Ilija Trojanow

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Ilija Trojanow auf der Frankfurter Buchmesse 2023

Ilija Trojanow (bulgarisch Илия Троянов; * 23. August 1965 in Sofia, Bulgarien) ist ein deutscher Schriftsteller, Übersetzer und Verleger.

Leben und Wirken

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Ilija Trojanow floh als Kind mit seiner bulgarischen Familie 1971 über Jugoslawien und Italien in die Bundesrepublik Deutschland und erhielt politisches Asyl. Im Jahr 1972 zog die Familie weiter nach Kenia, wo der Vater eine Anstellung als Ingenieur erhalten hatte. Unterbrochen von einem Deutschlandaufenthalt in den Jahren 1977 bis 1981, in denen er das Staatliche Landschulheim Marquartstein besuchte, lebte Ilija Trojanow bis 1984 in Nairobi.

Danach folgte ein Aufenthalt in Paris, und von 1985 bis 1989 studierte er an der Universität München Rechtswissenschaften und Ethnologie. Nachdem er dieses Studium abgebrochen hatte, gründete er 1989 in München den Kyrill-und-Method-Verlag und 1992 den Marino-Verlag, die beide auf afrikanische Literatur spezialisiert waren. Im Jahre 1999 übersiedelte Trojanow nach Mumbai und beschäftigte sich in den folgenden Jahren intensiv mit Indien. Von 2003 bis 2007 lebte er in Kapstadt; 2007 war er Mainzer Stadtschreiber. Er lebt in Wien.

Ilija Trojanow beim Hausacher Leselenz 2015

Trojanow verfasste in den 1990er Jahren einige Sachbücher und Reiseführer über Afrika, er gab eine Anthologie mit afrikanischer Gegenwartsliteratur heraus und übersetzte Werke afrikanischer Autoren. 1996 erschien sein erster eigener Roman Die Welt ist groß und Rettung lauert überall, in dem er die Erfahrungen seiner Familie als politische Flüchtlinge und Asylbewerber verarbeitete. Es folgten der Science-Fiction-Roman Autopol, dessen Entstehung als „novel in progress“ im Internet zu verfolgen war,[1] mit Hundezeiten ein Reisebericht über ein Wiedersehen mit der bulgarischen Heimat sowie Bücher über Trojanows Erfahrungen in Indien. In der Reportage Zu den heiligen Quellen des Islam beschrieb er seine Pilgerreise nach Mekka.[2] 2006 erschien sein vielgelobter Roman über den britischen Kolonialbeamten und Reisenden Richard Francis Burton, Der Weltensammler. Er wurde 2006 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet und stand auf der Auswahlliste für den Deutschen Buchpreis 2006.

Ilija Trojanow ist seit 2002 Mitglied des Pen-Zentrums Deutschland. Im November 2007 war er im Rahmen der Tübinger Poetik-Dozentur Dozent an der Universität Tübingen.

2007 drehte Trojanow die Dokumentation Vorwärts und nie vergessen – Ballade über bulgarische Helden über die Verbrechen und Grausamkeiten der bulgarischen Kommunisten und in der heutigen bulgarischen Gesellschaft verbreitete Lügen, die bereits im gleichen Jahr auf 3sat und im ZDF zu sehen war.[3] Der Film basiert auf Gesprächen mit politischen Gefangenen und Zeitzeugen, die auf Jahre und Jahrzehnte in den Gefängnissen und Lagern Bulgariens verschwunden waren.

Im April 2008 kuratierte Trojanow das Literaturfestival „RE ASIA – Avatar. Asiens Erzähler“ im Berliner Haus der Kulturen der Welt.

