Deutsche Minderheit in Dänemark

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Die deutsche Minderheit in Dänemark, die sich in Nordschleswig selbst als „deutsche Nordschleswiger“ bezeichnet, besteht aus etwa 15.000 bis 20.000 Menschen in Nordschleswig. Das entspricht etwa sechs bis neun Prozent der Bevölkerung von Sønderjyllands Amt. Dies gehört seit 2007 zur Region Syddanmark, welche aufgrund der erhöhten Einwohnerzahl einen Anteil von ein bis zwei Prozent deutscher Nordschleswiger hat. Ein weiterer Teil der deutschen Minderheit in Dänemark lebt in Kopenhagen.[1]

Deutsche Minderheit in Nordschleswig

Identität und Sprache

Publikationen der Minderheit selbst ziehen oft die Bezeichnung deutsche Volksgruppe als Bezeichnung für die Minderheit vor. Seitens der dänischen Mehrheitsbevölkerung werden die Angehörigen auch „Deutschgesinnte“ (dänisch: tysksindet) oder „Heimdeutsche“ (hjemmetyskere) genannt. Letzteres Wort stammt aus der Zeit nach 1864 und bezeichnete ursprünglich im Gegensatz zu den preußischen Beamten und Soldaten, die sich erst nach 1864 ansiedelten, die einheimischen Deutschgesinnten Schleswigs. Manchmal wird es als Schimpfwort empfunden, obwohl es von vielen als traditionelle und neutrale Benennung gemeint wird. Die dänischen Einwohner bezeichnen sich spätestens seit 1920 kaum als Nordschleswiger, sondern als Süderjüten (dänisch: sønderjyder) und den Landesteil als Süderjütland (Sønderjylland).

Bei den deutschen Nordschleswigern gibt es einen Zusammenfall von Sprache, nationaler Gesinnung und kultureller Herkunft. Sprachlich gesehen ist die deutsche Volksgruppe muttersprachlich hundertprozentig zwei- oder mehrsprachig (Zur Definition von Zweisprachigkeit, siehe Zweisprachigkeit): Hochdeutsch und manchmal auch noch Nordschleswiger Platt werden im häuslichen Sprachgebrauch sowie als Hochsprache bei offiziellen Anlässen (Gottesdienst, Feste und Vereine) verwendet, wobei Niederdeutsch in Nordschleswig weniger verbreitet war als im mittleren und südlichen Schleswig, sich jedoch noch in einer kleinen täglichen Spalte in der Tageszeitung „Der Nordschleswiger“ wiederfindet. Die Umgangssprache der deutschen Nordschleswiger ist daneben vor allem Sønderjysk (Synnejysk), das im Alltag noch von fast zwei Dritteln, hauptsächlich von den älteren Menschen der Volksgruppe verwendet wird. Der Gebrauch von Sønderjysk ist in den letzten Jahrzehnten generell stark zurückgegangen, es hat sich jedoch in der deutschen Minderheit stärker als unter den dänischgesinnten Nordschleswigern gehalten. Da Sønderjysk durch offizielle Stellen nicht gefördert wird und die Anzahl der Sprecher abnimmt, ist dieses Idiom bedroht.

Nach den Bonn-Kopenhagener Erklärungen von 1955 ist das Bekenntnis zu einer nationalen Minderheit frei und darf nicht nachgeprüft werden. Dänische Volkszählungen erfassen auch keine Angaben zur ethnischen Zugehörigkeit. Der Kern der Minderheit findet sich im Bund Deutscher Nordschleswiger (siehe unten), in der Schleswigschen Partei und ihren Wählern sowie in den Menschen, die die deutschen Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Bibliotheken besuchen, wieder. Viele Angehörige der Minderheit, aber auch Teile der dänischen Bevölkerung, bezeichnen sich eher als Schleswiger denn als deutsch oder dänisch. Ein eher regionaler und pro-europäischer Kurs wird auch von der Schleswigschen Partei stark betont. Bestrebungen zum Bewahren des südjütischen Dialekts (sønderjysk) haben starke Zustimmung innerhalb der deutschen Minderheit gefunden. Im Kulturverein Æ Synnejysk Forening arbeiten deutsch- und dänischgesinnte eng zusammen, was eine Neuerung darstellt, wenn man mit den traditionell national getrennten Jugendvereinen, Turnvereinen, kirchlichen Vereinen usw. vergleicht.

Organisationen

Bund Deutscher Nordschleswiger

Flagge des Bundes Deutscher Nordschleswiger

Der Bund Deutscher Nordschleswiger ist die Dachorganisation der deutschen Minderheit und vertritt sie in allen Fragen nach außen. Mit einer Mitgliederzahl von etwa 4.500 ist er der größte Verband sowie der Herausgeber der Tageszeitung „Der Nordschleswiger“ (Auflage: 4.000).
Trotz Strafverfolgung und anderer widriger Umstände gelang 1945 ein neuer politischer Anfang mit der Gründung des Bundes am 22. November 1945, dessen Grundsätze bereits im November 1943 durch einen Kreis von Gegnern des nationalsozialistischen Besatzungsregimes in Hadersleben formuliert wurden. Die Grundsätze zogen verbunden mit einer Loyalitätserklärung an Dänemark einen Schlussstrich unter die Grenzrevisionsansprüche der deutschen Minderheit – beides kam in der Gründungserklärung des BDN zum Ausdruck. Seine vornehmliche Aufgabe war in den ersten Nachkriegsjahren der Versuch, die Folgen der Rechtsabrechnung zu mildern, von dänischer Seite wurden jedoch keine Zugeständnisse gemacht. Nach der Entlassung der meisten deutschen Inhaftierten konnten jedoch ab 1948 langsam wieder Verbandsstrukturen aufgebaut werden. Höchstes Organ des Bundes Deutscher Nordschleswiger ist die Delegiertenversammlung. Diese wählt die/den Hauptvorsitzende/n, seine/n Stellvertreter/in sowie die/den Kulturausschussvorsitzende/n und die/den Vorsitzende/n der Schleswigschen Partei (SP). Während der Kulturausschuss für die kulturelle Gesamtplanung der Minderheit zuständig ist, übernimmt die Schleswigsche Partei die politische Vertretung der Minderheit in den Kommunen.

Presse

Schulen

Der Deutsche Schul- und Sprachverein für Nordschleswig ist der Zusammenschluss von örtlichen Schul- und Kindergartenvereinen, die selbst Träger ihrer Einrichtungen sind, im Einzelnen von

  • 22 deutschen Kindergärten mit 600 Kindern,
  • 14 deutschen Schulen, davon fünf Realschulen, mit 1400 Schülern,
  • dem Deutschen Gymnasium in Apenrade.

