Şuşa

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Schuschi
Շուշի
Şuşa
Staat Aserbaidschan Aserbaidschan
Provinz in Arzach Schuschi
Rayon in Aserbaidschan Şuşa
Koordinaten 39° 45′ N, 46° 45′ OKoordinaten: 39° 45′ N, 46° 45′ O
Höhe 1500 m
Einwohner 3.191 (2009)
Zeitzone UTC+4
Schuschi (Aserbaidschan/Republik Bergkarabach)
Schuschi (Aserbaidschan/Republik Bergkarabach)
Schuschi
Stadtwappen
Stadtwappen aus der Zeit des Russischen Reiches (1843)
Von Aserbaidschan verwendetes Wappen (de jure)
Von der Republik Bergkarabach verwendetes Wappen (de facto)

Şuşa (kyrillisch-schriftliches aserbaidschanisch und russisch Шуша/Schuscha; armenisch Շուշի/Schuschi) ist eine Stadt in Bergkarabach, umstritten zwischen Aserbaidschan und der international nicht anerkannten Republik Bergkarabach. 2009 hatte die Stadt 3.191 Einwohner.[1] Sie liegt auf einer Höhe von 1.500 m über dem Meeresspiegel.

Geschichte

Die Stadt wurde 1752 vom Herrscher des Khanats Karabach Panah-Ali Khan als Festung Panachabad gegründet. Später wurde es nach einer nahe gelegenen Siedlung in Şuşa benannt und bis 1822 zum administrativen Zentrum des Khanats erhoben. 1805 wurde das Khanat Karabach von Russland unter Protektorat gestellt und verblieb darin bis 1917.[2]

Aga Mohammed Khan belagerte 1797 die Hauptstadt des Khanat Karabach Schuscha und nahm sie nach längeren Kämpfen mit einer Kriegslist ein. Im Massaker, das der Schah in Schuscha anordnete, wurde auch der Dichter und Wesir Molla Pənah Vaqif getötet. Schah Aga Muhammed-Khan selbst wurde in Schuscha von rivalisierenden Landsleuten ermordet.[2][3]

Das armenische Viertel Anfang des 20. Jahrhunderts

Bis zum Ersten Weltkrieg war Schuscha ein wichtiges kulturelles und wirtschaftliches Zentrum sowohl der Armenier als auch der Aserbaidschaner.[4][5] Lange Zeit waren die Armenier in der Mehrheit. Die Volkszählung des Russischen Reiches 1897 ergab für die Stadt 25.881 Einwohner, davon 14.420 Armenier (55,7 %), 10.778 Aserbaidschaner (41,6 %) und 359 Russen (1,4 %).[6] Es gab eine russisch-orthodoxe und fünf armenisch-gregorianische Kirchen, zwei schiitische Moscheen, eine Realschule, Seiden- und Baumwollweberei sowie bedeutenden Handel.[7]

Ende März 1920 wurde während des Schuscha-Pogroms das armenische Viertel der Stadt von aserbaidschanischen und türkischen Truppen zerstört und ein großer Teil der armenischen Einwohner ermordet. Die Zahlen der Todesopfer gehen weit auseinander und liegen zwischen 500[8][9] und 20.000[10] bzw. 30.000.[11] Ein Teil der Armenier konnte fliehen; es blieben nur wenige überlebende Armenier in der Stadt zurück.[12][13][14][15]

Von den Zerstörungen erholte sich die Stadt lange nicht. 1959 hatte Schuscha nur 6117 Einwohner, nur rund ein Viertel des Werts von 1904.[16] Zu diesem Zeitpunkt Betrug der Anteil der Armenier in der Stadt noch 23,3 %.[17] Dieser Anteil sank in den Folgejahren stark und betrug 1979 nur noch 13,1 %.[18] In den 1980er-Jahren nahmen die Spannungen zwischen Armeniern und Aserbaidschanern massiv zu und die ohnehin schon geschwächte armenische Gemeinde von Schuscha schrumpfte auf wenige hundert Personen im Jahr 1989.[5][19] Schuscha war nun zu einer fast rein aserbaidschanischen Stadt geworden.

Im Bergkarabachkonflikt war Şuşa der wichtigste Stützpunkt der Aserbaidschaner in Bergkarabach: Von hier aus wurde das tiefer gelegene Stepanakert wirkungsvoll unter Beschuss genommen. Die Aserbaidschaner wurden bei der Verteidigung der Stadt auch von einer tschetschenischen Einheit unter der Führung von Schami Bassajew unterstützt. Trotzdem nahmen am 8. und 9. Mai 1992 armenische Verbände mit Şuşa die letzte Stadt Bergkarabachs ein. Bassajew war einer der letzten, der die Stellung vor dem Fall der Stadt verließ.[20]

Im Zuge dessen wurden praktisch alle aserbaidschanischen Einwohner vertrieben.[21] Stattdessen ließen sich in Şuşa nun armenische Flüchtlinge aus anderen Teilen Aserbaidschans nieder, zum Teil auch Siedler aus Armenien und Rückkehrer aus der armenischen Diaspora. 2005 betrug die Einwohnerzahl rund 3.100[22], inzwischen stieg sie auf etwa 4000[23]. Noch immer sind große Teile der Stadt Ruinen.

