Libyen

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Datei:Coat of arms of Libya.svg
Flagge Wappen
Amtssprache Arabisch
Hauptstadt Tripolis
Staatsoberhaupt Generalsekretär des Allgemeinen Volkskongresses Muhammad Abul-Quasim al-Zwai (de jure)

Führer der Revolution Muammar al-Gaddafi (de facto)

Regierungschef Generalsekretär des Allgemeinen Volkskomitees Al-Baghdadi Ali al-Mahmudi
Fläche 1.775.500 km²
Einwohnerzahl 6.310.434

(Quelle: CIA Juli 2009)

Bevölkerungsdichte 3,3 Einwohner pro km²
Bruttoinlandsprodukt nominal (2007)[1] 57.064 Mio. US$ (63.)
Brutto­inlands­produkt pro Einwohner 9.372 US$ (54.)
Index der menschlichen Entwicklung 0,847 (55.) [2]
Währung 1 Libyscher Dinar LD. = 1000 Dirham
Unabhängigkeit 24. Dezember 1951 (von Italien)
National­hymne Allahu Akbar (Gott ist am größten (oder: sehr groß, unermesslich groß …))
Zeitzone UTC+2
Kfz-Kennzeichen LAR
Internet-TLD .ly
Telefonvorwahl +218
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Libyen ([ˈliːby̆ən, ˈliːbi̯ən], arabisch ليبيا Lībiyā, amtlich Sozialistische Libysch-Arabische Volks-Dschamahirija, in der amtlichen Kurzform Libysch-Arabische Dschamahirija), ist ein Staat im Norden Afrikas. Er liegt am Mittelmeer und grenzt im Osten an Ägypten und Sudan, im Süden an Niger und Tschad und im Westen an die Maghreb-Staaten Tunesien und Algerien. Libyen wurde durch die Regierung der USA bis 2006 als Schurkenstaat bezeichnet, da es terroristische Organisationen unterstützte.[3]

Geographie

Den Nordwesten Libyens, das sogenannte Tripolitanien, nehmen die Küstenebene Al-Jifarah, das gebirgige Schichtstufenland Jabal Nafusah (bis 968 m) und die anschließende Steinwüste Al-Hamadah al-hamrah ein. Eine Steilstufe nach Süden leitet zu den Sand-, Kies- und Geröllwüsten des Fessan über. Der mittlere Abschnitt umfasst das küstennahe, an Erdöl- und Erdgasvorkommen reiche Syrtebecken.

In seinem Hinterland erhebt sich das vulkanische Gebirgsmassiv Al- Haruj al-aswad (1.200 m) mit dem Charudsch. Im Nordosten liegt die Cyrenaika mit dem steil zum Meer abfallenden Karstgebirge des Al-Jabal al-akhdar (878 m). Über das Mittelmeer im Norden ist Libyen Nachbar von Italien (Sizilien und Pantelleria), Malta und Griechenland (Kreta). Die Bucht der Großen Syrte wird von Libyen als Hoheitsgewässer beansprucht. Das Karstgebirge geht nach Osten in die Steppe der Marmarika über, nach Süden in das Sanddünenmeer der Libyschen Wüste. Im Grenzgebiet zum Tschad greifen die nördlichen Ausläufer des Tibesti mit dem höchsten Berg des Landes (Bette 2.286 m) auf Libyen über.

Insgesamt werden gut 85 % der Landesfläche von der Sahara eingenommen. Nur rund zwei Prozent der Fläche sind landwirtschaftlich nutzbar. Libyen ist eines der wenigen Länder der Welt, in denen es keinen einzigen ständigen Fluss gibt. Es verfügt lediglich über so genannte Wadis, die aber nur nach starken Regenfällen vorübergehend Wasser führen.

Libyen ist nach dem Sudan, nach Algerien und der Demokratischen Republik Kongo das viertgrößte Land des afrikanischen Kontinents.

Klima und Vegetation

Im mediterran geprägten winterfeuchten Küstenbereich liegen die mittleren Temperaturen im Januar bei 12 °C, im August bei 26 °C; der mittlere Jahresniederschlag beträgt hier 300 mm. Im Frühjahr und Herbst weht häufig ein trockenheißer staubiger Wüstenwind, der Gibli. Das Landesinnere hat Wüstenklima mit beträchtlichen Temperaturschwankungen (im Winter bei unter 0 °C, im Sommer über 50 °C) bei fast völliger Regenlosigkeit.

