Taliban

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Flagge der Taliban-Bewegung

Die Taliban, manchmal auch Taleban (), sind eine deobandisch-radikalislamistische Miliz, welche von September 1996 bis Oktober 2001 große Teile Afghanistans beherrschte. Der Name ist der persische Plural des arabischen Wortes talib (arabisch طالب), das „Schüler“ oder „Suchender“ bedeutet. Diplomatisch wurde das Islamische Emirat Afghanistans der Taliban nur von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt.

Die Taliban-Bewegung hat ihre Ursprünge in religiösen Schulen für afghanische Flüchtlinge in Pakistan, welche meist von der politischen pakistanischen Partei Jamiat Ulema-e-Islam geführt wurden.[1] Die Ideologie der Bewegung basiert auf einer extremen Form des Deobandismus und ist zudem stark vom paschtunischen Rechts- und Ehrenkodex, dem Paschtunwali, geprägt. Der Anführer der Taliban war bis 2013 Mullah Mohammed Omar. Omars Nachfolger Akhtar Mansur wurde 2016 bei einem Drohnenangriff getötet. Mansurs Nachfolger ist Haibatullah Achundsada.[2]

Die Taliban traten erstmals im Jahre 1994 in der südlichen Stadt Kandahar in Erscheinung. Sie belagerten und bombardierten zwei Jahre lang die Hauptstadt Kabul, nahmen sie im September 1996 ein und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan. Im Oktober 2001 wurde ihre Regierung durch Truppen der afghanischen Vereinten Front in Zusammenarbeit mit amerikanischen und britischen Spezialeinheiten während der US-geführten Intervention in Afghanistan gestürzt. Ihre Führer konnten sich durch einen Rückzug nach Pakistan halten. Seit 2003 führen die Taliban ausgehend von Pakistan eine terroristisch-militärische Kampagne gegen die demokratische Islamische Republik Afghanistan und die internationalen Truppen der ISAF in Afghanistan. Hierbei verüben die Taliban mehr als doppelt so häufig gezielte Anschläge gegen die afghanische Zivilbevölkerung als gegen die afghanischen oder internationalen Truppen. Ein Bericht der Vereinten Nationen zeigt, dass die Taliban in den Jahren 2009 und 2010 für über 3/4 der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich waren. Menschenrechtsorganisationen haben den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dazu veranlasst, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban wegen systematischer Kriegsverbrechen durchzuführen.

Geschichte

Zusammenbruch der Zentralregierung und Kampf um Kabul (1992–1994)

Nach dem Zusammenbruch des sowjetgestützten Regimes von Präsident Mohammed Nadschibullāh einigten sich die sieben wichtigsten sunnitischen Mudschaheddin-Parteien im Jahr 1992 auf einen Friedensvertrag, die Peschawar-Abkommen, der den Islamischen Staat Afghanistan begründete und eine Übergangsregierung einsetzte. Das Abkommen konnte allerdings nicht den Zusammenbruch des Staats verhindern: Die neue Regierung verfügte über keinerlei Einnahmen und in der Hauptstadt herrschte Chaos: Gulbuddin Hekmatyār und seine Hizb-i Islāmi Miliz, von Pakistan bewaffnet, finanziert und angeleitet,[3] starteten eine umfassende Bombenkampagne gegen Kabul und die Übergangsregierung. Dies geschah, obwohl Hekmatyār wiederholt das Amt des Ministerpräsidenten angeboten worden war.

Zusätzlich eskalierten Mitte 1992 Spannungen zwischen der von Saudi-Arabien unterstützten radikal-sunnitischen Ittihad-i Islami und der vom Iran unterstützten schiitischen Hizb-i Wahdat.[4] Die Milizen starteten einen blutigen Krieg. Die Hizb-i Wahdat Miliz ging Ende 1992 eine Allianz mit Hekmatyār ein. Abdul Raschid Dostum und seine Dschunbisch-i Milli Miliz schlossen sich dieser Allianz Anfang 1994 an. Während der intensivsten Phase des Bombardements durch die Allianz Hekmatyārs starben in Kabul über 25.000 Menschen.[5]

Situation im Süden/Ursprung der Taliban (1992–1994)

Auch Kandahar, eine Stadt im Süden des Landes, welche nicht unter Kontrolle des neu gegründeten Staates stand, und Masar-e Scharif im Norden, erlebten blutige Kämpfe. Dagegen waren die im Sowjetisch-Afghanischen Krieg verwüsteten ländlichen Regionen von Kämpfen kaum betroffen und der Wiederaufbau begann.

Der Süden Afghanistans war weder unter der Kontrolle der Zentralregierung noch unter der Kontrolle von Milizen wie der Hekmatyars. Lokale Milizen- oder Stammesführer beherrschten den Süden. 1994 traten die Taliban in der südlichen Stadt Kandahar erstmals in Erscheinung. Als auslösender Moment wird in verschiedenen Quellen die Entführung und Vergewaltigung zweier Mädchen durch einen Milizenführer genannt, zu deren Befreiung sich 30 Männer unter der Führung von Mullah Omar zusammenschlossen.[6]

Im Herbst 1994 traten sie erstmals militärisch in Erscheinung und brachten am 5. November 1994 die Stadt Kandahar unter ihre Kontrolle. Bis zum 25. November 1994 kontrollierten sie die Stadt Laschkar Gah und die Provinz Helmand. Im Laufe des Jahres 1994 eroberten sie weitere Provinzen im Süden und Westen des Landes, die nicht unter Kontrolle der Zentralregierung standen.