Zusätzlich gibt es die Deutsche Nachschule Tingleff, eine Internatsschule für die 9. bis 10. Klassenstufe, die Schüler aus ganz Dänemark und Norddeutschland aufnimmt.

Ziel des Unterrichts ist neben der allgemeinen Ausbildung der Kinder insbesondere die Einführung in die deutsche Sprache und Kultur. Mit dem Schulabschluss erreichen sie sowohl einen dänischen als auch einen deutschen Schulabschluss. Die Schülerzahlen sind in Dänemark in den letzten Jahren allgemein rückläufig, was auch für die deutschen Schulen gilt.

Es kommt heute auch vereinzelt vor, dass dänische Eltern ihre Kinder auf eine deutsche Schule senden, wenn auch in sehr viel geringerem Umfang als es das entsprechende Phänomen südlich der Grenze zeigt, bei dem nicht-dänische Schüler inzwischen deutlich in der Mehrheit sind. Pro-Argumente sind hier Zweisprachigkeit und vor allem das gute pädagogische Milieu der kleinen, gut ausgestatteten deutschen Schulen. Die Anmeldung eines Kindes an der deutschen Schule wird jedoch von den Dänen als offenes Bekenntnis zur deutschen Identität aufgefasst, so dass sich auch in deutsch-dänischen Elternhäusern eine große Mehrheit für öffentliche Schulen und gegen die kostenlose Variante der deutschen Privatschule entscheiden – hier spielt das „Großelternsyndrom“ (Vorurteile gegen alles, was deutsch ist) noch immer eine Rolle.

Bibliotheken

  • Der Verband Deutscher Büchereien Nordschleswig betreibt eine Büchereizentrale und Zentralbücherei in Apenrade, vier Stadtbüchereien in Hadersleben, Sonderburg, Tondern und Tingleff und bedient 15 Schulbüchereien mit Blockbeständen. Zwei Bücherbusse fahren im 5-Wochen-Turnus in die ländlichen Gebiete und liefern Lesestoff und AV-Medien frei Haus. Die Büchereien verfügen über einen Medienbestand von 230.000 Medieneinheiten und verzeichnen etwa 350.000 Entleihungen pro Jahr. Das Büchereiwesen arbeitet im Rahmen des dänischen Bibliotheksgesetzes, das das Vorhalten von öffentlichen Bibliotheken zur Pflichtaufgabe der Kommunen macht. Für die Schulen gilt ein Schulbibliotheksgesetz.

Jugendarbeit

Der Deutsche Jugendverband für Nordschleswig ist Dachverband für 25 Jugendgruppen, Sportvereine und Jugend- und Freizeitclubs mit insgesamt etwa 2500 Mitgliedern, führt sportliche und kulturelle Veranstaltungen sowie Fahrten und Lager durch und betreibt den Jugendhof Knivsberg mit seinen außerschulischen Aktivitäten und ein Ferienheim an der Flensburger Förde. Der Jugendverband ist zudem Veranstalter des Knivsbergfestes, eines sommerlichen Volksfestes der deutschen Nordschleswiger, dessen Tradition auf das Jahr 1894 zurückgeht. Daneben gibt es den Deutschen Ruderverband mit sieben örtlichen Rudervereinen, die Bürger- und Handwerkervereine, die Schützenvereine, den Kameradschaftsverband Nordschleswig und die Heimatkundliche Arbeitsgemeinschaft.

Soziale Arbeit

  • Die soziale Arbeit liegt in den Händen des Verbandes Sozialdienst Nordschleswig, eines Zusammenschlusses von 20 Krankenpflegevereinen, Frauenvereinen und Seniorenklubs mit 2560 Mitgliedern. Die Aufgaben des Verbandes haben sich der sozialstaatlichen Entwicklung in Dänemark anpassen müssen, so dass der Krankenpflegedienst wegfiel und das Schwergewicht auf Sozialbetreuung und Familienberatung, zum Beispiel im „Haus Quickborn“ an der Flensburger Förde, verlagert wurde. Besonders widmet man sich den Senioren, denen Kuraufenthalte, Ausflüge und Reisen ermöglicht werden.

Landwirtschaft

Die deutschen Landwirte sind im Landwirtschaftlichen Hauptverein für Nordschleswig organisiert. Er nimmt die wirtschaftlichen und fachlichen Interessen von etwa 1100 Mitgliedern wahr und beschäftigt sich mit Pflanzenbau, Nutztierhaltung und Buchhaltung. Er ist als selbständige Gruppe Mitglied im dänischen Bauernverband.

Kirche

  • In den vier Stadtgemeinden Apenrade, Hadersleben, Sonderburg und Tondern hat die Dänische Volkskirche (Staatskirche mit Kirchenministerium) seit 1920 eigene Pastoren für den deutschsprachigen Teil der Gesamtgemeinde eingesetzt, da man hier einen Bedarf an deutschsprachiger kirchlicher Versorgung anerkannte. Dies war für den ländlichen Raum nur bedingt der Fall, weshalb Angehörige der Minderheit 1923 in Tingleff die Nordschleswigsche Gemeinde gründeten, eine Freikirche nach dänischem Recht. Sie war der Schleswig-Holsteinischen Landeskirche (heute: Nordelbische Evangelisch-Lutherische Kirche) angeschlossen. Es gab bis zu sieben Pfarrbezirke, je von einem Pastor betreut, heute sind es fünf. Von den neun Pastoren kommen acht aus der Bundesrepublik Deutschland und nur einer aus der Minderheit, die konfessionell zu 99 Prozent evangelisch ist.

Politik

  • Die Schleswigsche Partei ist als Teil des BDN Interessenvertreter der deutschen Minderheit, hat aber einen selbständigen Vorstand. Eine Änderung des dänischen Wahlgesetzes im Jahre 1953 ermöglichte mit dem Landwirt Schmidt-Oxbüll der SP erstmals mit 10.000 Stimmen den Einzug ins dänische Folketing.

In den 1950er und 1960er Jahren konnten durch die Förderung der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Schleswig-Holstein Schulen, Kindergärten und Büchereien eingerichtet werden. Die industrielle Entwicklung in Nordschleswig mit der einhergehenden Abwanderung aus den ländlichen Gebieten in die Städte und verbunden mit einer ständigen Zuwanderung aus anderen Teilen Dänemarks führten zu einer politischen Schwächung der Minderheit, so dass die parlamentarische Vertretung 1964 verlorenging, weil nicht mehr genügend Stimmen für ein Direktmandat erzielt werden konnten.