Trotz der Größe des Landes kennt Libyens Klima nur zwei wesentliche Ausprägungen: eine subtropisch warme Klimazone entlang der Küste und eine heiße, trockene Wüstenklimazone im Landesinneren (der bei weitem überwiegende Teil).

Am schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer herrschen milde Winter vor, in denen etwas Regen fällt. Durchschnittlich hält man hier bei 250 bis 400 mm Niederschlag im Jahr, was in etwa 30–50 Regentagen entspricht, die sich fast ausschließlich von November bis Februar einstellen. Die Temperaturen betragen in dieser Zeit 8–12 °C in der Nacht und ca. 16–20 °C am Tag. Das Frühjahr ist warm, mit Werten zwischen 12 und 16 °C bzw. 20–28 °C, fast ohne Niederschlag. Nun ist auch die Zeit heißer Sandstürme (genannt Ghibli) aus dem Süden, die selbst im April Spitzentemperaturen von bis zu 43 °C mit sich bringen können. Die Sommer sind lang, sehr trocken und heiß bei durchschnittlichen Tageswerten von 30–33 °C. In den Nächten sinken die Temperaturen gewöhnlich auf etwa 20–22 °C ab. Der Herbst zeigt sich warm und gegen Ende hin wieder etwas feuchter mit Tages- und Nachtwerten von 13–16 bzw. 22–27 °C. Zu dieser Zeit können abermals Ghibli auftreten, die dann wiederum Hitzewellen von 40 °C verursachen. Die Luftfeuchtigkeit ist mit 60–75 % ganzjährig hoch. Das soeben beschriebene Klima trifft auf Städte wie Tripolis (die Hauptstadt), Misratah, Surt , al-Baida ,und Benghazi zu.

Die Steppen- und Wüstengebiete die bereits knapp nach der Küste beginnen, sind geprägt von milden Wintern und sehr heißen Sommern. Niederschlag gibt es das ganze Jahr über so gut wie keinen (0–5 Niederschlagstage bzw. 1-35 mm). Im Winter bewegen sich die Temperaturen bei warmen 18–24 °C am Tag, während sie in der Nacht auf kühle Werte von 3–8 °C fallen. In manchen Gegenden ist leichter Frost durchaus möglich. Die Luftfeuchte ist bei 35–55 % mittel. Frühjahr und Herbst sind tagsüber sehr warm (24–35 °C, wobei es aber auch heißer werden kann), in den Nächten weiterhin kühl (10–18 °C). Des Öfteren gibt es Sandstürme (Ghibli), die manchmal auch die Küste erreichen. Die Luftfeuchte nimmt im Frühjahr ab, im Herbst wieder zu. Die Sommer sind sehr heiß mit trockener Luft (20–30 % Luftfeuchte). Die Tagesdurchschnittstemperaturen betragen 38–42 °C, in den Nächten zwischen 20 und 26 °C. Die libyschen Wüstengebiete gelten mit bis zu 58 °C als der Ort mit den weltweit höchsten je gemessenen Temperaturen. In der Stadt Ghadamis an der tunesischen Grenze betragen die Höchstwerte ganzer fünf Monate (Mai bis September) 50 °C und darüber. Das Wüstenklima trifft auf Städte wie Ghat, Ghadames, Kufra und Sabha zu, die trotz ihrer verstreuten Lage sehr ähnliche klimatische Verhältnisse aufweisen.

Flora und Fauna

Die küstennahen Gebirge tragen Mittelmeerflora, in den Küstentiefländern gibt es Steppenvegetation. Die Tierwelt umfasst die typischen Arten der Trockengebiete, wie Dünengazellen, Hyänen, Schakale, Wüstenspringmäuse und Wüstenfüchse (Fenneks), weiterhin leben hier Anubispaviane, Wildesel, Hasen und Falbkatzen sowie verschiedene Greifvögel, Schlangen und Skorpione. Zwischen 1990 und 2000 hat der Waldbestand um 1,4 % zugenommen.

Bevölkerung

Ethnische Karte Libyens

Die Bevölkerung besteht mehrheitlich aus Arabern (90 %) und Berbern (4 %), daneben gibt es Italiener, Ägypter, Schwarzafrikaner und andere ethnische Gruppen. Im Westen Libyens leben Teile des berberischen Nomadenvolks der Tuareg. Seit 1975 stieg die Bevölkerung von 2,5 Millionen auf 5,7 Millionen Menschen. Aufgrund der Bevölkerungszunahme von 2 % im Jahr 2005 waren damals 30 % der Bevölkerung unter 15 Jahre alt. Rund 90 % der Bevölkerung leben in den Küstengegenden von Tripolitanien und der Cyrenaika. 85 % lebten 2005 in Städten. Es leben knapp eine Million Gastarbeiter im Land. Nur noch 5 % der Bevölkerung sind Vollnomaden. Die Lebenserwartung betrug 2005 74 Jahre.

