Welthunger-Index

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Der Welthunger-Index (Abkürzung WHI) ist ein jährlich im Oktober erscheinender Bericht, der die Entwicklung des Hungers auf globaler, regionaler und nationaler Ebene darstellt. Im engeren Sinne ist der Welthunger-Index ein Zahlenwert, der auf vier Indikatoren beruht:

  • dem Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung und
  • dem Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die an Auszehrung leiden (ein Zeichen für akute Unterernährung)
  • dem Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die an Wachstumsverzögerung leiden (ein Zeichen für chronische Unterernährung)
  • dem Anteil von Kindern, die sterben, bevor sie fünf Jahre alt sind.

Das mathematische Konzept wurde vom International Food Policy Research Institute (Internationales Forschungsinstitut für Ernährungs- und Entwicklungspolitik – kurz IFPRI) entwickelt. Zusätzlich zu Erläuterungen zum globalen WHI-Wert sowie zur Ausprägung des Hungers auf regionaler und nationaler Ebene enthält jeder Bericht thematische Schwerpunkte über Ursachen und Wirkungen des Welthungers, woraus Vorschläge für eine Verbesserung der Situation abgeleitet werden.

Verfasst und veröffentlicht wird der jeweilige Bericht seit 2006 gemeinsam vom IFPRI in Washington D.C., der Welthungerhilfe in Bonn und seit 2007 Concern Worldwide in Dublin.

Diese Grafik zeigt die Verteilung der Länder nach Schweregrad des Welthunger-Index, Bericht 2015

Konzept

Mehrdimensionaler Ansatz

Der Welthunger-Index basiert auf einem mehrdimensionalen Ansatz, der unterschiedliche Aspekte von Hunger und Unterernährung erfasst und diese in einer Zahl (dem Index-Wert) abbildet. Ziel ist es, einen schnellen Überblick über das komplexe Problem zu ermöglichen. Der Index berücksichtigt sowohl die Versorgungssituation der Bevölkerung insgesamt als auch die Folgen und Begleitfaktoren einer unzureichenden Ernährung für die physiologisch sehr gefährdete Gruppe der Kinder, für die Mangelernährung ein hohes Krankheits- und Todesrisiko bedeutet. Darüber hinaus können durch die Kombination unabhängig voneinander gemessener Indikatoren zufallsbedingte Messfehler verringert werden.

Wichtig ist hierbei die Unterscheidung zwischen akutem Hunger, der durch Naturkatastrophen oder Konflikte ausgelöst wird, und chronischem Hunger, der von Armut betroffene Bevölkerungsgruppen dauerhaft betrifft. Chronischer Hunger macht den überwiegenden Teil des heutigen Welthungers aus.[1]

Berechnung

Anlässlich der 11. Veröffentlichung des WHI wurde die Methodik überarbeitet und an die heute angewandten Indikatoren zur Messung von Hunger und Unterernährung angepasst. Somit basiert der WHI heute auf vier Indikatoren. Der bisherige Indikator zum Untergewicht wurde ausgetauscht durch zwei Indikatoren, die jeweils akute und chronische Unterernährung von Kindern aufzeigen.

Die Indikatoren zeigen in einem betrachteten Gebiet den jeweiligen Prozent-Anteil von

  1. Unterernährten an der Gesamtbevölkerung. Als Unterernährte werden hierbei Menschen verstanden, die ihren Kalorienbedarf nach der Definition der FAO nicht decken können.
  2. Kindern unter fünf Jahren, die an Auszehrung leiden (Zeichen akuter Unterernährung; engl. wasting),
  3. Kindern unter fünf Jahren, die an Wachstumsverzögerung leiden (Zeichen chronischer Unterernährung, engl. Stunting)
  4. der Sterblichkeitsrate von Kindern unter fünf Jahren. Dieser Indikator spiegelt das laut den Autoren teilweise fatale Zusammenwirken von mangelnder Nährstoffversorgung und einem schlechten gesundheitlichen Umfeld wider.

Um Schwankungen der Daten auszugleichen, wird jedem Indikator ein standardisierter Wert auf der Basis eines Schwellenwerts zugeordnet, der leicht über den höchsten Länderwerten liegt, die zwischen 1988 und 2013 weltweit für diesen Indikator gemessen wurden.

Zuletzt werden die standardisierten Werte aggregiert, um den WHI-Wert für jedes Land zu errechnen. Dabei machen die Indikatoren zu Unterernährung und Kindersterblichkeit je 1/3 des Wertes aus, die beiden Indikatoren zu Auszehrung und Wachstumsverzögerung je 1/6.

Die Datengrundlage für die 2016er-Werte stammt aus den Angaben der UN-Organisationen für Ernährung und Landwirtschaft, der Weltgesundheitsorganisation, dem UN-Kinderhilfswerk, der Weltbank, den Demographic and Health Surveys, der United Nations Inter-Agency Group for Child Mortality (UN-IGME) und aus Schätzungen des International Food Policy Research Institute (IFPRI). Ergänzend kommen bei fehlenden Daten Schätzungen der Herausgeber hinzu. [2015 1]

Der jeweilige WHI-Wert liegt auf einer Skala von 0 bis 100, wobei keiner dieser Extremwerte tatsächlich erreicht wird. Je höher der Wert ist, desto schlechter wird die Ernährungslage bewertet.


WHI 2016

Der Welthunger-Index 2016 wurde im Oktober 2016 veröffentlicht. Im Vergleich zum diesjährigen Referenzjahr 2000 hat sich der Wert um 29 Prozent verbessert. Zweiundzwanzig Länder konnten ihre WHI-Werte um 50 Prozent oder mehr im Vergleich zum Jahr 2000 senken. Trotz dieses Fortschrittes hungern noch immer 795 Millionen Menschen weltweit, ist jedes vierte Kind in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung eingeschränkt, und sterben noch immer 3,1 Millionen Kinder an Fehlernährung. Die Hungerwerte in 50 von 118 Ländern werden mit WHI-Werten noch immer als „ernst“ oder „sehr ernst“ eingeschätzt.

Wertetabelle für die Gesamtwerte des WHI seit 1990 mit allen Indikatoren

Regionale und nationale Trends

Betrachtet man die Großregionen der Entwicklungsländer, werden in Afrika südlich der Sahara und in Südasien mit 30,1 beziehungsweise 29,0 die höchsten WHI-Werte verzeichnet (Abb. 2.1). Gemäß der Schweregradskala des WHI bilden diese Werte ernste Hungersituationen ab, und auch wenn die WHI-Werte dieser Regionen im Laufe der Zeit gesunken sind, liegen sie doch noch immer näher an der Kategorie „sehr ernst“ (35,0–49,9) als an der Kategorie „mäßig“ (10,0–19,9).