Das dänische Folketing berief dafür einen Kontaktausschuss mit Vertretern aller Parteien des Parlaments, in welchen die Volksgruppe drei Mitglieder entsenden durfte. Ohne Kompetenzen verlor der Ausschuss sehr bald an Bedeutung für die Minderheit. Daher kam es 1973 zu einer wahltechnischen Zusammenarbeit zwischen der neugegründeten Partei der Zentrumsdemokraten und der Schleswigschen Partei, die im Huckepackverfahren den Chefredakteur der deutschen Tageszeitung Der Nordschleswiger Jes Schmidt in das Folketing entsenden konnte. Seine Wahl wurde 1975 und 1977 bestätigt. Nach dem Tode Schmidts und durch interne Auseinandersetzungen innerhalb der Zentrumsdemokratischen Partei zerbrach auch die wahltechnische Zusammenarbeit. In den sechs Bündnisjahren konnte sehr viel für die deutsche Volksgruppe erreicht werden, zumal sich der deutsche Abgeordnete durch seine Arbeit in der Fraktion der Zentrumsdemokraten sehr viel Sympathie und Achtung erwerben konnte.

Seit 1983 wird der Kontakt zur Regierung und zum Parlament vom Sekretariat der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen aufrechterhalten. Von Seiten des Bundes Deutscher Nordschleswiger wird jedoch betont, dass man die Option auf eine parlamentarische Vertretung nicht aufgegeben habe. Die direkte politische Vertretung der Volksgruppe beschränkte sich nach einer Kommunalreform 1970 heute auf einen Vertreter im Nordschleswigschen Amtsrat (Kreistag) und 16 Abgeordnete in acht von 23 Großgemeinden. Vorher hatte die Minderheit in den kleineren Gemeinden 46 Vertreter. Eine erneute Strukturreform im Jahr 2005 führte dazu, dass die Ämter (Kreise) mit dem 1. Januar 2007 aufgelöst worden sind und die Kommunen zu größeren Einheiten zusammengefasst wurden. Übrig blieben vier Großkreise. In Apenrade/Aabenraa und Tondern/Tønder ist die Minderheit mit zwei Abgeordneten, in Sønderborg/Sonderburg, und Hadersleben/Haderslev mit je einem Abgeordneten vertreten. In Hadersleben konnte am 17. November 2009 ein vollgültiges Mandat erreicht werden. In der ersten Periode der neuen Großgemeinden saß der Vertreter der Schleswigschen Partei auf einem Mandat ohne Stimmrecht, jedoch mit allen anderen Befugnissen eines vollwertigen Mandates. Diese Regelung war ein Zugeständnis des dänischen Staates, das vorsieht, dass die Minderheit ein solches Mandat bekommt, wenn sie aus eigener Kraft keinen Sitz in der Kommunalvertretung erreichen kann, jedoch mindestens 25 Prozent des „billigsten“ Mandates erreicht. Der dänische Staat beschloss diese Regelung mit dem Ziel des Minderheitenschutzes, wie ihn die europäischen Rahmenkonvention zum Schutz von nationalen Minderheiten vorsieht.

Das Wahlverhalten der jüngeren Generation innerhalb der Volksgruppe ist aus Sicht einer Minderheit problematisch. Die politischen Bindungen an sie sind nicht mehr so ausgeprägt wie die der Eltern und Großeltern. Die kulturellen Angebote der Minderheit werden als selbstverständlich aufgefasst und auch wahrgenommen, aber es fehlt an Verständnis für die politische Absicherung. Die schwierige Aufgabe für den Bund Deutscher Nordschleswiger ist es, das Gleichgewicht zu halten auf dem schmalen Pfad zwischen Identität und Integration. Im Gegensatz zu früher isoliert man sich nicht mehr, sondern ist bemüht, gleichberechtigt an den Aufgaben im dänischen Staate teilzuhaben. Der BDN begrüßt die europäische Zusammenarbeit und versteht sich selbst als Brücke im Grenzland.

Ökonomie

Die deutschen Privatschulen ordnen sich relativ problemlos unter den dänischen Freischulgesetzen ein, wonach 82 % der Kosten vom Staat abgedeckt werden. Die restlichen Kosten werden durch einen besonderen Anschlag zur Deckung des doppelzügigen Muttersprachenunterrichtes bezahlt, prinzipiell nach auch für Immigranten und Ausländern geltenden Regeln, so dass deutsche Schulen in der Praxis mit kommunalen Schulen völlig gleichgestellt sind.

Auch in anderen Bereichen gibt es teilweise Finanzhilfe vom dänischen Staat, das gilt insbesondere für das Büchereiwesen das zu einem Drittel vom dänischen Staat zu 2/3 vom deutschen Staat gefördert wird. Weitere Zuschüsse bekommt die deutsche Minderheit von der Bundesrepublik Deutschland und vom Land Schleswig-Holstein.

Geschichte

Das Herzogtum Schleswig kristallisierte sich im 12. Jahrhundert als eigenständiges Staatsgebilde heraus, gehörte jedoch bis 1864 als königlich-dänisches Lehen und durch eine Personalunion stets zur dänischen Krone. Es umfasste das Gebiet zwischen der Königsau im Norden und der Eider im Süden. Schon seit 1460 bestanden enge Beziehungen zum deutschen Herzogtum Holstein, das ebenfalls durch eine Personalunion den dänischen König zum Oberhaupt hatte. Siehe auch: Herzogtum Schleswig

Dänische Zeit und Preußenzeit

Schleswig und Holstein um 1650, die Herzogtümer sind in einen Flickenteppich verschiedener Hoheitsgebiete zerrissen

Das Herzogtum Schleswig bildete sich nach 1200 aus dem Jarltum Süderjütlands und drei südjütlänidschen Sysseln heraus. Es verblieb bis 1864 ein dänisches Reichs- und Königslehen, war jedoch zeitweise in mehrere Herrschaftsgebiete geteilt. Einen prägenden Einfluss erreichte im 17. Jahrhundert das Gottorfer Herzogshaus, das auch über Anteile in Nordschleswig verfügte. Als Umgangssprache dominierte im nördlichen Schleswig das Dänische bzw. das dialektale Sønderjysk, während im südlichen Schleswig zunehmend das (Hoch-)Deutsche an Bedeutung gewann. Als Verwaltungssprache wurde in der Neuzeit aber auch in Nordschleswig das Deutsche verwendet, die Herzogtümer wurden entsprechend gemeinsam in deutscher Sprache von der Deutschen Kanzlei in Kopenhagen verwaltet. Mit der Einführung der Reformation wurde in den meisten Gemeindebezirken Nordschleswig Latein vom Dänischen abgelöst. Allerdings erhielten städtische Gemeinden wie zum Beispiel in Sonderburg, Hadersleben (1526)[2] und Tondern (1531)[3], Deutsch als Kirchensprache. Die Grenze zwischen deutscher und dänischer Kirchensprache sollte sich später auch als Gesinnungsgrenze abzeichnen, da sie ungefähr entlang der heutigen Staatsgrenze verlief. Wirtschaftlich war Schleswig eher gen Süden ausgerichtet und bildete mit Holstein eine Einheit.