Stabilisierung der Lage in Kabul (Ende 1994)

Ebenfalls Ende 1994 besiegte der afghanische Verteidigungsminister Ahmad Schah Massoud die Milizen, die um die Kontrolle der Hauptstadt Kabul gekämpft hatten. Die Bombardierung der Hauptstadt kam zu einem Halt.[7][8] Massoud initiierte einen landesweiten politischen Prozess mit dem Ziel nationaler Konsolidierung und demokratischen Wahlen.[9] Es fanden drei Konferenzen mit Vertretern aus den meisten Provinzen Afghanistans statt.[9] Massoud lud die Taliban ein, sich diesem Prozess anzuschließen und sich an der Schaffung von Stabilität zu beteiligen.[9] Die Taliban lehnten eine demokratische Staatsform ab.[9]

Bombenkampagne der Taliban gegen Kabul (1995–1996)

Anfang 1995 starteten die Taliban großangelegte Bombenkampagnen gegen Kabul.[10] Amnesty International schrieb:

„Dies ist das erste Mal nach einigen Monaten, dass die Zivilisten Kabuls das Ziel von Bombenangriffen wurden, die sich gegen Wohnbezirke in der Stadt richteten.“

Amnesty International (1995)[7]

Die Taliban erlitten schwere Niederlagen gegen die Truppen Massouds.[7] Internationale Beobachter vermuteten bereits das Ende der Talibanbewegung. Mit militärischer Unterstützung Pakistans und finanziellen Hilfen aus Saudi Arabien formierten sie sich jedoch neu. Zwei Jahre belagerten und bombardierten sie Kabul. Im September 1996 planten die Taliban eine erneute Großoffensive gegen Kabul. Maßgeblich beteiligt an der finanziellen und materiellen Förderung der Taliban durch Pakistan waren der damalige General und spätere Präsident Pervez Musharraf und Innenminister Nasirullah Babar, der die Taliban als „unsere Jungs“ bezeichnete.[11]

Machtübernahme der Taliban (September 1996)

Am 26. September 1996 befahl Massoud einen strategischen Rückzug seiner Truppen in den Norden Afghanistans.[12] Am 27. September 1996 marschierten die Taliban in Kabul ein und errichteten das Islamische Emirat Afghanistan, welches lediglich von Pakistan, Saudi Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten anerkannt wurde. Die Regierung des Islamischen Staates Afghanistans blieb die international anerkannte Regierung Afghanistans (mit einem Sitz bei den Vereinten Nationen).

Die Taliban verhängten über die Gebiete unter ihrer Kontrolle ihre politische und juristische Interpretation des Islam. Frauen lebten quasi unter Hausarrest.[13]

Krieg gegen die Vereinte Front (1996–2001)

Nach einem Bericht der Vereinten Nationen begingen die Taliban systematische Massaker gegen die Zivilbevölkerung, während sie versuchten, ihre Kontrolle im Westen und Norden Afghanistans zu konsolidieren.[14][15] Die Vereinten Nationen benannten 15 Massaker in den Jahren 1996 bis 2001.[14][15] Diese seien „höchst systematisch gewesen und alle auf das Verteidigungsministerium [der Taliban] oder Mullah Omar persönlich zurückzuführen.“[14][15] Die sogenannte 055 Brigade al-Qaidas war ebenfalls an Gräueltaten gegen die afghanische Zivilbevölkerung beteiligt.[16]

Territoriale Kontrolle Afghanistans im Winter 1996: Massoud (blau), Taliban (grün), Dostum (rosa), Hezb-i Wahdat (gelb)

Ahmad Schah Massoud und Abdul Raschid Dostum, frühere Gegner, gründeten die Vereinte Front ursprünglich als Reaktion auf massive Talibanoffensiven gegen die Gebiete unter der Kontrolle Massouds auf der einen Seite und die Gebiete unter der Kontrolle Dostums auf der anderen Seite. Schon bald entwickelte sich aus der Vereinten Front jedoch eine nationale politische Widerstandsbewegung gegen die Taliban. Dieser traten die von den Taliban durch ethnische Säuberungen verfolgte Volksgruppe der Hazara bei, ebenso wie paschtunische Anti-Taliban-Führer wie der spätere Präsident Hamid Karzai, der aus dem Süden Afghanistans stammt, oder Abdul Qadir. Qadir entsprang einer einflussreichen Familie, welche großen Einfluss im paschtunischen Osten Afghanistans um Dschalalabad genoss.

Die Situation der Menschenrechte hing von den jeweiligen Kommandeuren ab, die bestimmte Gebiete kontrollierten. Human Rights Watch verzeichnet keine Menschenrechtsverbrechen für die Truppen unter der direkten Kontrolle Ahmad Schah Massouds für den Zeitraum von Oktober 1996 bis zu Massouds Ermordung im September 2001.[17] Massoud hatte Kontrolle über Pandschschir, Thakar, einige Teile Parwans und Badachschans. Zwischenzeitlich waren auch Nuristan, Kunduz und die Gebiete nördlich Kabuls unter seiner Kontrolle.

Nach Angaben von Human Rights Watch datieren die meisten Menschenrechtsverletzungen, die von Mitgliedern der Vereinten Front begangen wurden, in dem Zeitraum von 1996 bis 1998, während Abdul Raschid Dostum weite Teile des Nordens kontrollierte.[17] Bis zu seiner Niederlage im Jahr 1998 kontrollierte Dostum Samangan, Balkh, Jowzjan, Faryab und Baghlan. Im Jahr 1997 exekutierten Dostums Truppen unter dem Kommando von Abdul Malik Pahlawan 3000 Taliban-Gefangene in und um Mazsar-e Scharif.[17] Im Jahr 1998 besiegten die Taliban Abdul Raschid Dostum in Masar-e Scharif. Dostum ging ins Exil. Wenig später verloren auch die Hezb-i-Wahdat-Truppen ihre Gebiete an die Taliban. Die Taliban ermordeten in der Folge um die 4000 Zivilisten in und um Masar-e Scharuf in einer gezielten Kampagne.

Ahmad Schah Massoud blieb der einzige Kommandeur, der seine Gebiete erfolgreich gegen die Taliban verteidigen konnte. Pakistan unterstützte die Offensiven Taliban, konnte jedoch keine Niederlage Massouds herbeiführen. Die Taliban boten ihm wiederholt eine Machtposition an. Massoud lehnte dies ab. Er erklärte in einem Interview:

„Die Taliban sagen: 'Akzeptiere das Amt des Ministerpräsidenten und schließe dich uns an', und sie würden das höchste Amt im Land, die Präsidentschaft, behalten. Aber um welchen Preis?! Der Unterschied zwischen uns liegt darin, wie wir über die grundlegendsten Prinzipien der Gesellschaft und des Staates denken. Wir können nicht ihre Konditionen für einen Kompromiss akzeptieren, sonst müssten wir die Prinzipien einer modernen Demokratie aufgeben. Wir sind fundamental gegen das System, welches sich ‚das Emirat Afghanistans‘ nennt. … Es sollte ein Afghanistan geben, in dem sich jeder Afghane und jede Afghanin glücklich fühlen kann. Und ich denke, dies kann nur durch eine Demokratie, die auf Konsens basiert, gesichert werden.“

