Markgrafenstil

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Markgrafenstil ist ein Kirchenbaustil des 18. Jahrhunderts, insbesondere in den protestantischen Gebieten der Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth.[Anm. 1] Die betreffenden Kirchen werden als Markgrafenkirchen bezeichnet.[1] Einer der führenden Baumeister war der Ansbacher Landbauinspektor Johann David Steingruber (1702–1787).

Seit karolingischer Zeit gab es befestigte Kirchengebäude, sogenannte Wehrkirchen. Oft wurden die um die Kirchen liegenden Friedhöfe in die Befestigung einbezogen. Es entwickelten sich die Wehrfriedhöfe. Dem Burgenbau nachempfunden, umgab man sie manchmal mit starken und hohen Mauern. So entstanden die Kirchenburgen.

Zahlreiche dieser Kirchengebäude wurden nach der Reformation um- bzw. neugebaut. Der Protestantismus fand seinen Ausdruck in der veränderten Gestaltung, dem sogenannten Markgrafenstil. Eine Urkunde zur Grundsteinlegung begründet dies so: „Eine mit Finsternus vorher erfüllte Kirche stehet nun in vollen Licht. Vor ungefehr Zwey Hundert Jahren wurde dieselbe von der Finsternus des Pabstuhms befreyet, und mit dem Licht der Himmlischen Wahrheit bestrahlet anheute ... müste auch das dunckele des Gebäudes sich verlieren als durch gegenwärttigen Stein der Grund zu dieser Licht erbauten Kirche geleget worden. ...“[2] Nach evangelischem Verständnis wurde in der räumlichen Zuordnung optisch sichtbar herausgestellt, dass „evangelisch-lutherischer Glaube und Theologie nur das eine Sakrament des Wortes, das als hörbares Wort in der Predigt und als sichtbares Wort in den Sakramenten Taufe und Abendmahl sich der Gemeinde mitteilt“[3], kennen. Als Grundtyp einer selbstständigen evangelischen Kirchenbaukunst gilt die bereits 1560 geweihte Stuttgarter Schlosskirche.

Am Ende des 17. Jahrhunderts beeinflussten die in die protestantischen Gebiete der Markgraftümer Brandenburg-Ansbach und Brandenburg-Bayreuth geflohenen Calvinisten mit ihrem reformierten Bekenntnis den Baustil. So entstanden im 18. Jahrhundert die sogenannten Markgrafenkirchen in den genannten Herrschaftsbereichen. Auch Schlossbauten wie die Residenz Ansbach oder Schloss Rentweinsdorf waren von dem Stil beeinflusst.

Ein schlichter äußerer Baustil nimmt bereits Elemente des Klassizismus vorweg und prägt viele Kirchenbauten. Nur Lisenen und auch große hohe Fenster oder mehrere Fenster übereinander unterbrechen die einfache Fassade.

In der Regel ist der Grundriss des Langhauses rechteckig, bei Neubauten fehlt der Chor und bei Umbauten wurde er durch eine Wand abgetrennt.

Der Turmstumpf stammt meist aus der Vorgängerkirche und erhielt einen Aufsatz, dessen achteckiges Turmobergeschoss den Glockenstuhl beherbergt. Das Dach des Turms hat verschiedene Erscheinungsformen. Sehr häufig anzutreffen sind die Spindelhaube, die Zwiebelhaube und die Welsche Haube.

Kanzelaltar der evangelisch-lutherischen Grafschaftskirche Castell

Das Innere ist ursprünglich in schlichten Farben gehalten (weiß, hellblau, grau). Schmuck fehlt, nur an Kanzel und Altar sind Vergoldungen zu finden. Weitere Ausschmückungen erhielten heutige Kirchengebäude später oder in jüngster Zeit.

Da Predigt und Sakrament gleichwertig und bestimmend für den evangelischen Gottesdienst sind, sind Kanzel, Altar und Taufstein räumlich zusammengefasst, in der Regel auf der Ostseite des Kirchenraums.

Kanzelwand in der evangelischen Kirche St. Bartholomäus von Rödelsee

Durch das Einfügen der Kanzel mit Schalldeckel in eine Rückwand hinter dem meist freistehenden Altar wird eine noch engere optische Einheit geschaffen, der Kanzelaltar. Für große Altarbilder ist kein Raum mehr. Es ist jedoch genügend Platz vorhanden, dass beim Abendmahl die Teilnehmer auf der einen Seite das Brot empfangen und hinter der Rückwand vorbeigehen können, um auf der rechten Seite den Wein zu erhalten.

Sind Kanzel und Altar in eine eingepasste oder freistehende Wand aus Stein oder Holz eingefügt, spricht man von einer Kanzelwand. Sehr häufig findet darüber auf der Empore noch die Orgel ihren Platz.

