Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen

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Das von Jesus von Nazaret erzählte sogenannte Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen[1] (Matthäus 25,1–13 EU) beschäftigt sich als Parabel mit der Vorbereitung auf das Reich Gottes und den soteriologischen Konsequenzen daraus.

Das Gleichnis wird in der katholischen Kirche oft in der Heiligen Messe am Gedenktag heiliger Jungfrauen gelesen, etwa der hl. Cäcilia. In der Leseordnung der ordentlichen Form gehört es auch zum 32. Sonntag im Jahreskreis des Lesejahres A im Kirchenjahr der römisch-katholischen Kirche.

In der lutherischen Leseordnung wird dieses Gleichnis am letzten Sonntag des evang. Kirchenjahres, dem Toten- oder Ewigkeitssonntag, als Sonntagsevangelium gelesen. Traditionell thematisiert dieser letzte Sonntag des evang. Kirchenjahres in besonderer Weise die Erwartung des Jüngsten Tages. Dazu gehört als Sonntagsevangelium Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen. Es bildet die Grundlage für das Wochenlied, den Choral von Philipp Nicolai Wachet auf, ruft uns die Stimme (EG 147) und die darauf aufbauende Bachkantate gleichen Namens (BWV 140).

Drei der fünf törichten Jungfrauen zeigen ihren Kummer (Magdeburger Dom)
Drei der fünf klugen Jungfrauen zeigen ihre Freude (Magdeburger Dom)
Peter von Cornelius, Öl auf Leinwand, 1813–1819, Düsseldorf, Kunstmuseum Die klugen und die törichten Jungfrauen

Das Gleichnis gehört zum Sondergut des Matthäusevangeliums.

Text nach der Einheitsübersetzung:

„Dann wird es mit dem Himmelreich sein wie mit zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und dem Bräutigam entgegengingen. Fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. Die törichten nahmen ihre Lampen mit, aber kein Öl, die klugen aber nahmen außer den Lampen noch Öl in Krügen mit. Als nun der Bräutigam lange nicht kam, wurden sie alle müde und schliefen ein. Mitten in der Nacht aber hörte man plötzlich laute Rufe: Der Bräutigam kommt! Geht ihm entgegen! Da standen die Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen zurecht. Die törichten aber sagten zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, sonst gehen unsere Lampen aus. Die klugen erwiderten ihnen: Dann reicht es weder für uns noch für euch; geht doch zu den Händlern und kauft, was ihr braucht. Während sie noch unterwegs waren, um das Öl zu kaufen, kam der Bräutigam; die Jungfrauen, die bereit waren, gingen mit ihm in den Hochzeitssaal und die Tür wurde zugeschlossen. Später kamen auch die anderen Jungfrauen und riefen: Herr, Herr, mach uns auf! Er aber antwortete ihnen: Amen, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. Seid also wachsam! Denn ihr wisst weder den Tag noch die Stunde.“

Matthäus 25,1–13 EU
Schlafende Jungfrauen mit Öllampe, von Friedrich Wilhelm Schadow (Ausschnitt)

Für das Verständnis der damaligen Zuhörer spielte die Tradition der rabbinischen Gleichnisse eine wesentliche Rolle. Solche Gleichnisse zur Schriftauslegung finden sich häufig in Talmud und Midrasch und sie waren bereits in alttestamentlicher Zeit beliebt und typisch für das rabbinische Judentum. Diese Gleichnisse enthielten stilisierte Elemente aus dem Alltag, denen regelmäßig die gleichen geistlichen Motive entsprachen, so dass die Zuhörer entsprechend assoziieren konnten. So war mit dem König oder Gastgeber Gott gemeint, Kluge und Törichte entsprachen Gerechten und Sündern, das festliche Kleid war ein gerechtes Leben vor Gott, mit Wasser oder Brot war die Tora gemeint, mit Öl gute Taten (auch als Sühnehandlung), Gastmahl bedeutete eine enge Beziehung, Acker oder Weinberg war Israel.[2]

Ein rabbinisches Gleichnis, das teilweise ähnliche Motive verwendet, ist beispielsweise das Gleichnis von den klugen und törichten Gästen: Rabbi Elieser sagte (in Sprüche der Väter, Kapitel 2):