Ahmad Schah Massoud (August 2001)[18][19]

Massoud wollte die Taliban davon überzeugen, sich einem politischen Prozess anzuschließen, welcher letztendlich zu demokratischen Wahlen führen sollte.[18][20]

Anfang 2001 wandte die Vereinte Front eine neue Strategie von lokalem militärischem Druck und einer globalen politischen Agenda an.[21] Ressentiments und Widerstand gegen die Taliban, ausgehend von den Wurzeln der afghanischen Gesellschaft, wurden immer stärker. Dies betraf auch die paschtunischen Gebiete.[21] Insgesamt flohen schätzungsweise eine Million Menschen vor den Taliban.[22] Hunderttausende Zivilisten flohen in die Gebiete von Ahmad Schah Massoud.[23][24] Der Regisseur David Keane kam in seiner Dokumentation „Inside the Taliban“ für den National Geographic Channel zu folgendem Schluss:

„Das einzige, was zukünftigen Massakern der Taliban im Wege steht, ist Ahmad Shah Massoud.“

National Geographic Channel: Inside the Taliban[23]

In den Gebieten unter seiner Kontrolle trainierte Massoud verstärkt Polizeikräfte, die eine Wiederholung des Chaos' von Kabul (1992–1994) verhindern sollten, würde die Vereinte Front erfolgreich sein.[21]

Im Frühling 2001 sprach Ahmad Schah Massoud vor dem Europäischen Parlament in Brüssel und bat die internationale Gemeinschaft um humanitäre Hilfe für die Menschen Afghanistans.[22] Er erklärte, dass die Taliban und al-Qaida eine „sehr falsche Interpretation des Islam“ eingeführt hätten und dass die Taliban, wenn sie nicht die Unterstützung Pakistans hätten, ihre militärischen Kampagnen in dem Zeitraum eines Jahres nicht mehr aufrechterhalten könnten.[22] Auf seinem Besuch in Europa, bei dem ihn die europäische Parlamentspräsidentin Nicole Fontaine den „Pol der Freiheit in Afghanistan“ nannte, warnte Massoud davor, dass sein Geheimdienst Informationen habe, denen zufolge ein großangelegter Anschlag auf amerikanischem Boden unmittelbar bevorstehe.[25]

Ermordung von Massoud am 9. September 2001

Am 9. September 2001 ließen zwei arabische Selbstmordattentäter, die sich als Journalisten ausgegeben hatten, während eines Interviews mit Massoud in Takhar, Afghanistan, eine Bombe detonieren, die sie in ihrer Videokamera versteckt hatten. Massoud starb wenig später an seinen Verletzungen.[26] Obwohl die Beerdigung in dem sehr ländlichen Pandschschir-Tal stattfand, nahmen hunderttausende trauernder Afghanen an ihr teil.[27] Viele befürchteten nach der Ermordung Massouds den endgültigen Sieg der Taliban.

11. September 2001

Trümmer des World Trade Centers

Zwei Tage nach der Ermordung Massouds wurden terroristische Anschläge in den USA verübt, die zu dem Tod von mindestens 2993 Menschen führten und als terroristischer Massenmord angesehen werden.[28][29]

Vier Verkehrsflugzeuge wurden am frühen Morgen des 11. September entführt. Zwei wurden in die Türme des World Trade Centers (WTC) in New York City und eines in das Pentagon in Arlington (Virginia) gelenkt. Das vierte Flugzeug, wahrscheinlich mit einem weiteren Anschlagsziel in Washington D.C., brachten die Entführer während Kämpfen mit Passagieren um 10:03 Uhr über dem Ort Shanksville in Pennsylvania zum Absturz. Etwa 15.100 von ungefähr 17.400 Personen konnten rechtzeitig vor dem Kollaps der WTC-Türme evakuiert werden.[30]

Die USA identifizierten Mitglieder der al-Qaida, welche ihre Basis in dem Emirat der Taliban hatte und mit den Taliban verbündet war, als ausführende Täter der Anschläge.

Operation Enduring Freedom (Oktober 2001)

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 bekräftigte der UN-Sicherheitsrat den Vereinigten Staaten in der Resolution 1368 vom 12. September 2001 das Recht zur Selbstverteidigung. Nach Auffassung der USA und anderer Regierungen wurde dadurch ein militärischer Einsatz in Afghanistan völkerrechtlich legitimiert. Noch am 19. September 2001 forderte der UN-Sicherheitsrat die Talibanregierung in Afghanistan dazu auf Osama Bin Laden „sofort und bedingungslos“ auszuliefern und bezog sich dabei auf die UNO-Resolution 1333 vom Dezember 2000.[31][32] Am 22. September 2001 verweigerten die Taliban in Afghanistan auch weiterhin die Auslieferung Bin-Ladens und gaben bekannt mit einem „Gegenschlag“ der USA zu rechnen.[33] US-Präsident George W. Bush hatte die Regierung in Afghanistan zuvor im Zuge einer Rede vor dem US-Senat dazu aufgefordert Bin Laden auszuliefern:„Sie werden die Terroristen ausliefern oder ihr Schicksal teilen.“

Ab dem 7. Oktober 2001 intervenierten die Vereinigten Staaten mit der Operation Enduring Freedom militärisch in Afghanistan. Sie unterstützen zunächst mit massiven Luftangriffen Bodentruppen der Vereinten Front (Nordallianz) in einer Großoffensive gegen die Taliban. In den darauffolgenden Monaten wurde das Talibanregime in Afghanistan gestürzt (siehe auch Krieg in Afghanistan). Die Talibanführung um Mullah Omar floh nach Pakistan.