Umgangssprachen in Schleswig um etwa 1840, einzelne Orte in Nordschleswig besaßen in der dänischen Zeit deutsche Kirchensprache

Mit dem Aufkommen nationaler Strömungen um 1830 kam es zu ernsten Auseinandersetzungen zwischen Deutschen und Dänen in den Herzogtümern, die sich vor allem auf der zukünftigen nationalen Zugehörigkeit Schleswigs bezogen. Es entstanden sowohl eine schleswig-holsteinische (deutsche) sowie eine dänische nationalliberale Bewegung, die beide im Gegensatz zum absolutistisch regierten Dänischen Gesamtstaat standen. Zur deutschen Nationalität bekannte sich die Mehrheit in Holstein und im Süden Schleswigs. Hinsichtlich sozialer Schichtung war das deutsche Bekenntnis vor allem in der Ober- und Mittelschicht, zum Beispiel bei Beamten, Kaufleuten, Pastoren, dem städtischem Bürgertum und bei Großbauern und nicht zuletzt der Herzog Christian August von Augustenburg und sein Sohn Friedrich verbreitet, die ein vereinigtes Schleswig-Holstein im Deutschen Bund mit sich selbst als konstitutionelle Regenten erstrebten. Das dänische Bekenntnis war dagegen eher bei der Landbevölkerung, aber auch in Teilen des städtischen Bürgertums verbreitet.

Der nationale Dissens entlud sich schließlich erstmals 1848. Ein von Christian VIII. angeregter Entwurf für eine gemäßigt-liberale Verfassung für den Gesamtstaat wurde am 28. Januar 1848 von seinem Nachfolger Friedrich VII. veröffentlicht, wobei Forderungen von Seiten der dänischen Nationalliberalen nach einer nationalen Verfassung nur für Dänemark und Schleswig nicht entgegen gekommen wurde. Dennoch befürchteten deutsche Nationalliberale in den Herzogtümern genau einen solchen Schritt. Am 18. März 1848 forderten schließlich die deutschen Abgeordneten der Schleswigschen und der Holsteinischen Ständeversammlung auf einer gemeinsamen Sitzung in Rendsburg unter anderem die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund, Presse- und Versammlungsfreiheit und eine Volksbewaffnung. Am 20. März erreichten die Forderungen auch die Hauptstadt Kopenhagen, wo es am 20. März zu einer von den dänischen Nationalliberalen initiierten Volksversammlung im Kopenhagener Casino kam. Unter dem Druck der Öffentlichkeit entließ der König am 21. März die bisherige Regierung und berief am Folgetag eine von dänischen Konservativen (Gesamtstaatsbefürwortern) und dänischen Nationalliberalen (Vertretern der Eiderpoltik) gemeinsam besetzte Regierung (das sogenannte Märzministerium). Die von den deutschen Abgeordneten in Rendsburg aufgestellten Forderungen wurden am 23. März 1848 von Friedrich VII. abgelehnt, was wiederum in Kiel in der Nacht vom 23. auf den 24. März 1848 zur Bildung einer deutschgesinnten Provisorischen Regierung und schließlich zur Schleswig-Holsteinische Erhebung führte. Die Erhebung endete jedoch mit einer Niederlage der deutschen Schleswig-Holsteiner und einer Wiederherstellung des status-quo des bisherigen Gesamtstaates.

Teilungsvorschläge für eine nationale Teilung Schleswigs während des Waffenstillstandes des Deutsch-Dänischen Krieges 1864

Von 1851 bis 1864 ergriff Dänemark eine zunehmend repressive Politik in den Herzogtümern umzusetzen. In den mittleren Teilen Schleswigs versuchte die Regierung den Sprachwechsel vom Dänischen zum Deutschen durch Sprachreskripte aufzuhalten. Zum Teil kam es auch zu Ausweisungen wegen fehlender Dänischkenntnisse wie das Beispiel Theodor Storms deutlich wurde. Letztlich zeigte sich jedoch, dass die Bevölkerung im südlichen Schleswig weiter am deutschen und diejenige im nördlichen Schleswig weiter am dänischen Bekenntnis festhielt. Nach der Ablehnung der Gesamtstaatsverfassung von 1855 durch den Deutschen Bund und die Annahme der sogenannten Novemberverfassung von 1863, die Schleswig entgegen den Bestimmungen des Londoner Protokolls näher an Dänemark band, überschritten im Februar 1864 schließlich preußische und österreichische Truppen den Grenzfluss Eider, womit der Deutsch-Dänische bzw. zweite Schleswigsche Krieg in Gang gesetzt wurde. Als Folge des Krieges musste Dänemark die gesamten Herzogtümer an Preußen und Österreich abtreten, 1867 wurde Schleswig schließlich mit Holstein zur preußischen Provinz zusammen mit Holstein zur Provinz Schleswig-Holstein vereinigt. Die Fehler des dänischen Staates in Bezug auf fehlende Toleranz und Diskriminierung von Minderheiten vor 1864 wiederholte der preußische Staat im mehrheitlich dänischen Nordschleswig durch Germanisierungsmaßnahmen nach 1864. So wurde 1876 Deutsch als alleinige Verwaltungssprache in Schleswig zugelassen und 1888 wurde Deutsch schließlich einzige Schulsprache, mit Ausnahme von vier Wochenstunden Religion auf Dänisch. Im gleichen Jahr schlossen die preußischen Behörden die letzte dänische Privatschule. Auch wurden bewusst deutsche Siedler angeworben. Nach 1896 kaufte der preußische Staat Landeigentum und errichtete die sogenannten staatseigenen Domänehofe (Domænegårde), die an deutsche Siedler verpachtet wurden. Diese Maßnahmen stießen jedoch auf Widerstand der dänischen Bevölkerung in Schleswig und führte zur Organisierung der dänischen Minderheit in Nord- und Mittelschleswig, die nicht zuletzt auf eine Abhaltung der im Prager Friedensvertrag versprochenen Volksabstimmung drängte. Ihren Höhepunkt erreichte die Eindeutschungspolitik mit dem Antritt des Oberpräsidenten Ernst Matthias von Köller und der nach ihm benannten Köller-Politik, die eine offene Diskriminierung des dänischen Bevölkerungsteils betrieb.[4] Bis 1900 wanderten etwa 60.000 dänische Schleswiger aus, nicht zuletzt vor dem Hintergrund des preußischen Kriegsdienstes.[5] Etwa 5.000 dänische Schleswiger fielen als deutsche Soldaten im Ersten Weltkrieg.[6]

Die deutsch-dänische Grenze vor 1920, Nordschleswig war zwischen 1864 und 1920 ein Teil Preußens

1920 bis 1922

Das Ergebnis der Volksabstimmung 1920
Ergebnisse nach Kirchspielgemeinden in der Abstimmungszone I, die zu Dänemark kam

Unter Berufung auf das vom amerikanischen Präsidenten Wilson proklamierte Selbstbestimmungsrecht der Völker und den Artikel V des Prager Friedens von 1866, der eine Volksabstimmung in Schleswig vorsah, wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1920 im nördlichen Schleswig ein Referendum abgehalten.