Für die taz verfasst Trojanow im Wechsel mit mehreren anderen Autoren seit 2006 die wöchentliche Kolumne „Das Schlagloch“.[4]

Seit 2008 ist Ilija Trojanow Herausgeber der Buchreihe Weltlese – Lesereisen ins Unbekannte, in der er als Herausgeber unentdeckte Autorinnen und Autoren und ungewöhnliche oder vergessene Texte veröffentlicht.[5]

Ilija Trojanow auf der Frankfurter Buchmesse 2015

2009 veröffentlichte Trojanow zusammen mit Juli Zeh das Buch Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte. Im Rahmen der Buchvorstellung kritisierten die beiden Autoren, dass der Staat unter dem Deckmantel der Terrorabwehr immer weiter in die Privatsphäre seiner Bürger vordringe.[6]

2010 war Trojanow Kurator des 1. Münchner Literaturfestes.[7]

In seinem 2011 erschienenen Roman EisTau thematisierte Trojanow den Klimawandel und das Abschmelzen der Gletscher.[8]

2013 wurde ihm in zeitlichem Zusammenhang mit Schriftsteller-Protesten gegen die Praktiken US-amerikanischer Geheimdienste (Überwachungs- und Spionageaffäre 2013) eine Einreise in die USA zu einem Germanistenkongress verweigert.[9][10] Nachdem sich der Schriftstellerverband P.E.N. und das Goethe-Institut für die Aufhebung des Einreiseverbots eingesetzt hatten, durfte Trojanow in die Vereinigten Staaten einreisen. Am 14. November 2013 beteiligte er sich im Goethe-Institut in New York an einer Diskussionsrunde mit der Journalistin Liesl Schillinger und der amerikanischen PEN-Präsidentin Suzanne Nossel über „Surveillance and the naked new world“.[11] Am 19. Juni 2014 hielt Trojanow in Dresden bei der Eröffnung des Theaterfestivals „Parallel Lives“ zum Thema Geheimdienste eine Rede über den Zusammenhang von Überwachung und Selbstzensur.[12]

Er gehört zu den Unterstützern der Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union, die Ende November 2016 veröffentlicht wurde.

Seit April 2017 ist Trojanow Beisitzer im Präsidium des PEN-Zentrums Deutschland.

Im Jahr 2022 hielt er die Festrede zur Eröffnung der Salzburger Festspiele. Er wandte sich gegen ein, wie er es nannte, „naives Kultursponsoring“. Dabei ging er auf die Rolle der Firma Solway ein, die einen großen Teil des Jugendprogramms der Festspiele sponserte, jedoch mit ihrem Nickelbergwerk in Guatemala für massive Umweltschäden verantwortlich gemacht wird. Die Firma musste kurz vor der Eröffnung ihr Sponsoring einstellen. Als ein weiteres Thema sprach Trojanow den russischen Überfall auf die Ukraine an. Auch hier ist für Trojanow die Gier die Triebfeder des Krieges, der schon lange unter der Oberfläche des Friedens gegoren habe.[13]

Werke (Auswahl)