Bei Kämpfen aufgegriffene Taliban-Kämpfer und Personen, die verdächtigt werden, die Taliban zu unterstützen, werden seitdem inhaftiert. Sie werden von den Truppen der NATO überwiegend in Internierungslagern innerhalb Afghanistans festgehalten. Als ungefährlich eingestufte Häftlinge werden wieder freigelassen. Bis Herbst 2004 wurden teilweise auch Häftlinge in die international kritisierten Internierungslager in Guantánamo Bay auf Kuba überstellt.[34]

Unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen wurde eine Übergangsregierung gebildet, die durch UN-mandatierte ausländische Truppen (ISAF) unterstützt wurde. Im Jahr 2004 wurde in Afghanistan eine demokratische Verfassung verabschiedet, das Land wurde dadurch offiziell eine demokratische Islamische Republik.

Neuformierung der Taliban (seit 2003)

In Pakistan formierten sich die Taliban neu. 2003 traten sie erstmals wieder in Erscheinung. Seit Anfang 2006 verüben sie zusammen mit dem Haqqani-Netzwerk und der Hezb-i Islami Gulbuddin Hekmatyārs verstärkt Anschläge gegen afghanische Zivilisten oder Soldaten der ISAF. Einige Dörfer und ländliche Gebiete gerieten erneut unter Kontrolle der Taliban.

Pakistan spielt eine zentrale Rolle in Afghanistan. Ein Bericht der London School of Economics aus dem Jahr 2010 sagt aus, dass der pakistanische Geheimdienst, ISI, eine „offizielle Politik“ der Unterstützung der Taliban betreibt. Die ISI finanziert und bildet die Taliban aus.[35] Dies passiert, obwohl Pakistan sich offiziell als Verbündeter der NATO ausgibt. Der Bericht der London School of Economics kommt zu dem Schluss:

„Pakistan scheint ein Doppelspiel erstaunlichen Ausmaßes zu spielen.“

Bericht der London School of Economics (2010)[36]

Amrullah Saleh, der ehemalige Geheimdienstchef Afghanistans, kritisierte:

„Wir reden über all diese Proxys [Taliban, Haqqani, Hekmatyar], aber nicht den Meister der Proxys, die pakistanische Armee. Die Frage ist, was will Pakistans Armee erreichen…? Sie wollen an Einfluss in der Region gewinnen.“

Amrullah Saleh (2010): Jamestown Foundation Terrorism Conference[37]

Die Taliban richten sich in Anschlägen gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung. Im Jahr 2009 waren sie laut Angaben der Vereinten Nationen für über 76 % der Opfer unter afghanischen Zivilisten verantwortlich.[38] Auch im Jahr 2010 waren die Taliban für über 3/4 der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich.[39] Zivilisten sind mehr als doppelt so häufig das Ziel tödlicher Anschläge der Taliban als afghanische Regierungstruppen oder Truppen der ISAF.[39]

Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIGRC) nannte 2011 die gezielten Anschläge der Taliban gegen die Zivilbevölkerung ein „Kriegsverbrechen“.[40] Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik.[40]

Menschenrechtsgruppen haben 2011 den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag dazu bewogen, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban wegen Kriegsverbrechen durchzuführen.[39]

2011 nahmen auch kriegsähnliche Gefechte zwischen ISAF-Truppen und ihren Gegnern an Ausmaß und Schärfe zu.

Im Juni 2011 bestätigten die USA überraschend, dass sie mit den Taliban direkt verhandeln.[41]

„Die ersten 10.000 US-Soldaten werden schon im Juli in ihr Heimatland zurückkehren. 2014 soll die Sache in Afghanistan ein Ende haben. Danach werden die Taliban das Schicksal Afghanistans wesentlich bestimmen. Im besten Fall werden sie mit den vom Westen unterstützten Kräften einen sehr wackeligen Kompromiss schließen, der das Land halbwegs stabil hält.“[42]

Im Januar 2012 erklärten die Taliban ihre Bereitschaft ein Büro in Katar einzurichten. Dieses soll für Verhandlungen genutzt werden.[43] Zu dem Zweck reisten Anfang 2012 acht Vertreter der Taliban von Pakistan nach Katar, im Juni 2013 wurde dieses eröffnet. An dem Büro enthüllten sie eine Plakette mit der Aufschrift „Islamisches Emirat Afghanistan“, auf dem Gelände hissten sie die Taliban-Flagge. Die USA kündigten wenige Stunden nach der Eröffnung des Büros an, direkte Friedensgespräche mit den Taliban in Doha aufzunehmen.[44]

Organisation

Führung

Der Obersten Schura der Gründungsmitglieder der Taliban gehörten im Zeitraum 1994 bis 1997 folgende Mitglieder an:

  • Mullah Mohammed Omar (1959–2013), Führer der Gläubigen und Oberhaupt der Taliban-Bewegung, ab September 1996 auch Staatsoberhaupt des Islamischen Emirats Afghanistan
  • Mullah Mohammad Rabbani Akhund (1955/56–2001), Regierungsvorsitzender und stellvertretendes Oberhaupt der Taliban-Bewegung
  • Mullah Mohammed Ghous Akhund (* 1961?), Außenminister bis Juni 1997
  • Mullah Mohammed Hassan Akhund (* 1958?), Militärstabschef, Außenminister vor Wakil Ahmad Mutawakil und Gouverneur von Kandahar während des Taliban-Regimes
  • Mullah Mohammed Fazil Akhund (* 1967), Oberhaupt des Armeekorps
  • Mullah Abdur Razzaq, Oberhaupt der Zollbehörde
  • Mullah Sayed Ghiasuddin Agha (?–2003), Informationsminister
  • Mullah Khirullah Said Wali Khairkhwa (* 1967), Innenminister
  • Maulvi Abdul Sattar Sanani (bzw.: Sattar Sadozai), Justizminister
  • Mullah Abdul Jalil, Außenminister ab 1997

Ideologie

Übersicht

Die Taliban selbst gehören mehr der ideologischen Schule der Deobandis an, einer fundamentalistischen Gruppe mit Hauptsitz in Deoband, Indien. In der Koranschule in Peschawar, dem größten pakistanischen Ableger der Dar ul-'Ulum Haqqania-Koranschule, rekrutierten sich viele hochrangige Taliban. Politischer Zweig und Unterstützer der Schulen der Deobandis ist die Partei Jamiat Ulema-e-Islam in Pakistan. Die USA forderten die pakistanische Regierung auf, diese Religionsschulen (Madrasas) zu schließen. In Pakistan sind diese offiziell jedoch nicht registriert. 2007 schätzte das pakistanische Innenministerium ihre Zahl auf etwa 13.500, andere Schätzungen gehen von 20.000 aus.