Die Zentralafrikanische Republik und der Tschad haben die höchsten Hungerwerte des Berichts. Die beiden Länder konnten seit 2000 den Hunger nur geringfügig mindern. Bürgerkriege und extreme Wetterereignisse belasten die Nahrungsproduktion schwer. Ruanda, Kambodscha und Myanmar konnten unter allen Ländern mit einer „ernsten“ oder „sehr ernsten“ Hungersituation die höchste prozentuale Verringerung der Werte seit 2000 erreichen. Jedes der Länder senkte die Werte für 2016 im Vergleich zu denen von 2000 um etwas mehr als 50 Prozent.

Für 13 Länder liegen keine WHI-Werte vor und den verfügbaren Daten zufolge besteht in zehn dieser Länder Grund zu ernsthafter Besorgnis. Dazu zählen u.a. Burundi, Kongo, Eritrea, Somalia, Südsudan und Sudan.

Der Bericht zeigt, dass in den Entwicklungsländern große Fortschritte bei der Bekämpfung von Hunger und Unterernährung erzielt wurden. Gleichzeitig belegt er jedoch, dass es zahlreiche Gebiete gibt, in denen Menschen besonders gefährdet sind. Das Problem fehlender Daten, insbesondere auf subnationaler Ebene, muss behoben werden, um zu gewährleisten, dass auf dem Weg zu einer Welt ohne Hunger bis zum Jahr 2030 niemand benachteiligt oder zurückgelassen wird.

Politische Handlungsempfehlungen

Deutschland muss seine internationale Verantwortung wahrnehmen und seinen Beitrag dazu leisten, dass alle Menschen sich ausreichend und gesund ernähren können. Dazu müssen sich auch unsere Produktions- und Konsummuster ändern. Wir fordern unter anderem:

  • Nachhaltigkeit fördern: Die Bundesregierung und die EU müssen sicherstellen, dass ihre Politiken eine nachhaltige Ernährung fördern. So müssen die ökologischen und sozialen Folgekosten der Massentierhaltung von den Herstellern übernommen und sich auch im Produktpreis niederschlagen. So würden die Konsumenten eher zu Produkten aus regionaler und nachhaltiger Produktion greifen.
  • Folgen für das Recht auf Nahrung prüfen: Die Auswirkungen von Entscheidungen in sämtlichen Politikfeldern auf die Ernährungssicherheit und das Recht auf Nahrung in Entwicklungsländern müssen systematisch geprüft werden. So sollten z.B. bei Freihandels- und Investitionsabkommen stets eine unabhängige menschenrechtliche und ökologische Folgenabschätzung stattfinden.
  • Soziale Produktionsstandards fördern: Die Landwirtschaft in Entwicklungsländern muss gerecht entlohnt werden. Unsere Regierung muss sich für verbindliche soziale Standards in den Produktionsregionen einsetzen und deren Umsetzung unterstützen.

WHI 2015

Der Welthunger-Index 2015 wurde im Oktober 2015 veröffentlicht. Im Vergleich zum diesjährigen Referenzjahr 2000 hat sich der Wert um 27 Prozent verbessert. Siebzehn Länder konnten ihre WHI-Werte um 50 Prozent oder mehr im Vergleich zum Jahr 2000 senken. Trotz dieses Fortschrittes hungern noch immer 795 Millionen Menschen weltweit, ist jedes vierte Kind in seiner körperlichen und geistigen Entwicklung eingeschränkt, und sterben noch immer 3,1 Millionen Kinder an Fehlernährung. Die Hungerwerte in 50 von 117 Ländern werden mit WHI-Werten noch immer als „ernst“ oder „sehr ernst“ eingeschätzt.

WHI 2015 - Die Indikatoren und die Entwicklung

Regionale und nationale Trends

Vor allem im Süden Afrikas, südlich der Sahara weisen viele Länder „ernste“ oder „sehr ernste“ WHI-Werte auf. Die Zentralafrikanische Republik und der Tschad weisen 2015 die höchsten WHI-Werte auf. Der WHI-Bericht weist darauf hin, dass viele Länder mit schlechten Werten von gewaltsamen Konflikten, politischer Instabilität oder Kriegen getroffen sind. Seitdem in Ländern wie Äthiopien, Angola und Ruanda die großen Bürgerkriege der 1990er- und 2000er-Jahre beendet sind, seinen ihre Hungerwerte beträchtlich gefallen. Aber auch Länder, die nicht von bewaffneten Konflikten betroffen sind, können hohe WHI-Werte aufweisen, z.B. Sambia.

Große Fortschritte hat Brasilien gemacht, das seinen WHI-Wert seit 2000 um ca. zwei Drittel reduziert hat. Dies führt der Bericht auf das Regierungsprogramm “Null Hunger” zurück.

Viele Länder, die in den Vorjahren oft hohe Hungerwerte verzeichneten, konnten aufgrund fehlender Daten in den diesjährigen Bericht nicht einbezogen werden. Hierzu zählen unter anderem Burundi, die Demokratische Republik Kongo, Eritrea, die Komoren, Somalia, der Sudan und der Südsudan.

Das Kapitel zu Hunger und Konflikt macht deutlich, dass die Zahl der katastrophalen Hungersnöte (bei denen jeweils mehr als eine Million Menschen starben), offenbar der Vergangenheit angehören. Dennoch ist seit 2006 ein erneuter Anstieg von Kriegen und bewaffneten Konflikten spürbar. Bewaffnete Konflikte und extreme Armut müssen reduziert werden, um den Hunger zu überwinden.

Aus der Praxis

In der Ausgabe des Welthunger-Index 2015 erscheinen zusätzlich zwei Praxisbeispiele aus Projektgebieten der Welthungerhilfe und Concern zu Mali und dem Südsudan.[2015 2]

WHI 2014

Der Welthunger-Index 2014 ist im Oktober 2014 erschienen. In diesem Jahr ist der Bericht dem Schwerpunktthema Mikronährstoffmangel gewidmet, auch verborgener Hunger genannt. Im Jahr 2014 lag der Gesamt WHI-Wert bei 12,5; das bedeutet, dass sich der Gesamtwert gegenüber dem berechneten Wert von 1990 um 39 Prozent reduziert hat. Trotz dieses Fortschrittes bleibt die Anzahl hungernder Menschen mit 805 Millionen untragbar hoch.


Regionale und nationale Trends

Laut Welthunger-Index 2014 ist der Hunger in Afrika südlich der Sahara und Südasien am größten: Die Region Afrika südlich der Sahara hat einen WHI-Wert von 18,2, der WHI-Wert für die Region Südasien liegt bei 18,1. Damit ist die Ernährungssituation in beiden Regionen nach Bewertung des Welthunger-Index nach wie vor „ernst“. In Ost- und Südostasien hat sich die Situation in den vergangenen Jahren stetig verbessert, dort liegt der WHI-Wert mittlerweile bei 7,6. „Wenig“ ausgeprägt ist die Hungersituation mittlerweile im Nahen Osten und Nordafrika, Lateinamerika und der Karibik sowie in Osteuropa und den GUS-Staaten.