Sprache

Amtssprache ist Arabisch. Italienisch und Englisch sind als Handelssprachen verbreitet. Daneben werden einige Berbersprachen gesprochen:

Religion

Der Islam ist Staatsreligion. Die Senussi-Bruderschaft stellte bis zur Revolution von 1969 den König. In den letzten Jahren ist eine verstärkte Hinwendung zum orthodoxen Islam zu verzeichnen; die Verschleierung der Frau nimmt zu. Das Abfallen vom Islam wird zudem mit dem sofortigen Verlust der Staatsbürgerschaft geahndet. 97 % der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, vorwiegend malikitischer Richtung. Es gibt rund 74.000 Katholiken in Libyen, einige Kopten und einige ibaditische Muslime. Die meisten christlichen Kirchen wurden nach der Revolution von 1969 geschlossen. Die jüdischen Libyer mussten nach schweren Pogromen allesamt aus dem Land fliehen.

Siehe auch: Christentum in Libyen

Sozialsystem

Libyen hat eines der höchsten Pro-Kopf-Einkommen des afrikanischen Kontinents. Die Sozialversicherung der Einwohner umfasst die kostenlose medizinische Versorgung, sowie Witwen-, Waisen- und Altersrenten. Allgemeine Schulpflicht bei kostenlosem Unterricht besteht für 6- bis 12-jährige. Die Analphabetenrate liegt trotzdem bei Frauen noch bei 29 % und bei Männern bei 8 %. Universitäten gibt es in Tripolis, Bengasi und Sabha.

Geschichte

Historischer Marktplatz in Leptis Magna

Bereits in ägyptischen Hieroglyphentexten taucht eine Benennung für die westlich benachbarten Stämme auf. Die Griechen nannten das Land Libyē (Vorlage:ELSalt), das lateinische Pendant ist Libya. Damit war in der Antike das Land beiderseits der Großen Syrte gemeint. Vom 7. Jahrhundert v. Chr. an gründeten sie an der Küste Kolonien, darunter die Stadt Kyrene. Dieser Teil des Landes, die Kyrenaika, stand in den folgenden Jahrhunderten unter der Herrschaft Ägyptens. In dem sich westlich daran anschließenden Gebiet hatten die Phönizier etwa um 700 v. Chr. die drei Städte Sabratha, Oea und Leptis Magna gegründet - der Name Tripolitanien (Drei-Städte-Land) hat hier seinen Ursprung. Nach der Zerstörung Karthagos 146 v. Chr., das das Gebiet in Besitz gehabt hatte, geriet Tripolitanien unter römische Herrschaft, 96 v. Chr. wurde auch die Kyrenaika Teil des Römischen Reiches. Bei der römischen Reichsteilung 395 n. Chr. verblieb Tripolitanien bei Westrom, während die Kyrenaika Ostrom zugeschlagen wurde. Mitte des 5. Jahrhundert fielen die Vandalen in Libyen ein; die Rückeroberung gelang Byzanz ab 533 unter Führung des Generals Belisar.

Zwischen 641 und 644 besetzten die Araber das Gebiet; die dort ansässigen Berber nahmen daraufhin den Islam an. Im 16. Jahrhundert wurde Libyen von den Osmanen erobert. Im 19. Jahrhundert suchte die Senussi-Bruderschaft, ein in der Kyrenaika ansässiger islamischer Orden, die Macht zu erlangen. Er bildete auch den Kern des Widerstandes, als die Italiener nach dem italienisch-türkischen Krieg 1911/12 Libyen annektierten

Briefmarke der italienischen Besetzung von Libyen, ca. 1942

1934 erklärte Italien seine libyschen Besitzungen zur Kolonie Italienisch-Libyen. Von 1940 bis 1943 kämpften italienische Truppen im Verbund mit dem nach Libyen entsandten deutschen „Afrikakorps“ unter Generalfeldmarschall Erwin Rommel gegen alliierte Verbände, die von Ägypten aus vormarschierten. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Land von den Vereinten Nationen (UN) verwaltet.

