„Ballaststoff“ – Versionsunterschied
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'''Ballaststoffe''' sind weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile, meist [[Polysaccharid]]e, also [[Kohlenhydrate]], die vorwiegend in pflanzlichen [[Lebensmittel]]n vorkommen. Sie kommen unter anderem in [[Getreide]], [[Obst]], [[Gemüse]], [[Hülsenfrucht|Hülsenfrüchten]] und in geringen Mengen in [[Milch]] vor. Der Einfachheit wegen teilt man die Ballaststoffe in wasserlösliche (wie [[Johannisbrotkernmehl]], [[Guar]], [[Pektin]] und [[Dextrin]]e) und wasserunlösliche (zum Beispiel [[Cellulose]]) ein. Ballaststoffe gelten mittlerweile, ganz anders als ihre Bezeichnung vermuten lässt, als wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Die [[ |
'''Ballaststoffe''' sind weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile, meist [[Polysaccharid]]e, also [[Kohlenhydrate]], die vorwiegend in pflanzlichen [[Lebensmittel]]n vorkommen. Sie kommen unter anderem in [[Getreide]], [[Obst]], [[Gemüse]], [[Hülsenfrucht|Hülsenfrüchten]] und in geringen Mengen in [[Milch]] vor. Der Einfachheit wegen teilt man die Ballaststoffe in wasserlösliche (wie [[Johannisbrotkernmehl]], [[Guar]], [[Pektin]] und [[Dextrin]]e) und wasserunlösliche (zum Beispiel [[Cellulose]]) ein. Ballaststoffe gelten mittlerweile, ganz anders als ihre Bezeichnung vermuten lässt, als wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Die [[Physiologischer Brennwert#Brennwertangaben in der Nährwertkennzeichnung der EU|EU-Verordnung]] zur Nährwertkennzeichnung weist ihnen pauschal einen Brennwert von 8 kJ/g zu. |
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Der Ballaststoffgehalt der Lebensmittel ist sehr unterschiedlich. Zusätzlich zu dem absoluten Gehalt ist das Verhältnis zum Kohlenhydratgehalt für die Ernährung ausschlaggebend. |
Der Ballaststoffgehalt der Lebensmittel ist sehr unterschiedlich. Zusätzlich zu dem absoluten Gehalt ist das Verhältnis zum Kohlenhydratgehalt für die Ernährung ausschlaggebend. |
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Die folgenden Tabellen geben einige Beispiele an. Eine ausführlichere Tabelle ist in den Weblinks angegeben.<ref>[http://www.gmf-info.de/ballaststoffe.pdf Infos zu Ballaststoffen inkl. Tabelle Ballaststoffgehalt der Lebensmittel] (PDF; 27 |
Die folgenden Tabellen geben einige Beispiele an. Eine ausführlichere Tabelle ist in den Weblinks angegeben.<ref>[http://www.gmf-info.de/ballaststoffe.pdf Infos zu Ballaststoffen inkl. Tabelle Ballaststoffgehalt der Lebensmittel] (PDF; 27 kB) [[Vereinigung Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung]]</ref> Nach der vom [[Max Rubner-Institut]] herausgegebenen [[Nationale Verzehrsstudie II|Nationalen Verzehrsstudie II]] sind Getreideerzeugnisse mit 41 % die wichtigste Ballaststoffquelle der Deutschen, vor Obst (21 %) und Gemüse (16 %).<ref>[http://www.bmelv.de/SharedDocs/Downloads/Ernaehrung/NVS_ErgebnisberichtTeil2.pdf?__blob=publicationFile ''Nationale Verzehrsstudie II''.] (PDF) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz</ref> Alle deutschen [[Mehl#Mehltypen|Typenmehle]] können nach den restriktiven EU-Richtlinien als Ballaststoffquelle bezeichnet werden, da sie mehr als 3 % Ballaststoffe aufweisen.<ref>[http://www.muehlen.org/meldung+M55b5c4f9b2a.html Pressemitteilung des VDM vom 16. August 2011]</ref> |
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Ballaststoffe können bis zum 100fachen ihres Eigengewichtes an Wasser binden. Es ist daher vor allem bei separater Aufnahme von Ballaststoffen wie [[Leinsamen]] oder [[Weizenkleie]] sehr wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu trinken, da der [[Chymus|Verdauungsbrei]] im Darm sonst auf Grund von Wassermangel verhärtet und eine [[Verstopfung]] begünstigt statt ihr entgegenzuwirken. |
Ballaststoffe können bis zum 100fachen ihres Eigengewichtes an Wasser binden. Es ist daher vor allem bei separater Aufnahme von Ballaststoffen wie [[Leinsamen]] oder [[Weizenkleie]] sehr wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu trinken, da der [[Chymus|Verdauungsbrei]] im Darm sonst auf Grund von Wassermangel verhärtet und eine [[Verstopfung]] begünstigt statt ihr entgegenzuwirken. |
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; Gesamtballaststoffe in g je 100 g des jeweiligen Lebensmittels (alle Angaben beziehen sich auf das verzehrsfertige Frischgewicht, übliche Verzehrsform): |
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Die im Speisebrei vorhandenen Ballaststoffe sorgen durch ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, für eine stetige Zunahme seines Volumens – ballaststoffreicher Speisebrei übt also zusätzlichen Druck auf die Darmwand aus und regt dadurch die [[Peristaltik]] an, was die Verweildauer ballaststoffreicher Kost im Darm (entgegen der im Magen) verkürzt. |
Die im Speisebrei vorhandenen Ballaststoffe sorgen durch ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, für eine stetige Zunahme seines Volumens – ballaststoffreicher Speisebrei übt also zusätzlichen Druck auf die Darmwand aus und regt dadurch die [[Peristaltik]] an, was die Verweildauer ballaststoffreicher Kost im Darm (entgegen der im Magen) verkürzt. |
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Kein höheres Tier besitzt eigene [[Enzym]]e zur Spaltung wasserunlöslicher Ballaststoffe, insbesondere Cellulose |