Unterdrückung der Frauen

Zerstörung der Buddhas von Bamiyan durch die Taliban, Foto von vor und nach der Zerstörung

Während der Regierungszeit der Taliban im Islamischen Emirat Afghanistan von 1996 bis 2001 wurde das System der Taliban durch die Unterdrückung von Frauen weltweit bekannt. Das erklärte Ziel der Taliban war es, ein „sicheres Umfeld für die Frau zu schaffen, in der ihre Keuschheit und Würde wieder unantastbar ist“.[45] Frauen wurden gezwungen, in der Öffentlichkeit die Burka zu tragen, weil, wie ein Sprecher der Taliban es ausdrückte, „das Gesicht der Frau eine Quelle der Korruption für die mit ihr nicht verwandten Männer ist“.[46] Es wurde Frauen verboten zu arbeiten, und sie durften ab einem Alter von acht Jahren nicht mehr unterrichtet werden.

Zerstörung internationalen Kulturerbes

Die Taliban haben gezielt kulturelle Zeugnisse zerstört, die sie als unislamisch werteten. Dazu gehörten die von der UNESCO als Weltkulturerbe aufgeführten Buddha-Statuen von Bamiyan sowie buddhistische Ausstellungsstücke des Museums in Kabul.

Menschenrechtsverletzungen

Massaker

Die Taliban verübten systematische Massaker gegen die Zivilbevölkerung, insbesondere gegen Angehörige der mehrheitlich schiitischen Hazara-Volksgruppe, während sie versuchten, ihre Kontrolle im Westen und Norden Afghanistans zu konsolidieren.[14][15] Die Vereinten Nationen benannten 15 Massaker in den Jahren 1996 bis 2001.[14][15] Vertreter der Vereinten Nationen verglichen die Massaker mit den ethnischen Säuberungen, die während des Bosnienkriegs stattgefunden haben. Die Massakerkampagnen der Taliban seien „höchst systematisch gewesen und alle auf das Verteidigungsministerium [der Taliban] oder Mullah Omar persönlich zurückzuführen.“[14][15] Die sogenannte 055 Brigade al-Qaidas war ebenfalls an Greueltaten gegen die afghanische Zivilbevölkerung beteiligt.[16] Der Bericht der Vereinten Nationen zitiert Zeugenaussagen, welche beschreiben, dass arabische Milizionäre lange Messer mit sich trugen, mit denen sie Kehlen aufschnitten und Menschen häuteten.[14][15]

Die Taliban verfolgten zudem eine Politik der Verbrannten Erde.[47][48] Sie verbrannten ganze Landstriche und rissen ganze Städte nieder. Die Stadt Istalif, welche über 45.000 Einwohner hatte, wurde z. B. gänzlich zerstört und umliegendes Agrarland in Brand gesteckt.[47] Einwohner wurden ermordet oder vertrieben.

Anfang 1998 schnitten die Taliban ganz Zentralafghanistan, das Hauptsiedlungsgebiet der Hazara, systematisch von UN Hilfslieferungen ab. Diese Hungerblockade von etwa einer Million Menschen war das erste Mal in 20 Jahren Krieg, dass eine Partei Nahrungsmittel als Waffe einsetzte.[49]

Menschenhandel

Taliban- und al-Qaida-Kommandeure unterhielten ein Netzwerk zum Menschenhandel. Sie entführten Frauen und verkauften sie in die Sexsklaverei in Afghanistan und in die Zwangsprostitution in Pakistan.[50]

Das Time Magazine schreibt: „Die Taliban haben oft argumentiert, dass ihre brutalen Restriktionen, die sie Frauen auferlegt haben, nur ein Weg seien, das andere Geschlecht zu beschützen. Das Verhalten der Taliban während der sechs Jahre, in denen sie ihre Herrschaft in Afghanistan ausweiteten, machen diese Aussagen zu einer Farce.“[50]

Während einer Offensive in den Schomali-Ebenen im Jahre 1999 ließen die Taliban sowie arabische und pakistanische al-Qaida-Milizen allein mehr als 600 Frauen verschwinden.[50] Sie wurden in Busse und Transporter gepfercht und nicht mehr wiedergesehen.[50] Das Time Magazine schreibt: "Die Spur der vermissten Shomali-Frauen führt nach Jalalabad, nicht weit der pakistanischen Grenze. Dort wurden die Frauen nach Zeugenaussagen in dem Lager „Sar Schahi“ in der Wüste eingesperrt... Einige wurden nach Peshawar [Pakistan] weitertransportiert... andere wurden nach Khost in die Trainingslager von Bin Laden gebracht."[50] Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass viele Frauen nach Pakistan gebracht wurden, wo sie an Bordelle verkauft oder als Sklavinnen in privaten Haushalten eingesetzt wurden.[50]

Einige Talibankämpfer weigerten sich, an dem Menschenhandel teilzunehmen. Ein Talibankommandeur mit dem Namen Nuruludah erklärte z. B., dass er sah, wie pakistanische al-Qaida-Kämpfer Frauen in einen Transporter zwangen. Nuruludah und seine Kämpfer befreiten die Frauen daraufhin aus dem Transporter. In einem weiteren Vorfall befreiten Talibankämpfer Frauen aus einem al-Qaida-Lager in Jalalabad.[50]

Unterdrückung von Frauen

Taliban in Herat (2001)

Nachdem sie die Kontrolle über Afghanistan erkämpft hatten, erließen die Taliban zudem Edikte, die die Rechte der Frauen stark einschränkten. Sie betrafen die Bereiche Bildung, medizinische Versorgung, Kleidung und Verhalten in der Öffentlichkeit.[51] Mädchen war es verboten, zur Schule zu gehen. Viele Schulen wurden geschlossen, worauf die Mädchen, wenn überhaupt, nur noch privat unterrichtet wurden. Frauen in Kabul durften nicht mehr ihre Berufe ausüben und saßen immer häufiger als Bettlerinnen in Burkas auf der Straße. Da durch die Wirren des Krieges allein in Kabul ca. 30.000 Frauen als Witwen ohne jegliche männliche Verwandtschaft lebten, hatten diese Frauen meist keine andere Chance als zu betteln, um ein wenig Geld zum Überleben aufzutreiben. Dass die Restriktionen lebensbedrohend waren, verdeutlicht Folgendes:

