ihn zurück, da er die Spektren hochangeregter Atomkerne auf diese Weise beschrieb und nach ihrer Symmetrieeigenschaft in symplektische bzw. unitäre bzw. orthogonale Symmetrieklassen einteilte. Die Theorie erlebte später eine Renaissance im Rahmen der Theorie des Quantenchaos.

Am 18. Mai 1960 wurde Wigner, zusammen mit Szilárd, der Atoms for Peace Award, 1961 die Max-Planck-Medaille und im Jahr 1963 zusammen mit J. Hans D. Jensen und Maria Goeppert-Mayer der Nobelpreis für Physik verliehen. Er erhielt den Preis für seine zahlreichen Beiträge zur Kernphysik, unter anderem für seine Formulierung des Gesetzes der Erhaltung der Parität („für seine Beiträge zur Theorie des Atomkerns und der Elementarteilchen, besonders durch die Entdeckung und Anwendung fundamentaler Symmetrie-Prinzipien“). Der Nobelpreisträger Wigner war beliebt und verehrt wegen seiner bescheidenen und zurückhaltenden Art.

Seine Vielseitigkeit war enorm: Mit Gian-Carlo Wick und Arthur Wightman führte er beispielsweise 1956 Super-Auswahlregeln und die innere Parität von Elementarteilchen ein.[7]

Wigner machte sich auch philosophische Gedanken über Physik und ihr Verhältnis zur Mathematik. Sein Aufsatz The unreasonable effectiveness of mathematics in the natural sciences[8] ist sprichwörtlich geworden. Sein Gedankenexperiment Wigners Freund vertritt eine subjektivistische Interpretation der Quantenmechanik.

Auszeichnungen und Ehrungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Göttinger Gedenktafel für den Physiker Eugene Paul Wigner am Haus Wilhelm-Weber-Straße 22
Gedenktafel am Haus, Hardenbergstraße 36, in Berlin-Charlottenburg

Seit 1945 war er Mitglied der National Academy of Sciences und seit 1951 der Göttinger Akademie der Wissenschaften.[9] 1944 wurde er in die American Philosophical Society[10] und 1950 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. 1968 wurde Eugene P. Wigner die National Medal of Science und 1972 der Albert Einstein Award verliehen[11].

Seit dem 24. November 2005 ist ein Gebäude der Physikalischen Institute an der Technischen Universität Berlin nach ihm benannt.

Die Wigner-Medaille und der Eugene P. Wigner Reactor Physicist Award sind ihm zu Ehren benannt.

Am 19. Juni 2014 ehrte ihn die Stadt Göttingen mit einer Gedenktafel am Haus Wilhelm-Weber-Straße 22[12].

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der berühmte Physiker Paul Dirac war mit Wigners Schwester Margit verheiratet.[13]

Wissenschaftliche Leistungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Physik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mathematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schriften (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Fachartikel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. Wigner: On the Consequences of the Symmetry of the Nuclear Hamiltonian on the Spectroscopy of Nuclei. In: Physical Review. Band 51, Nr. 2, 15. Januar 1937, S. 106–119, doi:10.1103/PhysRev.51.106 (englisch).
  • V. Bargmann, E. P. Wigner: Group Theoretical Discussion of Relativistic Wave Equations. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 34, Nr. 5, Mai 1948, S. 211–223, doi:10.1073/pnas.34.5.211.
  • Eugene P. Wigner: Symmetry and Conservation Laws. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. Band 51, Nr. 5, Mai 1964, S. 956–965, doi:10.1073/pnas.51.5.956 (englisch).
  • E. P. Wigner: Über die Erhaltungssätze in der Quantenmechanik. In: Arthur S. Wightman (Hrsg.): The Collected Works of Eugene Paul Wigner. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1993, ISBN 978-3-642-08154-5, S. 84–90, doi:10.1007/978-3-662-02781-3_7 (uni-goettingen.de).
  • E. P. Wigner: Über die Operation der Zeitumkehr in der Quantenmechanik. In: Arthur S. Wightman (Hrsg.): The Collected Works of Eugene Paul Wigner. Springer Berlin Heidelberg, Berlin, Heidelberg 1993, ISBN 978-3-642-08154-5, S. 213–226, doi:10.1007/978-3-662-02781-3_15 (uni-goettingen.de).