Kein höheres Tier besitzt eigene [[Enzym]]e zur Spaltung wasserunlöslicher Ballaststoffe, insbesondere Cellulose – dass diese Stoffe bei [[Wiederkäuer]]n dennoch enzymatisch gespalten werden, liegt vielmehr an Mikroorganismen, die ihren [[Pansen]] besiedeln. Im Dünn- und auch im Dickdarm dagegen fehlen solche Bakterien, so dass wasser''unlösliche'' Ballaststoffe den weiteren [[Verdauungstrakt]] praktisch unverändert passieren. |
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Ein Teil der wasser''löslichen'' Ballaststoffe hingegen wird im [[Dickdarm]] noch einmal durch die dort anwesende [[Darmflora]] [[Fermentation|fermentiert]], wobei unterschiedliche Mengen an teils geruchlosen Gasen wie z. B. [[Kohlenstoffdioxid]], [[Methan]] und [[Wasserstoff]], aber auch kurzkettige [[Fettsäure]]n (engl. SCFA (short chain fatty acids)) wie [[Essigsäure|Acetat]], [[Propionsäure|Propionat]] und [[Buttersäure|Butyrat]] entstehen, die gegenüber mittel- und langkettigen Fettsäuren eine Reihe von Besonderheiten aufweisen (''siehe [[Fettverdauung]]'') und, von der Dickdarmschleimhaut weitgehend resorbiert, zur Ernährung der Schleimhautzellen beitragen. |
Ein Teil der wasser''löslichen'' Ballaststoffe hingegen wird im [[Dickdarm]] noch einmal durch die dort anwesende [[Darmflora]] [[Fermentation|fermentiert]], wobei unterschiedliche Mengen an teils geruchlosen Gasen wie z. B. [[Kohlenstoffdioxid]], [[Methan]] und [[Wasserstoff]], aber auch kurzkettige [[Fettsäure]]n (engl. SCFA (short chain fatty acids)) wie [[Essigsäure|Acetat]], [[Propionsäure|Propionat]] und [[Buttersäure|Butyrat]] entstehen, die gegenüber mittel- und langkettigen Fettsäuren eine Reihe von Besonderheiten aufweisen (''siehe [[Fettverdauung]]'') und, von der Dickdarmschleimhaut weitgehend resorbiert, zur Ernährung der Schleimhautzellen beitragen. |
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Eine ballaststoffreiche Ernährung hat möglicherweise einen cholesterinsenkenden Effekt. |
Eine ballaststoffreiche Ernährung hat möglicherweise einen cholesterinsenkenden Effekt. |
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Der [[Faeces|Stuhl]] ist die einzige Möglichkeit des menschlichen Körpers, [[Cholesterin]] auszuscheiden. Ballaststoffe erhöhen die [[Gallensäure]]ausscheidung über den Stuhl, indem sie Gallensäuren bzw. deren Salze binden und so ihre Rückresorbtion im [[Ileum]] verhindern.<ref>D.T. Forman et al.: ''Increased excretion of fecal bile acids by an oral hydrophilic colloid''. In: ''Proc Soc Exper Biol Med.'', 127, 1968, S. 1060.</ref> Dies wiederum führt zu einer kompensatorisch gesteigerten Gallensäuresynthese, die ihrerseits Cholesterin verbraucht. |
Der [[Faeces|Stuhl]] ist die einzige Möglichkeit des menschlichen Körpers, [[Cholesterin]] auszuscheiden. Ballaststoffe erhöhen die [[Gallensäure]]ausscheidung über den Stuhl, indem sie Gallensäuren bzw. deren Salze binden und so ihre Rückresorbtion im [[Ileum]] verhindern.<ref>D.T. Forman et al.: ''Increased excretion of fecal bile acids by an oral hydrophilic colloid''. In: ''Proc Soc Exper Biol Med.'', 127, 1968, S. 1060, [[doi:10.3181/00379727-127-32870]].</ref> Dies wiederum führt zu einer kompensatorisch gesteigerten Gallensäuresynthese, die ihrerseits Cholesterin verbraucht. |
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Es gibt aber auch Studien, die eine cholesterinsenkende Wirkung nicht bestätigen.<ref name="odysso">[http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=2258124/xo4az5/index.html ''Der Mythos von den Ballaststoffen''.] Odysso – Wissen entdecken, SWR Fernsehen, 11. Januar 2007</ref><ref> |
Es gibt aber auch Studien, die eine cholesterinsenkende Wirkung nicht bestätigen.<ref name="odysso">[http://www.swr.de/odysso/-/id=1046894/nid=1046894/did=2258124/xo4az5/index.html ''Der Mythos von den Ballaststoffen''.] Odysso – Wissen entdecken, SWR Fernsehen, 11. Januar 2007</ref><ref>{{Literatur |Autor=Lisa Brown, Bernard Rosner, Walter W Willett, Frank M Sacks |Titel=Cholesterol-lowering effects of dietary fiber: a meta-analysis |Sammelwerk=[[The American Journal of Clinical Nutrition]] |Band=69 |Nummer=1 |Datum=1999-01 |Seiten=30–42 |Kommentar=freier Volltext |PMID=9925120}}</ref> |
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==== Koronare Herzkrankheit ==== |
==== Koronare Herzkrankheit ==== |
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=== Divertikulose/Divertikulitis === |
=== Divertikulose/Divertikulitis === |
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Zur Wirkung von Ballaststoffen auf Patienten mit [[Divertikulose]] und deren entzündlicher Form, der [[Divertikulitis]], gibt es unterschiedliche Studien, die teilweise zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Eine Studie besagt, dass eine ballaststoffarme Kost das Auftreten dieser Krankheiten begünstigt sowie, dass die Divertikulose durch ballaststoffreiche Kost behandelt werden kann.<ref> |