Noch immer ist die Ernährungssituation in zwei Ländern nach Bewertung des WHI-Wertes „gravierend“: Burundi (WHI-Wert 35,6) und Eritrea (WHI-Wert 33,8). In 14 Ländern wird die Situation als „sehr ernst“ bewertet. Hierzu zählen vor allem Länder in Afrika südlich der Sahara sowie Haiti, Laos und Timor-Leste.

Herausforderung verborgener Hunger

Weltweit sind über zwei Milliarden Menschen von verborgenem Hunger betroffen. Dieser Mikronährstoffmangel tritt dann auf, wenn Menschen entweder nicht genügend Mikronährstoffe (wie Zink, Jod und Eisen) und Vitamine zu sich nehmen oder der Körper sie nicht aufnehmen kann. Gründe hierfür können eine unausgewogene Ernährung, ein gesteigerter Bedarf an Mikronährstoffen (z. B. während Schwangerschaft und Stillzeit) sowie Gesundheitsprobleme durch Krankheiten, Infektionen oder Parasiten sein.

Die Folgen für den Einzelnen können verheerend sein: Geistige Beeinträchtigungen, schlechte Gesundheit, geringe Produktivität und durch Krankheiten verursachte Todesfälle. Vor allem Kinder sind von den Konsequenzen betroffen, wenn sie innerhalb der ersten 1000 Tagen ihres Lebens von der Empfängnis bis zum zweiten Geburtstag nicht genügend Mikronährstoffe aufnehmen können. Mikronährstoffmangel ist für geschätzte 1,1 Millionen der jährlich 3,1 Millionen durch Unterernährung verursachten Todesfälle bei Kindern verantwortlich. Dennoch ist es bisher nicht einfach, präzise Daten für die Verbreitung des verborgenen Hungers zu erhalten.

Weltweite Verluste an wirtschaftlicher Produktivität durch Makronährstoff- und Mikronährstoffmangel verursachen einen weltweiten Schaden von 1,4 bis 2,1 Billionen US-Dollar pro Jahr.[2014 1]

Lösungsansätze für Verborgenen Hunger

Um verborgenem Hunger vorzubeugen, gibt es verschiedene Maßnahmen. Besonders effektiv ist es, Menschen eine vielfältige Ernährung zu ermöglichen. Die Qualität der Nahrung sollte ebenso wichtig sein wie die Quantität (reine Kalorienzufuhr). Dies kann zum Beispiel durch die Förderung des Anbaus einer Vielfalt an nährstoffreichen Nahrungspflanzen und die Einrichtung von Hausgärten geschehen. Weitere Lösungsansätze sind die industrielle Anreicherung (Fortifizierung) von Lebensmitteln vor oder die Biofortifizierung von Nahrungspflanzen (zum Beispiel mit Vitamin-A angereicherte Süßkartoffeln). Bei akutem Nährstoffmangel und in bestimmten Lebensphasen ist auch eine Nahrungsergänzung (Supplementierung) in Betracht zu ziehen. Vor allem die Zugabe von Vitamin A führt zu einer Verbesserung der Überlebensrate von Kindern. Insgesamt lässt sich die Situation in Bezug auf den verborgenen Hunger nur dann verbessern, wenn viele Maßnahmen ineinandergreifen und neben den direkten Maßnahmen zur Förderung der besseren Ernährung auch Bildung und Empowerment von Frauen, die Förderung besserer Hygienebedingungen, des Zugangs zu sauberem Trinkwasser und zu Gesundheitsdiensten mit eingeschlossen werden.

Politische Handlungsempfehlungen

Satt werden allein reicht nicht. Jeder Mann, jede Frau und jedes Kind haben ein Recht auf kulturell angemessene Nahrung in ausreichender Menge, aber auch in ausreichender Qualität zur Deckung ihres Ernährungsbedarfs. Die internationale Gemeinschaft muss dafür sorgen, dass verborgener Hunger nicht übersehen wird und die Post-2015-Entwicklungsagenda ein umfassendes Ziel zur Beseitigung von Hunger und Fehlernährung jeglicher Ausprägung enthält.

  • Der Beseitigung des verborgenen Hungers hohe Priorität einräumen
  • Geeignete und angemessene politische Konzepte entwickeln und aufeinander abstimmen
  • Kenntnisse und Fähigkeiten zum Thema Ernährung auf allen Ebenen durch Bereitstellung von Personal und Finanzmitteln ausbauen
  • Rechenschaftspflicht stärken: Regierungen und internationale Institutionen müssen für ein regulatives Umfeld sorgen, das angemessene Ernährung unterstützt
  • Monitoring, Forschung und Datengrundlage ausbauen, um die Rechenschaftspflicht zu stärken

WHI 2013

Der Welthunger-Index 2013 ist im Oktober 2013 erschienen. Sein thematischer Schwerpunkt ist die Stärkung der Widerstandsfähigkeit gegen Unterernährung auf Gemeindeebene. Er trägt den Untertitel: Herausforderung Hunger: Widerstandsfähigkeit stärken, Ernährung sichern. Weltweit signalisiert der Welthunger-Index mit einem Wert von 13,8 eine weiterhin „ernste“ globale Ernährungssituation. Im Jahr 1990 lag der globale Wert bei 20,8; d. h. der Index ist seit dem um knapp 34 Prozent gesunken.

Welthunger-Indizes in Staaten mit Hunger, Bericht 2013

Hunger heißt in diesem Zusammenhang ein WHI-Wert größer als 5.