Die Grenzen der Abstimmungsgebiete wurden von den Alliierten bestimmt, ebenso die Abstimmungsmodalitäten, die gewissermaßen Dänemark begünstigten. Bei der Abstimmung in Nordschleswig war das Gesamtergebnis des Gebietes entscheidend („En-bloc-Abstimmung“), während in der zweiten Zone gemeindeweise abgestimmt wurde. Dabei bekam Dänemark die Möglichkeit, auch vereinzelte Gemeinden mit dänischer Mehrheit in der 2. Zone zu gewinnen, sollten sich hier dänische Mehrheiten erweisen, aber ohne das Risiko, vereinzelte Gemeinden mit deutscher Mehrheit in der 1. Zone zu verlieren.

Der Historiker H.V. Clausen hatte schon 1891 unter Einbeziehung der historischen, sprachlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die sogenannte Clausen-Linie als Grenzlinie vorgeschlagen, die mit der heutigen Grenze (und also mit der Grenze zwischen 1. und 2. Abstimmungszone) zusammenfällt. Dabei war diese Linie auch die etwaige historische Grenze der dänischen und deutschen Kirchsprache. Während Dänisch (Südjütisch) auch südlich dieser Linie gesprochen wurde und wird, waren Kenntnisse der dänischen Hochsprache nur wenig verbreitet. Clausen hatte seine Linie aber nur bis etwa 7 km westlich Flensburgs definiert, wobei er zur Stellung Flensburgs keine Stellung nahm. Flensburg wurde allgemein als ein Teil Nordschleswigs gesehen, die in den ersten Jahrzehnten nach 1864 noch eine dänische Mehrheit hatte. Entgegen der Einbindung Flensburgs in Dänemark sprach die Tatsache, dass Industrialisierung und Militarisierung in der preußischen Zeit zu einer Verdeutschung geführt hatte. Es wird auch vermutet, dass die vier Städte Nordschleswigs eher die Konkurrenz des großen Flensburgs los wollten. Das rechtsnationale Lager in Dänemark hoffte hingegen, das die ehemalige dänische Sympathien in Flensburg noch stark waren. Die Politik der dänischen Nordschleswiger, sowie der dänischen Regierung, war deswegen eine Wiedervereinigung bis zur Clausenlinie ohne Flensburg. Nur rechtsnationale Kreise verfochten die Bemühung, südlichere Gebiete für Dänemark zu gewinnen, was die moderatere Mehrheit für unmöglich oder gefährlich hielt, da es die Beziehungen im Grenzland sowie zum deutschen Nachbar gefährden würden.

Für das En-Bloc-Verfahren in der 1. Zone sprach auch die bei den Siegermächten und in Dänemark verbreitete Auffassung, dass Schleswig nach 1864 mit Zwang oder Druck bzw. Zuwanderung vom Süden (und Abwanderung gen Norden) eine Verdeutschung unterlege, wobei akzeptabel würde, dass man gegen diese Entwicklung gewissermaßen kompensierte. Ebenso entscheidend war aber der Wunsch, Nordschleswig wirtschaftlich zusammenzuhalten, und ein möglichst leicht zu verteidigender und kontrollierender, kurzer Grenzverlauf.

Eine 3. Abstimmungszone, die bis zur Linie Tönning-Schleswig-Schlei gehen sollte, wurde überraschenderweise von den Alliierten verordnet, was wahrscheinlich auf Betreiben nationaler Gruppen in Dänemark sowie dänischer Aktivisten im südlichen Schleswig geschah. Die dänische Regierung bat den alliierten Ausschuss, diese Zone wieder zu streichen.

Das Ergebnis der etwa 100.000 Stimmberechtigten in Nordschleswig ergab 74,9 % für den Anschluss an Dänemark bei 25,1 % für den Verbleib beim Deutschen Reich, wobei alle Städte mehrheitlich für den Verbleib bei Deutschland stimmten, die Landbevölkerung jedoch im Gegensatz weitestgehend für Dänemark votierte. Neben deutschen Hochburgen mit Dreiviertelmehrheiten wie der Stadt Tondern und dem Flecken Hoyer (76 % und 73 %) und knappen Mehrheiten von 54 % in Apenrade und 55 % in Sonderburg, gab es auch in einigen Gemeinden im Süden Mehrheiten für den Verbleib bei Deutschland. Vor allem das südliche und östliche Umland Tonderns war strittig und wies meistens knappe deutsche oder dänische Mehrheiten auf.

Die zweite Zone votierte fast komplett für Deutschland, mit Ausnahme dreier mehrheitlich dänisch stimmenden Gemeinden, die aber bei Deutschland blieben, da sie nicht direkt an der neuen Grenzlinie lagen.

Der deutsche Historiker Johannes Tiedje schlug nach der Abstimmung in der 2. Abstimmungszone vor, einige mehrheitlich deutsche bzw. knapp mehrheitlich dänische Gebiete des Landkreises Tondern Deutschland zuzuschlagen. Dabei müsste der Kreis Tondern nicht geteilt werden, und beidseitig der neuen Grenze entstünden zahlenmäßig gleich starke Minderheiten. Diesen Vorschlag lehnte Dänemark ab, wie auch die Forderung dänischnationaler Kreise, Flensburg trotz des Abstimmungsvotums zu beanspruchen. Bei der folgenden Grenzziehung blieben somit die grenznahen deutschen Mehrheiten im südlichen Nordschleswig unberücksichtigt. Die heutige Staatsgrenze verläuft somit entlang des Scheidebaches im Osten und der Wiedau im Westen, und es verblieben unmittelbar nördlich der Grenze ca. 25.500 Deutschgesinnte, südlich der Grenze ca. 12.800 Dänischgesinnte. Siehe auch: Volksabstimmung in Nordschleswig 1920

Das 1920 umstrittene Gebiet um Hoyer, Tondern, Tingleff und Krusau bildet seitdem ein Kerngebiet der deutschen Minderheit, während die deutsche Präsenz in der nördlichen Hälfte des Landstriches, an der Westküste und auf der Insel Alsen gering ist (mit Ausnahme in den Städten).