Zur Wirkung von Ballaststoffen auf Patienten mit [[Divertikulose]] und deren entzündlicher Form, der [[Divertikulitis]], gibt es unterschiedliche Studien, die teilweise zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Eine Studie besagt, dass eine ballaststoffarme Kost das Auftreten dieser Krankheiten begünstigt sowie, dass die Divertikulose durch ballaststoffreiche Kost behandelt werden kann.<ref>{{Literatur |Autor=Walid H. Aldoori |Titel=Dietary Fiber in Health and Disease |Reihe=Advances in Experimental Medicine and Biology |Band=427 |Hrsg=David Kritchevsky, Charles Bonfield |Verlag=Springer |Ort=New York |Datum=1997 |Kapitel=Kapitel 29: ''The Protective Role of Dietary Fiber in Diverticular Disease'' |Seiten=291–308 |ISBN=978-1-4613-7735-1 |DOI=10.1007/978-1-4615-5967-2_29}}</ref> Dies konnte dadurch belegt werden, dass man bei Divertikulose-Patienten einen hohen Druck im Dickdarminneren fand, der sich durch Langzeitbehandlung mit Weizenkleie gegenüber Placebo signifikant senken ließ.<ref>J. Weinreich: ''Zur Therapie von Dickdarmerkrankungen mit pflanzenfasernballaststoffreicher Kost: Ergebnisse einer Studie''. In: J. Rottka: ''Pflanzenfasern-Ballaststoffe in der menschlichen Ernährung''. Thieme, Stuttgart 1980.</ref> Dieser hohe Druck wird neben anderen Faktoren für die Entstehung der Dickdarm-Divertikel (Ausstülpungen) verantwortlich gemacht. Es gibt jedoch auch eine Studie,<ref name="Peery">{{Literatur |Autor=Anne F. Peery, Patrick R. Barrett, Doyun Park, Albert J. Rogers, Joseph A. Galanko, Christopher F. Martin, Robert S. Sandler |Titel=A High-Fiber Diet Does Not Protect Against Asymptomatic Diverticulosis |Sammelwerk=[[Gastroenterology]] |Band=142 |Nummer=2 |Datum=2012-02 |Seiten=266–272.e1 |DOI=10.1053/j.gastro.2011.10.035 |PMID=22062360}}</ref> die zu dem Schluss kommt, dass ballaststoffreiche Kost das Risiko, an Divertikulose/Divertikulitis zu erkranken, sogar erhöht. |
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=== Darmkrebs === |
=== Darmkrebs === |
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Es kann davon ausgegangen werden, dass das individuelle [[Darmkrebs]]risiko von der [[Genetische Prädisposition|genetischen Prädisposition]], von der vorhandenen Belastung von Nahrungsmitteln mit Karzinogenen, von der Nahrungszusammensetzung und zusätzlich auch von der Ernährungsweise abhängig ist. Nach wie vor umstritten ist, wie stark einzelne Faktoren das Risiko erhöhen oder mindern. Es wird z. B. vermutet, dass die Beschleunigung der Darmpassage durch ballaststoffreiche Kost dazu führt, dass im [[Chymus|Nahrungsbrei]] mehr oder weniger reichlich vorhandene Karzinogene nur kurz auf die Darmwand einwirken und dass dadurch das Krebsrisiko sinkt. |
Es kann davon ausgegangen werden, dass das individuelle [[Darmkrebs]]risiko von der [[Genetische Prädisposition|genetischen Prädisposition]], von der vorhandenen Belastung von Nahrungsmitteln mit Karzinogenen, von der Nahrungszusammensetzung und zusätzlich auch von der Ernährungsweise abhängig ist. Nach wie vor umstritten ist, wie stark einzelne Faktoren das Risiko erhöhen oder mindern. Es wird z. B. vermutet, dass die Beschleunigung der Darmpassage durch ballaststoffreiche Kost dazu führt, dass im [[Chymus|Nahrungsbrei]] mehr oder weniger reichlich vorhandene Karzinogene nur kurz auf die Darmwand einwirken und dass dadurch das Krebsrisiko sinkt. |
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Experimentelle Befunde [[in vitro]] belegen, dass das bei der Ballaststoff-[[Fermentation]] gebildete [[Butyrat]] (s. o.) einer gestörten Zellvermehrung vorbeugt und damit die Krebsentstehung hemmt.<ref>W. Scheppach et al.: ''Effect of short-chain fatty acids on the human colonic mucosa in vitro''. In: ''J Parent Ent Nutr'' 16, 1992, S. 43–48</ref><ref>W. Scheppach: ''Effects of short chain fatty acids on gut morphology and function''. In: ''Gut'', Suppl. 1, 1994, S. 35–38.</ref> Diese Befunde lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das [[In vivo|In-vivo]]-Milieu im Darm des Menschen übertragen. |
Experimentelle Befunde [[in vitro]] belegen, dass das bei der Ballaststoff-[[Fermentation]] gebildete [[Butyrat]] (s. o.) einer gestörten Zellvermehrung vorbeugt und damit die Krebsentstehung hemmt.<ref>W. Scheppach et al.: ''Effect of short-chain fatty acids on the human colonic mucosa in vitro''. In: ''J Parent Ent Nutr'' 16, 1992, S. 43–48, [[doi:10.1177/014860719201600143]].</ref><ref>W. Scheppach: ''Effects of short chain fatty acids on gut morphology and function''. In: ''Gut'', Suppl. 1, 1994, S. 35–38, {{PMC|1378144}}.</ref> Diese Befunde lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das [[In vivo|In-vivo]]-Milieu im Darm des Menschen übertragen. |
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[[Biopsie]]n belegen, dass rund 90 Prozent aller Colonkrebsfälle sich entweder aus [[Dickdarmpolyp]]en oder aus [[Adenom]]en entwickeln. Eine Vermeidung von Polypen oder Adenomen durch eine ballaststoffreiche Kost konnte durch eine Studie jedoch nicht belegt werden.<ref>Petra Meinert: [http://www.gesunde-ernaehrung.org/ |
[[Biopsie]]n belegen, dass rund 90 Prozent aller Colonkrebsfälle sich entweder aus [[Dickdarmpolyp]]en oder aus [[Adenom]]en entwickeln. Eine Vermeidung von Polypen oder Adenomen durch eine ballaststoffreiche Kost konnte durch eine Studie jedoch nicht belegt werden.<ref>Petra Meinert: [http://www.gesunde-ernaehrung.org/images/Dr_Rainer_Wild_Stiftung/06_Downloads/Mitteilungen/pdf/003I_Mitteilung_Heft08.pdf ''In der Diskussion: Ballaststoffe''.] (PDF; 593 kB) In: ''Mitteilungen des Internat. Arbeitskreises für Kulturforschung des Essens'', Heft 8, 2001, S. 44 f.</ref> Ebenso wenig sind Studien bekannt, die unterlegen, dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Risiko der Entartung von benignen zu malignen Tumoren senken bzw. eine ballaststoffarme Ernährung dieses erhöhen. |