In aserbaidschanischen Statistiken findet man noch heute so hohe Einwohnerangaben wie 28.300 Einwohner.[24]

Nach Auffassung der Vereinten Nationen und der Europäischen Union gehören die gesamte Region und damit auch die Stadt Şuşa zu Aserbaidschan. Die tatsächliche Kontrolle übt seit 1992 aber die international nicht anerkannte und von Armenien unterstützte Republik Bergkarabach aus.

Kultur

Seit 1840 ist Şuşa wegen seiner Architektur und als Kurort bekannt. Şuşa gilt außerdem als eines der Zentren der aserbaidschanischen und kaukasischen Teppichherstellung. Die Stadt ist bekannt für ihre Komponisten und Sänger, wie die Komponisten Üzeyir Hacıbəyov, Schöpfer der ersten Oper in der Geschichte des moslemischen Orients, und Niyazi, sowie die Sänger Bülbül und Khan Schuschinski. Aus Şuşa stammen die aserbaidschanische Dichterin Xurşidbanu Natəvan; der Dichter Molla Pənah Vaqif wirkte dort. Die Stadt ist deshalb als „aserbaidschanisches Musikkonservatorium“ bekannt.[25]

Die Erlöserkirche (Ghasantschezoz-Kathedrale, 1858–1887) und die Grüne Kirche (Kanatsch Scham, 1818) in Şuşa sind von großer religiöser Bedeutung für die Armenier.

Tourismus

Şuşa war durch seine Lage im Hochgebirge und durch seine vielen Mineralquellen ein beliebter Kur- und Urlaubsort.

Söhne und Töchter der Stadt

Ein aserbaidschanisches Mädchen aus Schuscha (19. Jahrhundert)

Bilder

Die Burg von Schuscha
Obere Moschee (Yuxarı Gövhar Ağa məscidi), Zustand nach Einnahme durch die Armenier
Erlöserkirche (Ghasantschezoz-Kathedrale), Zustand nach Restauration durch die Armenier
Der armenische T-72 Panzer „442“ wurde bei den Kämpfen um die Stadt am 8. Mai 1992 abgeschossen und zur Erinnerung an den armenischen Sieg als Denkmal hergerichtet.[26]

Weblinks

Commons: Şuşa – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Results of 2005 census of the Nagorno-Karabakh Republic (PDF-Datei; 222 kB)
  2. a b Johannes Rau: Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Verlag Dr. Köster, 2007, ISBN 978-3-89574-629-1, S. 17–18.
  3. А.В. Потто (A. V. Potto): Утверждение русского владычества на Кавказе (Festigung der russischen Herrschaft im Kaukasus), Bd. 1, Tiflis 1904, S. 270.
  4. Leonidas Chrysanthopoulos: Caucasus Chronicles: Nation-Building and Diplomacy in Armenia, 1993-1994. Gomidas Institute, 2002, ISBN 1-884630-05-7, S. 8.
  5. a b Erich Feigl: Seidenstrasse durchs Feuerland, Die Geschichte Aserbaidschans. Amalthea Signum Verlag, Wien 2008, ISBN 978-3-85002-667-3, S. 87–89.
  6. Первая всеобщая перепись населения Российской Империи 1897
  7. Brockhaus Konversations-Lexikon, 14. Auflage. Band 14, Eintrag Schuschá. Leipzig, Berlin, Wien 1895.
  8. Thomas de Waal. Black Garden: Armenia and Azerbaijan through Peace and War, ISBN 0-8147-1944-9
  9. Richard G. Hovannisian. The Republic of Armenia, Vol. III: From London to Sèvres, February–August 1920
  10. Lords Hansard, Text für 1. Juli 1997 (170701-19) [1]
  11. Игорь Бабанов, Константин Воеводский: Карабахский кризис, Санкт-Петербург, 1992
  12. World Directory of Minorities, S. 145 (Minority Rights Group, Miranda Bruce-Mitford)
  13. Kalli Raptis, Nagorno-Karabakh and the Eurasian Transport Corridor
  14. Commission de Refugies, France (PDF)
  15. Lords Hansard, Text für 1. Juli 1997 (170701-19) [2]
  16. webgeo.ru (Memento vom 10. Oktober 2008 im Internet Archive)Vorlage:Webarchiv/Wartung/Linktext_fehlt
  17. http://www.ethno-kavkaz.narod.ru/shusha59.html
  18. http://www.ethno-kavkaz.narod.ru/shusha79.html
  19. Sowjetischer Zensus 12. Januar 1989, Nachweis der Volkszugehörigkeit und Sprache, Tafel 9 C, S. 389.
  20. Thomas De Waal (2003). Black Garden: Armenia and Azerbaijan Through Peace and War. New York: New York University Press, ISBN 0-8147-1945-7, S. 177–179
  21. US State Department - 1993 UN Security Council Resolutions on Nagorno-Karabakh
  22. http://census.stat-nkr.am/nkr/1-1.pdf
  23. http://stat-nkr.am/files/yearbooks/2003_2009/8_Nasl_31-49.pdf
  24. Aserbaidschanische Statistikbehörde (Memento vom 14. November 2010 im Internet Archive)
  25. Johannes Rau: Der Berg-Karabach-Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan. Verlag Dr. Köster, 2007, ISBN 978-3-89574-629-1, S. 12.
  26. Thomas de Waal: Black Garden: Armenia and Azerbaijan through Peace and War. NYU Press 2004, ISBN 0-8147-1945-7, S. 184