1951 wurde Libyen in die Unabhängigkeit entlassen mit dem Oberhaupt der Senussi, Idris I. als König der konstitutionellen Monarchie. Die Entdeckung reicher Erdölvorkommen 1959 machte Libyen in der Folgezeit zu einem der bedeutendsten erdölexportierenden Länder der Welt. Auf der anderen Seite verstärkten sich jedoch die sozialen Spannungen im Innern, was neben anwachsenden nationalistischen Stimmungen schließlich am 1. September 1969 (neuer Nationalfeiertag) zum Sturz der Monarchie durch das Militär und zur Ausrufung der Arabischen Republik Libyen führte.

Der Vorsitzende des Revolutionären Kommandorates, Oberst Muammar al-Gaddafi, versuchte die radikale Arabisierung des Landes. Seine Pläne zur Schaffung einer panarabischen Union mit einigen Nachbarländern zwischen 1969 und 1974 scheiterten aber unter anderem an seinem Führungsanspruch. Er benannte Libyen auch in Dschamahirija um. 1977 führte Libyen einen kurzen Grenzkrieg gegen Ägypten.

In den folgenden Jahren wurden alle Erdölgesellschaften verstaatlicht. 1975 schloss Libyen ein Abkommen über wirtschaftlich-technische und militärische Zusammenarbeit mit der UdSSR. Das militärische Engagement des Landes zugunsten der Regierungsgegner im benachbarten Tschad 1983 blieb erfolglos: Französische Legionäre vertrieben die libyschen Truppen aus fast allen besetzten Gebieten.

Staatsterroristische Aktivitäten

Wegen Gaddafis Unterstützung antiisraelischer und antiamerikanischer Terrorgruppen verschlechterte sich in der Folgezeit das Verhältnis zu den USA: Im April 1986 bombardierte die US-amerikanische Luftwaffe Tripolis und Bengasi (Operation El Dorado Canyon). Im Zweiten Golfkrieg 1990 stellte sich Libyen auf die Seite des Irak. 1993 verhängte der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen Libyen wegen der verweigerten Auslieferung zweier libyscher Agenten, denen ein Flugzeugattentat zur Last gelegt wird.

Die UN-Sanktionen wurden 1999 nach einem Einlenken Gaddafis in der Terrorismusfrage und Überstellung der beiden Tatverdächtigen an ein internationales Gericht in den Niederlanden wieder ausgesetzt. Nachdem Libyen das Lockerbie-Attentat von 1988 eingestanden hatte und Entschädigungen für die Angehörigen dieser Opfer sowie eines Bombenanschlags auf ein französisches Verkehrsflugzeug 1989 (170 Tote) geleistet hatte, wurden die Embargomaßnahmen im September 2003 vollständig aufgehoben. Im September 2000 gab es Pogrome libyscher Arbeitsloser gegen afrikanische Gastarbeiter; 331 mutmaßliche Täter wurden im Januar 2001 angeklagt. Punkte bei westlichen Staaten machte Libyen ferner dadurch gut, dass es erfolgreiche Vermittlungsbemühungen im August 2000 bei islamischen Terroristen auf den Philippinen ableistete, welche zur Freilassung gefangener westlicher Geiseln führten. Außerdem erklärte sich die libysche Regierung zu Entschädigungszahlungen für die Opfer des Bombenanschlags auf die Berliner Diskothek La Belle 1986 bereit.

Die neue Libysche Botschaft in Berlin-Dahlem

Nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center am 11. September 2001 verurteilte Gaddafi die Gewaltakte und akzeptierte ausdrücklich ein US-amerikanisches Recht auf Selbstverteidigung. Im Dezember 2003 erklärte er den Verzicht Libyens auf Massenvernichtungswaffen und ließ Anfang 2004 zahlreiche Komponenten für chemische Waffen vernichten. Am 10. März 2004 hat Libyen in Wien das so genannte Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag unterzeichnet. Damit gestattet die Regierung in Tripolis der Internationalen Atomenergie-Organisation umfassende Kontrollmöglichkeiten der nuklearen Anlagen des Landes. Frankreich, das Vereinigte Königreich, sowie im Mai 2006 folgend die Vereinigten Staaten haben wieder diplomatische Beziehungen zu Libyen aufgenommen und ordnen Libyen nicht mehr in die Gruppe der Staaten ein, die den internationalen Terrorismus unterstützen. Vielmehr ist Libyen aktuell ein begehrter Partner für die Bekämpfung illegaler Einwanderung vor allem nach Italien, was auch ein Drängen der europäischen Staaten auf eine Aufhebung des Waffenembargos gegen Libyen nach sich zog.

Am 17. Juli 2007 endete der international kritisierte, teilweise als politisch angesehene HIV-Prozess in Libyen gegen fünf bulgarische Krankenschwestern und einen palästinensischen Arzt nach sieben Jahren mit der Ausreise der Angeklagten in ihre Heimatländer.

