Menschheitsgeschichte

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Die Menschheitsgeschichte umfasst die Zeitspanne von den frühesten Überrestfunden der Gattung Homo in Afrika bis in die Gegenwart. Die Entwicklung menschlicher Gesellschaftsformen hat sich nicht einheitlich vollzogen, sondern in mannigfaltigen zeitlichen, räumlichen und kulturspezifischen Abstufungen.

Als für die Menschheitsgeschichte insgesamt wegweisende Stationen hervorzuheben sind die fortgeschrittene Beherrschung des Feuers, der zunehmende Übergang zur Sesshaftigkeit mit Ausbildung städtischer Zentren und Hochkulturen, die neuzeitlichen Entdeckungen und Umwälzungen vor allem in Verbindung mit der industriellen Revolution und dem Kolonialismus sowie die Erfahrung der Weltkriege und die beschleunigte Globalisierung im Gegenwartshorizont.

Die multipolare und vielfältige vernetzte heutige Welt – in die der Begriff Weltgesellschaft Einzug gehalten hat – begünstigt eine Abkehr von herkömmlichen Darstellungsweisen der Menschheitsgeschichte aus eurozentrischer Perspektive.

Menschwerdung, Feuerbeherrschung und Ausbreitung in Großgruppen

Steinwerkzeug (Geröllgerät) vom Oldowan-Typ

Am Ende eines über ca. 15 Millionen Jahre sich erstreckenden Entwicklungsprozesses der Hominiden entstand vor etwa zwei Millionen Jahren in Ostafrika der als Urmensch anzusehende Homo habilis / Homo rudolfensis und in der Folge der als Erster nach Art des anatomisch modernen Menschen laufende Homo erectus, der auch bereits auf Java nachgewiesen wurde.[1] Zerschlagene Knochen diverser Großtierarten in Ostafrika und entsprechend bearbeitete Steine verweisen auf die Epoche der Altsteinzeit. Überwiegende Lebensgrundlage waren aber Früchte, Wurzeln und Kleingetier. Die Besetzung von Höhlen als Wohnstätten und ihre Verteidigung gegen wilde Tiere fallen mit der Spätphase des Homo erectus zusammen.[2]

Dass der Homo erectus bereits das Feuer beherrschte, gilt als gesichert, da die Feuernutzung in einer südafrikanischen Höhle in Schichten des Acheuléen bereits vor 1,7 Millionen Jahren nachgewiesen ist.[3] Der archaische Homo sapiens dürfte seine Überlebenschancen durch eine fortgeschrittene Kontrolle über das Feuer beträchtlich verbessert und die eigene Ausbreitung in kältere Klimazonen ermöglicht haben. Als Folgen ergaben sich eine zunehmende Vorherrschaft des Menschen über die übrige Fauna und eine entsprechende Zunahme der menschlichen Population. Die Nahrungszubereitung und –verwertung konnte durch Kochen und Braten erweitert bzw. differenziert werden. Kältere Klimazonen wurden damit erschließbar, die Ausbreitung des Menschen von Afrika bis in alle Erdteile begünstigt.[4]

Sesshaftigkeit und „neolithische Revolution“

Fruchtbarer Halbmond um 7500 v. Chr.

Mit dem Einsetzen der letzten Eiszeit wie auch mit ihrem Ende waren für die Menschen außerordentlich tiefgreifende Änderungen der Lebensbedingungen verbunden und schwierige Anpassungsleistungen zu erbringen. Die Jungsteinzeit, das Neolithikum, markiert am Ende der letzten Eiszeit den Übergang menschlicher Lebensweisen vom alleinigen Sammeln und Jagen als Existenzgrundlage nomadisierender Stämme zu Ackerbau und Viehzucht in Verbindung mit Sesshaftigkeit. Davon unabhängig hat es frühe Formen der Sesshaftigkeit beispielsweise bei vom Fischfang an der Pazifikküste lebenden indianischen Gesellschaften gegeben, die für entbehrungsreiche Zeiten Fisch-Reserveneinlagerung betrieben.[5]