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  • mit Peter Ripken: Afrikanissimo. Ein heiter-sinnliches Lesebuch. Peter Hammer Verlag, Wuppertal 1991.
  • Das Huhn das schreit gehört dem Fremden. München 1998.
  • Döner in Walhalla. Köln 2000.
  • Die Welt des Ryszard Kapuściński. Seine besten Geschichten und Reportagen. Frankfurt am Main 2007.
  • Egon Erwin Kisch. Die schönsten Geschichten und Reportagen. Berlin 2008.
  • Jamal Mahjoub: Die Stunde der Zeichen. Frankfurt am Main 2008. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • F. M. Esfandiary: Der letzte Ausweis. Frankfurt am Main 2009. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Marçal Aquino: Flieh. Und nimm die Dame mit. Frankfurt am Main 2009. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Herman Charles Bosman: Mafeking Road. Frankfurt am Main 2010. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Edwidge Danticat: Der verlorene Vater. Frankfurt am Main 2010. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • John Steinbeck: Russische Reise. Frankfurt am Main 2011. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Hinter der roten Sonne. Die schönsten Abenteuergeschichten. Aufbau Verlag, Berlin 2011, ISBN 978-3-351-03369-9.
  • Indra Sinha: Menschentier. Frankfurt am Main 2011. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • David Malouf: Die tapfersten der Söhne. Frankfurt am Main 2012. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Victor Serge: Die große Ernüchterung. Der Fall Tulajew. Frankfurt am Main 2012. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Anarchistische Welten. Edition Nautilus, Verlag Lutz Schulenburg, Hamburg 2012.
  • Peter Fröberg Idling: Pol Pots Lächeln. Frankfurt am Main 2013. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Arnon Grünberg: Couchsurfen und andere Schlachten. Zürich 2013.
  • Olivia Manning: Abschied von der Unschuld. Frankfurt am Main 2013. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Percival Everett: God’s Country. Frankfurt am Main 2014. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Lola Shoneyin: Die geheimen Leben der Frauen des Baba Segi. Frankfurt am Main 2014. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Kojo Laing: Die Sonnensucher. Frankfurt am Main 2015. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Lila Azam Zanganeh: Der Zauberer. Nabokov und das Glück. Frankfurt am Main 2015. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • José F. A. Oliver: HEIMATT: Frühe Gedichte. Auswahl, Berlin 2015, ISBN 978-3-89930-031-4.
  • mit Susann Urban: Durch Welt und Wiese oder Reisen zu Fuß. Die Andere Bibliothek, Berlin 2015, ISBN 978-3-8477-0370-9.
  • Ilijas Shansugirow: Das Lied von Kulager. Frankfurt am Main 2016. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Abbas Maroufi: Fereydun hatte drei Söhne. Frankfurt am Main 2016. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Pedro Rosa Mendes: Die Pilgerfahrt des Enmanuel Jhesus. Frankfurt am Main 2017. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Arnoldo Gálvez Suárez: Die Rache der Mercedes Lima. Frankfurt am Main 2017. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Isak Samokovlija: Der Jude, der am Sabbat nicht betet. Frankfurt am Main 2018. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • John Okada: No-No Boy. Frankfurt am Main 2018. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Mohandas Karamchand Gandhi: Mein Leben. München 2019.
  • Carlos Franz: Das Quartett der Liebenden. Frankfurt am Main 2019. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • G. V. Desani: Alles über Herrn H. Hatterr. Frankfurt am Main 2020. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Ahmed Bouanani: Das Krankenhaus. Frankfurt am Main 2020. (Weltlese. Lesereisen ins Unbekannte)
  • Michaela Haberkorn: Treibeis und Weltensammler. Konzepte nomadischer Identität in den Romanen von Libuše Moníková und Ilija Trojanow. In: Helmut Schmitz (Hrsg.): Von der nationalen zur internationalen Literatur. Transkulturelle deutschsprachige Literatur und Kultur im Zeitalter globaler Migration. (= Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik. 69). Rodopi, Amsterdam u. a. 2009, ISBN 978-90-420-2582-0.