Welthunger-Index
Rang*
Land 1990 1995 2000 2005 2013
Albanien 9,2 6,0 7,8 6,1 5,2
Mauritius 8,5 7,6 6,5 5,9 5,2
Usbekistan 8,3 9,3 6,6 5,3
Panama 11,6 10,8 11,4 9,0 5,4
Südafrika 7,2 6,5 7,4 7,7 5,4
China 13,0 10,4 8,4 6,7 5,5
Malaysia 9,5 7,1 6,9 5,8 5,5
Peru 16,3 12,3 10,5 9,9 5,5
Thailand 21,3 17,1 10,2 6,6 5,8
Kolumbien 10,4 8,0 6,8 6,9 5,9
Guyana 14,3 10,2 8,2 8,0 6,6
Surinam 11,3 9,9 11,1 8,9 6,7
El Salvador 10,9 8,7 7,4 6,4 6,8
Dominikanische Republik 14,9 11,7 9,7 8,8 7,0
Gabun 9,7 8,0 7,8 6,9 7,2
Vietnam 30,9 25,1 18,1 13,7 7,7
Honduras 14,2 13,6 10,8 8,5 7,9
Ghana 25,5 19,6 15,6 10,7 8,2
Ecuador 14,0 11,6 12,3 10,1 8,5
Moldawien 7,7 8,8 7,3 9,2
Georgien 16,6 9,2 11,3 9,3
Nicaragua 24,1 19,9 15,4 11,5
Indonesien 19,7 16,9 15,5 14,6 10,1
Paraguay 9,3 7,5 6,5 6,3 10,1
Mongolei 19,7 23,6 18,5 14,1 10,8
Bolivien 18,8 16,9 14,2 13,8 11,2
Lesotho 13,2 14,6 14,6 14,9 12,9
Mauretanien 22,7 16,2 17,2 14,6 13,2
Philippinen 19,9 17,4 17,7 14,0 13,2
Benin 22,5 20,5 17,3 15,2 13,3
Senegal 18,1 19,8 19,2 13,7 13,8
Botsuana 16,8 17,0 17,8 16,3 13,9
Gambia 19,1 20,4 16,1 15,8 14,0
Guinea-Bissau 21,7 20,8 20,6 17,7 14,3
Swasiland 10,4 12,9 12,7 12,5 14,4
Kamerun 23,7 23,8 20,3 16,3 14,5
Togo 23,0 19,1 20,4 18,2 14,7
Mali 27,4 26,9 24,3 20,7 14,8
Nigeria 25,5 22,6 17,9 16,3 15,0
Malawi 30,6 27,6 21,6 18,7 15,1
Ruanda 30,8 37,3 29,0 23,6 15,3
Guatemala 15,0 16,1 17,0 17,0 15,5
Sri Lanka 22,3 20,7 17,8 16,9 15,6
Elfenbeinküste 16,3 16,5 17,3 16,4 16,1
Tadschikistan 21,2 22,6 19,0 16,3
Simbabwe 20,0 22,0 21,7 20,5 16,5
Kambodscha 32,2 30,7 27,8 20,9 16,8
Guinea 21,4 21,2 22,4 18,2 16,9
Nepal 28,0 27,3 25,3 22,3 17,3
Liberia 23,4 28,2 24,7 20,6 17,9
Kenia 21,4 21,0 20,5 20,2 18,0
Nordkorea 18,8 22,6 22,5 20,9 18,0
Namibia 22,1 21,9 17,5 17,1 18,4
Laos 33,4 30,3 28,0 23,7 18,7
Angola 39,5 38,5 31,6 22,7 19,1
Uganda 21,4 22,9 19,9 18,6 19,2
Pakistan 25,9 22,8 21,6 21,2 19,3
Bangladesch 36,7 35,1 24,0 20,2 19,4
Dschibuti 33,5 28,5 27,7 24,0 19,5
Niger 36,4 34,6 30,3 25,6 20,3
Kongo 23,7 23,9 19,3 18,4 20,5
Tansania 23,4 26,9 26,1 20,5 20,6
Indien 32,6 27,1 24,8 24,0 21,3
Mosambik 36,0 32,0 28,5 25,1 21,5
Burkina Faso 26,9 22,7 26,1 26,6 22,2
Sierra Leone 31,3 29,5 30,0 28,4 22,8
Zentralafrikanische Republik 30,7 29,4 28,0 28,5 23,2
Haiti 33,8 31,7 25,7 27,0 23,3
Sambia 24,9 24,5 26,3 25,3 24,1
Madagaskar 25,5 24,6 25,9 24,4 25,2
Äthiopien 42,3 42,7 37,1 31,0 25,7
Jemen 29,8 27,7 26,9 27,9 26,5
Tschad 38,8 34,9 29,8 29,7 26,9
Sudan 31,1 25,7 27,2 24,7 27,0
Osttimor 26,0 29,6
Komoren 24,0 27,5 33,3 29,8 33,6
Eritrea 40,6 40,2 39,3 35,0
Burundi 33,8 38,1 39,5 39,5 38,8
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
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28
29
30
31
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33
34
35
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69
70
71
72
73
74
75
76
77
78
* Durch die Sortierbarkeit ist der Rang in manchen Fällen inkorrekt angegeben. Bitte die entsprechende Originalquelle konsultieren.

Regionale und nationale Trends

Laut Welthunger-Index 2013 ist der Hunger in der Region Südasien weiter am größten: Mit einem WHI-Wert von 20,7 ist die Ernährungssituation nach wie vor „sehr ernst“. Dicht dahinter liegt Afrika südlich der Sahara mit einem WHI-Wert von 19,2. Damit hat Afrika südlich der Sahara erstmals die Marke von 20 unterschritten und die dortige Hungersituation wird – wenn auch knapp – in die bessere Kategorie „ernst“ eingestuft. In Osteuropa und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten, sowie in Lateinamerika und der Karibik ist die Ernährungssituation wesentlich besser: Mit WHI-Werten von 2,7 und 4,8 ist der Hunger in diesen Regionen wenig verbreitet. Die größten Fortschritte haben die Regionen Ost- und Südostasien sowie Lateinamerika und die Karibik gemacht, die ihre Index-Werte seit 1990 um mehr als 50 Prozent verbessert haben.

Die Grafik zeigt, welche zehn Länder ihren Welthunger-Index zwischen 1990 und 2013 am meisten verbessert und welche ihn am meisten verschlechtert haben
Die Grafik zeigt, welche zehn Länder ihren Welthunger-Index zwischen 1990 und 2013 am meisten verbessert und welche ihn am meisten verschlechtert haben

In drei Ländern, Burundi, Eritrea und den Komoren, ist die Ernährungssituation „gravierend“. Dagegen konnten unter anderem Thailand und Vietnam große Erfolge bei der Hungerbekämpfung verbuchen und beide Länder haben ihren WHI-Wert seit 1990 um mehr als 70 Prozent gesenkt.

Widerstandsfähigkeit gegen Unterernährung

Viele der Länder, in denen die Hungersituation schon heute „sehr ernst“ oder „gravierend“ ist, sind auch besonders krisenanfällig: In der afrikanischen Sahelzone etwa erleben die Menschen jährliche Hungerperioden. Sowohl Konflikte als auch Naturkatastrophen belasten sie zusätzlich. Gleichzeitig wird das globale Umfeld zunehmend volatiler (Finanz- und Wirtschaftskrise, Nahrungsmittelpreiskrise).

Die Unfähigkeit, diese Krisen zu bewältigen, sorgt dafür, dass mühsam erarbeitete Entwicklungserfolge wieder zunichtegemacht werden und die Menschen noch weniger Ressourcen und Kapazitäten haben, um der nächsten Krise etwas entgegenzusetzen. Für die 2,6 Milliarden Menschen weltweit, die mit weniger als 2 US-Dollar am Tag zurechtkommen müssen, kann ein Krankheitsfall in der Familie, ein trockenheitsbedingter Ernteausfall oder eine Unterbrechung von Rücküberweisungen ihrer Verwandten aus dem Ausland, eine Abwärtsspirale in Gang setzen, aus der sie sich nicht mehr aus eigener Kraft befreien können.