Die ersten Bemühungen zu pflanzlicher Domestikation – verstanden als Bemühen des Menschen, die reproduktiven Möglichkeiten anderer Spezies zu seinen Gunsten zu beeinflussen – mögen auch längst vor 10.000 Jahren eingesetzt haben, als sich dann Agrargesellschaften sowohl im fruchtbaren Halbmond als auch in Südostasien und an den peruanischen Anden herausbildeten.[6] Während im Vorderen Orient der Anbau von Bodenfrüchten über der Erde zum Zuge kam (Weizen, Gerste, Erbsen, Oliven, Weinbau, Obstbäume), wurde Südostasien zum ersten Zentrum des Anbaus von Knollenfrüchten unter der Erde. In China kamen bald darauf mit Reisanbau und Knollenfrüchten beide Anbauformen zusammen.[7] Wo man über entsprechende Nutztiere verfügte (nicht also in Nord- und Südamerika vor Ankunft der Spanier), steigerte die Erfindung des Pflügens etwa um 6500 v. Chr. den landwirtschaftlichen Ertrag so bedeutsam, dass dafür der Begriff der „zweiten agrarkulturellen Revolution“ eingeführt wurde.[8]

Wenn für die Gesamtheit der mit Sesshaftigkeit und Domestikation von Pflanzen und Tieren einhergehenden veränderten Lebensweisen von „neolithischer Revolution“ die Rede ist, bleibt zu bedenken, dass es dabei nicht um einen kurzfristig weltweit durchschlagenden Wandel ging. Vielmehr handelte es sich um eine in Jahrtausenden sich vollziehende fundamentale Entwicklung, die begleitet war und blieb von der Parallelexistenz nomadisierender Stämme und Völker.[9] Während die indianischen Bewohner Alt-Amerikas in dafür geeigneten Regionen wie auf der Hochebene Mexikos oder in den Anden den Übergang zu agrarischer Produktion mit Kartoffeln und Mais vollzogen, blieben die Aborigines in Australien bis zur neuzeitlichen europäischen Besiedlung jagende und sammelnde Nomaden.[10]

Hochkulturen und „Achsenzeit“

Keilschrift

Der Übergang zur Sesshaftigkeit ging nicht ohne Weiteres mit der Bildung von Städten oder mit staatlicher Organisation einher. In den ersten Jahrtausenden blieb es bei unzähligen kleinen und relativ autonomen dörflichen Siedlungen, die keiner zentralen Macht unterworfen waren. Die ersten staatlichen Gebilde entstanden im 4. Jahrtausend v. Chr. in Ägypten am Nil, in Mesopotamien und an der südamerikanischen Pazifikküste.[11]

Schriftliche Quellen zur Menschheitsgeschichte gibt es erst von den Hochkulturen des Alten Vorderen Orients in Mesopotamien (Sumer) und Ägypten (etwa ab 3100 v. Chr.), am Indus (Indus-Kultur ab ca. 2600 v. Chr.), am Gelben Fluss (ab 1523 v. Chr.). Später und davon unabhängig entwickelten sich ab 1000 v. Chr. die Hochkulturen der Maya, Azteken und Inka in Amerika. Von weit ausstrahlender und nachhaltiger Bedeutung waren insbesondere die ältesten Hochkulturen im Bereich des fruchtbaren Halbmonds mit ihren Merkmalen: Städte, Staatlichkeit und Bürokratie; Priestertum und Theokratie; Anfänge von Wissenschaft und Technik; Kalender und Zeiteinteilung; Geldwirtschaft und komplexe Handelsbeziehungen; Kriegsführung und Reichsbildung. Aus den Hochkulturen gingen Religionen von nachhaltiger Bedeutung hervor: der Zoroastrismus aus Persien, Hinduismus und Buddhismus aus Indien, Judentum, Christentum und Islam aus dem Nahen Osten.[12]