Zur Affäre um die Verhaftung von Gaddafis Sohn Hannibal 2008 in Genf und ihre Folgen siehe: Libyen-Affäre (Schweiz).

Politik

Politisches System

Gemäß der Verfassung von 1969 [4] ist Libyen ein basisdemokratischer Staat auf der Grundlage des Islam. Dem Generalsekretär des Allgemeinen Volkskongresses, Muftah Muhammad Kaiba, steht als Staatsoberhaupt ein siebenköpfiges Generalsekretariat zur Seite. Die faktische Macht liegt jedoch beim Oberbefehlshaber der Streitkräfte, Oberst Muammar al-Gaddafi. Der Allgemeine Volkskongress, dessen ca. 2.700 Delegierte von lokalen Volkskongressen (rund 15.000), Gewerkschaften, Streitkräften und anderen Massenorganisationen entsandt werden, ist die höchste politische Institution und besitzt sowohl legislative als auch exekutive Funktionen.

Im Jahr 2000 löste dieses Parlament aber auf Vorschlag Gaddafis die Zentralverwaltung des Landes weitgehend auf und übergab sowohl Gesetzgebung als auch Regierungsgewalt an regionale Parlamente und Ausschüsse.

Die Rechtsgrundlage der libyschen Verfassung ist der Koran (Artikel 2), die Rechtsprechung orientiert sich an der Schari'a, dem islamischen Rechtssystem. Im Zivilrecht (Eherecht, Scheidungsrecht, Erbrecht) sind Frauen nach der Schari'a benachteiligt. Seit 1973 ist Homosexualität strafbar (Gesetz Nr. 70/1973). Die Verleumdung wegen Unzucht/Ehebruch (qadhf) ist strafbar nach Gesetz Nr. 52/1973. Zina (Ehebruch und Unzucht) ist nach Gesetz Nr. 70/1973 strafbar und wird mit 100 Stockhieben bestraft. Als Grund wird die Eindämmung von Prostitution genannt.[5]

2005 wurde aber das berüchtigte Volksgericht abgeschafft. In Libyen existiert die Wehrpflicht. Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 35 Jahren können eingezogen werden. Ebenso sind alle Libyer ab 18 Jahren zur politischen Partizipation verpflichtet.

siehe auch: Liste der Könige und Staatsoberhäupter von Libyen, Liste der Ministerpräsidenten von Libyen

Außenpolitik

Das Land ist Mitglied der Vereinten Nationen (UN), der Afrikanischen Union (AU), der Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC), der Organisation arabischer Erdöl exportierender Länder (OAPEC), der Organisation der Islamischen Konferenz (OIC) und der Arabischen Liga sowie der Gemeinschaft der Sahel-Saharanischen Staaten SAD-CEN.

In den 25 Jahren zwischen 1969 und 1994 gingen von Libyen zahlreiche Vereinigungsversuche mit arabischen und islamischen afrikanischen Staaten aus.

Verwaltungsgliederung

Die größten Städte sind (Stand 2007): Tripolis 1.780.000 Einwohner, Banghazi 650.629 Einwohner, Misrata 386.120 Einwohner, al-Aziziyya 287.407 Einwohner, Tarhuna 210.697 Einwohner und al-Chums 201.943 Einwohner.

Siehe auch: Liste der Städte in Libyen

Aktuelle Gliederung

Die klassischen drei Regionen Libyens sind Tripolitanien, Fezzan und Cyrenaika. In dieser Form war Libyen zuletzt 1963 geteilt.

Die drei historischen Gouvernements Libyens (1943-1963)

Im Jahre 2007 fand die letzte Gebietsreform statt, in der die 32 Shabiyat durch 22 Shabiyat ersetzt wurde[6][7] [8].