1922 bis 1933

Die deutsche Minderheit musste sich also auf ein Leben im dänischen „Herbergstaat“ einstellen. Nach Gründung des Schleswigschen Wählervereins 1920 traten sofort Gegensätze zum dänischen Staat auf, weil die Grenzziehung als ungerecht empfunden und laut eine Grenzrevision gefordert wurde.

Einerseits wurde der deutschen Minderheit trotz ihrer ablehnenden Haltung Dänemark gegenüber weiterhin die Möglichkeit gegeben, ein kulturelles Eigenleben zu führen, was zum Ausdruck in der Duldung deutscher Vereine und Tageszeitungen, im Aufbau eines deutschen Schulwesens mit deutscher Unterrichtssprache in öffentlichen und privaten Schulen, in der Weiterführung oder Errichtung von Kindergärten, der Gründung eines deutschen Büchereiwesens sowie im Fortbestand eines (reduzierten) deutschsprachigen Kirchenlebens kam.

Auf der anderen Seite machten nationalistische Kreise der Dänen keinen Hehl daraus, dass sie die deutsche Volksgruppe schnellstens assimilieren wollten. Der bedeutende dänische Politiker H.P. Hansen sagte, dass die deutsche Minderheit in wenigen Jahren verschwinden würde wie Tau in der Sonne. Es wurden auch entsprechende Maßnahmen ergriffen: Nachdem Deutsch und Dänisch Jahrhunderte hindurch als Kirchensprache gleichberechtigt gewesen waren, wurde 1923 allein Dänisch als offizielle Kirchensprache eingeführt. Im selben Jahr wurde durch die Einführung von Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen die Zuwanderung aus dem Süden unterbunden und deutsche Staatsbürger ausgewiesen, während Zuwanderungen aus dem sogenannten Reichsdänemark und dänische Einrichtungen wie Volkshochschulen, Kasernen und staatliche Betriebe stark gefördert sowie in der Landwirtschaft nationale Siedlungspolitik getrieben wurden. Es entbrannte ein „Volkstumskampf“ um die Menschen, die national nicht Stellung bezogen hatten, und um ihren landwirtschaftlichen Boden, weil beide Volksgruppen ihre Stärke noch weitestgehend in der selbständigen Bauernschaft hatten. Zu deren Unterstützung wurden von beiden Seiten Kreditinstitute errichtet. Bei diesem „Bodenkampf“ gingen zwischen 1925 und 1939 etwa 34.000 Hektar von deutschen in dänische Hände über; bei der politischen Werbung um die Menschen, die sich national nicht deutlich festlegen wollten, spielten in der wirtschaftlich schwierigen Zeit auch Faktoren wie Gewerkschaften und der dänische Arbeitsplatz eine Rolle, so dass viele deutschgesinnte Sozialdemokraten Mitglied der dänischen SPD wurden und eher hier aktiv waren.

1933 bis 1945

Wahlplakat der Schleswigschen Partei von 1939

Die finanzielle und kulturelle Abhängigkeit der Minderheit vom Deutschen Reich zeigte sich deutlich nach der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933. Krisenbedingte soziale Konflikte seit den zwanziger Jahren, besonders in der Landwirtschaft, und ein überzogenes Nationalgefühl hatten in Nordschleswig bei der Volksgruppe genau wie im Nachbarland Schleswig-Holstein guten Nährboden für den Nationalsozialismus bereitet. 1938 wurden alle deutsch-nordschleswigschen Verbände „gleichgeschaltet“. Die Partei der deutschen Nordschleswiger, die Schleswigsche Partei (SP), die seit 1920 einen Sitz im dänischen Parlament hatte, wurde 1935 von der NSDAP übernommen und in NSDAP-N umbenannt. „Volksgruppenführer“ war Jens Möller. Die Region war ebenfalls eine Hochburg der dänischen DNSAP. Die Spannungen zum dänischen Staat verstärkten sich daraufhin nicht nur aus ideologischen Gründen, sondern vor allem wegen der weiterhin aufkommenden nachdrücklichen Grenzrevisionsforderungen. Die Gegensätze verschärften sich schließlich ungemein, als das Dritte Reich Dänemark am 9. April 1940 beim Unternehmen Weserübung völkerrechtswidrig und unter Bruch eines Nichtangriffspaktes besetzte. Die enge Verbindung der deutschen Minderheit zur Besatzungsmacht resultierte in der freiwilligen Kriegsteilnahme von mehr als 2100 jungen deutschen Nordschleswigern, von denen 748 fielen. Die meisten Freiwilligen taten aufgrund ihrer dänischen Staatsangehörigkeit Dienst in der Waffen-SS. Erst ab dem Jahr 1943 war es möglich, sich auch freiwillig zur Marine und Luftwaffe zu melden. Bereits 1943 gab es eine kleine Gruppe von Männern, den Haderslebener Kreis, die die sogenannte „Haderslebener Erklärung“ verfassten. Hierin wurde festgehalten, dass die kriegerische nationale Auseinandersetzung um Nordschleswig ein Ende haben müsse. Man erklärte seine Loyalität gegenüber dem dänischen Königshaus, dem dänischen Volk und gegenüber der seit 1920 bestehenden deutsch-dänischen Grenze, verlangte aber kulturelle Autonomie für die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig.

1945 bis 1955

Der 1945 gesprengte Bismarckturm auf dem Knivsberg 1905

Am 5. Mai 1945, als die deutschen Truppen in Dänemark kapitulierten, wurde die deutsche Minderheit, da man ihr kollektiv Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht vorhielt und dies als Landesverrat an Dänemark wertete, hart bestraft. Der Zorn der dänischen Bevölkerung, der sich im Laufe der fünfjährigen Besatzungszeit angestaut hatte, entlud sich auf die Volksgruppe und die beginnende Rechtsabrechnung wurde als Instrument nationalistischer Maßnahmen genutzt. Das Haus der deutschen Tageszeitung, der Bismarckturm der deutschen Versammlungsstätte auf dem Knivsberg und weitere deutsche Denkmäler wurden gesprengt, Bomben in deutsche Geschäfte geworfen und Versammlungshäuser deutscher Vereine abgebrannt.

Etwa 3500 Angehörige der Volksgruppe – vor allem der männliche Teil der Volksgruppe – wurden verhaftet, in Lager gesteckt und zunächst in „Schutzhaft“ gehalten, unabhängig von Parteimitgliedschaft oder Kriegsteilnahme. Später wurden 2.948 von ihnen nach Gesetzen mit rückwirkender Kraft (sogenannter Rechtsabrechnung) zu Gefängnisstrafen von einem bis zu zehn Jahren bestraft. Die meisten erhielten zwei Jahre Gefängnis, die NS-Volksgruppenleitung hingegen deutlich höhere Strafen. Fast jede deutsche Familie in Nordschleswig war von der sogenannten Rechtsabrechnung betroffen, die Kriegsfreiwilligen besonders hart.