An den Rändern des vorderasiatischen Hochkulturzentrums – in der Ägäis, in Kleinasien und Griechenland – entstanden „als logische Konsequenz aus der Expansion des zivilisatorischen Prinzips selbst“[13] weitere Kulturzentren mit eigenen spezifischen Merkmalen. Die griechische Antike hinterließ der Menschheit Begriffe und originäre Leitbilder für Demokratie, Politik, Philosophie und Kritik. In ihr wurden Grundlagen für ein rationales Weltbild gelegt, wurden bahnbrechende Impulse für Mathematik, Naturwissenschaften und Technik gesetzt. In Dichtung und Literatur, in bildender Kunst und fürs Theater wurden Werke geschaffen, die wie die Olympischen Spiele bis in die Gegenwart Reiz und Wirkung entfalteten.[14] Im Römischen Reich wurde das kulturelle Erbe der Griechen als Bildungsgut angeeignet und aufbewahrt. Wachstum und relative Stabilität der römischen Herrschaft wurden durch ausgreifende Verleihung des Bürgerrechts an Unterworfene begünstigt, die so nach und nach romanisiert und zu Gleichberechtigten wurden. Eine Zeiten und Räume übergreifende Wirkung entfaltete das Römische Recht.[15]

Als eine Ära neuer Weichenstellungen im eurasischen Raum wird die Zeit um 500 v. Chr. betrachtet, für die Karl Jaspers den Begriff „Achsenzeit“ geprägt hat. In China kam es nach dem jahrhundertelangen Zerfall des Reiches zu einer religiös-weltanschaulichen Krise, in der Konfuzius neue Orientierung bot; in Indien verbreiteten sich die Lehren Buddhas; im Iran hatte Zarathustra seinen Wirkungskreis mit der Lehre von Licht und Finsternis bzw. Gut und Böse, ein Dualismus, der nach der Rückkehr der Juden nach Jerusalem sowohl ihre religiösen Vorstellungen mitbestimmte als auch nachmals in spezifischen Abwandlungen die von Christen und Muslimen. Unter den Griechen vor allem in Kleinasien hingegen wurde etwa zeitgleich mit dem Übergang zur Geldwirtschaft von den ionischen Naturphilosophen eine „säkularisierte und individualisierte Wendung“ vollzogen, mit der die Grundlagen für die westliche Philosophie und Naturwissenschaft gelegt wurden.[16]

Mittelalterliche Konstellationen und Entwicklungen

Für den je nach Abgrenzung bis zu tausendjährigen Zeitraum zwischen dem Niedergang des antiken Römischen Reiches und der die Neuzeit einleitenden Entdeckung und Eroberung Amerikas durch europäische Kolonisten hat sich in der westlichen Historiographie der Begriff Mittelalter etabliert. Auf andere Kontinente und ihre Bewohner ist dieses Periodisierungsschema allerdings nur bedingt sinnvoll anzuwenden. So datieren beispielsweise in Asien wesentliche die Völkerwanderung und das Ende der Antike mitverursachenden Geschehnisse lange vor dem 5. Jahrhundert.

Das die Wanderungsströme auslösende Kraftzentrum bildeten turk-mongolische Nomadenvölker in Zentralasien, die im 3. und 4. Jahrhundert sowohl nach Osten auf China als auch nach Westen auf das Römische Reich Druck ausübten. Dabei blieb China meist durch die Große Mauer geschützt, sodass sich der Verdrängungsdruck hauptsächlich nach Westen richtete, zumal die Lebensbedingungen im Osten härter waren als im Westen.[17] Für etwa ein Jahrhundert (1220–1335) garantierte das nach Flächenausdehnung größte Weltreich der Geschichte unter dem Mongolen Dschingis Khan und seinen Nachfolgern die Sicherheit des Fernhandels über die Seidenstraße von Europa bis nach Ostasien. Nachdem im 7. und 8. Jahrhundert die türkischen Reiche im östlichen und westlichen Zentralasien durch chinesische Angriffe vernichtet worden waren, wurden die Türken zur Bedrohung südlicher und westlicher gelegener Zivilisationszentren von Nordindien bis zur oströmischen Kapitale Konstantinopel, die schließlich 1453 von ihnen erobert wurde.[18]