Aktuelle Verwaltungsgliederung Libyens
(22 shabiyat; seit 2007)
شعبية Shabiyah 2007 Einwohner 2006[9] Ziffer Hauptort
البطنان al-Butnan (Distrikt) 159.536 1 Tobruk
درنة Derna (Distrikt) 163.351 2 Derna
الجبل الاخضر al-Dschabal al-Akhdar (Distrikt) 203.156 3 al-Baida
المرج al-Mardsch (Distrikt) 185.848 4 al-Mardsch
بنغازي Bengasi (Distrikt) 670.797 5 Bengasi
الواحات al-Wahat (Distrikt) 177.047 6 Adschdabiya
الكفرة al-Kufra (Distrikt) 50,104 7 al-Dschauf
سرت Surt (Distrikt) 141.378 8 Surt
مرزق Murzuk (Distrikt) 78.621 22 Murzuk
سبها Sebha (Distrikt) 134.162 19 Sebha
وادي الحياة Wadi al-Haya (Distrikt) 76.858 20 Awbari
مصراتة Misrata (Distrikt) 550.938 9 Misrata
المرقب al-Murgub (Distrikt) 432.202 10 al-Chums
طرابلس Tarabulus (Distrikt) 1.065.405 11 Tripolis
الجفارة al-Dschifara (Distrikt) 453.198 12 Al-'Azīziyah
الزاوية az-Zawiya (Distrikt) 290.993 13 Az-Zawiya
النقاط الخمس an-Nuqat al-Chams (Distrikt) 287.662 14 Zuwara
الجبل الغربي al-Dschabal al-Gharbi (Distrikt) 304.159 15 Gharyan
نالوت Nalut (Distrikt) 93.224 16 Nalut
غات Ghat (Distrikt) 23.518 21 Ghat
الجفرة al-Dschufra (Distrikt) 52.342 17 Hun
وادي الشاطئ Wadi al-Shatii (Distrikt) 78.532 18 Adiri

Gliederung 2001-2007

Bis 2007 gab es in Libyen 32 Munizipien. Der arabische Begriff für eine libysche Verwaltungseinheit ist Sha'biyah (Plural Sha'biyat). Bis 1983 wurde Libyen in 10 Gouvernements eingeteilt, seitdem fanden sehr oft Territorialreformen statt[8], so

  • 1983: Gliederung in 46 Distrikte
  • 1987: Gliederung in 25 Baladiyah
  • 1995: Gliederung in 13 Baladiyah
  • 1999: Gliederung in 26 Shabiyah
  • 2001: Gliederung in 32 Shabiyah
  • 2007: Gliederung in 22 Shabiyah
Verwaltungsgliederung in Libyen 2001-2007
Nr. شعبية Shabiyah Einwohner
2003
Fläche
km²
1 إجدابيا Ajdabiya 165.839 91.620
2 البطنان Al Butnan 144.527 83.860
3 الحزام الاخضر Al Hizam Al Akhdar 108.860 12.800
4 الجبل الاخضر al-Dschabal al-Akhdar 194.185 7.800
5 الجفارة Al Jfara 289.340 1.940
6 الجفرة Al Jufrah 45.117 117.410
7 الكفرة Al Kufrah 51.433 483.510
8 المرج Al Marj 116.318 10.000
9 المرقب Al Murgub 328.292 3.000
10 النقاط الخمس An Nuqat al Khams 208.954 5.250
11 القبة Al Qubah 93.895 14.722
12 الواحات Al Wahat 29.257 108.670
13 الزاوية Az Zawiyah 197.177 1.520
14 بنغازي Benghazi 636.992 800
15 بنى وليد Bani Walid 77.424 19.710
16 درنة Darnah 81.174 4.908
17 غات Ghat 22.770 72.700
18 غدامس Ghadamis 19.000 51.750
19 غريان Gharyan 161.408 4.660
20 مرزق Murzuq 68.718 349.790
21 مزدة Mizdah 41.476 72.180
22 مصراتة Misratah 360.521 2.770
23 نالوت Nalut 86.801 13.300
24 تاجوراء والنواحي الأربع Tajura Wa Al Nawahi AlArba' 267.031 1.430
25 ترهونة و مسلاته Tarhuna Wa Msalata 296.092 5.840
26 طرابلس Tarabulus 882.926 400
27 سبها Sabha 126.610 15.330
28 سرت Surt 156.389 77.660
29 صبراته و صرمان Sabratha Wa Surman 152.521 1.370
30 وادي الحياة Wadi Al Hayaa 72.587 31.890
31 وادي الشاطئ Wadi Al Shatii 77.203 97.160
32 يفرن Yafran 117.647 9.310
  ليبيا‎ Libyen 5.678.484 1.775.060

Wirtschaft

Tripolis.