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Die Studienlage ist uneinheitlich: Eine [[Metaanalyse]] von fünf [[Randomisierte, kontrollierte Studie|Interventionsstudien]] zeigte keinen vor Darmkrebs schützenden Effekt.<ref>TK. Asano, RS. McLeod: ''Dietary fibre for the prevention of colorectal adenomas and carcinomas.'' Cochrane Database of Systematic Reviews 2002, Issue 1. Art. No.: CD003430. [[doi:10.1002/14651858.CD003430]]</ref> Dagegen belegt die [[European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition|EPIC-Studie]],<ref>[http://www.iarc.fr/en/media-centre/pr/2003/pr146.html EPIC-Studie].</ref> dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Darmkrebsrisiko um ca. 40 Prozent senkt. Der Grund für diese [[Diskrepanz]] könnte in den unterschiedlichen [[Klinische Studie|Studiendesigns]] liegen. So kann die EPIC-Studie z. B. [[Störfaktor |
Die Studienlage ist uneinheitlich: Eine [[Metaanalyse]] von fünf [[Randomisierte, kontrollierte Studie|Interventionsstudien]] zeigte keinen vor Darmkrebs schützenden Effekt.<ref>TK. Asano, RS. McLeod: ''Dietary fibre for the prevention of colorectal adenomas and carcinomas.'' Cochrane Database of Systematic Reviews 2002, Issue 1. Art. No.: CD003430. [[doi:10.1002/14651858.CD003430]]</ref> Dagegen belegt die [[European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition|EPIC-Studie]],<ref>[http://www.iarc.fr/en/media-centre/pr/2003/pr146.html EPIC-Studie].</ref> dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Darmkrebsrisiko um ca. 40 Prozent senkt. Der Grund für diese [[Diskrepanz]] könnte in den unterschiedlichen [[Klinische Studie|Studiendesigns]] liegen. So kann die EPIC-Studie z. B. [[Störfaktor]]en nicht ausschließen. |
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=== Aktuelle Empfehlungen === |
=== Aktuelle Empfehlungen === |
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Der [[Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung]] (UGB) empfiehlt daher, die Ballaststoffzufuhr langsam anzuheben. Dies kann durch einen gesteigerten Verzehr von bissfest gegartem Gemüse und später eine langsame Einfuhr von Rohkost erfolgen. Auch kann Weißmehl schrittweise durch Vollkornmehl ersetzt werden.<ref>[http://www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/ballaststoffe-essen/ ''Wohl bekomm’s: Ballaststoffreich essen''.] abgerufen am 19. August 2013.</ref> Eine hohe Ballaststoffzufuhr wird durch [[Vollwerternährung]] erreicht. |
Der [[Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung]] (UGB) empfiehlt daher, die Ballaststoffzufuhr langsam anzuheben. Dies kann durch einen gesteigerten Verzehr von bissfest gegartem Gemüse und später eine langsame Einfuhr von Rohkost erfolgen. Auch kann Weißmehl schrittweise durch Vollkornmehl ersetzt werden.<ref>[http://www.ugb.de/ernaehrungsplan-praevention/ballaststoffe-essen/ ''Wohl bekomm’s: Ballaststoffreich essen''.] abgerufen am 19. August 2013.</ref> Eine hohe Ballaststoffzufuhr wird durch [[Vollwerternährung]] erreicht. |
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Die FoodDrinkEurope (FDE) empfiehlt in ihren [[Guideline Daily Amount]]s 25 Gramm pro Tag.<ref> |
Die FoodDrinkEurope (FDE) empfiehlt in ihren [[Guideline Daily Amount]]s 25 Gramm pro Tag.<ref>{{Webarchiv |url=http://gda.fooddrinkeurope.eu/asp2/gdas_portions_rationale.asp?doc_id=127 |wayback=20140923122745 |text=''fibre''.}} Guidelines der FDE; abgerufen am 10. März 2013.</ref> |
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Die [[Harvard School of Public Health]] empfiehlt die tägliche Aufnahme von mindestens 20 Gramm, am besten in Form von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen.<ref> |
Die [[Harvard School of Public Health]] empfiehlt die tägliche Aufnahme von mindestens 20 Gramm, am besten in Form von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen.<ref>{{Webarchiv |url=http://www.hsph.harvard.edu/nutritionsource/what-should-you-eat/fiber-full-story/index.html |wayback=20130102224259 |text=''Fiber: Start Roughing It!''}} Harvard School of Public Health.</ref> |
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Die [[American Heart Association]] empfiehlt täglich 25 Gramm.<ref>[http://www.heart.org/HEARTORG/GettingHealthy/NutritionCenter/HealthyDietGoals/Whole-Grains-and-Fiber_UCM_303249_Article.jsp ''Whole Grains and Fiber''.] [[American Heart Association]], abgerufen am 20. Mai 2013.</ref> |
Die [[American Heart Association]] empfiehlt täglich 25 Gramm.<ref>[http://www.heart.org/HEARTORG/GettingHealthy/NutritionCenter/HealthyDietGoals/Whole-Grains-and-Fiber_UCM_303249_Article.jsp ''Whole Grains and Fiber''.] [[American Heart Association]], abgerufen am 20. Mai 2013.</ref> |
Version vom 16. März 2017, 08:45 Uhr
Ballaststoffe sind weitgehend unverdauliche Nahrungsbestandteile, meist Polysaccharide, also Kohlenhydrate, die vorwiegend in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommen. Sie kommen unter anderem in Getreide, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und in geringen Mengen in Milch vor. Der Einfachheit wegen teilt man die Ballaststoffe in wasserlösliche (wie Johannisbrotkernmehl, Guar, Pektin und Dextrine) und wasserunlösliche (zum Beispiel Cellulose) ein. Ballaststoffe gelten mittlerweile, ganz anders als ihre Bezeichnung vermuten lässt, als wichtiger Bestandteil der menschlichen Ernährung. Die EU-Verordnung zur Nährwertkennzeichnung weist ihnen pauschal einen Brennwert von 8 kJ/g zu.