Sklaventransport

Afrikas Bevölkerung südlich der Sahara war von diesen Konstellationen wie auch von der islamischen Expansion nicht betroffen. Hier war die über Jahrhunderte sich erstreckende Bantuwanderung das wesentliche Veränderungsgeschehen, mit dem vom Kameruner Hochland her in südlicher und östlicher Richtung sich Bauerntum und Eisentechnologie ausbreiteten. Die prä-agrarischen Sammler und Jäger (Pygmäen und Buschmänner) wurden dabei in Regenwälder und Wüsten als Rückzugsgebiete abgedrängt. Innerafrikanische Sklavenjagd und Sklavenhandel waren bereits seit der Antike verbreitet. Die Sklaven wurden unter anderem als Zwangsarbeiter in den offenen Salzminen der Sahara eingesetzt, stellten aber andererseits neben Gold das einträglichste Exportgut afrikanischer Händler dar. Die Sklavenjäger waren hauptsächlich hellhäutige Wüstennomaden, ihre Opfer zumeist schwarze Bauern.[19]

Indien wurde nach dem Zerfall des Gupta-Reiches im 6. Jahrhundert, das die klassische Kultur Indiens repräsentierte, in seiner politischen Fragmentierung zum Objekt zahlreicher Eroberungs- und Herrschaftsambitionen benachbarter Völker, blieb aber gesamtgesellschaftlich geprägt durch den Hinduismus und das Kastensystem. Während der Buddhismus zunehmend aus Indien verdrängt wurde, hielt mit den diversen Eroberungsschüben von Norden her der Islam Einzug.[20]

Auch Chinas Einheit, die Ende des 6. Jahrhunderts wiederhergestellt war und sich unter der rund 300-jährigen Tang-Dynastie stabilisierte, blieb durch die Einfälle der zentralasiatischen Reitervölker bedroht. Für annähernd ein Jahrhundert (1279–1368) wurden Mongolen seit Kublai Khan zu Herrschern über China. Der führenden Rolle Chinas im interkontinentalen Handel tat das keinen Abbruch: China exportierte unter anderem Seide, Tee und Porzellan; Papier, Blockdruck und Schießpulver stammen ebenfalls aus China.[21]

Der vitruvianische Mensch (Feder und Tinte auf Papier, ca. 1490)

Der europäische Westen befand sich nach Völkerwanderung und Untergang des weströmischen Reiches im Zustand weitgehender Zersplitterung, in dem konkurrierende Feudalmächte Herrschaft ausübten und auszuweiten suchten, was unter Karl dem Großen vorübergehend in größerem Maßstab gelang. Vor und nach ihm aber stießen zentrale Herrschaftsambitionen schnell an Grenzen, zumal im Investiturstreit zwischen Papsttum und deutschem Kaisertum die geistlich-religiöse von der weltlichen Macht geschieden wurde. Die Vielfalt der Ethnien und der staatlichen Gebilde stand der Zusammenfassung des Kontinents unter einer Zentralmacht im Wege.[22] Hingegen begünstigte diese Pluralität eine relative politische Autonomie. Als von den norditalienischen Städten ausgehend die Renaissance als geistig-kulturelle Bewegung in Europa Fuß fasste, war damit auch ein verändertes Menschenbild verbunden, das kirchliche Dogmen in Frage zu stellen geeignet war. Die protestantischen Glaubensrichtungen, die sich dem Katholizismus entgegenstellten, lösten einen Prozess aus, an dessen Ende die religiös-weltanschauliche Selbstbestimmung als Menschenrecht stand.[23]