Libyen gehörte 2007 zu den korruptesten Ländern der Erde (Rang 131 von 180) auf einem Niveau mit Burundi, Honduras, Iran, Nepal und Jemen. Die libysche Wirtschaft ist bis heute stark geprägt von Kommandowirtschaft mit Importverboten, Preiskontrollen und staatlich kontrollierter Verteilung. Seit 2002 verfolgt die libysche Regierung jedoch einen vorsichtigen Kurs der Liberalisierung, der sich in einem deutlich steigenden Wachstum bemerkbar macht. So liegt das reale Wirtschaftswachstum seit 2003 regelmäßig über 5 %. 2005 betrug das reale Wachstum 6,3 %, das vorläufige Wachstum 2006 wird mit 5,6 % angegeben für 2007 werden 9,2 % geschätzt und für 2008 werden 8,8 % erwartet. Nicht zuletzt die deutliche Zunahme des Ölpreises erlaubt es der Regierung die Reformen zu beschleunigen. Da das Land über reiche Erdölvorkommen verfügt, erfolgten 70 % der BIP Entstehung 2005 im Bereich Erdöl und Erdgas. Alle anderen Wirtschaftszweige spielen dementsprechend nur eine untergeordnete Rolle: Landwirtschaft 2,9 %, Bergbau 0,8 %, verarbeitendes Gewerbe 1,4 %, Elektrizität, Gas, Wasser 0,7 %, Bau 3,3 %, Handel, Hotellerie und Gaststättengewerbe 5,3 %, Transport, Lagerhaltung und Kommunikation 3,7 %, öffentliche Dienstleistungen 8,6 %.

Die Arbeitslosenquote wurde 2004 mit 30 % angegeben. Die Inflationsrate lag 2008 bei 10,4 %, 2009 bei 2,0 %.[10]

Ende März 2007 wurde in Bengasi die erste Börse Libyens eröffnet. Die Regierung privatisierte die staatliche Sahara-Bank und beschloss weitere Privatisierungsmaßnahmen im Wirtschaftsbereich.

Landwirtschaft

In den wenigen landwirtschaftlich nutzbaren Gegenden an der Küste werden vor allem Weizen, Gerste, Gemüse, Oliven, Mandeln, Zitrusfrüchte und Datteln angebaut. Trotz der geringen landwirtschaftlichen Nutzfläche hat Libyens Dattelanbau an der Weltproduktion einen Anteil von 2–5%. Auch der Olivenanbau hat an der Weltproduktion einen Anteil von 1–3% (Stand 2006).

Industrie

Die größten Zementfabriken Libyens sind die Werke von LCC und ACC. Nach Beendigung des US-Embargos im Jahre 2004 wurden in Libyen Niederlassungen von ABB, Siemens und von anderen internationalen Firmen wieder geöffnet. Durch die Erdölförderung befinden sich außerdem vor allem an den Küstengebieten zahlreiche Raffinerien, sowie Textil- und Nahrungsmittelindustrie.

Handel

Die weitgehend verstaatlichte Wirtschaft Libyens basiert auf den reichen Erdöl- und Erdgasvorkommen, durch die 2005 97 % der Exporterlöse (nach Italien 38 %, Deutschland 15 %, Spanien 9 %, Türkei 6 %, Frankreich 6 % und USA 5 %) in Höhe von 35,9 Mrd. US-$ erzielt wurden. Die weitere Industrie ist auf den Chemie-, Textil-, Möbel- und Baustoffsektor beschränkt. Eingeführt (aus Italien 21 %, Deutschland 10 %, Tunesien 6 %, Vereinigtes Königreich 5 %, Türkei 5 %, Frankreich 5 %, Republik Korea 5 % und Volksrepublik China 5 %) wurden zu 18 % Maschinen, 14 % Nahrungsmittel, 11 % Eisen und Stahl und zu 10 % Kraftfahrzeuge im Gesamtwert von 14,5 Mrd. US-$. Wegen seiner politischen Stabilität im Gegensatz zu anderen Staaten im Nahen Osten ist Libyen in letzter Zeit ein attraktiver Geschäftspartner für westliche Ölkonzerne geworden.

Tourismus

Aufgrund der politischen Isolation in der Vergangenheit ist der Tourismus unbedeutend, aber im Aufwind begriffen.

Verkehr

Libyen verfügt über Häfen in Tobruk (Naturhafen), Tripolis, Banghazi, Misurata, Mersa Brega sowie über mehrere Erdölverschiffungshäfen.

Als internationale Flughäfen gibt es den Flughafen Tripolis, den Flughafen Mitiga und den Flughafen Banghazi. Das Land hat etwa 47.600 km asphaltierte Straßen und etwa 35.600 km Pisten.

Zwei existierende Schmalspurstrecken in Tripolis und Banghazi wurden 1965 eingestellt. Aktuell wird in Libyen ein völlig neues Schienennetz als Normalspurgleis errichtet, das langfristig küstennah die Lücke im Schienennetz Nordafrikas zwischen Tunesien und Ägypten schließen soll. Zunächst wird der Abschnitt zwischen Sirt und Banghazi zweigleisig gebaut, auf dem zuerst dieselgetriebene Züge verkehren sollen; später soll die Strecke elektrifiziert werden. Die Strecke soll mit ETCS ausgerüstet werden. Neben der Küstenbahn wird eine fast 1.000  km lange Strecke in Richtung Sudan gebaut.