„Tue Buße einen Tag vor deinem Tode. Die Schüler sprachen zu Rabbi Elieser: Weiß denn der Mensch, an welchem Tage er sterben wird? Dieser erwiderte: Um so mehr muss er heute also Buße tun, vielleicht stirbt er morgen, es ergibt sich also, dass er all seine Tage in Buße verbringt. Ebenso sagte Salomo in seiner Weisheit: ‚Zu jeder Zeit mögen deine Kleider weiß sein, und deinem Haupte mangle es nie an Öl.‘ (Pred. 9,8)“

Rabbi Jochanan Ben Zakkai:

„Gleich einem König, der seine Gäste einlud, ohne ihnen eine bestimmte Zeit festzusetzen. Die Klugen schmückten sich und setzten sich vor die Tür des Königs, indem sie sprachen: Fehlt denn etwas im Hause des Königs? Die Toren dagegen gingen zur Arbeit fort, indem sie sprachen: Gibt es denn eine Mahlzeit ohne Vorbereitung? Als der König plötzlich nach seinen Dienern verlangte, traten die Klugen geschmückt ein, die Toren dagegen traten in ihrem Schmutz ein. Da freute sich der König über die Klugen und zürnte über die Toren und sprach: Diese da, die sich zur Mahlzeit geschmückt haben, mögen sich setzen und essen und trinken; jene aber, die sich zur Mahlzeit nicht geschmückt haben, mögen stehen bleiben und zuschauen, wie es heißt: Siehe, meine Knechte werden trinken, Ihr aber sollt dürsten. Siehe, meine Knechte werden vor Fröhlichkeit jubeln, ihr aber sollt vor Herzweh aufschreien. (Jes. 65,13f, Babylonischer Talmud, Traktat Schabbat. Blatt 153 Vorderseite)“

Ein anderes rabbinisches Gleichnis kontrastiert kluge und törichte Gäste, die zu einem Festmahl geladen sind. Die klugen Gäste gingen nach Hause, so lange ihre Lampen noch brannten, die törichten betranken sich und begannen zu streiten und sich gegenseitig umzubringen.[3]

Die Mischna erzählt (mTaan 4, 8), was Rabban Simeon ben Gamaliel berichtet: Von der Solidarität der Mädchen, die in den Weinbergen vor den Augen möglicher Bräutigame tanzten, doch alle in geborgten Kleidern, um die nicht zu beschämen, die keine schönen Kleider besaßen. Dies sei einer der beiden fröhlichen Tage im Jahr gewesen.[4]

Von den Kirchenvätern wurde das Gleichnis stark allegorisiert, wobei die Interpretationen sehr unterschiedlich waren. Hier einige, die Thomas von Aquin in der Catena aurea gesammelt hat:

  • Jungfrauen: Der Kirchenvater Hieronymus gibt an, dass manche die Jungfrauen buchstäblich als Jungfrauen interpretieren, wobei einige körperlich und im Geiste jungfräulich seien, andere aber nur körperlich und im Geiste verheiratet. Er selbst bezieht das Gleichnis auf die ganze Menschheit. Hilarius von Poitiers interpretiert die Lampen als das Licht der hellen Seelen, die im Sakrament der Taufe strahlen. Augustinus von Hippo bezieht die zehn Jungfrauen auf die fünf Sinne, die töricht und weise verwendet werden können.
  • Öl: Das Öl bedeutet bei Hilarius gute Werke, bei Chrysostomos Nächstenliebe, Almosen und jede Hilfe, die Notleidenden gegeben wird, bei Origenes das Wort der Lehre, mit dem die Gefäße der Seele gefüllt sind.
Tympanon der Galluspforte des Basler Münsters

Das Gleichnis war im Mittelalter eines der populärsten Gleichnisse. Nach der Deutung der glossa ordinaria[5] symbolisieren die klugen Jungfrauen, die sich rechtzeitig mit Öl für ihre Öllampen versorgt haben, die christliche Seele, die sich in fünffacher Weise tugendhaft Gott zuwendet; die törichten Jungfrauen, die zwar Öllampen haben, aber kein Öl, symbolisieren fünf Arten der fleischlichen Lust und Verdammnis.

In der bildenden Kunst Europas wurde das Gleichnis von den zehn Jungfrauen vielerorts dargestellt, insbesondere im Bildwerk der gotischen Kathedralen. Häufig befand sich die Darstellung am Westportal, zusammen mit allegorischen Darstellungen von Ecclesia und Synagoge.