Neuzeitliche Entdeckungen und Umwälzungen

Mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen und Spanier zur See, die der Suche nach alternativen Fernhandelsstraßen zur Seidenstraße dienten, gerieten die bis dahin von der übrigen Welt isolierten Populationen Amerikas in die Interessensphäre der europäischen Seemächte, die von da an Handelsstützpunkte, Kolonien und Kolonialreiche in den ihnen zugänglichen Gebieten rund um den nun erschlossenen Globus errichteten und damit zu einem machtpolitischen Übergewicht über die großen asiatischen Zivilisationen in Indien und China gelangten.[24]

Während Portugal mit seinen Stützpunkten im Indischen Ozean den indischen Außenhandel dominierte, setzte die Errichtung spanischer Kolonien in Mittel- und Südamerika zunächst in der Karibik an, wohin Kolumbus seine Entdeckungsfahrt geführt hatte. Bei der Eroberung Mexikos wirkten sich die mitgebrachten Feuerwaffen der Spanier mitentscheidend aus. Aus Europa eingeschleppte Krankheitserreger, gegen die für die Ansässigen kein Immunschutz bestand, haben bei der Bevölkerungsdezimierung vermutlich die Hauptrolle gespielt. Kompromisse mit den Einheimischen, die man vernichtete oder in die „Wildnis“ abdrängte, brauchten die europäischen Eroberer kaum zu schließen. Sitten und Institutionen wurden in den kolonialen Ablegergesellschaften ebenso weitergeführt wie Sprache und Religion.[25] Ähnlich war es bei der im 17. Jahrhundert verstärkt einsetzenden Besiedlung Nordamerikas durch europäische Kolonisten, die die ansässigen Indianerstämme immer weiter nach Westen verdrängten.

Abraham Lincoln

Im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg emanzipierten sich die Kolonisten von britischer Herrschaft und gründeten mit französischer Unterstützung die Vereinigten Staaten von Amerika. Die 1789 in Gang kommende Französische Revolution zielte – im Einklang mit den Leitvorstellungen der Aufklärung – ebenfalls auf Menschenrechtsgarantien und eine gewaltenteilende Verfassung. In beiden Fällen änderte sich aber zunächst nichts daran, dass die im transatlantischen Dreieckshandel nach Amerika gelangten afrikanischen Sklaven und ihre Nachfahren versklavt blieben. Die persönliche Freiheit erlangten die nordamerikanischen Sklaven erst mit der Unterstützung Abraham Lincolns im Amerikanischen Bürgerkrieg. Die aus den Umwälzungen der Französischen Revolution resultierende Vorherrschaft Napoleon Bonapartes auf dem europäischen Kontinent, die in Verbindung mit der Kontinentalsperre auch die britische Machtstellung hätte schleifen sollen, endete mit dem Scheitern der Grande Armée im Russlandfeldzug 1812.

Industrialisierung und Imperialismus

Großbritannien hatte sich bei der Niederringung Napoleons in den Befreiungskriegen nicht nur als führende Seemacht der Welt behauptet, sondern war auch Vorreiter der Industriellen Revolution, die hinsichtlich der Bedeutung für die Änderung menschlicher Existenzbedingungen mit dem neolithischen Übergang zur Sesshaftigkeit und zu landwirtschaftlicher Produktion gleichgesetzt wird. Die gesellschaftlichen und naturräumlichen Voraussetzungen für die Einführung maschinengetriebener Produktion in Fabriken waren spätestens seit der Glorreichen Revolution gegeben, die bei der Gentry und im wirtschaftlich aktiven Bürgertum Kräfte und Mittel freigesetzt hatte. Kohle, Eisen und eine bald um Eisenbahnen erweiterte günstige Transportstruktur; Indien als größte Kolonie, die den Baumwollrohstoff für die sich als erste etablierende Textilindustrie lieferte; dazu Absatzmärkte in Europa und im britischen Herrschaftsgebiet sorgten auf lange Zeit für eine überlegene Stellung der britischen Wirtschaft in der Welt.[26]