Es reicht daher nicht, Menschen in Notsituationen beizustehen und – wenn die Krise überstanden ist – längerfristige Entwicklungsmaßnahmen anzustoßen. Vielmehr müssen sowohl Nothilfemaßnahmen als auch Entwicklungszusammenarbeit so konzipiert werden, dass sie darauf ausgelegt sind, die Widerstandsfähigkeit der Menschen gegen diese Krisen zu stärken [Definition Resilienz: Fähigkeit, schwierige Lebensphasen unbeschadet zu überstehen].

Konzeptionell unterscheidet der Welthunger-Index drei verschiedene Bewältigungsstrategien. Je geringer die Intensität der Krise, desto weniger muss aufgewendet werden, um mit den Auswirkungen umzugehen.

  • Absorption: Fähigkeiten, mit denen die Auswirkungen einer Krise abgemildert/aufgefangen werden, ohne Lebensgewohnheiten zu ändern (z. B. Verkauf einiger Tiere aus der Herde)
  • Anpassung: Wenn die Absorptionsfähigkeiten ausgeschöpft sind, werden schrittweise Anpassungsmaßnahmen der Lebensgewohnheiten vorgenommen, ohne tiefgreifende Änderungen vorzunehmen (z. B. Umstellung auf dürreresistentes Saatgut)
  • Transformation: Wenn auch die Anpassungen der Lebensgewohnheiten nicht ausreichen, um den negativen Auswirkungen einer Krise zu begegnen, müssen grundlegende, dauerhafte Änderungen des Lebens/Verhaltens vorgenommen werden (z. B. Normanden werden sesshaft und betreiben Landwirtschaft, weil sie ihre Viehherden nicht mehr halten können)

Politische Handlungsempfehlungen

  • Überwindung der institutionellen, finanziellen und konzeptionellen Grenzen zwischen humanitärer Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit.
  • Abschaffung von Politiken, die die Widerstandsfähigkeiten von Menschen untergraben. Orientierung am Recht auf Nahrung bei der Erarbeitung neuer Politiken und Gesetze.
  • Durchführung von mehrjährigen, flexiblen Programmen, deren Finanzierung multisektorale Ansätze zur Überwindung von chronischen Ernährungskrisen ermöglicht.
  • Kommunizieren, dass resilienzfördernde Maßnahmen kosteneffektiv sind und die Ernährungssicherheit verbessern, speziell in fragilen Kontexten.
  • Wissenschaftliche Begleitung und Evaluierung von Maßnahmen und Programmen, die sich zum Ziel gesetzt haben, Widerstandsfähigkeit zu stärken.
  • Aktive Einbeziehung der lokalen Bevölkerung in die Planung und Durchführung von Programmen, die zum Ziel haben, die Widerstandsfähigkeit zu stärken.
  • Verbesserung der Ernährung insbesondere von Müttern und Kindern durch ernährungsspezifische und ernährungssensible Interventionen, um zu verhindern, dass kurzfristige Krisen dazu führen, dass Mangelernährung Folgen für das spätere Leben hat bzw. über Generationen weitergegeben wird.

WHI 2012

Der im Oktober 2012 erschienene Welthunger-Index befasst sich mit der Frage, wie Ernährung nachhaltig gesichert werden kann, wenn die natürlichen Grundlagen der Ernährung zunehmend knapper werden. (Herausforderung Hunger: Ernährung sichern, wenn Land, Wasser und Energie knapp werden). Der weltweite Hunger-Index-Wert liegt bei 14,7 und deutet somit auf eine „ernste“ Hungersituation hin. Zwar hat sich seit 1990 der Anteil unterernährter Menschen weltweit verringert und der Index fiel um etwa 26 Prozent. Allerdings sind die Fortschritte langsam und insbesondere hat sich das Tempo der Hungerbekämpfung im Vergleich zu der Zeit zwischen 1990 und 1996 heute deutlich reduziert.

Regionale und nationale Trends

Laut Welthunger-Index ist der Hunger in Südasien am größten: Mit 22,5 ist die Hungersituation hier „sehr ernst“. In Sub-Sahara Afrika übersteigt der Index-Wert ebenfalls 20 und ist als „sehr ernst“ einzustufen. Am niedrigsten ist der Wert in Osteuropa, wo Hunger nur wenig ausgeprägt ist. Osteuropa konnte neben Südostasien und Lateinamerika außerdem die größten Fortschritte in der Hungerbekämpfung erzielen. In allen drei Regionen sind die WHI-Werte seit 1990 um 40 Prozent und mehr gesunken.

Einige Länder konnten besonders große Fortschritte in der Hungerbekämpfung erzielen. Hierzu gehören unter anderem die Türkei, Mexiko, China und Ghana. In einigen Ländern hat sich die Hungersituation seit 1990 allerdings auch verschlechtert (siehe Graphik). In 3 Ländern ist die Hungersituation gravierend: Burundi, Eritrea und Haiti führen die Liste der „Hungerländer“ an und deuten mit einem Index-Wert von über 30,0 auf besonders dringenden Handlungsbedarf hin.

Knappe Land-, Wasser- und Energieressourcen

Hunger ist zunehmend eng damit verknüpft, wie wir mit Land, Wasser und Energie umgehen. Wenn diese Ressourcen außerdem insgesamt knapper werden, gerät auch die Ernährungssicherheit zunehmend unter Druck. Mehrere Faktoren tragen zur Verknappung der natürlichen Ressourcen bei:

  1. Demographischer Wandel:2050 soll die Weltbevölkerung laut Prognosen auf über 9 Milliarden angewachsen sein. Zusätzlich leben in Zukunft mehr Menschen in Städten. Städtische Bevölkerung ernährt sich anders; sie verzehrt tendenziell weniger Grundnahrungsmittel und mehr Fleisch und Milchprodukte werden verzehrt.
  2. Höheren Einkommen und nicht-nachhaltiger Verbrauch von Ressourcen: Die globale Wirtschaftskraft steigt, wohlhabende Menschen konsumieren mehr Lebensmittel und Güter, die mit viel Wasser und Energie produziert werden. Sie können es sich leisten, wenig effizient und verschwenderisch mit Ressourcen umzugehen.
  3. Schlechte Politik und schwache Institutionen: Wenn Politikgestaltung etwa im Bereich Energie nicht daraufhin überprüft wird, welche Konsequenzen sie im Bereich Land- und Wasserverfügbarkeit hat, kann dies zu Fehlentwicklungen führen. Ein Beispiel hierfür ist die Biokraftstoffpolitik der Industrieländer: Wenn Mais und Zuckerrohr zunehmend zur Herstellung von Treibstoffen verwendet werden, steht weniger Land und Wasser für die Nahrungsmittelproduktion zur Verfügung