Definition
Der in der Nährwertetabelle angegebene Ballaststoffgehalt eines Lebensmittels unterliegt gesetzlichen Bestimmungen.[1] § 2 der Nährwertkennzeichnungsverordnung (Begriffsbestimmungen) definiert u. a.:
- Ballaststoffe = Kohlenhydratpolymere mit drei oder mehr Monomereinheiten, die im Dünndarm des Menschen weder verdaut noch absorbiert werden und zu folgenden Kategorien zählen:
- a) essbare Kohlenhydratpolymere, die in Lebensmitteln, wenn diese verzehrt werden, auf natürliche Weise vorkommen;
- b) essbare Kohlenhydratpolymere, die auf physikalische, enzymatische oder chemische Weise aus Lebensmittelrohstoffen gewonnen werden und nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen eine positive physiologische Wirkung besitzen;
- c) essbare synthetische Kohlenhydratpolymere, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Nachweisen eine positive physiologische Wirkung besitzen;
Abgrenzung zu Rohfaser
Der Begriff Rohfaser wurde vor mehr als 100 Jahren in der Futtermittelanalytik geprägt. Da Ballaststoffe teilweise ebenfalls eine faserige Struktur haben, werden sie oft irrtümlich mit diesen gleichgesetzt. Auch im Englischen gibt es mehrere Begriffe wie „crude fiber“, „dietary fiber“, „non nutritive carbohydrates“. Der Ballaststoffgehalt übersteigt in jedem Falle den Rohfasergehalt, der fast ausschließlich aus Cellulose besteht. In der Literatur werden Umrechnungsfaktoren zwischen 2 und 6 angegeben, also z. B. Rohfasergehalt × 6 = Ballaststoffgehalt. Bei Getreide und Hülsenfrüchten gelten eher die höheren Umrechnungswerte (4–6), bei Obst und Gemüse etwa 2–3.
Arten und Vorkommen
Ballaststoffe kommen in verschiedenen pflanzlichen Nahrungsmitteln in unterschiedlicher Menge vor. Man teilt Ballaststoffe grob in wasserunlösliche und wasserlösliche ein; aufgrund ihrer Einsetzbarkeit als Verdickungsmittel (siehe auch Schleimstoffe) werden einige speziell für die Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff produziert (Alginate als Salze der Alginsäure aus verschiedenen Algen, Agar ebenfalls aus Algen, Xanthan usw.).
Nährstoff | E-Nummer | Vorkommen / Gewinnung |
---|---|---|
Wasserunlösliche Ballaststoffe | ||
β-Glucane | ||
Cellulose | E 460 | Getreide, Obst, Gemüse (alle Pflanzen) |
Lichenin | — | Hafer & Gerste = 6–8 %; Weizen & Roggen < 2 % |
Chitin | — | in Pilzen, Exoskelett von Insekten und Krustentieren |
Hemicellulosen | Getreide, Kleie, Holz, Hülsenfrüchte | |
Hexosane | — | Weizen, Gerste |
Pentosane | — | Roggen, Hafer |
Lignin | — | Obstkerne, Gemüse (Fäden bei grünen Bohnen), Getreide |
Xanthan | E 415 | Gewinnung mit Xanthomonas-Bakterien aus zuckerhaltigen Substraten |
Wasserlösliche Ballaststoffe | ||
Fruktane | ersetzen oder ergänzen in einigen Pflanzentaxa die Stärke als Speicherkohlenhydrat | |
Inulin | — | in verschiedenen Pflanzen, z. B. Topinambur, Chicorée, etc. |
Polyuronide | ||
Pektin | E 440 | in der Obstschale (besonders Äpfel, Quitten), Gemüse |
Alginsäure (Alginate) | E 400 – E 407 | in Algen |
Natriumalginat | E 401 | |
Kaliumalginat | E 402 | |
Ammoniumalginat | E 403 | |
Calciumalginat | E 404 | |
Propylenglycolalginat (PGA) | E 405 | |
Agar | E 406 | |
Carrageen | E 407 | Rotalgen |
Raffinose | — | ersetzen oder ergänzen in Hülsenfrüchte die Stärke als Speicherkohlenhydrat |
Xylose | — | Einfachzucker, Pentose |
Polydextrose | E 1200 | synthetisches Polymer, ca. 1kcal/g |
Lactulose | — | synthetisches Disaccharid |
Ballaststoffgehalte verschiedener Lebensmittel
Der Ballaststoffgehalt der Lebensmittel ist sehr unterschiedlich. Zusätzlich zu dem absoluten Gehalt ist das Verhältnis zum Kohlenhydratgehalt für die Ernährung ausschlaggebend.
Die folgenden Tabellen geben einige Beispiele an. Eine ausführlichere Tabelle ist in den Weblinks angegeben.[2] Nach der vom Max Rubner-Institut herausgegebenen Nationalen Verzehrsstudie II sind Getreideerzeugnisse mit 41 % die wichtigste Ballaststoffquelle der Deutschen, vor Obst (21 %) und Gemüse (16 %).[3] Alle deutschen Typenmehle können nach den restriktiven EU-Richtlinien als Ballaststoffquelle bezeichnet werden, da sie mehr als 3 % Ballaststoffe aufweisen.[4]
Ballaststoffe können bis zum 100fachen ihres Eigengewichtes an Wasser binden. Es ist daher vor allem bei separater Aufnahme von Ballaststoffen wie Leinsamen oder Weizenkleie sehr wichtig, ausreichend Flüssigkeit zu trinken, da der Verdauungsbrei im Darm sonst auf Grund von Wassermangel verhärtet und eine Verstopfung begünstigt statt ihr entgegenzuwirken.