In mehr oder minder rascher Folge wurde die neue Produktionsweise – vor allem in Verbindung mit Kohlestandorten – außerhalb Englands übernommen: in West- und Mitteleuropa, in den USA, am Ural, in Indien und Japan. Mit der maschinengesteuerten Massenproduktion gingen veränderte gesellschaftliche Verhältnisse einher, die sich in dem Gegensatz von kapitalistischem Wirtschaftsbürgertum und lohnabhängiger Fabrikarbeiterschaft zuspitzten. Aus der Beobachtung von Verelendungserscheinungen bei englischen Fabrikbelegschaften leiteten Friedrich Engels und Karl Marx im Kommunistischen Manifest die Notwendigkeit einer proletarischen Revolution und einer Diktatur des Proletariats ab. Andere Ansätze zur Lösung der sozialen Frage kamen bei der Gründung von Gewerkschaften und in sozialreformerischen Konzepten auch von staatlicher Seite zum Tragen.

Afrika um 1914

Konkurrenz und Verdrängungswettbewerb der Wirtschaftsunternehmen innerhalb der jeweiligen volkswirtschaftlichen Binnenmärkte prägten in der Folge auch die politischen Vorstellungen von Selbstbehauptung und Machtstellung der Nationalstaaten im Weltmaßstab. Die Inbesitznahme von Kolonien sollte einerseits der Kontrolle und Nutzung von Rohstoffvorräten dienen, andererseits aber auch langfristige Absatzmärkte für eigene industrielle Erzeugnisse sichern. In einem „Klima imperialistischer Torschlusspanik“ kam es zu einem Wettlauf vor allem europäischer Mächte um noch nicht kolonisierte Gebiete der Erde. Die Vorstellung „Weltmacht oder Untergang“ setzte sich in dem erst seit 1871 bestehenden, aber zur industriellen Großmacht gewordenen Deutschen Kaiserreich in der politischen Führung durch und löste einen Flottenrüstungswettlauf mit der etablierten Weltmacht Großbritannien aus. Unter dem Eindruck einer jährlichen Wachstumsrate der Weltbevölkerung, die sich zwischen 1870 und 1913 gegenüber dem halben vorherigen Jahrhundert (1829–1870) im Durchschnitt verdoppelte, kam bei manchen Zeitgenossen die Vorstellung eines schrumpfenden Lebensraums auf, sodass „Kämpfe um Boden“ anständen.[27] In Rassenlehren wurde eine natürliche Überlegenheit der weißen Kolonialherren über die von ihnen Beherrschten konstruiert und propagiert.

Auf der Berliner Afrikakonferenz 1884 wurde praktisch der ganze Kontinent ohne Mitwirkung der Betroffenen unter den interessierten Mächten anhand der Landkarte aufgeteilt; die jeweils zugewiesenen Territorien wurden teils erst danach okkupiert. In eine ähnliche Lage geriet danach auch China, über dessen Aufteilung die involvierten Mächte sich aber nicht einigen konnten. Zudem stießen sie auch auf organisierten Widerstand (Boxeraufstand) von Chinesen. Im Zeitalter des Imperialismus wuchs der Anteil der unter Kontrolle einer überseeischen Kolonialregierung stehenden Territorien von 25 Millionen Quadratkilometern im Jahre 1880 auf 53 Millionen Quadratkilometer 1913.[28]

Weltkriege und globale Vernetzungen

Nach dem Attentat von Sarajevo mündeten die in Bündniskonstellationen fixierten Spannungen und Machtbehauptungsumtriebe der europäischen Mächte einschließlich Russlands in den Ersten Weltkrieg (1914–1918), der ein Massensterben in Grabenkriegen und Materialschlachten samt Giftgaseinsatz auslöste und auch als Luftkrieg sowie mit U-Booten ausgetragen wurde. In seinem Verlauf standen ungefähr 70 Millionen Menschen unter Waffen, und etwa 17 Millionen kostete er das Leben. Mit ihm kam es 1917 zur Russischen Revolution, die einen das 20. Jahrhundert prägenden Systemgegensatz zwischen der kommunistischen Sowjetunion unter Lenin und Stalin und den auf die kapitalistische Marktwirtschaft gegründeten westlichen Industrieländern bewirkte.

