François Truffaut

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François Truffaut, 1967

François Truffaut (* 6. Februar 1932 in Paris; † 21. Oktober 1984 in Neuilly-sur-Seine) war ein französischer Filmregisseur, Filmkritiker, Schauspieler und Produzent.

Mit der Neubelebung des Autorenfilms ab Ende der 1950er Jahre – wie etwa mit Sie küßten und sie schlugen ihn – gilt Truffaut in der französischen Filmgeschichte mit Jacques Rivette, Jean-Luc Godard, Claude Chabrol und Éric Rohmer als einer der maßgeblichen Begründer der Nouvelle Vague (wörtlich übersetzt: „Neue Welle“).

Leben

Kindheit und Jugend

François Truffaut wurde 1932 als uneheliches Kind geboren. Seine Mutter Janine de Montferrand heiratete 1933 den Architekten und Bauzeichner Roland Truffaut, der François als seinen Sohn adoptierte. Dennoch wuchs François bei seiner Großmutter auf. Erst als diese 1942 starb, nahmen ihn die Eltern zu sich. Truffaut galt in seiner Jugend als schwer erziehbar, landete in mehreren Erziehungsheimen und schlug sich als junger Erwachsener mit Gelegenheitsjobs durch, bis er schließlich Soldat wurde. Doch auch aus der französischen Armee wurde er unehrenhaft entlassen, nachdem er vergeblich versucht hatte zu desertieren.

Vom Filmkritiker zum Regisseur

Truffaut begann 1951 unter der Leitung von André Bazin als Filmkritiker beim Kinomagazin Les Cahiers du cinéma zu arbeiten. 1954 veröffentlichte er in den Cahiers seine Kampfschrift Eine gewisse Tendenz im französischen Film, die zur Grundlage der Auteur-Theorie wurde. Als Filmkritiker hatte er maßgeblichen Anteil an der Anerkennung des Regisseurs als Künstler bzw. Autorenfilmer. Außerdem galt Truffaut als ausgesprochener Bücherliebhaber, auf diese Weise eignete er sich autodidaktisch eine gehobene Bildung an; als eine Hommage an die Bücherwelt gilt sein Film Fahrenheit 451.

Truffaut 1965 vor dem Amsterdamer Kino Cinétol

1956 war er Assistent von Roberto Rossellini und wurde 1957 Filmproduzent mit einer eigenen Firma. Sein 1959er Filmdebüt Sie küßten und sie schlugen ihn (nach seinem Kurzfilm Die Unverschämten) um den Jungen Antoine Doinel (gespielt von Jean-Pierre Léaud) setzte er 1968 mit der Liebesgeschichte um Antoine Doinel und Christine Darbon (Claude Jade) in Geraubte Küsse fort, schilderte 1970 deren Ehealltag in Tisch und Bett und beendete die Chronik des Paares 1979 mit Liebe auf der Flucht. Unvergessen sind auch seine poetische Dreiecksgeschichte Jules und Jim, das elegische Totendrama Das grüne Zimmer und sein Okkupationsdrama Die letzte Metro. In den 1960er und 1970er Jahren arbeitete er mehrfach mit dem Drehbuchautor Jean Gruault zusammen.

Der Filmproduzent Marcel Berbert produzierte die meisten Filme Truffauts durch die Produktionsfirma Les Films du Carrosse. Für den Filmverleih waren unterschiedliche Unternehmen verantwortlich, unter anderem United Artists. Der Musikwissenschaftler François Porcile, enger Freund von Truffaut, beriet ihn bei vier seiner Filme, als es darum ging, die Musik des Komponisten Maurice Jaubert behutsam zu adaptieren und den Bedürfnissen von Truffauts Filmen anzupassen. Dies geschah unter dem Dirigat von Patrice Mestral für die Filme Die Geschichte der Adèle H., Taschengeld, Der Mann, der die Frauen liebte und Das grüne Zimmer.

Privatleben

François Truffaut war von 1957 bis 1965 mit Madeleine Morgenstern verheiratet. Der Ehe entstammen die Töchter Laura (* 1959) und Eva (* 1961). Eine Liebesbeziehung hatte er 1963 mit der Schauspielerin Françoise Dorléac († 1967). 1968 war Truffaut mit der sechzehn Jahre jüngeren Schauspielerin Claude Jade, Hauptdarstellerin in dreien seiner Filme, verlobt. Von 1979 bis zu seinem Tod war er in einer Beziehung mit der Schauspielerin Fanny Ardant, ihre gemeinsame Tochter heißt Josephine (* 1983). Die letzten Monate vor seinem Tod lebte er allerdings bei seiner ehemaligen Frau Madeleine, die ihn betreute, und seinen älteren Kindern, während Ardant sich um die gerade geborene Tochter kümmerte.[1]