Laut den 'Physicians for Human Rights' bekamen 53 Prozent der ernsthaft Kranken keine Behandlung. Zugang zu medizinischer Versorgung war vor allem den Frauen fast unmöglich. Es gab zur Zeit der Talibanherrschaft in Kabul ein einziges Krankenhaus, in dem Frauen behandelt werden durften. Dort allerdings war die Grundausstattung mangelhaft, Röntgen- oder Sauerstoffgeräte und Medikamente fehlten, fließendes Wasser war nicht vorhanden. Um überhaupt behandelt werden zu können, mussten die Frauen mehrere Hürden überwinden: Ohne männlichen Begleiter durfte eine Frau nicht behandelt werden. Da es männlichen Ärzten generell verboten war, Frauen anzuschauen oder zu berühren, konnten Frauen nur noch sehr eingeschränkt untersucht werden. Das Tragen der Burka war auch während der Behandlung Pflicht. Eine einfache Untersuchung oder ein Zahnarztbesuch war fast unmöglich, da der Schleier nicht hochgehoben werden durfte. Um die Einhaltung der Gesetze zu wahren, waren regelmäßig Taliban-Mitglieder in den Krankenhäusern anwesend. Falls sich Afghanen den Taliban-Gesetzen dennoch widersetzten, wurden schwere Strafen verhängt. Ärzten drohten Schläge, Berufsverbot und Gefängnisstrafen.

Sowohl in den Städten als auch auf dem Lande waren (und sind teilweise heute noch) die hygienischen Verhältnisse auf niedrigstem Niveau. Öffentliche Bäder waren, soweit noch vorhanden, Frauen generell nicht mehr zugänglich.

In den Städten trafen die Gesetze die Frauen besonders hart, da dort die westliche Orientierung vor der Taliban-Gewaltherrschaft am stärksten ausgeprägt gewesen war, Frauen in vielen Fällen regelmäßig gearbeitet und westliche Kleidung getragen hatten.

Terrorismus gegen die Zivilbevölkerung

Die Taliban richten sich bei Anschlägen gezielt gegen die afghanische Zivilbevölkerung. Im Jahr 2009 waren sie laut Angaben der Vereinten Nationen für über 76 % der Opfer unter afghanischen Zivilisten verantwortlich.[38] Auch im Jahr 2010 waren die Taliban für über 3/4 der zivilen Todesopfer in Afghanistan verantwortlich.[39] Zivilisten sind mehr als doppelt so häufig das Ziel tödlicher Anschläge der Taliban als afghanische Regierungstruppen oder Truppen der ISAF.[39]

Die Afghanistan Independent Human Rights Commission (AIGRC) nannte die gezielten Anschläge der Taliban gegen die Zivilbevölkerung ein „Kriegsverbrechen“.[40] Religiöse Führer verurteilten die Anschläge der Taliban als Verstoß gegen die islamische Ethik.[40]

Menschenrechtsgruppen haben den Internationalen Gerichtshof in Den Haag dazu veranlasst, eine vorläufige Untersuchung gegen die Taliban wegen Kriegsverbrechen durchzuführen.[39]

Finanzierung

Neben dem Drogenhandel finanzieren sich die Taliban über Spenden aus dem Ausland, dem Abzweigen internationaler Hilfsgelder, Schutzgelderpressung und der Erhebung von Steuern in den von ihnen kontrollierten Gebieten. 2012 nahmen die Taliban etwa 400 Millionen Dollar ein, darunter über hundert Millionen Dollar aus abgezweigten Hilfsgeldern.[52]

Drogenhandel

Im von den Taliban regierten Afghanistan in den späten 1990er Jahren verdienten die Taliban am Anbau von Drogen und am Schmuggel mit Opium, Heroin, Haschisch und anderen Gütern.[53] Dabei ließen die Taliban den Bauern und der Weiterverarbeitung des Rohopiums zu Heroin freie Hand und erhoben auf Anbau sowie Handel Steuern.[53][54]

Für das Jahr 1999 werden die Einnahmen der Taliban aus dem Drogenhandel auf 40 Millionen Dollar geschätzt.[55] Für den Transport wurden Flugzeuge der Ariana Afghan Airlines benutzt. Mit der Resolution 1267 des UN-Sicherheitsrats wurden internationale Flüge von Ariana Air verboten, der Drogenschmuggel lief von nun über Land.[53]

Im Jahr 2001, vor den Terroranschlägen am 11. September, setzten die Taliban ein rigoroses Anbauverbot für Schlafmohn in Afghanistan durch,[54][55] welches weltweit den bis dato größten Rückgang an Drogenproduktion innerhalb eines Jahres in einem Land darstellt.[53] Daraufhin wurde nur noch im nicht von den Taliban kontrollierten Norden Afghanistans Schlafmohn angebaut. Jedoch handelten die Taliban weiterhin mit Opium und Heroin aus Lagerbeständen.[53] Der Anbaustop führte zu einer „humanitären Krise,“[53] da sich Tausende Kleinbauern ohne Einkommen wiederfanden. Mit dem Anbaustop wollten die Taliban zum einen eine Lockerung der Sanktionen der Resolution 1267 des UN-Sicherheitsrats erreichen.[53] Einem Bericht der CRS nach[55] vermuteten einige Mitglieder der U.S.-amerikanischen Drogenbekämpfung dahinter lediglich eine Strategie um die Preise nach oben zu treiben. In der Tat stieg der Rohopiumpreis von einem Allzeittief von 28 $/kg auf ein Allzeithoch von 746 $/kg am 11. September 2001. In den Wochen nach den Terroranschlägen fiel er wieder auf 95 $/kg, wahrscheinlich weil Lagerbestände in großem Stil verkauft wurden im Angesicht einer drohenden Invasion.[53]

Im Jahr 2002 stieg die Anbaufläche für Schlafmohn von 8000 auf 74.000 Hektar.[53] Die Taliban befanden sich nach dem Krieg in einer Phase der Reorganisation. Einzelne Talibanführer verkauften ihre Lagerbestände an Opium. Manche Drogenschmuggler „investierten“ in die Taliban.[53]