Anzeichen dafür, dass Energie, Land und Wasser knapper werden, sind unter anderem: steigende Nahrungsmittel- und Energiepreise, ein massiver Anstieg von großflächigen Investitionen in Agrarland (sog. „Land Grabbing“), zunehmende Degradation von Ackerfläche durch zu intensive Bewirtschaftung (zum Beispiel vermehrte Wüstenbildung), eine steigende Anzahl von Menschen, die in Regionen mit sinkendem Grundwasserspiegel lebt, und der Verlust landwirtschaftlicher Fläche durch Klimawandel. Aus der Analyse der globalen Rahmenbedingungen leiten die Autoren des Welthunger-Index politische Handlungsempfehlungen ab:

  • Sicherung von Land- und Wasserrechten.
  • Stufenweiser Abbau von Subventionen.
  • Schaffung positiver gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen
  • Investition in landwirtschaftliche Produktionstechnologien, die eine effizientere Nutzung von Land, Wasser und Energie fördern.
  • Ausbau von Ansätzen, die zu effizienterer Nutzung von Land, Wasser und Energie entlang der Wertschöpfungskette führen.
  • Verhinderung einer Übernutzung natürlicher Ressourcen durch begleitende Analyse von Wasser-, Land- und Energiestrategien sowie landwirtschaftlichen Anbausystemen
  • Verbesserung des Zugangs von Frauen zu Bildung und Stärkung ihrer reproduktiven Rechte, um dem demografischen Wandel zu begegnen.
  • Steigerung der Einkommen, Reduzierung sozialer und wirtschaftlicher Ungleichheit und Förderung nachhaltiger Lebensstile.
  • Minderung des Klimawandels und Anpassung an die Folgen durch eine entsprechende Umorientierung der Landwirtschaft

WHI 2011

Der im Oktober des Jahres erschienene Welthunger-Index 2011 trägt den Untertitel Herausforderung Hunger: Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen.

Im Vergleich zu 2010 fiel der globale WHI-Wert von 15,1 auf 14,6 (im Jahr 1990: 19,7). Laut dem Bericht geht dieser Rückgang vor allem auf die verbesserte Ernährungssituation von Kindern unter fünf Jahren zurück, deren Anteil an allen Kindern unter fünf Jahren seit 1990 um 8 Prozent zurückging. Im selben Zeitraum ging die Kindersterblichkeit um 3 Prozent zurück. Der Anteil der unterernährten Menschen an der Weltbevölkerung ist seit dem Zeitraum 1995–1997 nahezu unverändert, seit 1990 hat er um 4 Prozent abgenommen. Am stärksten erfolgte die Verringerung des globalen WHI und damit Verbesserung der Ernährungssituation zwischen 1990 und 1996 um insgesamt 3.

Der Welthunger-Index legt ein besonderes Augenmerk auf die Länder, in denen dringender Handlungsbedarf besteht, und sieht sich so selbst als Beratungsgrundlage für Politikgestaltung und Advocacy-Arbeit auf nationaler und internationaler Ebene.

Regionale Trends

Verglichen mit 1990 ging der WHI in Subsahara-Afrika um 18 Prozent, in Südasien um zirka 25 Prozent, in Nahost und in Nordafrika um 39 Prozent zurück. Die regionalen Fortschritte in Südostasien, Lateinamerika und der Karibik waren mit einer Verringerung von jeweils mehr als 44 Prozent am größten. Im Vergleich zu 1996 fiel der in Osteuropa und der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten um 47 Prozent.

Den höchsten regionalen Wert verzeichnet Südasien, wo der WHI nach einem starken Absinken von 1990 bis 1996 trotz des Wirtschaftswachstums seit 2001 kaum zurückgegangen ist. Der Fortschritt wird nach dem Bericht durch soziale Ungleichheit und den niedrigen Ernährungs-, Bildungs- und Sozialstatus von Frauen behindert. Die etwas geringeren Verbesserungen in Afrika südlich der Sahara gehen auf das Ende mehrerer Konflikte in Afrika in den 1990er und 2000er Jahren, Wirtschaftswachstum sowie Erfolge im Kampf gegen AIDS zurück.

Steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise

Als drei wesentliche Ursachen von starker Volatilität, also Preisschwankungen, und Preisanstieg für Nahrungsmittel sieht der Bericht die zunehmende(n)

  • Verwendung von sog. Biokraftstoffen („Konkurrenz zwischen ‚Teller und Tank‘“), gefördert durch hohe Ölpreise, Subventionen in den Vereinigten Staaten (über ein Drittel der jeweiligen Maisernte 2009 und 2010) und Beimischquoten in der Europäischen Union, Indien u. a.
  • extreme Wetterereignisse infolge des Klimawandels
  • Warentermingeschäfte mit Agrargütern, exemplarisch werden steigende Investitionen in Fonds genannt, die auf Agrarprodukte spekulieren (2003: 13 Milliarden US-Dollar, 2008: 260 Milliarden US-Dollar), sowie die zunehmenden Handelsvolumina dieser Güter

Verstärkt werden Volatilität und Preisanstieg laut Bericht durch die Konzentration der Exporte von Grundnahrungsmitteln auf wenige Länder und deren Exportbeschränkungen, den historischen Tiefstand der weltweiten Getreidereserven und die häufige Nichtverfügbarkeit von zeitnahen Informationen über Nahrungsmittelproduktion, -lagerbestände und -preisentwicklungen, die bei den Marktteilnehmern Überreaktionen provozieren. Hinzu kommen saisonale Beschränkungen der Produktionsmöglichkeiten, begrenzte Anbau- und Weideflächen sowie begrenzte Verfügbarkeit von Nährstoffen und Wasser und außerdem die steigende Nachfrage infolge von Bevölkerungswachstum, die Druck auf die Nahrungsmittelpreise ausüben.

Dem Welthunger-Index 2011 zufolge haben Preistrends für arme und hungernde Menschen besonders schwerwiegende Folgen, weil sie kaum in der Lage sind, auf Preisspitzen und rapide Preisschwankungen zu reagieren. Handlungen infolge solcher Entwicklungen können sein: reduzierte Kalorienaufnahme, Kinder nicht mehr zur Schule schicken, riskante Verdienstmöglichkeiten wie Prostitution, Kriminalität und Durchsuchen von Müllhalden und Fortschicken von Haushaltsmitgliedern, die nicht mehr ernährt werden können. Außerdem sieht der Bericht aktuell ein Allzeithoch bei der Unstabilität und Unberechenbarkeit der Nahrungsmittelpreise, die nach Jahrzehnten des leichten Absinkens in der Gegenwart gehäuft Preisspitzen (starker und kurzzeitiger Anstieg) aufweisen.[2011 1]

Auf nationaler Ebene sind besonders Importländer von den Preisschwankungen betroffen, also solche mit negativer Nahrungsmittel-Handelsbilanz.