Die nach dem Ersten Weltkrieg geschlossenen Pariser Vorortverträge einschließlich des Versailler Vertrags erreichten keine dauerhafte Stabilisierung der internationalen Beziehungen auf neuer Grundlage, zumal die Weltwirtschaftskrise ab 1929 den Konsolidierungstendenzen entgegenwirkte und in Deutschland die Ablösung der Weimarer Republik durch die Nationalsozialistische Diktatur nach sich zog. Zielstrebig führte Adolf Hitler einen neuen Krieg zur Eroberung von „Lebensraum“ für das deutsche Volk herbei, der in den Zweiten Weltkrieg mündete. In dessen Schatten wurde die Diskriminierung und Verfolgung der Juden zum Holocaust gesteigert. Die Gesamtzahl der Kriegstoten wird auf 60–70 Millionen geschätzt. Mit dem Abwurf der Atombomben auf die japanischen Städte Hiroshima und Nagasaki endete der Zweite Weltkrieg und begann das Atomzeitalter.

Mahatma Gandhi

Bestrebungen zur Friedenssicherung und zur Ächtung des Krieges als Mittel der Politik sind zwischen und nach den Weltkriegen verstärkt zum Zuge gekommen. Der globalen institutionellen Sicherung des Weltfriedens sollten die Gründung des Völkerbunds 1920 und die Gründung der Vereinten Nationen 1945 dienen. Letztere sind zugleich auf den universellen Schutz der Menschenrechte gerichtet. Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs war auch eine verstärkte Dekolonisation verbunden, bei der beispielsweise Indien unter der Führung Mahatma Gandhis 1947 die Unabhängigkeit erlangte. Die von den Kolonialmächten am Reißbrett fixierten Grenzen in Afrika trugen ihren Teil zu den anhaltenden Entwicklungsproblemen der nun postkolonialen souveränen Staaten dieses Kontinents bei.

Mit der Aufteilung Deutschlands unter den Siegermächten der Anti-Hitler-Koalition begann ein Prozess der Blockbildung, in dem die nunmehrigen Supermächte USA und UdSSR auf beiden Seiten des „Eiserner Vorhangs“ die Führung ausübten und durch wechselseitige atomare Rüstung und Abschreckung im Kalten Krieg verharrten. Während China unter der Führung Mao Zedongs zur Volksrepublik wurde und sich in die sozialistisch-kommunistische Staatenwelt einfügte, entwickelte sich das besiegte Japan zu einer den USA verbündeten weltwirtschaftlichen Großmacht.

Mit Gorbatschows Abkehr von der Breschnew-Doktrin gewannen die vormaligen „Satellitenstaaten“ der Sowjetunion die Autonomie zurück, was unter anderem die friedliche Revolution in der DDR, den Fall der Berliner Mauer und die deutsche Wiedervereinigung zur Folge hatte. An die Stelle der bipolaren Supermächte-Konfrontation trat mit Auflösung der Sowjetunion eine zunehmend multipolare Weltordnung, in der neben den USA, Russland und einer um mittel- und osteuropäische Staaten erweiterten Europäischen Union vor allem das bevölkerungsreiche und durch Einbeziehung von Merkmalen kapitalistischer Marktwirtschaft erstarkte China an Macht und Einfluss zugewinnt.