Neuzeitliche Auslegungen

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Anita Rée Die klugen und die törichten Jungfrauen, Wandbild in der Schule Uferstraße Hamburg 1929, 1942 zerstört

Joachim Jeremias schreibt, Jesus habe nicht vom endzeitlichen Kommen eines Messias, sondern schlicht von einer Hochzeit erzählt. Nicht die Jungfrauen, sondern die Hochzeit werde mit der Königsherrschaft Gottes verglichen. Die Plötzlichkeit sei der Kernmoment, um den es gehe; er solle aufschrecken und auffordern, für anstehende Veränderungen wach zu bleiben.[6] Luise Schottroff richtet das Augenmerk auf die Jungfrauen, womit etwa 12-jährige Mädchen bezeichnet würden, von denen erwartet werde, dass sie sich heiratsfähig präsentierten. Das Gleichnis zeige die harte Realität einer patriarchalen Gesellschaft: Mädchen, die die gesellschaftlichen Erwartungen nicht erfüllten, würden von denen ausgeschlossen, die sie erfüllten. Das könne zum Umdenken herausfordern.[7]

Manche Ausleger, die weiterhin eine allegorische Deutung befürworten, führen das Gleichnis als Beispiel auf, wie Matthäus auch Frauen (und nicht nur Männer) mit dem zukünftigen Reich Gottes in Beziehung setzt.[8] Manche Ausleger, die Impulse der Erweckungsbewegungen aufnehmen, betonen, die Mitternacht im Gleichnis gehe nicht dem Gericht, sondern der Hochzeit voraus, die als Entrückung der Gläubigen und ihre endzeitliche Vereinigung mit Jesus Christus gedeutet werden dürfe.[9] Der Dispensationalist John F. Walvoord (1910–2002) sieht darin konkret einen Antisemitismus: das Gericht über die Juden (mit positivem und negativem Ausgang) nach der Zeit der großen Trübsal werde beschrieben, bevor Jesus mit seiner Braut, der Kirche, zurückkomme, um das tausendjährige Reich anzutreten.[10] Eckhart Tolle kritisiert die Auslegung des Gleichnisses, die er für grundsätzlich falsch halte. Diese Parabel spreche nicht vom Ende der Welt, sondern vom Ende psychologischer Zeit. Sie deute auf das Hinausgehen über den Ego-Verstand hin und auf die Möglichkeit, in einem gänzlich neuen Bewusstseinszustand zu leben. Die unbewussten (törichten) Jungfrauen haben nicht genug Bewusstsein (Öl), um gegenwärtig zu bleiben (ihre Lampen am Brennen zu halten). Sie verpassen somit das Jetzt (den Bräutigam) und können nicht zur Erleuchtung (Hochzeitsfest) finden.[11]

Christliche Ikonographie

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Aus dem 6. Jahrhundert
Chorbogen Unser Frauen zu Memmingen

Das Gleichnis ist schon in der bisher ältesten bekannten Kirchendekoration in der Hauskirche von Dura Europos (erste Hälfte des 3. Jahrhunderts) dargestellt. Es nimmt dort auf zwei Wänden einen bevorzugten Platz ein. In der folgenden kirchlichen Kunst wird das Gleichnis auch in der Katakombenmalerei des 4. Jahrhunderts (Cyriaka-Katakombe, Rom) und koptischen Fresken dargestellt. Als frühe Buchmalerei erscheint das Motiv im Codex Rossanensis, einem um 550 illuminierten griechischen Evangeliar.

Im 12. Jahrhundert, mit Beginn der Gotik, tritt das Thema als skulpturaler Schmuck an französischen Kathedralportalen auf, dort allerdings nur marginal in Archivolten und Türpfostenreliefs. Eine markantere Rolle spielen die Jungfrauen an den Portalanlagen im deutschen Sprachraum. An der Galluspforte (12. Jhdt.) des Basler Münsters besetzen sie den Türsturz, monumentale Gestalt gewinnen sie an den Figurenportalen und Paradiesvorhallen des 13. Jahrhunderts (Bremen, um 1230; Magdeburg, um 1240/60; Straßburg, nach 1276; Freiburg, um 1300). Die Figuren geben seit dem Magdeburger Zyklus dem gotischen Bildhauer Gelegenheit, die Affekte Trauer und Seligkeit in aller Dramatik auszudrücken. Der Jungfrauenzyklus wird entweder dem Marienthema zugeordnet (Maria als mystische Braut Christi) oder dem Weltgericht.

Wandmalereien des Themas finden sich gern im Chorbogen. In Skandinavien fand das Motiv der klugen Jungfrauen vor allem Eingang in Kirchenbänke und Chorgestühle, so etwa auf der schwedischen Insel Gotland in den mittelalterlichen Kirchen von Gothem und Stenkyrka.

