Michael Francis Atiyah
Sir Michael Francis Atiyah, OM (* 22. April 1929 in London) ist ein britischer Mathematiker.
Leben und Werk
Er wurde als Sohn einer Schottin und eines Libanesen geboren. Er ging in Kairo und Manchester zur Schule, leistete seinen Wehrdienst und begann in Cambridge zu studieren. Nach seiner Promotion wurde er dort 1954 „Fellow“ des Trinity College. Er war auch 1955 am Institute for Advanced Study in Princeton. 1958 wechselte er an die Universität Oxford, wo er 1963 die Savilian Professur für Geometrie erhielt. Er blieb in Oxford (bis auf eine Professur 1969–1972 am Institute for Advanced Study) bis 1990, als er Direktor des neu gegründeten Isaac Newton Institute für Mathematik in Cambridge wurde und gleichzeitig „Master“ des Trinity College.
Er war in den 1960er Jahren zusammen mit Friedrich Hirzebruch einer der Begründer der K-Theorie, einer mit Hilfe von Vektorbündeln definierten Kohomologietheorie, und bewies 1963 zusammen mit Isadore M. Singer den Atiyah-Singer-Indexsatz, der als einer der bedeutendsten mathematischen Sätze des 20. Jahrhunderts gilt. Der Satz drückt den analytischen Index eines elliptischen linearen Differentialoperators (zum Beispiel Laplace-Operator, Dirac-Operator) auf einer kompakten Mannigfaltigkeit M durch topologische Invarianten von M aus (verschieden je nach Art des Operators, im einfachsten Fall durch die Euler-Poincare-Charakteristik). Er verbindet also Analysis mit Topologie und hat so auch Anwendungen in der modernen Physik. Der „Index“ des Differentialoperators ist dabei die Differenz der Dimensionen seines Lösungs-Vektorraumes und der seines adjungierten Operators. Er beteiligte sich auch an den neuen einfacheren Beweisen dieses Satzes mit Hilfe der Wärmeleitungsgleichung (Diffusionsgleichung) in den 1970er Jahren (mit Raoul Bott, Patodi 1973). Mit Graeme Segal und Raoul Bott gab er auch einen Beweis, der den Satz als Variante des Lefschetz-Fixpunkt-Satzes in äquivarianter K-Theorie formulierte. Der Indexsatz hat auch Anwendungen in der algebraischen Geometrie – er enthält den Satz von Riemann-Roch als Spezialfall. In Zusammenhang mit dem Indextheorem „entdeckten“ Atiyah und Singer auch den Diracoperator für die Mathematik.
Die Motivation für den berühmten Satz kam von Israel Gelfand (On elliptic equations, Russ. Math. Surveys 1960).
Atiyah hat sich in den letzten Jahrzehnten als unermüdlicher Vermittler zwischen Mathematik und Physik verdient gemacht. Insbesondere interessierten ihn die nichtabelschen Eichtheorien (Yang-Mills-Theorien), die nichtlineare Differentialgleichungen auf Mannigfaltigkeiten sind, und die er zusammen mit Raoul Bott untersuchte (Fixpunkt-Satz von Atiyah-Bott). Aber auch die besonders von Edward Witten in die Mathematik eingeführten quantenfeldtheoretischen Methoden (von neuen Knoteninvarianten über topologische Quantenfeldtheorien bis zur Supersymmetrie und Stringtheorie) griff er auf. Viele Ideen Atiyahs wurden so umgekehrt ab den 1980er Jahren von den Physikern aufgegriffen (u.a. auch neue Beweise seines Indexsatzes) und weiterentwickelt.
Zu seinen Studenten gehören Simon Donaldson, Nigel Hitchin, Peter Kronheimer, Graeme Segal, Frances Kirwan und Ruth Lawrence.
Preise und Auszeichnungen
- Fields-Medaille (1966), mit einem Plenarvortrag auf dem ICM (Global aspects of the theory of elliptic differential operators)
- Royal Medal der Royal Society (1968)
- 1969 wurde Atiyah in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.[1]
- Antonio-Feltrinelli-Preis der Accademia Nazionale dei Lincei (1981)
- Internationaler König-Faisal-Preis für Wissenschaft (1987)
- zum Ritter geschlagen (1983)
- Copleymedaille (1988)
- Mitglied des englischen Order of Merit (1992)
- Benjamin Franklin Medal der American Philosophical Society (1993)
- Abel-Preis (2004) gemeinsam mit Singer
- Grande médaille de l’Académie des sciences (2010)
- Er war Invited Speaker auf den Internationalen Mathematikerkongressen in Stockholm 1962 (The Grothendieck ring in geometry and topology), 1970 in Nizza (Elliptic operators and singularities of vector fields) und 1978 in Helsinki (Geometrical aspects of gauge theories).