  • Martina Ölke: Ilija Trojanows Erfolgsroman Der Weltensammler. In: Petra Meurer, Martina Ölke, Sabine Wilmes (Hrsg.): Interkulturelles Lernen. Mit Beiträgen zum Deutsch- und DaF-Unterricht, zu ‚Migranten‘-Bildern in den Medien und zu Texten von Özdamar, Trojanow und Zaimoglu. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89528-748-0.
  • Ekaterina Klüh: Interkulturelle Identitäten im Spiegel der Migrantenliteratur. Kulturelle Metamorphosen bei Ilija Trojanow und Rumjana Zacharieva. (= Saarbrücker Beiträge zur vergleichenden Literatur- und Kulturwissenschaft. Band 45). Würzburg 2009.
  • Alexander Honold: Ankunft in der Weltliteratur. Abenteuerliche Geschichtsreisen mit Ilija Trojanow und Daniel Kehlmann. In: Neue Rundschau, 01/2007. Frankfurt am Main 2007, S. 82–104.
  • Kira Schmidt: Burton als Held eines transkulturellen Mythos? Zu „Der Weltensammler“ (2006) von Ilija Trojanow. In: Acta Germanica: German Studies in Africa. Band 39, Frankfurt am Main 2011, S. 97–104.
  • Julian Preece (Hrsg.): Ilija Trojanow. (= Contemporary German Writers and Filmmakers. Band 2). Lang, Bern u. a. 2013, ISBN 978-3-0343-0894-6 (englisch).
  • Magdalena Drywa: Konstruktionen von Authentizität in zeitgenössischer Reiseliteratur. Solivagus Primum, Kiel 2018, ISBN 978-3-943025-50-7.
Commons: Ilija Trojanow – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. ZDF.de/Aspekte (Memento vom 23. Juni 1997 im Internet Archive) 1997, via Internet Archive
  2. Vgl. Ilja Trojanow ist zum Islam konvertiert und hat darüber ein bewegendes Buch geschrieben. In: taz, 27. November 2004. Eine Passage in einem Interview des „Standard“ (Wien) vom 11. April 2007 sorgt allerdings gelegentlich für Verwirrung, da Trojanow auf die Frage: „Nachdem Sie 2003 die Hadsch gemacht hatten, gab es in deutschen Medien Berichte, Sie seien zum Islam konvertiert“ antwortet: „Das hängt mir immer noch nach, aber es ist Quatsch. Ich bin gegen Ideologien, also kann ich nicht Anhänger eines Dogmas sein. Was mich am Islam interessiert, sind bestimmte Traditionen des Sufismus, also eine eher sinnlich-freidenkerische Ausrichtung“. Darüber hinaus steht Trojanows Bericht Zu den heiligen Quellen des Islams neben einer Erzählung über seine Reise auf hinduistischen Pilgerwegen (An den inneren Ufern Indiens).
  3. ZDF Dokumentation
  4. Beiträge von Trojanow auf taz.de.
  5. Programm der Reihe „Weltlese – Lesereisen ins Unbekannte“ auf den Seiten der Büchergilde Gutenberg.
  6. Neues Buch: „Angriff auf die Freiheit“, heise.de, 12. August 2009.
  7. muenchen.de
  8. EisTau. In: www.perlentaucher.de. Abgerufen am 6. November 2020.
  9. feb, lei, sha: Ilija Trojanow: Nach NSA-Protest Einreise in die USA verweigert. In: Spiegel Online. 10. Januar 2013, archiviert vom Original am 5. April 2014; abgerufen am 14. November 2013.
  10. Ilija Trojanow: Einreiseverbot für Ilija Trojanow: Willkür und Freiheit. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 1. Oktober 2013, archiviert vom Original am 30. März 2014; abgerufen am 14. November 2013.
  11. Tomasz Kurianowicz: Diskussion in New York: Trojanow zu Einreiseverbot und NSA. In: Spiegel Online. 14. November 2013, archiviert vom Original am 17. Dezember 2013; abgerufen am 14. November 2013.
  12. Ilija Trojanow: Wissen und Gewissen – Im Schattenreich der Überwachung, nachtkritik.de, 19. August 2014.
  13. Gerald Heidegger: Festredner Trojanow: „Die Händchenhalter sitzen auch in Österreich“. In: ORF.at. 26. Juli 2022, abgerufen am 29. Juli 2022.
  14. Longlist Europese Literatuurprijs 2012 bekend (Memento vom 30. Mai 2012 im Internet Archive)
  15. philosophicum.com (Memento vom 14. Juli 2014 im Internet Archive)
  16. Writer in Residence. (Memento vom 15. Februar 2016 im Internet Archive) owf.at
  17. Simone Winkelhog: Heinrich-Böll-Preis der Stadt Köln 2017 für Ilija Trojanow. Stadt Köln – Amt für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Pressemitteilung, 29. Mai 2017; abgerufen am 30. Mai 2017.
  18. english.sta.si
  19. Ehrenpreis des Buchhandels für Ilija Trojanow. orf.at, 7. Juni 2018; abgerufen am 7. Juni 2018.
  20. Ausgezeichnet: Die Preisträger der ITB BuchAwards 2019 stehen fest, Presse-Information der ITB vom 14. Januar 2019.
  21. [1]
  22. Hans-Jost Weyandt: Ost-Panorama: Der Folterknecht des Sozialismus. In: Spiegel Online. 18. September 2015.
  23. Aus dem literarischen Leben. Das Buch der Woche. DLF (Deutschlandfunk) Büchermarkt. Beitrag von Christoph Vormweg, am Mikrofon Denis Scheck