Ballaststoffgehalt | Lebensmittel |
---|---|
>10 % | Roggen, Roggenknäckebrot, Roggenvollkornmehl/-schrot, Weizenspeisekleie |
5 % … 10 % | Datteln, Dinkel, Erdnüsse, Feigen, Gerste, Graupen, Hafer, entspelzt, Haferflocken, Haselnüsse, Holunderbeeren, Mais, Mandeln, Nüsse, Pumpernickel, Quitten, Roggenmehl: alle Mehltypen, Roggenmischbrot, Schwarze Johannisbeeren, Sultaninen, Vollkornbrot, Vollkornnudeln, Walnüsse, Weizen, Weizengrieß, Weizenmehl Type 1050 |
2 % … 4,9 % | Äpfel, Aprikosen, Artischocken, Avocados, Bananen, Birnen, Blumenkohl, Bohnen, Erbsen, Fenchel, Grünkohl, Heidelbeeren, Himbeeren, Kürbis, Linsen, Möhren/Karotten, Rosenkohl, Sauerkraut, Toastbrot, Weizenbrötchen, Weizenmischbrot, Weizenmehl: Type 405 und 550, Zwiebeln |
<2 % | Ananas, Auberginen, Erdbeeren, Gurken, Kartoffeln, Kirschen, Kopfsalat, Mandarinen, Melonen, Pfirsiche, Pflaumen, Spargel, Spinat, Tomaten, Weintrauben, Zucchini |
- Gesamtballaststoffe in g je 100 g des jeweiligen Lebensmittels (alle Angaben beziehen sich auf das verzehrsfertige Frischgewicht, übliche Verzehrsform)
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Eigenschaften und Wirkungen
Grund für die Unverdaulichkeit
Der Grund für die vollständige oder teilweise Unverdaulichkeit ist entweder ein fehlendes Enzym zur Spaltung der vorliegenden (glycosidischen) Bindung oder ein fehlendes Transportprotein für den aktiven Transport durch die Zellmembran aus dem Darm in die Darmschleimhaut. Der Mensch beispielsweise besitzt Enzyme, um glycosidische Bindungen vom Typ α-1→2 (Saccharose) oder α-1→4 (z. B. Maltose) zu spalten, aber keines für Verbindungen mit dem β-1→4-Typ (Cellulose). Ebenso besitzt der Mensch eine ganze Reihe von Glucosetransportern. Im Falle von Isomalt liegt eine Bindung vor, die gespalten werden kann; die Glucose, die 50 % ausmacht, wird durch die Darmwand resorbiert und in den Körperzellen metabolisiert, das Sorbitol und das Mannitol (je 25 % Anteil) hingegen können nicht durch die Darmwand resorbiert werden.
Magen
Ballaststoffe in der Nahrung vergrößern allein durch ihr Vorhandensein das Nahrungsvolumen, ohne gleichzeitig auch den Energiegehalt zu steigern. Einige Ballaststoffe, z. B. Kleie oder Flohsamenschalen, haben dabei die Eigenschaft, sehr viel Wasser zu binden, was dazu führt, dass sie, sofern nicht schon vor der Aufnahme hinreichend gequollen, im Magen weiteres Wasser aufnehmen und die daraus resultierende Volumenzunahme zu einer stärkeren Dehnung des Magensackes führt, die ihrerseits zu einer Senkung des appetitanregenden Ghrelin-Spiegels und damit zu einer Zunahme des Sättigungsgefühls führt.
Ballaststoffe wirken sich außerdem auf die Magenverweildauer aus, indem sie diese verlängern,[5] zum einen dadurch, dass das Aufquellen eine gewisse Zeit dauert, zum anderen dadurch, dass nachträglich Wasser getrunken oder seitens des Magens sezerniert werden muss, damit der Nahrungsbrei die zur Magenpassage nötige Mindestfluidität bzw. Maximalviskosität erhält.
Darm
Die im Speisebrei vorhandenen Ballaststoffe sorgen durch ihre Fähigkeit, Wasser zu binden, für eine stetige Zunahme seines Volumens – ballaststoffreicher Speisebrei übt also zusätzlichen Druck auf die Darmwand aus und regt dadurch die Peristaltik an, was die Verweildauer ballaststoffreicher Kost im Darm (entgegen der im Magen) verkürzt.
Kein höheres Tier besitzt eigene Enzyme zur Spaltung wasserunlöslicher Ballaststoffe, insbesondere Cellulose – dass diese Stoffe bei Wiederkäuern dennoch enzymatisch gespalten werden, liegt vielmehr an Mikroorganismen, die ihren Pansen besiedeln. Im Dünn- und auch im Dickdarm dagegen fehlen solche Bakterien, so dass wasserunlösliche Ballaststoffe den weiteren Verdauungstrakt praktisch unverändert passieren.
Ein Teil der wasserlöslichen Ballaststoffe hingegen wird im Dickdarm noch einmal durch die dort anwesende Darmflora fermentiert, wobei unterschiedliche Mengen an teils geruchlosen Gasen wie z. B. Kohlenstoffdioxid, Methan und Wasserstoff, aber auch kurzkettige Fettsäuren (engl. SCFA (short chain fatty acids)) wie Acetat, Propionat und Butyrat entstehen, die gegenüber mittel- und langkettigen Fettsäuren eine Reihe von Besonderheiten aufweisen (siehe Fettverdauung) und, von der Dickdarmschleimhaut weitgehend resorbiert, zur Ernährung der Schleimhautzellen beitragen.
Einige Ballaststoffe sind pflanzliche Substanzen, die aus ökologischer Sicht Fraßfeinde abwehren sollen, so dass aus schlecht verdauten Ballaststoffen allerdings auch toxische Gärungsalkohole und biogene Amine entstehen können, die die Darmschleimhaut und die Immunabwehr schädigen.[6]
Neben Wasser binden Ballaststoffe aber auch Mineralstoffe, Toxine, Gallensäuren sowie Mikroorganismen, die anschließend gemeinsam über den Stuhl ausgeschieden werden. Bei ausgewogener Mischkost stellt das kein Problem dar, bei separater Ballaststoffzufuhr jedoch kann längerfristig auch ein Mineralstoffmangel auftreten.[7]
Ernährungsphysiologische Einschätzung
Die Vorstellung, dass eine ballaststoffreiche Kost gesundheitsförderlich ist und der Vorbeugung gegen Zivilisationskrankheiten dient, wurde u. a. durch eine epidemiologische Studie von Burkitt und Trowell aus den 1970er Jahren ausgelöst,[8] die nahelegte, dass Afrikaner, die sich ballaststoffreich ernähren, erheblich seltener an manchen Zivilisationskrankheiten erkranken als Europäer und Amerikaner unter ballaststoffarmer Kost. Wegen methodischer Mängel gilt diese Studie heute jedoch nicht mehr als Beweis für die seinerzeit daraus abgeleitete „Ballaststoffhypothese“.
Die seither durchgeführten Kontrollstudien konnten die Hypothese in Teilen stützen, teils gibt es jedoch nach wie vor widersprüchliche Ergebnisse.
Cholesterin
Eine ballaststoffreiche Ernährung hat möglicherweise einen cholesterinsenkenden Effekt.
Der Stuhl ist die einzige Möglichkeit des menschlichen Körpers, Cholesterin auszuscheiden. Ballaststoffe erhöhen die Gallensäureausscheidung über den Stuhl, indem sie Gallensäuren bzw. deren Salze binden und so ihre Rückresorbtion im Ileum verhindern.[9] Dies wiederum führt zu einer kompensatorisch gesteigerten Gallensäuresynthese, die ihrerseits Cholesterin verbraucht.