Da die deutschen Besatzungstruppen acht Milliarden Dänenkronen Schulden bei der dänischen Nationalbank hinterließen, hielt sich Dänemark sowohl am deutschen Reichsbesitz als auch am privaten Eigentum der Volksgruppe in Dänemark schadlos, deren Einrichtungen sämtlich beschlagnahmt und später ebenfalls nach Gesetzen mit rückwirkender Kraft enteignet wurden. Deutsche Bauern, die Darlehen bei einer deutschen Kreditanstalt aufgenommen hatten, wurden Opfer der Enteignungen, ebenfalls Pächter von Höfen, die im Besitz dieser Kreditanstalt waren.

Neben Haft und Enteignung wurden auch Menschen der Deutschen Volksgruppe (mit deutschem Pass) aus Dänemark ausgewiesen. Diese „Aussiedler“ fanden sich zunächst im ehemaligen Konzentrationslager Neuengamme bei Hamburg wieder, das von den britischen Besatzungsbehörden geleitet wurde.

Die liberale Gesetzgebung der Vorkriegsjahre wurde 1945 vom dänischen Parlament aufgehoben. Ein Schulgesetz ließ zwar die Errichtung von Privatschulen auf Volksschulebene zu, jedoch ohne Examensrechte für die Schulen. Und weil die Lehrer entweder mit Berufsverbot belegt worden waren oder – sofern deutscher Staatsbürger – das Land verlassen mussten und die Gebäude der Minderheit vom dänischen Staat konfisziert wurden, machte der Mangel an Lehrern und Gebäuden einen Unterricht fast unmöglich. Die Neugründung des „Deutschen Schul- und Sprachvereins für Nordschleswig“ als Träger eines deutschen Schulwesens im Herbst 1945 konnte nur bewirken, dass in sehr bescheidenem Umfang deutscher Unterricht in einer Volksschule angeboten wurde. Erst Anfang der fünfziger Jahre gelang es, 13 der enteigneten Schulgebäude zurückzukaufen, so dass nicht mehr in Privathäusern unterrichtet werden musste. Die etwa 5000 Kinder der deutschen Schulen und Kindergärten bei Kriegsende mussten bis dahin zumeist zwangsweise in dänischen Schulen eingegliedert werden, wobei Deutsch hier erst im 7. Schuljahr als Fremdsprache gelehrt wurde.

Ab 1945 musste die Infrastruktur der Minderheit wieder von Grund auf erneuert werden. Die Weiterexistenz der deutschen Volksgruppe selbst war gefährdet. Eine auf der Haderslebener Erklärung von 1943 zurückgehende Loyalitätserklärung gegenüber dem dänischen Königshaus, dem dänischen Staat und der seit 1920 bestehenden deutsch-dänischen Grenze, verankert in den Satzungen der neuen Dachorganisation der Minderheit, dem 1945 gegründeten Bund Deutscher Nordschleswiger, bildete die Grundlage der Arbeit, die nun ausschließlich kulturpflegender Art war.

Seit 1955

Das heutige Nord- und Südschleswig mit mehrsprachigen Ortsnamen

1955 wurden in den Bonn-Kopenhagener Erklärungen die jeweilige Minderheit in Deutschland und Dänemark voll anerkannt und ihre Rechte bestätigt, wobei die Erklärungen den Minderheiten keine Sonderrechte zugestanden, sondern lediglich das freie Bekenntnis zur Volkszugehörigkeit sowie die Gleichbehandlung aller Staatsbürger garantierten: gemäß den Erklärungen sind die Minderheiten gleichberechtigte Bürger im jeweiligen „Herbergstaat“ und die sie betreffenden Minderheitenfragen ihre inneren Angelegenheiten.

Für die deutsche Minderheit waren die Ergebnisse der Verhandlungen von 1955 allerdings eine Enttäuschung, trotz der in den Erklärungen von Bonn und Kopenhagen garantierten Toleranz der jeweiligen Minderheit gegenüber, denn ihre Forderung nach Amnestie und Rückgabe des enteigneten Eigentums wurden von dänischer Seite als Einmischung in innerdänische Angelegenheiten betrachtet und zurückgewiesen. Die deutsche Minderheit erhielt immerhin die Examensrechte für ihre Schulen zurück und durfte wieder ein Gymnasium in Apenrade einrichten.

Immerhin begann hiermit ein Entspannungsprozess, der zum heutigen gutnachbarlichen Verhältnis geführt hat. Von 1953 bis 64 war die Minderheit mit einem eigenen Mandat im Folketing vertreten, 1973–1979 über ein Wahlbündnis mit den Zentrumdemokraten. Danach war eine eigenständige Vertretung nicht mehr möglich. Man etablierte einen Kontaktausschuss zu Parlament und Regierung. 1983 wurde dann das Sekretariat der deutschen Volksgruppe in Kopenhagen eingerichtet. Zu den historischen Höhepunkten gehörten der Besuch von Königin Margrethe II. am 24. Juli 1986, der Besuch von Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 27. April 1989 sowie der gemeinsame Besuch von Königin Margrethe II. und Bundespräsident Prof. Roman Herzog am 2. Juli 1998 bei der deutschen Volksgruppe in Nordschleswig. Diese Besuche waren wichtige Schritte auf dem Weg zu endgültiger Anerkennung und kultureller Gleichberechtigung und ein Ausdruck für die gute Nachbarschaft im Grenzland. Ein weiterer Durchbruch in den Beziehungen zwischen Minderheit und Mehrheit erfolgte 1995 mit der Einladung an den Hauptvorsitzenden des Bundes Deutscher Nordschleswiger, Hans Heinrich Hansen zum Düppel-Fest anlässlich der 75-Jahrfeier der Grenzziehung von 1920, als dieser neben der dänischen Königin und dem dänischen Staatsminister als Redner auftreten durfte. Dies betrachtete man seitens der Minderheit als Ausdruck der Gleichwertigkeit der deutschen Nordschleswiger.

Die deutsche Volksgruppe ist heute im Königreich Dänemark als einzige Minderheit mit ihrer sprachlichen und kulturellen Besonderheit entsprechend der Rahmenkonvention des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und durch die Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen anerkannt.