Durch die Betonung der Gleichstellung von Wort und Sakrament rückt der Ort der Taufe, der Taufstein, vom Kircheneingang oder aus einer Seitenkapelle vor den Altar. Dem Besucher wird vor Augen geführt, dass er nur über die Taufe den Zugang zum Altarsakrament erhält.

Charakteristisch für diese Predigtkirchen sind die umlaufenden, oft mehrstöckigen Emporen. Man schuf damit zahlreiche Sitzplätze neben der Bestuhlung im Kirchenschiff. Ein Herrensitz für den Ortsadeligen auf der ersten Empore hatte in der Regel einen separaten Zugang und war zum übrigen Kirchenraum hin abgeschlossen.

Kanzelaltar und Emporen der evangelisch-lutherischen Pfarrkirche in Weidenberg

Markgrafenstilkirchen

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Oberfranken existieren 59 Markgrafenkirchen, darunter[1]

  • St. Oswald in Ederheim
  • St. Martin in Lehmingen
  • St. Martin in Memmingen-Steinheim
  • Friedenskirche in Munningen
  • St. Peter und Paul in Steinhart
  • St. Veit in Wechingen
Kanzelwand der evangelischen Kirche Ettenhausen von 1785
  • Evangelische Kirche in Ettenhausen, Ortsteil von Schrozberg
  • Evangelische Kirche St. Katharina in Amlishagen[6]. Der Kirchturm wurde, wohl aus baustatischen Gründen, nicht auf der steil abfallenden talwärtigen Ostseite (und somit nicht über der Markgräfler Wand), sondern über den westlich gelegenen Haupteingang verlegt.
  • Marienkirche Neuenstein-Kirchensall
  • Peter-und-Paul-Kirche in Altenmünster, Stadtteil von Crailsheim
  1. Die Fürsten von Ansbach bzw. Kulmbach / Bayreuth erwarben den Titel „Markgraf“ nicht als Regenten einer Mark, sondern erbten ihn als Mitglieder des Geschlechts der hohenzollernschen Markgrafen von Brandenburg.
  • Karl Kolb: Wehrkirchen und Kirchenburgen in Franken, Echter Verlag Würzburg, 1977
  • Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Bayern I: Franken, München, Berlin 1979
  • Klaus Raschzok: Lutherischer Kirchenbau und Kirchenraum im Zeitalter des Absolutismus. Dargestellt am Beispiel des Markgraftums Brandenburg-Ansbach 1672–1791. Frankfurt/M., Bern, New York, Paris 1988, ISBN 978-3-8204-8805-0, S. 625.
  • Claus-Jürgen Roepke: Die Protestanten in Bayern. Süddeutscher Verlag, München 1972, ISBN 3-7991-5705-0.
  • Karl Sitzmann: Markgrafenkirchen, insbesondere die Pfarrkirche zu Bindlach. Ellwanger, 1927, S. 32.
  • Alfred Schelter: Der protestantische Kirchenbau des 18. Jahrhunderts in Franken, Band 41, Verlag: Freunde der Plassenburg, Kulmbach 1981
  • Wilhelm Sperl: Der protestantische Kirchenbau des XVIII. Jahrhunderts im Fürstentum Brandenburg-Onolzbach. Die Egge, Nürnberg 1951.
  • Heinrich Thiel: Studien zur Entwicklungsgeschichte der Markgrafenkirchen. Die Plassenburg. Schriften für Heimatforschung und Kulturpflege in Ostfranken. E.C. Baumann, Kulmbach 1955, S. 70.
Commons: Markgrafenstil – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Webpräsenz der evangelischen Projekte zu den Markgrafenkirchen im ehemaligen Fürstentum Bayreuth (in Oberfranken) und im ehemaligen Fürstentum Ansbach (Teile Mittelfrankens und angrenzende Gebiete):

Beispiele für eine typische mittelfränkische Markgrafenkirche:

Einzelnachweise

[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]
  1. a b Das kirchliche Erbe der Markgrafen in: Nordbayerischer Kurier vom 5. Dezember 2022, S. 1 und 7.
  2. Auszug aus der Urkunde zur Grundsteinlegung der Johanniskirche in Mainbernheim, 1732, Aushang einer Kopie in der Kirche, Original im evangelischen Pfarramt Mainbernheim
  3. RPZ Heilsbronn, Kirchen – Ausdrucksformen des Glaubens, Hefte zur regionalen Kirchengeschichte IV, 1996, S. 10
  4. Austoben im Himmel in: Nordbayerischer Kurier vom 9. November 2018. S. 11.
  5. Online epv: St. Jakobus in Weißenstadt. 16. März 2018, abgerufen am 23. Mai 2018.
  6. Innenansicht der Kirche St. Katharina (Memento des Originals vom 5. August 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.amlishagen.de