Siehe auch: Schienenverkehr in Libyen

Bewässerungsprojekt

Der See Umm al-Maʾ in Libyen

1984 begann Libyen mit der systematischen Förderung der eiszeitlichen Süßwasservorkommen in der Sahara. Mit dem Great-Man-Made-River-Projekt startete das bisher größte Süßwasserprojekt der Welt. Damit möchte sich das Land nicht nur von Lebensmittelimporten unabhängig machen, sondern auch zu einem Agrarexportstaat werden. Laut Gaddafi gibt es zum GMMR-Projekt für die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung keine Alternative. Fraglich ist jedoch die mittelfristige Kostenentwicklung angesichts der enormen Bau- und Wartungskosten. Unstrittig ist, dass das GMMR-Projekt eine gewaltige Bildungs- und Infrastrukturmaßnahme darstellt und Libyens ökonomische Stabilität nach Versiegen der Ölquellen gewährleistet, wobei bis heute ungewiss ist, wie groß die unterirdischen Süßwasservorkommen sind und somit die Dauer und das Funktionieren des Projekts.

Atomprogramm

In den 1970er Jahren wollte Libyen einen Reaktor von der Sowjetunion kaufen und das Kernkraftwerk Sirt bauen lassen. Die Planungen wurden jedoch gestoppt.

Abdul Kadir Khan, der „Vater der Atombombe“ und Chefentwickler des pakistanischen Atomwaffenprogramms, hatte 2004 gestanden, geheime Atomwaffenpläne an Libyen verkauft zu haben.[11]

Im Juli 2007 unterzeichneten der Staatspräsident von Frankreich Nicolas Sarkozy und der libysche Staatschef Gaddafi eine Absichtserklärung über den Bau eines Kernkraftwerks.[12]

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2009 Ausgaben von umgerechnet 35,9 Mrd. US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 35,1 Mrd. US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 1,3 % des BIP.[10]
Die Staatsverschuldung betrug 2009 4 Mrd. US-Dollar oder 6,5 % des BIP.[10]

2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in % des BIP) folgender Bereiche:

Literatur

  • Klaus Braun, Tina Eisele und Jacqueline Passon: Libya – a new tourist destination. GR international 4(2), Braunschweig 2008, 16-20
  • Jacqueline Passon: Zwischen Kulturstätten und Wüstensand – Libyen öffnet sich für den Tourismus. Berlin, 2009
  • Klaus Braun und Jacqueline Passon: Vom Berberzelt in die Moderne, in: Rüdiger Glaser und Klaus Kremb (Hrsg.): Afrika. Darmstadt 2010, S. 69-79
Commons: Libyen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Libyen – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikimedia-Atlas: Libyen – geographische und historische Karten

Einzelnachweise

  1. International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2008
  2. Human Development Index
  3. U.S. Department of State: „Country Reports on Terrorism 2008
  4. Verfassung von Libyen 1969 http://kms1.isn.ethz.ch/serviceengine/Files/ISN/30470/ipriadoc_doc/F79E4B8D-CA5C-4684-A988-1B78EA340E77/en/2315_constitution_libya.pdf
  5. "Gender, Sexuality and the Criminal Laws in the Middle East and North Africa: A Comparative Study" von Dr. Sherifa Zuhur, 2005 http://www.wwhr.org/files/GenderSexualityandCriminalLaws.pdf
  6. شعبيات الجماهيرية العظمى Sha'biyat der Großen Dschamahiriya, abgerufen am 10. Mai 2009 (arabisch)
  7. :Libsche Bevölkerungsstatistik. Geohive, abgerufen am 30. Oktober 2009.
  8. a b Municipalities of Libya. Statoids.com, abgerufen am 30. Oktober 2009.
  9. Libyan General Information Authority, abgerufen 22. Juli 2009
  10. a b c d e The World Factbook
  11. Tagesschau: Vorlage:Tagesschau
  12. Süddeutsche Zeitung: Abkommen mit Frankreich − Libyen erhält Atomreaktor, 26. Juli 2007
  13. Der Fischer Weltalmanach 2010: Zahlen Daten Fakten, Fischer, Frankfurt, 8. September 2009, ISBN 978-3-596-72910-4

Koordinaten: 26° N, 18° O

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