Grabplatte mit Spiegelung des Kreuzes vom Nachbargrab auf dem Grabe von François Truffaut auf dem Cimetière Montmartre

Erst 1968 − kurz vor dem Tod seiner Mutter − erfuhr Truffaut von der Identität seines leiblichen Vaters: Es war der jüdische Zahnarzt Roland Lévy, der sich nach dem Ersten Weltkrieg in Belfort niedergelassen hatte. Truffaut reiste nach Belfort und beobachtete dort seinen Vater. Er wagte es aber nicht, ihn anzusprechen und sah sich stattdessen im Kino Goldrausch von Charlie Chaplin an.[2]

Truffaut erlag 1984 im Alter von nur 52 Jahren im Amerikanischen Krankenhaus Paris in Neuilly-sur-Seine einem Hirntumor. Er wurde auf dem Cimetière de Montmartre beigesetzt.

Truffauts Engagement für Kinder

Auffallend in Truffauts Werken ist die starke Präsenz von Kindern. In vier seiner Filme (einschließlich eines Kurzfilms) spielen Kinder die Hauptrolle, in allen weiteren kommen Kinder zumindest vor.

Während sein früher Kurzfilm Die Unverschämten sich noch überwiegend mit der heiteren Seite der Kindheit befasst, handelte sein erster langer Spielfilm Sie küßten und sie schlugen ihn (1959) bereits vom Umgang von Erwachsenen mit problembehafteten Kindern. Seit dieser Zeit interessierte sich Truffaut für pädagogische Experimente mit schwierigen Kindern. Er setzte sich auch öffentlich für die Rechte schutzbedürftiger Kinder ein. 1964, im Jahr des Beginns der Arbeit an Der Wolfsjunge, wurde er Mitglied der Paten des Secours Populaire Français, eine Vereinigung, die sich um Probleme von Kindern und von benachteiligten Familien kümmert. 1967 wurde er Präsident des Stiftungsverbands der SOS-Kinderdörfer.

Im April 1967 erhielt er Gelegenheit, einen Tag lang auf dem Radiosender France-Culture das Programm zu gestalten. Er wählte das Thema Kindesmisshandlung. Die zehnstündige Sendung erhielt große Resonanz: Viele Anrufe, ausführliche Presseberichte und zweihundert Briefe von Zuhörern.

Sein Engagement für die Sache der Kinder liegt vor allem in Truffauts eigener Kindheit begründet. Im Paris des Zweiten Weltkriegs hatte er sehr unter der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der Erwachsenen sowie seiner Eltern zu leiden. Von anderen Kindern erfuhr er dagegen überwiegend Zuneigung, sie waren sein Rückhalt. Truffaut reflektierte in den Kinderfiguren seiner Filme die eigene Kindheit, wobei er wechselnde Perspektiven einnahm. Seit seinem Erstlingswerk war Jean-Pierre Léaud in der Rolle des Antoine Doinel Truffauts offensichtliches Alter Ego auf der Leinwand. Léaud verkörperte Doinel danach noch zweimal, bevor Der Wolfsjunge gedreht wurde, in dem Léaud zwar nicht auftrat, den Truffaut jedoch schließlich Léaud widmete.

1976 drehte er den Film Taschengeld, in dem Kinder die Hauptrollen spielen und den man als eine Form der Hommage an die Kindheit interpretieren kann.

Werke

Filmografie

Arbeiten als Regisseur (und Mitarbeit an allen Drehbüchern):

Weitere Mitarbeit an Drehbüchern:

Arbeiten als Schauspieler:

Schriften (Auswahl)

  • Le cinéma selon Hitchcock (zusammen mit Helen Scott). Éditions Robert Laffont, Paris 1966[A 1]
  • L’Homme qui aimait les femmes, (Cinéroman). Flammarion, Paris 1977, ISBN 2-08-060970-X.
  • Die Filme meines Lebens – Aufsätze und Kritiken herausgegeben von Robert Fischer, aus dem Französischen von Frieda Grafe und Enno Patalas, 1. Auflage der erweiterten Ausgabe. Verlag der Autoren, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-88661-174-4.

Auszeichnungen und Nominierungen (Auswahl)

Darüber hinaus gewann Truffauts Regiearbeit Die amerikanische Nacht 1974 als französischer Beitrag den Oscar in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“, Geraubte Küsse (1969) und Die letzte Metro (1981) waren für denselben Preis nominiert.