Politische Handlungsempfehlungen

  • Überprüfung und gegebenenfalls Aussetzung von Beimischquoten und Subventionen für Biokraftstoffe
  • Regulierung von Finanzaktivitäten auf Nahrungsmittelmärkten in Form von verschärfter Berichtspflicht, höherem Einlagekapital-Mindestanteil für kurzfristige Termingeschäfte und Verschärfung von Mengen- und Preisgrenzen für den Handel mit Agrarrohstoff-Derivaten
  • Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen
  • bessere Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse
  • armutsorientierte Steigerung landwirtschaftlicher Produktion, die mehr Länder befähigen soll, Grundnahrungsmittel zu exportieren
  • internationale Nahrungsmittelreserven
  • verbesserter Zugang der Marktteilnehmer zu relevanten Informationen, als Beispiele genannt werden das bestehende Famine Early Warning Systems Network und das von den G-20 geplante Agrarmarkt-Informations-System
  • Weltweite Verbreitung von funktionierenden Grundsicherungssystemen auf nationaler Ebene
  • Förderung von Einkommensmöglichkeiten außerhalb der Landwirtschaft
  • Verbesserung der Ausbildungsangebote für Arme in Städten
  • kleinbäuerliche, nachhaltige und klimaangepasste Landwirtschaft
  • verbessertes Krisenmanagement auch bei langsam einsetzenden Hungerkrisen, analog zum Katastrophenschutz

WHI 2010

Nur langsame Fortschritte

Der Welthunger-Index 2010 erschien im Oktober des Jahres und trägt den Untertitel Herausforderung Hunger. Die Chance der ersten 1000 Tage, was sich auf die ersten 1000 Tages eines Kindes nach der Empfängnis bezieht. Der Bericht befasst sich schwerpunktmäßig mit der Ernährungssituation von Kindern dieses Alters.

Weltweit fiel der WHI-Wert zwischen 1990 und 2010 von 19,8 auf 15,1. Laut dem Bericht ist die weltweite Ernährungssicherheit „weiter entfernt denn je“.[2010 1] Gemessen an den Millennium-Entwicklungszielen der UN für das Jahr 2015 werden bei der globalen Hungerbekämpfung nur langsame Fortschritte erzielt. Der Bericht zitiert eine Schätzung der FAO, nach der die Zahl der unterernährten Menschen von einer Milliarde (2009) auf 925 Millionen (2010) sinken wird.

Globale und regionale Trends

Im Jahr 2010 wurde der WHI für 122 Entwicklungs- und Schwellenländer ermittelt. 84 von ihnen wurden in einer Rangliste klassifiziert, die übrigen 38 Länder, die sowohl 1990 als auch 2010 einen WHI von unter 5 („wenig Hunger“) hatten, wurden nicht aufgenommen.

Im Vergleich der WHI-Indizes von 1990 und 2010 machten nur wenige Länder signifikante Fortschritte und reduzierten ihren Welthunger-Index um 50 Prozent oder mehr. Gleichzeitig erreichten etwa ein Drittel der Länder mäßige Fortschritte und verringerten die WHI-Werte um 25 bis 49,9 Prozent. Ein weiteres Drittel konnte seine WHI-Werte um 0 bis 24,9 Prozent verbessern.

Einige Staaten werden in dem Bericht besonders hervorgehoben:

  • Kuwait: Die stärkste Senkung des WHI wird hier auf die schlechte Ernährungssituation im Vergleichsjahr 1990 zurückgeführt, als irakische Truppen einmarschierten.
  • Malaysia schneidet am zweitbesten ab und schaffte eine „enorme Senkung des Anteils untergewichtiger Kinder“ von 22,1 % (1990) auf 7 % (2005). Der WHI 2010 bezieht sich auf eine Arbeit von Martin Khor, die diesen Erfolg auf schnelles Wirtschaftswachstum und Maßnahmen der Regierung zurückführt, zum Beispiel „Nahrungsmittelhilfen für wirtschaftlich schwache Familien mit fehlernährten Kindern, Programme zur Nahrungsergänzung für Vor- und Grundschuldkinder, die Ausgabe von Mikronährstoffen an Schwangere und die Durchführung von Informationsveranstaltungen zur richtigen Ernährung.“[2010 2]
  • Demokratische Republik Kongo: Hier ist der WHI-Wert mit 41,0 am höchsten, auch fand hier mit mehr als 65 % die größte Steigerung seit 1990 statt. Der Staat hat eine der höchsten Kindersterblichkeitsraten der Welt und einen Unterernährtenanteil an der Gesamtbevölkerung von über 75 %. Zurückgeführt wird dies auf langwierige Bürgerkriege seit den 1990er-Jahren, eine geringe Lebensmittelproduktion und durch schlechte Infrastruktur isolierte Regionen.
  • Ghana ist das einzige afrikanische Land südlich der Sahara, das seinen WHI um mehr als 50 Prozent senken konnte; es zählt damit als einziges Land der Region zu jenen zehn Staaten, die seit 1990 ihren WHI am meisten verbesserten. Signifikante Verbesserungen erreichten neben Kuwait, Malaysia und Ghana auch die Türkei, Mexiko, Tunesien, Nicaragua, der Iran, Saudi-Arabien und Peru.
  • Negative Entwicklungen sind nicht nur in der Demokratischen Republik Kongo, sondern auch in mehreren anderen afrikanischen Staaten zu verzeichnen, vor allem auf den Komoren, in Burundi, Swasiland und Simbabwe, daneben in Nordkorea.

Subsahara-Afrika und Südasien verzeichnen die höchsten regionalen WHI-Werte (21,7 bzw. 22,9). Die prekäre Ernährungssituation in beiden Regionen ist auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen: In Südasien sind untergewichtige Kinder unter fünf Jahren der wichtigste Faktor. Dieser ist zu einem großen Teil auf den schlechten Ernährungs- und Bildungsstatus der Frauen zurückzuführen. Dagegen erklärt sich der hohe WHI in Subsahara-Afrika durch die hohe Kindersterblichkeitsrate und den hohen Anteil von Menschen die ihren Kalorienbedarf nicht decken können. Dies wird hauptsächlich durch schlechte Regierungsführung, Konflikte, politische Instabilität und hohe HIV- und AIDS-Raten bedingt.

Einzelne Ergebnisse:

Verglichen mit 1990 ging der WHI in Subsahara-Afrika um 14 Prozent, in Südasien um zirka 25 Prozent, in Nahost und in Nordafrika um 33 Prozent zurück. Die regionalen Fortschritte in Südostasien, Lateinamerika und der Karibik waren mit einer Verringerung von jeweils mehr als 40 Prozent am größten.