In der Glasmalerei erscheinen die Jungfrauen in der Elisabethkirche Marburg, 13. Jahrhundert, und 1953 durch Charles Crodel im Zuge des Wiederaufbaus der Frankfurter Katharinenkirche. Das große Altarmosaik von Otto Habel (1961) in der Domkirche St. Eberhard in Stuttgart zeigt die Jungfrauen auf der rechten und linken Seite einer monumentalen Christusdarstellung. In der christlichen Kunst während der ganzen Renaissance- und Barockzeit spielt das Thema hingegen kaum eine Rolle.

Skulpturenzyklen

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Törichte Jungfrauen mit Verführer (Straßburger Münster)
Christus mit den klugen Jungfrauen (Straßburger Münster)

Das Gleichnis bildet die Grundlage für den Choral von Philipp Nicolai Wachet auf, ruft uns die Stimme (GL 554 bzw. EG 147) und die darauf aufbauende Bachkantate gleichen Namens (BWV 140). Es wird außerdem aufgenommen in der zweiten, von Otto Riethmüller überarbeiteten Strophe des Chorals Der Morgenstern ist aufgedrungen (EG 69).

→ Siehe auch die Abschnitte in den einschlägigen Kommentaren (v. a. Luz, Gnilka) und den Werken zu biblischen Gleichnissen

  • Joachim Jeremias: Die Gleichnisse Jesu. Kurzausgabe. 9. Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1984, ISBN 3-525-33498-2, (Kleine Vandenhoeck-Reihe 1500), S. 34f., 116f.
  • Armand Puig i Tárrech: La parabole des dix vièrges. Mt. 25, 1–13. Biblical Institute Press, Rom u. a. 1983, ISBN 88-7653-102-5, (Analecta Biblica 102), (Collectania Sant Pacia 28).
  • Susanne Schmid-Grether: Gleich einem tiefen Brunnen voll Wasser … Neutestamentliche Gleichnisse auf dem jüdischen Hintergrund neu gelesen und verstanden. JCFV, Wetzikon 1998, ISBN 3-9521622-1-3, S. 85–92: 5.4 Gleichnis von den zehn Mädchen.
  • Luise Schottroff: Die Gleichnisse Jesu. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2005, ISBN 3-579-05200-4, S. 44–53.
  • Regine Körkel-Hinkfoth: Die Parabel von den klugen und törichten Jungfrauen (Mt. 25, 1–13) in der bildenden Kunst und im geistlichen Schauspiel. Lang, Frankfurt am Main 1994. (Frankfurt (Main), Univ., Diss., 1992). ISBN 3-631-46174-7.
  • Ruben Zimmermann: Das Hochzeitsritual im Jungfrauengleichnis. Sozialgeschichtliche Hintergründe zu Mt 25.1–13. In: New Testament Studies 48,1 (2002), S. 48–70 doi:10.1017/S0028688502000048.

Einzelnachweise

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  1. Andere Überschrift: Die geschlossene Tür, Schottroff, S. 44.
  2. Susanne Schmid-Grether, Gleich einem tiefen Brunnen voll Wasser… Neutestamentliche Gleichnisse auf dem jüdischen Hintergrund neu gelesen und verstanden, Wetzikon, 1998.
  3. Craig Blomberg: Die Gleichnisse Jesu.
  4. Text bei Schottroff: Gleichnisse, S. 45.
  5. Siehe dazu etwa Émile Mâle: Die Gotik. Die französische Kathedrale als Gesamtkunstwerk. Stuttgart, Zürich: Belser, 2. Aufl. 1994, S. 190.
  6. Jeremias: Gleichnisse, S. 35.116.
  7. Schofftroff: Tür, S. 44ff.
  8. D. M. Scholer: Women (Gospels) in IVP Dictionary of the New Testament.
  9. So Fritz Rienecker: Das Evangelium des Matthäus (Wuppertaler Studienbibel) und Friedrich Eichler: Die Entrückung kurz vor der großen Trübsal: in allgemeinverständlicher Form biblisch-philologisch begründet, 1924 (zitiert bei Rienecker).
  10. John Walvoord: Das Neue Testament erklärt und ausgelegt, Bnd 4, 1983.
  11. Eckhart Tolle: Jetzt – Die Kraft der Gegenwart, 2002, 6 Aufl., S. 133–134.