Fachbücher[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Andrew Szanton: The recollections of Eugene P. Wigner as told to Andrew Szanton. Springer US, Boston, MA 1992, ISBN 978-0-306-44326-8, doi:10.1007/978-1-4899-6313-0 (englisch).
  • Eugene Paul Wigner: Aspects of His Life, Work and Personality, in Jagdish Mehra: The golden age of theoretical physics – World Scientific – Singapore 2001 – ISBN 981-02-4342-1Vol. 2, p. 912–950
  • István Hargittai: The Martians of science – five physicists who changed the twentieth century. Oxford Univ. Press, Oxford 2006, ISBN 978-0-19-517845-6

Dokumentarfilme[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Ammann, Judith Lentze: Der Kampf um die Freiheit: Sechs Freunde und ihre Mission – Von Budapest nach Manhattan, MDR-Dokumentation, 2013 (Informationen bei ARD)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Eugene Paul Wigner – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Erich Vogt: Eugene Paul Wigner: A Towering Figure of Modern Physics. In: Physics Today. Band 48, Nr. 12, Dezember 1995, ISSN 0031-9228, S. 40–44, doi:10.1063/1.881479 (englisch, scitation.org [abgerufen am 20. April 2023]).
  2. Eugene (Jenó) Paul (Pál) Wigner im Mathematics Genealogy Project (englisch) Vorlage:MathGenealogyProject/Wartung/id verwendetVorlage:MathGenealogyProject/Wartung/name verwendet
  3. David J. Gross: Symmetry in Physics: Wigner's Legacy. In: Physics Today. Band 48, Nr. 12, Dezember 1995, ISSN 0031-9228, S. 46–50, doi:10.1063/1.881480 (englisch, scitation.org [abgerufen am 20. April 2023]).
  4. Wigner, Eugene Paul. In: Catalogus Professorum TU Berlin. Abgerufen am 27. Februar 2023.
  5. E. Wigner: On Unitary Representations of the Inhomogeneous Lorentz Group. In: Special Relativity and Quantum Theory. Springer Netherlands, Dordrecht 1988, ISBN 978-94-010-7872-6, S. 31–102, doi:10.1007/978-94-009-3051-3_3 (englisch, springer.com [abgerufen am 20. April 2023]).
  6. E. Wigner: On unitary representations of the inhomogeneous lorentz group. In: Nuclear Physics B – Proceedings Supplements. Band 6, März 1989, S. 9–64, doi:10.1016/0920-5632(89)90402-7 (englisch, elsevier.com [abgerufen am 20. April 2023]).
  7. G. C. Wick, A. S. Wightman, E. P. Wigner: The Intrinsic Parity of Elementary Particles. In: Physical Review. Band 88, Nr. 1, 1. Oktober 1952, ISSN 0031-899X, S. 101–105, doi:10.1103/PhysRev.88.101 (englisch, aps.org [abgerufen am 20. April 2023]).
  8. Eugene P. Wigner: The unreasonable effectiveness of mathematics in the natural sciences. Richard courant lecture in mathematical sciences delivered at New York University, May 11, 1959. In: Communications on Pure and Applied Mathematics. Band 13, Nr. 1, Februar 1960, S. 1–14, doi:10.1002/cpa.3160130102 (englisch, wiley.com [abgerufen am 20. April 2023]).
  9. Holger Krahnke: Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (= Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 = Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001, ISBN 3-525-82516-1, S. 259.
  10. Member History: Eugene P. Wigner. American Philosophical Society, abgerufen am 17. November 2018.
  11. Eugene Wigner, 92, Quantum Theorist Who Helped Usher In Atomic Age, Dies. (Nachruf) In: The New York Times. 4. Januar 1995, abgerufen am 21. Februar 2011.
  12. Neue Gedenktafel: Erinnerung an Nobelpreisträger Eugene Paul Wigner. Abgerufen am 20. April 2023.
  13. Stephanie Hanel: Paul Dirac. Zum dreißigsten Todestag des stillen Genies. In: Lindau Nobel. 20. Oktober 2014, abgerufen am 20. April 2023 (deutsch).
  14. Y.S. Kim: Group Contractions: Inonu, Wigner, and Einstein. In: International Journal of Modern Physics A. Band 12, Nr. 01, 10. Januar 1997, ISSN 0217-751X, S. 71–78, doi:10.1142/S0217751X97000098 (englisch, worldscientific.com [abgerufen am 20. April 2023]).