Der Welthunger-Index 2010 vergleicht zudem die regionale Veränderung der Armutssituation mit deren WHI-Wert: In Südasien, der Region mit den meisten in Armut lebenden Menschen, ist die Verringerung der Armut proportional mit der Verringerung des WHI-Wertes. In Südostasien ging die Armut (seit 1990) um 8 Prozent zurück, während der WHI um 3 Prozent sank. In Lateinamerika und der Karibik hingegen ging die Armut um 1 Prozent zurück, während der WHI um 3,5 Prozent sank.

Frühkindliche Unterernährung

Besonders von Hunger gefährdet sieht der Welthunger-Index 2010 die Bevölkerungsgruppe der Kleinkinder und weist auf die besondere Lebensbedrohlichkeit und langfristigen Folgeschäden von mangelnder Ernährung in den ersten zwei Lebensjahren hin. In den Entwicklungsländern sind ca. 195 Millionen Kinder unter fünf Jahren – etwa ein Drittel aller Kinder weltweit – für ihr Alter zu klein und damit unterentwickelt. Fast ein Viertel der unter Fünfjährigen, 129 Millionen, ist untergewichtig und ein Zehntel stark untergewichtig. Über 90 Prozent der unterentwickelten Kinder leben in Afrika und Asien. Allein in Indien leben 42 Prozent aller untergewichtigen Kinder weltweit.

Laut Welthunger-Index umfasst entscheidende Handlungsfenster zur Bekämpfung frühkindlicher Unterernährung den Zeitraum von -9 bis +24 Monaten, also die 1000 Tage zwischen Empfängnis und der Vollendung des zweiten Lebensjahres. Kinder, die in den ersten 1000 Tagen ihres Lebens unzureichend ernährt wurden, können bleibende Schäden davontragen, etwa eine eingeschränkte körperliche und geistige Entwicklung, ein schwaches Immunsystem bis hin zu einer geringeren Lebenserwartung. Nach Vollendung des zweiten Lebensjahres sind die Folgen von Unterernährung größtenteils reversibel.

Politische Handlungsempfehlungen

Auf der Grundlage des publizierten Materials geben die Herausgeber des WHI-Index eine Reihe von Handlungsempfehlungen:

  • Priorität von Ernährung bei politischen Entscheidungen
  • Bekämpfung indirekter Ursachen von Unterernährung, zum Beispiel durch Programme zur Förderung der Landwirtschaft und sozialen Sicherheit, die insbesondere die „Ärmsten der Armen“[2010 3] betreffen
  • Gezielte Ernährungsinterventionen für schwangere sowie stillende Frauen und Kinder unter 2 Jahren, die sich „an bereits erfolgreichen Methoden und lokalen Gegebenheiten orientieren“:[2010 3] Förderung von gesunden Stillpraktiken, einem ausreichenden Impfschutz, angemessener Beikostgaben, des Jodsalzverzehrs und je nach Bedarf die Verfügbarkeit von Nahrungsergänzungsstoffen wie Vitamin A und Zink.
  • Förderung der Gleichstellung von Frauen, da der WHI 2010 eine enge Verknüpfung von deren Benachteiligung und mangelhafter Ernährung sieht und sich dabei u. a. auf diverse Autoren beruft; insbesondere die Ernährungssicherheit von Mädchen und jungen Frauen soll mit Hilfe von Programmen erreicht werden, „die sich mit Gesundheit, Ernährung, Bildung und sozialer Sicherung in der Jugend und im frühen Erwachsenenalter befassen“[2010 3]

Literatur

WHIs 2005–2015 in der Ausgabe in deutscher und englischer Sprache, verfügbar auf der Webseite der Welthungerhilfe welthungerhilfe.de und IFPRI ifpri.org:

  • 2005Warnung vor dramatischer Zunahme von Hunger
  • 2006Kriege verschärfen Hunger – zehn afrikanische Länder bilden Schlusslicht
  • 2007Ein Drittel der Länder auf Kurs, Afrika bleibt Brennpunkt
  • 200833 Länder haben sehr ernste bis gravierende Hungersituation
  • 2009Wie die Finanzkrise den Hunger verschärft und warum es auf die Frauen ankommt
  • 2010Herausforderung Hunger: Die Chance der ersten tausend Tage
  • 2011Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen (Werte der drei Indikatoren in 134 Staaten (MS Excel; 58 kB), engl.)
  • 2012 - Herausforderung Hunger: Ernährung sichern, wenn Land, Wasser und Energie knapp werden
  • 2013 - Herausforderung Hunger: Widerstandsfähigkeit stärken, Ernährung sichern
  • 2014 - Herausforderung Verborgener Hunger
  • 2015 - Hunger und bewaffnete Konflikte


Weblinks

Einzelnachweise

2010

  1. UN World Food Program: Was ist Hunger

Klaus von Grebmer, Marie T. Ruel, Purnima Menon, Bella Nestorova, Tolulope Olofinbiyi, Heidi Fritschel, Yisehac Yohannes (IFPRI); Constanze von Oppeln, Olive Towey, Kate Golden, Jennifer Thompson (Concern Worldwide und Welthungerhilfe): Welthunger-Index. Herausforderung Hunger: Die Chance der ersten 1.000 Tage. Bonn / Washington DC / Dublin 2010, 60 Seiten

  1. Vorwort
  2. S.13
  3. a b c S.45

2011

Klaus von Grebmer, Maximo Torero, Tolulope Olofinbiyi, Heidi Fritschel, Doris Wiesmann, Yisehac Yohannes (IFPRI); Lilly Schofield, Constanze von Oppeln (Concern Worldwide und Welthungerhilfe): Welthunger-Index. Herausforderung Hunger: Wie steigende und stark schwankende Nahrungsmittelpreise den Hunger verschärfen. Bonn / Washington DC / Dublin 2011, 68 Seiten

  1. Kapitel 3: Hohe und volatile Nahrungsmittelpreise verschärfen den Hunger und Kapitel 4: Die Auswirkungen von Preisspitzen und Volatilität auf lokaler Ebene, Seite 21–45

2014

Welthunger-Index 2014. Herausforderung Verborgener Hunger. IFPRI / Welthungerhilfe / Concern Worldwide. Washington/Bonn/Dublin 2014, 60 Seiten

  1. Unser täglicher Mangel. ZEIT Online, 4. Juni 2013

2015

Welthunger-Index 2015. Hunger und bewaffnete Konflikte. IFPRI / Welthungerhilfe / Concern Worldwide. Washington DC/Bonn/Dublin 2015, 52 Seiten

  1. Anzahl der Länder nach Schweregrad. Welthunger-Index 2015
  2. Aus der Praxis: Fallstudie 2015. Aus der Praxis: Fallstudie 2015