Literatur

  • Don Allen: Finally Truffaut. Beaufort Books, New York 1985, ISBN 0-8253-0335-4.
  • Antoine de Baecque, Serge Toubiana: François Truffaut. Éditions Gallimard, Paris 1996, ISBN 2-07-073629-6.[A 2]
  • Emilie Bickerton: Eine kurze Geschichte der Cahiers du cinéma. Diaphanes, Zürich 2010, ISBN 978-3-03734-126-1.
  • Robert Fischer (Hrsg.): Monsieur Truffaut, wie haben Sie das gemacht? – Truffaut im Gespräch mit José-Maria Berzosa, Jean Collet und Jérôme Prieur. Heyne, München 1993, ISBN 3-453-06524-7.
  • Anne Gillain: Le cinéma selon François Truffaut. Flammarion, Paris 1988, ISBN 2-08-211406-6.
  • Robert Ingram, Paul Duncan (Hrsg.): François Truffaut – Filmautor 1932–1984. Taschen, Köln 2013, ISBN 978-3-8365-3476-5.
  • Annette Insdorf: Francois Truffaut. Twayne, Boston 1978, ISBN 0-8057-9253-8.
  • Dominique Rabourdin: Truffaut par Truffaut. Sté Nlle des Éditions du Chêne, Paris 1985, ISBN 2-84277-591-0.
  • Georges Sturm, Heiner Gassen (Hrsg.): Arbeiten mit François Truffaut. Revue pour le cinema français CICIM No. 37. Centre d'Information Cinématographique de Munich CICIM & Institut Français München (2., überarb., erw. und neu illustr. Aufl.), München 1992, ISBN 3-920727-07-X.[A 3]

Dokumentarfilme

  • Hitchcock – Truffaut. Dokumentarfilm, USA, Frankreich, 2014, 79 Min., Buch: Kent Jones und Serge Toubiana, Regie: Kent Jones, Produktion: arte France, Artline Films, Cohen Media Group, Erstsendung: 16. November 2015 bei arte, Dossier mit Filmausschnitten vom Festival de Cannes 2015, Inhaltsangabe von arte, (Memento vom 24. November 2015 im Internet Archive).
  • François Truffaut - Vom Kino besessen. (Originaltitel: François Truffaut l'insoumis) Dokumentarfilm, Frankreich, 2014, 53 Min., Buch und Regie: Alexandre Moix, Produktion: Les Films d'ici, arte France, INA, Ciné, Erstsendung: 2. November 2014, Inhaltsangabe:[A 4]
  • François Truffaut. Frankreich, 2014, 35 Min., Produktion: arte France, Reihe: Abgedreht!, Folge 117 (Staffel 4, Folge 9), deutsche Erstsendung: 2. November 2014, Inhaltsangaben:[A 5]
  • François Truffaut. Eine Autobiografie. (OT.: François Truffaut, une autobiographie.) Dokumentarfilm, Frankreich, 2004, 71:30 Min., Buch und Regie: Anne Andreu, Produktion: arte France, INA, Erstsendung: 1. Oktober 2004, Inhaltsangabe:[A 6]
  • François Truffaut im Gespräch. Bundesrepublik Deutschland, 1984, 28:30 Min., Moderation: Peter Bermbach, Kamera: Raymond Grosjean, Produktion: Hessischer Rundfunk, Filmdaten von HeBIS u. a. mit Catherine Deneuve.[A 7]

Weblinks

Commons: François Truffaut – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Deutsche Ausgaben: Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht? Übersetzung von Frieda Grafe und Enno Patalas. Hanser, München 1973; Heyne, München 1975, ISBN 3-453-00458-2.
  2. Titel der deutschen Ausgabe: François Truffaut. Biographie. herausgegeben von Robert Fischer, aus dem Französischen übersetzt von Robert Fischer, Gisela Sturm, Hannes Goebel, Ulrich Schweizer. Egmont Verlagsgesellschaft, Köln 1999 u. 2. Auflage. 2004, ISBN 3-8025-3417-4.
  3. Mitarbeit: Françoise Castello, Übersetzung: Elisabeth Daigfuss; bei DNB nicht unter „Truffaut“ gelistet (ISSN 0938-233X); In Deutsch. Drei Texte von Truffaut und Gespräche mit 12 Mitarbeitern im Jahr 1986.
  4. Inhaltsangabe von François Truffaut - Vom Kino besessen. Auf: arte.tv, 2. November 2014.
  5. Inhaltsangaben von François Truffaut in «Abgedreht!». (Memento vom 1. November 2014 im Internet Archive) In: arte.tv, 2. November 2014.
  6. Inhaltsangabe von François Truffaut. Eine Autobiografie. Auf: arte.tv, 1. Oktober 2004.
  7. François Truffaut im Gespräch (1984). Auf: youtube.com, (MP4, ca. 79 MB)

Einzelnachweise

  1. Francois Truffaut – Eine Autobiographie, Dokumentarfilm, arte, 2004.
  2. Baecque/Toubiana: François Truffaut. ISBN 2-07-073629-6, S. 402–406.