Es gibt aber auch Studien, die eine cholesterinsenkende Wirkung nicht bestätigen.[10][11]
Koronare Herzkrankheit
Mehrere Studien belegen, dass eine ballaststoffreiche Kost das Risiko, an der Koronaren Herzkrankheit zu erkranken, und somit das Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, vermindert.[12][13][14][15][16]
Ein möglicher Mechanismus hierfür könnte der cholesterinsenkende Effekt der Ballaststoffe sein.
Cholezystolithiasis (Gallensteinleiden)
Es gibt Hinweise darauf, dass eine ballaststoffreiche Kost das Risiko, cholesterinhaltige Gallensteine zu bekommen, reduziert.[17][18] Dieser Umstand könnte generell auf die Erhöhung der Gallensäureausscheidung im Stuhl zurückzuführen sein.
Blutzuckerspiegel
Ballaststoffe senken die glykämische Last des Chymus.
Aus ballaststoffreicher Nahrung werden die Kohlenhydrate im Darm langsamer aufgenommen, dadurch kommt es zu einem langsameren, also weniger steilem Blutzuckeranstieg nach dem Essen und dementsprechend weniger steilen Blutzuckerabfall nach der Spaltung der Stärke. Deshalb wird Diabetikern empfohlen, sich ballaststoffreich zu ernähren.
Zahnkaries
Eine ballaststoffreiche Ernährung regt zum ausgiebigen Kauen an. Sie massiert und strafft das Zahnfleisch und reinigt mechanisch Teile der Zahnoberfläche.[19] Reichliches Kauen erhöht außerdem die Speichelmenge. Der Speichel wirkt als pH-Puffer und das im Speichel enthaltene Kalziumphosphat sorgt für eine Remineralisation des Zahnschmelzes.[20]
Divertikulose/Divertikulitis
Zur Wirkung von Ballaststoffen auf Patienten mit Divertikulose und deren entzündlicher Form, der Divertikulitis, gibt es unterschiedliche Studien, die teilweise zu völlig gegensätzlichen Ergebnissen kommen. Eine Studie besagt, dass eine ballaststoffarme Kost das Auftreten dieser Krankheiten begünstigt sowie, dass die Divertikulose durch ballaststoffreiche Kost behandelt werden kann.[21] Dies konnte dadurch belegt werden, dass man bei Divertikulose-Patienten einen hohen Druck im Dickdarminneren fand, der sich durch Langzeitbehandlung mit Weizenkleie gegenüber Placebo signifikant senken ließ.[22] Dieser hohe Druck wird neben anderen Faktoren für die Entstehung der Dickdarm-Divertikel (Ausstülpungen) verantwortlich gemacht. Es gibt jedoch auch eine Studie,[23] die zu dem Schluss kommt, dass ballaststoffreiche Kost das Risiko, an Divertikulose/Divertikulitis zu erkranken, sogar erhöht.
Darmkrebs
Es kann davon ausgegangen werden, dass das individuelle Darmkrebsrisiko von der genetischen Prädisposition, von der vorhandenen Belastung von Nahrungsmitteln mit Karzinogenen, von der Nahrungszusammensetzung und zusätzlich auch von der Ernährungsweise abhängig ist. Nach wie vor umstritten ist, wie stark einzelne Faktoren das Risiko erhöhen oder mindern. Es wird z. B. vermutet, dass die Beschleunigung der Darmpassage durch ballaststoffreiche Kost dazu führt, dass im Nahrungsbrei mehr oder weniger reichlich vorhandene Karzinogene nur kurz auf die Darmwand einwirken und dass dadurch das Krebsrisiko sinkt.
Experimentelle Befunde in vitro belegen, dass das bei der Ballaststoff-Fermentation gebildete Butyrat (s. o.) einer gestörten Zellvermehrung vorbeugt und damit die Krebsentstehung hemmt.[24][25] Diese Befunde lassen sich jedoch nicht ohne Weiteres auf das In-vivo-Milieu im Darm des Menschen übertragen.
Biopsien belegen, dass rund 90 Prozent aller Colonkrebsfälle sich entweder aus Dickdarmpolypen oder aus Adenomen entwickeln. Eine Vermeidung von Polypen oder Adenomen durch eine ballaststoffreiche Kost konnte durch eine Studie jedoch nicht belegt werden.[26] Ebenso wenig sind Studien bekannt, die unterlegen, dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Risiko der Entartung von benignen zu malignen Tumoren senken bzw. eine ballaststoffarme Ernährung dieses erhöhen.
Die Studienlage ist uneinheitlich: Eine Metaanalyse von fünf Interventionsstudien zeigte keinen vor Darmkrebs schützenden Effekt.[27] Dagegen belegt die EPIC-Studie,[28] dass eine ballaststoffreiche Ernährung das Darmkrebsrisiko um ca. 40 Prozent senkt. Der Grund für diese Diskrepanz könnte in den unterschiedlichen Studiendesigns liegen. So kann die EPIC-Studie z. B. Störfaktoren nicht ausschließen.
Aktuelle Empfehlungen
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) empfiehlt, täglich mindestens 30 Gramm Ballaststoffe zu sich zu nehmen, am besten durch Vollkornprodukte, Gemüse, frisches oder getrocknetes Obst und Nüsse. Auf eine gleichzeitige ausreichende Flüssigkeitszufuhr ist zu achten.[29] Die Nationale Verzehrsstudie II ergab allerdings, dass 68 % der Männer und 75 % der Frauen deutlich weniger Ballaststoffe zu sich nehmen.[30]
Der Verband für Unabhängige Gesundheitsberatung (UGB) empfiehlt daher, die Ballaststoffzufuhr langsam anzuheben. Dies kann durch einen gesteigerten Verzehr von bissfest gegartem Gemüse und später eine langsame Einfuhr von Rohkost erfolgen. Auch kann Weißmehl schrittweise durch Vollkornmehl ersetzt werden.[31] Eine hohe Ballaststoffzufuhr wird durch Vollwerternährung erreicht.