In den von Taliban kontrollierten Gebieten erheben lokale Taliban-Kommandeure oft eine zehnprozentige Steuer (uschr) nicht nur auf den Verkauf von Rohopium, sondern auch auf diverse andere Geschäfte, z. B. die von kleinen Läden und Kleinbetrieben. Zahlungsmittel ist dabei oft Rohopium oder sonstige Naturalien.[53][56][57] Bei nicht-zahlen der Steuer wurde öfter über Gewalt berichtet. Daneben finanzieren sich einzelne Taliban-Kommandeure noch aus anderen mafiösen Geschäften, z. B. Wegzöllen.[53][56] Taliban-Kommandeure auf Dorf-Ebene finanzieren sich vor allem aus diesen Einnahmen und müssen einen Teil davon an die ranghöheren Kommandeure abgeben, ähnlich den Strukturen in einer Mafia.[53]

Außerdem schützen Taliban-Kommandeure Produktion und Schmuggel von Opium militärisch und verlangen dafür bis zu 20 % der Einnahmen. Dabei schrecken sie nicht vor Waffengewalt gegenüber staatlicher Polizei zurück und überfallen mitunter Kontrollpunkte um Drogenkonvois freie Fahrt zu garantieren. Daneben sind Taliban-Kommandeure an der Besteuerung oder dem Betrieb von bis zu 60 Heroinlaboren beteiligt.[53][56][57]

Für das Jahr 2009 schätzt das Büro der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung die Gewinne der Taliban aus dem Opiumhandel auf 150 Millionen Dollar, die afghanischer Drogenhändler auf 2,2 Milliarden Dollar und die afghanischer Farmer auf 440 Millionen Dollar.[57]

2012 betrug die Anbaufläche für Schlafmohn in Afghanistan 154.000 Hektar[58] und die Taliban finanzieren sich weiter durch Drogengelder.[59]

Spendengelder

Spendengelder erhalten die Taliban aus allen Teilen der Welt, vor allem aber aus der Golfregion.[60] Genaue Zahlen zu den Spendensummen seien nach Einschätzung des US-Gesandten für Afghanistan und Pakistan Richard Holbrooke aus dem Jahr 2009 zwar schwierig zu ermitteln, jedoch seien Spendengelder „wichtiger“ als der Drogenhandel.[60]

Siehe auch

Literatur

Klassische Talibanbewegung 1994–2001
  • William Maley (Hrg.): Fundamentalism reborn? Afghanistan and the Taliban. Hurst, London 2001, ISBN 1-85065-360-7
  • Ahmed Rashid: Taliban. Afghanistans Gotteskrieger und der neue Krieg am Hindukusch; bpb, Bonn, 2010; ISBN 978-3-8389-0087-2
  • Alberto Masala: Taliban. Trente-deux preceptes pour les femmes; N&B, Collection Ultima Verba
  • Gilles Dorronsoro: Revolution Unending: Afghanistan, 1979 to the Present. Columbia University Press/Centre d'Etudes et de Recherches Internationales, New York/Paris 2005, ISBN 0-231-13626-9
  • Neamatollah Nojumi: The Rise of the Taliban in Afghanistan: Mass Mobilization, Civil War, and the Future of the Region. Palgrave MacMillan, New York 2002, ISBN 0-312-29402-6.
  • Robert D. Crews, Amin Tarzi (Hrsg.): The Taliban and the Crisis of Afghanistan. Harvard University Press, Cambridge 2008. ISBN 978-0-674-02690-2.
  • Physicians for Human Rights: The Taliban's War on Women: A health and human rights crisis in Afghanistan, Boston 1998; ISBN 1-879707-25-X; PDF
Neotaliban ab 2002
  • Antonio Giustozzi: Koran, Kalashnikov and Laptop: The Neo-Taliban Insurgency in Afghanistan 2002–2007. Hurst Publishers, London 2007, ISBN 978-0-231-70009-2
  • Antonio Giustozzi: Decoding the New Taliban: Insights from the Afghan Field. Columbia University Press, New York 2009, ISBN 978-0-231-70112-9.