- Er ist Fellow der American Mathematical Society.
Schriften
- mit Isadore M. Singer: The index of elliptic operators on compact manifolds. Bull. AMS 1963, Beweis dann in einer Reihe von Aufsätzen in den Annals of Mathematics, wieder abgedruckt in Band 3 der Gesammelten Werke.
- mit Raoul Bott: A Lefschetz fixed point formula for elliptic operators. Bull. AMS 1966
- mit Ian G. Macdonald: Introduction to commutative algebra. Addison-Wesley 1969
- (Hrsg. und Mitautor) The representation theory of Lie groups. 1977
- Collected works. 5 Bände, 1988
- K-theory. Benjamin 1967, 1989
- mit Iagolnitzer (Hrsg. und Mitautor): Fields medaillist lectures. World Scientific 1997, 2003
- The geometry and physics of knots. Cambridge 1990
- Advice to a young mathematician, in Timothy Gowers June Barrow-Green, Imre Leader (Herausgeber): The Princeton Companion to Mathematics, Princeton University Press 2008, S. 1006–1010
- What is geometry ? (Presidential Address), The Mathematical Gazette, Band 66, 1982, S. 179–182
- Geometry and Physics, The Mathematical Gazette, Band 80, 1996, S. 78–82
- Global Geometry (Bakerian Lecture), American Mathematical Monthly, Band 111, 2004, S. 716–723
- The role of algebraic topology in mathematics, Journal of the London Mathematical Society, Band 41, 1966, S. 63–69
- Geometry of Yang-Mills Fields, Fermi Lecture, Accademia dei Lincei, Pisa 1979
- Topological Quantum Field Theory, Pub. Math. IHES, Band 68, 1988, S. 175–186
- mit I. Singer, N. Hitchin: Self-duality in four dimensional Riemannian geometry, Proc. Roy. Soc. A, Band 362, 1978, S. 425–461
- mit R. S. Ward: Instantons in algebraic geometry, Comm. Math. Phys., Band 55, 1977, S. 117–124
- Quantum Field Theory and low dimensional geometry, Progress in Theoretical Physics, Supplement Nr. 102, 1990, S. 1
Literatur
- S.-T. Yau (Hrsg.): The founders of index theory: reminiscences of Atiyah, Bott, Hirzebruch and Singer, International Press, Somerville 2003
Weblinks
- Literatur von und über Michael Francis Atiyah im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Vorlage:MacTutor Biography
- Peter Gilkey „Invariance theory, the heat equation, and the Atiyah-Singer-Indextheorem“, ein online-Buch
- Melrose The Atiyah-Patodi-Singer index theorem, online Buch
- Seite über Atiyah beim Oral History Project der Simons Foundation, mit Lebenslauf und Video
- Ein anderes Foto (2010) von Atiyah und Hirzebruch (aus der Oberwolfacher Sammlung)
Einzelnachweise
Personendaten | |
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NAME | Atiyah, Michael Francis |
KURZBESCHREIBUNG | englischer Mathematiker |
GEBURTSDATUM | 22. April 1929 |
GEBURTSORT | London |
- Mathematiker (20. Jahrhundert)
- Topologe (20. Jahrhundert)
- Träger der Fields-Medaille
- Träger der Copley Medal
- Hochschullehrer (University of Oxford)
- Hochschullehrer (Cambridge)
- Hochschullehrer (Institute for Advanced Study)
- Präsident der Royal Society
- Mitglied der Royal Society of Edinburgh
- Mitglied der Académie des sciences
- Mitglied der Norwegischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Königlich Schwedischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften
- Mitglied der American Academy of Arts and Sciences
- Savilian Professor of Geometry
- Mitglied der Leopoldina (20. Jahrhundert)
- Träger des Abelpreises
- Träger des Order of Merit
- Brite
- Geboren 1929
- Mann