Deutsche Minderheit in Kopenhagen

Geschichte

Spätestens im 14. Jahrhundert bildete sich in Kopenhagen eine deutsche Minderheit, die durch Zuwanderung aus dem damaligen deutschsprachigen Raum entstand. Viele Mitglieder der dänischen Königsfamilie sind Angehörige der deutschen Minderheit in Kopenhagen gewesen. Die deutsche Minderheit setzte sich über viele Jahrhunderte maßgeblich aus der wirtschaftlichen und politischen Oberschicht Kopenhagens bzw. Dänemarks zusammen. Mit dem 1. Schleswigschen Krieg 1848 wanderte ein erheblicher Teil der Oberschicht nach Deutschland aus.[7]

Organisationen

Kirchen

Die evangelisch-lutherischen Angehörigen der deutschen Minderheit nutzen die St.-Petri-Kirche (Kopenhagen), die im Zuge der Reformation verweltlicht wurde. Zur St.-Petri-Kirche (Kopenhagen) gehören ein Stift, in dem sowohl Männer als auch Frauen bis Ende des 20. Jahrhunderts wohnten, eine Schule und ein Kloster, welches momentan von Stiftsdamen bewohnt wird. Im Jahr 1585 wurde der deutschen evangelisch-lutherischen Gemeinde in Kopenhagen, die "Sankt Peders Kirche" geschenkt, die anschließend von der Gemeinde auf den Namen "Sankt-Petri-Kirche" umbenannt wurde. Viele dänische Königinnen sind Mitglied der evangelisch-lutherischen Gemeinde gewesen. Der dänische König Friedrich I. (Dänemark und Norwegen) ist ebenfalls Mitglied der St.-Petri-Kirche (Kopenhagen) gewesen. Viele Gemeindemitglieder verließen die deutschsprachige Gemeinde nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Kirchengemeinde hat momentan um die 1000 Mitglieder.[8][9]

Für die evangelisch-reformierten Christen ist die "Deutsche Reformierte Kirche zu Kopenhagen", die 1689 eingeweiht worden ist, ein religiöser Anlaufpunkt. Die dänische Königin Charlotte Amalie von Hessen-Kassel hat maßgeblich zur Gründung der evangelisch-reformierten Gemeinde beigetragen.[10] Momentan sind 300 Personen, überwiegend dänische Staatsangehörige, Mitglied der deutschen evangelisch-reformierten Gemeinde in Kopenhagen. Die Pastoren der Gemeinde werden von der EKD gestellt.[11]

Im 14. Jahrhundert bildete sich eine deutschsprachige katholische Gemeinde in Kopenhagen. Die frühen katholischen Christen nutzten vermutlich die Frauenkirche (Kopenhagen) oder eine Klosterkirche. 1537 löste sich die deutschsprachige katholische Gemeinde, durch die Reformation auf.[12] In den 1960er Jahren bildete sich die "Deutschsprachige Katholische Gemeinde Kopenhagen". Erstmals nach der Reformation besteht damit wieder eine deutschsprachige katholische Gemeinde in Kopenhagen. Für religiöse Zeremonien wird die Sankt Augustins Kirche in Kopenhagen genutzt.[13].

Schulen

Seit 1575 besteht die Deutsche Schule St. Petri Kopenhagen.[14] Damit ist sie die älteste deutsche Auslandsschule.[15] Im 19. Jahrhundert entstanden mehrere weitere deutsche Schulen. Im 20. Jahrhundert wurden die Schulen wieder zusammengelegt.[16] Einer der bekanntesten Schüler der deutschen Schule ist der Diplomatensohn Richard von Weizsäcker.[17] Zurzeit betreut die Deutsche Schule St. Petri Kopenhagen circa. 500 Schüler.[18]

Bekannte deutsche Nordschleswiger

Führende Vertreter und Funktionäre

  • Johannes Schmidt-Wodder, Pastor, führender Vertreter der deutschen Minderheit und Abgeordneter in dänischen Folketing (Parlament)
  • Waldemar Reuter, praktischer Arzt, führender Vertreter der deutschen Minderheit und nach 1945 als Vorsitzender maßgeblich am Wiederaufbau von Schulwesen und Kirche in Nordschleswig beteiligt.
  • Matthias Hansen, Geschäftsführender Vorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1945–1947
  • Niels Wernich, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1947–1951
  • Hans Schmidt-Oxbüll Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1951–1960, Mitglied des dänischen Folketings 1953–1964
  • Harro Marquardsen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1960–1975
  • Gerhard Schmidt, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1975–1993
  • Hans Heinrich Hansen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger 1993–2006, Präsident der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen seit 2007
  • Hinrich Jürgensen, Hauptvorsitzender des Bundes Deutscher Nordschleswiger seit 2006
  • Ernst Siegfried Hansen, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger von 1945–1947
  • Jes Schmidt, Chefredakteur Der Nordschleswiger, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger von 1947–1951, Mitglied des dänischen Folketings 1973–1979
  • Rudolf Stehr, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger von 1951–1973
  • Peter Iver Johannsen, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger von 1973 bis 2008
  • Uwe Jessen, Generalsekretär des Bundes Deutscher Nordschleswiger seit 2009
  • Hermann Heil, Hauptgeschäftsführer des Bundes Deutscher Nordschleswiger von 1962 bis 2002
  • Rasmus Hansen, Hauptgeschäftsführer des Bundes Deutscher Nordschleswiger seit 2002
  • Siegfried Matlok, Chefredakteur Der Nordschleswiger, Leiter des Sekretariats der Deutschen Minderheit bei Regierung und Folketing in Kopenhagen 1983–2006
  • Jan Diedrichsen, Leiter des Sekretariats der Deutschen Minderheit bei Regierung und Folketing in Kopenhagen ab 2006, Direktor der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen, (FUEV)

Künstler und Schriftsteller

Bekannte deutsche Nordschleswiger, die in Deutschland wirkten

Bekannte deutsche Kopenhagener

Politiker

Künstler, Schriftsteller und Theologen

Weitere bekannte deutsche Kopenhagener

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  2. http://www.haderslevdomsogn.dk/domgemeinde
  3. http://www.toender-kristkirke.dk/tyskedel/
  4. Gesellschaft für Geschichte Schleswig-Holsteins
  5. Jacob Munkholm Jensen: Dengang jeg drog af sted-danske immigranter i den amerikanske borgerkrig, Kopenhagen 2012, Seite 46/47
  6. Henning Madsen: Mørkets gys, frihedens lys, Kopenhagen 2014, S. 221.
  7. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  8. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=544
  9. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  10. http://www.reformert.dk/tysk/index.php/geschichte-der-gemeinde
  11. http://www.reformert.dk/tysk/index.php/wir-ueber-uns
  12. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  13. http://www.gemeinde.dk/
  14. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  15. http://www.kopenhagen.diplo.de/Vertretung/kopenhagen/de/06/Bilaterale__Kulturbeziehungen/Bilaterale__Kulturbeziehunge.html
  16. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  17. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=1850
  18. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=221
  19. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=579
  20. http://sanktpetriskole.dk/Default.aspx?ID=552