Weblinks

Commons: Taliban – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Matinuddin, Kamal, The Taliban Phenomenon, Afghanistan 1994–1997, Oxford University Press, (1999), S. 25–6
  2. Nach Tötung von Anführer Mansur: Taliban bestimmen neuen Chef. Tagesschau.de, 25. Mai 2015.
  3. Neamatollah Nojumi: The Rise of the Taliban in Afghanistan: Mass Mobilization, Civil War, and the Future of the Region. 1st Auflage. Palgrave, New York 2002.
  4. Amin Saikal: Modern Afghanistan: A History of Struggle and Survival. 1st Auflage. I.B. Tauris & Co Ltd., London New York invalid format, ISBN 1-85043-437-9, S. 352.
  5. Casting Shadows: War Crimes and Crimes against Humanity: 1978–2001. (PDF; 1,3 MB) Afghanistan Justice Project, 2005, abgerufen am 22. Januar 2011.
  6. Matinuddin, Kamal, The Taliban Phenomenon, Afghanistan 1994–1997, Oxford University Press, (1999)
  7. a b c Amnesty International. „DOCUMENT – AFGHANISTAN: FURTHER INFORMATION ON FEAR FOR SAFETY AND NEW CONCERN: DELIBERATE AND ARBITRARY KILLINGS: CIVILIANS IN KABUL.“ 16 November 1995 Accessed at: Document – Afghanistan: Further information on fear for safety and new concern: deliberate and arbitrary killings: Civilians in Kabul (Memento vom 7. Juli 2014 im Internet Archive)
  8. Afghanistan: escalation of indiscriminate shelling in Kabul. International Committee of the Red Cross, 1995, abgerufen am 21. Januar 2011.
  9. a b c d Marcela Grad: Massoud: An Intimate Portrait of the Legendary Afghan Leader. Webster University Press, 1. März 2009, S. 310.
  10. ABC Australia – Starving Afghanistan (Dokumentation)
  11. Unterstützung der Taliban von Pakistan
  12. Coll, Ghost Wars (New York: Penguin, 2005), 14.
  13. The Taliban's War on Women. A Health and Human Rights Crisis in Afghanistan. Physicians for Human Rights, 1998, abgerufen am 21. Januar 2011.
  14. a b c d e f g Taliban massacres outlined for UN. In: Chicago Tribune. Newsday, Oktober 2001, abgerufen am 21. Januar 2011.
  15. a b c d e f g Confidential UN report details mass killings of civilian villager. (PDF; 186 kB) un.org, 2001, abgerufen am 4. November 2013.
  16. a b Achmed Raschid: Afghanistan resistance leader feared dead in blast. The Telegraph, 11. September 2011, abgerufen am 4. November 2013 (englisch).
  17. a b c Human Rights Watch Backgrounder, October 2001. Human Rights Watch, 2001, abgerufen am 21. Januar 2011.
  18. a b The Last Interview with Ahmad Shah Massoud. Piotr Balcerowicz, 2001, abgerufen am 21. Januar 2011.
  19. The man who would have led Afghanistan. St. Petersburg Times, 2002, abgerufen am 21. Januar 2011.
  20. Proposal for Peace, promoted by Commander Massoud. peace-initiatives.com, 1998, abgerufen am 21. Januar 2011.
  21. a b c Steve Coll: Ghost Wars: The Secret History of the CIA, Afghanistan, and Bin Laden, from the Soviet Invasion to September 10, 2001. Penguin Press, HC 23. Februar 2004, S. 720.
  22. a b c Massoud in the European Parliament 2001 auf YouTube Eu media, 21. Januar 2011
  23. a b Inside the Taliban, 2007 auf YouTube National Geographic Channel, 21. Januar 2011
  24. Inside the Taliban. National Geographic Channel, 2007, archiviert vom Original am 13. August 2011; abgerufen am 21. Januar 2011.
  25. Defense Intelligence Agency (2001) report http://www.gwu.edu/~nsarchiv/NSAEBB/NSAEBB97/tal31.pdf
  26. „Rebel Chief Who Fought The Taliban Is Buried“
  27. Panjshir TV Übertragung der Beerdigung Massouds auf YouTube
  28. Tribute to the Victims of September 11
  29. Hans Joachim Schneider: Internationales Handbuch der Kriminologie: Grundlagen der Kriminologie, Band 1, Walther de Gruyter, 1. Auflage 2007, ISBN 3-89949-130-0, S. 802
  30. NIST NCSTAR 1: Federal Building and Fire Safety Investigation of the World Trade Center Disaster: Final Report, Kapitel 8.4.2: Evacuation, S. 188
  31. UNO-Resolution 1333 Seite 2 von 7 , In: UNO, 19. Dezember 2000 (PDF), abgerufen am 14. Oktober 2012
  32. Geistliches Oberhaupt lehnt Auslieferung Bin Ladens ab, In: Der Spiegel, 19. September 2001 ([1]), abgerufen am 14. Oktober 2012
  33. Taliban lehnen Auslieferung Bin Ladens ab, In: Die Welt, 22. September 2001 ([2]), abgerufen am 14. Oktober 2012
  34. Eric Schmitt: Afghan Prison Poses Problem in Overhaul of Detainee Policy In: New York Times, 27. Januar 2009 (online), abgerufen am 6. März 2009
  35. Discussion Papers. Abgerufen am 12. Dezember 2010.
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  40. a b c d AIHRC Calls Civilian Deaths War Crime. In: Tolonews. Archiviert vom Original am 19. Oktober 2013; abgerufen am 13. Januar 2011.
  41. zeit.de: [3] „Der amerikanische Verteidigungsminister Robert Gates hat dies jetzt bestätigt. Mit wem die USA worüber sprechen, das bleibt im Ungewissen. Zufall ist das nicht. Denn die Taliban sind eine so effiziente wie vielgliedrige und schattenhafte Bewegung. Wer sie vertritt, wer überhaupt ein Abkommen schließen könnte, darauf gibt es keine Antwort.“
  42. zeit.de 22. Juni 2011: [4]
  43. Auslandsvertretung der Taliban Ein Büro in Doha. In: die tageszeitung. Abgerufen am 10. Januar 2012.
  44. Karsai will sich erstmals mit Taliban treffen. In: Süddeutsche Zeitung. 29. Januar 2012, abgerufen am 30. Januar 2012.
  45. Nancy Hatch Dupree. 'Afghan Women under the Taliban' in William Maley (2001) ISBN 0-7864-1090-6. Fundamentalism Reborn? Afghanistan and the Taliban. London: Hurst and Company, ISBN 0-8147-5586-0 pp145-166.
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  48. Larry P. Goodson: Afghanistan's Endless War: State Failure, Regional Politics and the Rise of the Taliban. University of Washington Press, 2002, ISBN 978-0-295-98111-6, S. 121.
  49. Angelo Rasanayagam: Afghanistan: A Modern History. I.B.Tauris, London 2005 ISBN 978-1-85043-857-1, S. 155
  50. a b c d e f g Lifting The Veil On Taliban Sex Slavery. In: Time Magazine. Abgerufen am 10. Februar 2002.
  51. Bundeszentrale für Politische Bildung, B 3-4, 2001 (PDF; 66 kB) Renate Kreile: Die Taliban und die Frauenfrage – ein historisch strukturelle Perspektive
  52. Taliban nehmen binnen eines Jahres 400 Millionen Dollar einIn: Süddeutsche Zeitung, 12. September 2012.
  53. a b c d e f g h i j k l m n Peters 2009 (PDF; 808 kB)Gretchen Peters: How Opium Profits the Taliban, United States Institute of Peace, 2009.
  54. a b International Crime Threat Assessment 2000International Crime Threat Assessment, 2000.
  55. a b c Perl 2001 (PDF; 48 kB)Raphael F. Perl: Taliban and the Drug Trade, CRS Report for Congress, 2001.
  56. a b c Mansfield 2008 (PDF; 481 kB)David Mansfield: Responding to Risk and Uncertainty, A Report for the Afghan Drugs Inter Departmental Unit of the UK Government, 2008.
  57. a b c The Global Afghan Opium Trade (PDF; 8,9 MB)UNODC, 2011.
  58. Afghanistan Opium Survey 2012Summary Findings, UNODC, 2012.
  59. UNODC 2012.
  60. a b USA vermuten Geldgeber der Taliban in den Golfstaaten In: Der Spiegel, 28. Juli 2009.