Die FoodDrinkEurope (FDE) empfiehlt in ihren Guideline Daily Amounts 25 Gramm pro Tag.[32]
Die Harvard School of Public Health empfiehlt die tägliche Aufnahme von mindestens 20 Gramm, am besten in Form von Vollkornprodukten, Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Nüssen.[33]
Die American Heart Association empfiehlt täglich 25 Gramm.[34]
Literatur
- Hans-Dieter Belitz, Werner Grosch, Peter Schieberle: Lehrbuch der Lebensmittelchemie. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Springer, Berlin 2001, ISBN 978-3-540-73201-3.
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Verordnung über nährwertbezogene Angaben bei Lebensmitteln und die Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln
- ↑ Infos zu Ballaststoffen inkl. Tabelle Ballaststoffgehalt der Lebensmittel (PDF; 27 kB) Vereinigung Getreide-, Markt- und Ernährungsforschung
- ↑ Nationale Verzehrsstudie II. (PDF) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- ↑ Pressemitteilung des VDM vom 16. August 2011
- ↑ Werner Baltes, Reinhard Matissek: Lebensmittelchemie. 7. Auflage, Springer 2011, ISBN 978-3-642-16538-2, S. 13.
- ↑ Udo Pollmer, Susanne Warmuth: Lexikon der populären Ernährungsirrtümer. München 2006, S. 324
- ↑ Gesundheitskost – gesunde Kost? Verbraucherzentrale NRW, 5. Aufl. 1996, S. 35
- ↑ DP. Burkitt, HC. Trowell: Dietary fibre and western diseases. In: Ir Med J., 1977 Jun 18, 70(9), S. 272–277.
- ↑ D.T. Forman et al.: Increased excretion of fecal bile acids by an oral hydrophilic colloid. In: Proc Soc Exper Biol Med., 127, 1968, S. 1060, doi:10.3181/00379727-127-32870.
- ↑ Der Mythos von den Ballaststoffen. Odysso – Wissen entdecken, SWR Fernsehen, 11. Januar 2007
- ↑ Lisa Brown, Bernard Rosner, Walter W Willett, Frank M Sacks: Cholesterol-lowering effects of dietary fiber: a meta-analysis. In: The American Journal of Clinical Nutrition. Band 69, Nr. 1, Januar 1999, S. 30–42, PMID 9925120 (freier Volltext).
- ↑ H. Wu et al.: Dietary fiber and progression of atherosclerosis: the Los Angeles Atherosclerosis Study. In: Am J Clin Nutr., 2003 Dec, 78(6), S. 1085–1091, PMID 14668268.
- ↑ AT. Erkkila et al.: Cereal fiber and whole-grain intake are associated with reduced progression of coronary-artery atherosclerosis in postmenopausal women with coronary artery disease. In: Am Heart J., 2005 Jul, 150(1), S. 94–101, PMID 16084154.
- ↑ LA. Bazzano et al.: Dietary fiber intake and reduced risk of coronary heart disease in US men and women: the National Health and Nutrition Examination Survey I Epidemiologic Follow-up Study. In: Arch Intern Med., 2003 Sep 8, 163(16), S. 1897–904, PMID 12963562.
- ↑ P. Pietinen et al.: Intake of dietary fiber and risk of coronary heart disease in a cohort of Finnish men. The Alpha-Tocopherol, Beta-Carotene Cancer Prevention Study. In: Circulation, 1996 Dec 1, 94(11), S. 2720–2727, PMID 8941095.
- ↑ D. Lairon et al.: Dietary fiber intake and risk factors for cardiovascular disease in French adults. In: Am J Clin Nutr., 2005 Dec, 82(6), S. 1185–1194, PMID 16332650.
- ↑ C.J. Tsai et al.: Long-term intake of dietary fiber and decreased risk of cholecystectomy in women. In: Am J Gastroenterol., 2004 Jul, 99(7), S. 1364–1370, PMID 15233680.
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- ↑ W. Holzinger: Prophylaxefibel. Grundlagen der Zahngesundheitsvorsorge. 5. Auflage. Hanser, München/Wien 1988.
- ↑ Walid H. Aldoori: Dietary Fiber in Health and Disease. Hrsg.: David Kritchevsky, Charles Bonfield (= Advances in Experimental Medicine and Biology. Band 427). Springer, New York 1997, ISBN 978-1-4613-7735-1, Kapitel 29: The Protective Role of Dietary Fiber in Diverticular Disease, S. 291–308, doi:10.1007/978-1-4615-5967-2_29.
- ↑ J. Weinreich: Zur Therapie von Dickdarmerkrankungen mit pflanzenfasernballaststoffreicher Kost: Ergebnisse einer Studie. In: J. Rottka: Pflanzenfasern-Ballaststoffe in der menschlichen Ernährung. Thieme, Stuttgart 1980.
- ↑ Anne F. Peery, Patrick R. Barrett, Doyun Park, Albert J. Rogers, Joseph A. Galanko, Christopher F. Martin, Robert S. Sandler: A High-Fiber Diet Does Not Protect Against Asymptomatic Diverticulosis. In: Gastroenterology. Band 142, Nr. 2, Februar 2012, S. 266–272.e1, doi:10.1053/j.gastro.2011.10.035, PMID 22062360.
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- ↑ W. Scheppach: Effects of short chain fatty acids on gut morphology and function. In: Gut, Suppl. 1, 1994, S. 35–38, PMC 1378144 (freier Volltext).
- ↑ Petra Meinert: In der Diskussion: Ballaststoffe. (PDF; 593 kB) In: Mitteilungen des Internat. Arbeitskreises für Kulturforschung des Essens, Heft 8, 2001, S. 44 f.
- ↑ TK. Asano, RS. McLeod: Dietary fibre for the prevention of colorectal adenomas and carcinomas. Cochrane Database of Systematic Reviews 2002, Issue 1. Art. No.: CD003430. doi:10.1002/14651858.CD003430
- ↑ EPIC-Studie.
- ↑ Müssen die Ernährungsempfehlungen für die Ballaststoffaufnahme geändert werden? DGE.
- ↑ Nationale Verzehrsstudie II Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.
- ↑ Wohl bekomm’s: Ballaststoffreich essen. abgerufen am 19. August 2013.
- ↑ fibre. ( vom 23. September 2014 im Internet Archive) Guidelines der FDE; abgerufen am 10. März 2013.
- ↑ Fiber: Start Roughing It! ( vom 2. Januar 2013 im Internet Archive) Harvard School of Public Health.
- ↑ Whole Grains and Fiber. American Heart Association, abgerufen am 20. Mai 2013.