Der in den Vereinten Nationen gegebene Ansatz zu einer Weltinnenpolitik wird durch einen nahezu alle menschlichen Lebens- und Betätigungsfelder betreffenden Globalisierungsprozess fundiert und erweitert. Computertechnologie, Internet und mobile Kommunikation ermöglichen Kontaktaufnahme, Informationsaustausch und unmittelbare Einflussnahme zeitgleich überall auf der Welt. Der die kollektive und individuelle menschliche Wirklichkeit zunehmend bestimmende Prozess weltweiter Verflechtungen und Wechselwirkungen zeigt sich unter anderem im Erwerbsleben, in der Freizeitgestaltung (samt massenhaftem Ferntourismus), in zunehmender innergesellschaftlicher Multikulturalität sowie in der globalen Erwärmung und ihren Folgen.

Siehe auch

Literatur

  • Alexander Demandt: Kleine Weltgeschichte. Die ganze Weltgeschichte in einem Band. Frankfurt am Main 2007 (Erstausgabe: München: Beck 2003). Rezension, Rezension
  • Fischer Weltgeschichte, 36 Bde., Frankfurt a. M. 1965 ff.
  • Imanuel Geiss: Geschichte im Überblick: Daten und Zusammenhänge der Weltgeschichte; überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Reinbek: Rowohlt, 2006.
  • Golo Mann, Alfred Heuß (Hrsg.): Propyläen Weltgeschichte. Eine Universalgeschichte, 11 Bände; Frankfurt/M, Berlin, Wien, 1961–1965.
  • William Hardy McNeill: The Rise of the West. A history of the human community; Chicago: Univ. of Chicago Press, 1964.
  • Jürgen Osterhammel, Niels P. Peterson: Geschichte der Globalisierung. Dimensionen, Prozesse, Epochen; München: Beck, 2003; Rezension
  • Fred Spier: Big History. Was die Geschichte im Innersten zusammenhält; (Originaltitel: The Structure of Big History from the Big Bang Until Today). Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005.

Fußnoten

  1. Demandt 2007, S. 19.
  2. Geiss 2006, S. 34.
  3. F. Berna, P. Goldberg, L. K. Horwitz, J. Brink, S. Holt, M. Bamford, M. Chazan: Microstratigraphic evidence of in situ fire in the Acheulean strata of Wonderwerk Cave, Northern Cape province, South Africa. In: Proceedings of the National Academy of Sciences. 109. Jahrgang, Nr. 20, 2012, ISSN 0027-8424, S. E1215–E1220, doi:10.1073/pnas.1117620109.
  4. Spier 2005, S. 67 u. 69 f.
  5. Spier 2005, S. 76 f.
  6. Spier 2005, S. 80–82.
  7. Geiss 2006, S. 43.
  8. Spier 2005, S. 86.
  9. Spier 2005, S. 96.
  10. Geiss 2006, S. 60.
  11. Fred Spier: Big History and the Future of Humanity. Miley-Blackwell, Malden, Mittelalter 2011, S. 156.
  12. Geiss 2006, S. 47.
  13. Geiss 2006, S. 48.
  14. Demandt 2007, S. 47 f. u. 58.
  15. Demandt 2007, S. 63 f. u. 74; Geiss, S. 120 f.
  16. Geiss 2006, S. 97 f.
  17. Geiss 2006, S. 146 f.
  18. Geiss 2006, S. 148 f.
  19. Geiss 2006, S. 142 f. u. 179–181.
  20. Geiss 2006, S. 136 f. u. 160.
  21. Geiss 2006, S. 152 u. 155.
  22. Geiss 2006, S. 185 f.
  23. Demandt 2007, S. 149 f. u. 163.
  24. Geiss 2006, S. 250 u. 252 f.
  25. Osterhammel / Peterson 2003, S. 37 f.
  26. Geiss 2006, S. 303 u. 305 f.
  27. Osterhammel / Peterson 2003, S. 70 f.
  28. Osterhammel / Peterson 2003, S. 71 f.