Benutzer:Freimut Bahlo/Tagebuch Elisabeth B

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Einschiffung von Flüchtlingen und Soldaten

Das Tagebuch Elisabeth B enthält die Aufzeichnungen der bei Beginn der Flucht 17-jährigen Elisabeth B. aus dem südlichen Ostpreußen an die Küste nach Pillau, von dort mit einem der letzten Evakuierungstransporte ins durch das Deutsche Reich besetzte Dänemark, wo sie bis 1947 mit ihrer Mutter und der Großmutter in verschiedenen Flüchtlingslagern interniert war. Erst im Mai 1947 gelangte sie nach Deutschland zurück.

Tagebuch [ab dem] 28. 10. 1944 [dem Beginn der Flucht][Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eichensee, Reuschendorf, Seegutten, Sensburg, Wartendorf, Klein Kleeberg, Groß Kleeberg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(1) Gepackt war schon von der ersten Flucht nach Gusken alles; da aber die Reise noch weitergehen sollte, wurde alles wieder gründlich vorbereitet. Das Geschirr wurde wieder aus der Erde herausgeholt, und das gute [Besteck] wurde ebenfalls eingepackt und mitgenommen. In Klein Lasken zu Besuch gewesen und da heißt es plötzlich, Kr[eis] Lyck wird geräumt; so war dies der letzte Besuch dort. Zu Hause noch ein Schwein geschlachtet, aber wir hatten noch einige Tage Zeit. Wir haben viel Geflügel geschlachtet, dass nur so die Köpfe flogen. Nun kam endgültig der Tag, wo wir unsere liebe Heimat verlassen mussten. In Soltmahnen sammelten sich alle Eichenseer zusammen und und erst um die Mittagszeit ging die Reise dann endlich los.

Ostpreußen, Flüchtlingtreck im Jahr 1945. Treckwagen der Fam. Dzikonski aus Eichhorn (Treuburg)

(2) Es war ein sonniger Tag, doch es passierte schon recht viel Unglück. Boruttas Pferd wollte einfach nicht mehr weiter und so stoppte es den ganzen Treck ab. Es wurde dunkel, aber wir sollten den Weg noch bis Reuschendorf schaffen. Es war auch nicht mehr weit bis dorthin, aber als wir dort ankamen, was da alles so überfüllt, dass da nicht einmal Platz auf der Straße war. So blieb uns nichts anderes übrig als in dem am Dorfe grenzenden Wald und dort zu nächt[ig]en. Mit Lisa noch einen Spaziergang in das Dorf gemacht, aber da war nichts los!- So stiegen wir in unsere „Hiummelbetten“ und wollten den ersten Fluchttag einmal vergessen. Dann nachts wachte man auf, und es war so, als ob schon der Morgen graute, aber es war uns so unhehaglich geworden und so kalt; wir öffn[et]en die Augen, Schnee! Dieser taute bald darauf auf und das Ergebnis war Matsch.

(3) Papa hatte schnell ein Feuer gemacht, welches wir eifrig bedienen mussten, aber nun wurde uns langsam aber sicher warm. Es war Nacht 1.00 Uhr; wo war noch der Morgen hin!- So stellte sich auch bald der Hunger bei uns ein, aber dies konnte ja nicht unsere größte Sorge sein!- Wir gingen an die Milchkanne und holten uns da so viel Hühner- und Putenfleisch heraus, wie es uns bekam. An Morgen ging[en] Lydia und Franz melken und wir kratzten Milch auf unserem Feuer auf. Es ging ganz gut, und [uns] hat Milch noch nie so gut geschmeckt. Die zweite Serie ist uns angebrannt, und die Milch war ungenießbar. Dann ging die Fahrt [auf] der Asphaltstraße in Richtung Arys. In den Nachmittagsstunden fuhren wir dort durch. Der Abend war schon im Anbruch und wir fuhren immer noch ohne Ziel. Es war auch schon dunkel, und so dachten wir, dass wir wieder eine Nacht im Wald verbringen müssen. [Durch] zwei Ortschaften fuhren wir durch. Endlich kamen wir nach Seegutten, wo wir dann auch bleiben sollten.

(4) Wir waren überglücklich, mal eine Nacht unter Dach zu sein und wenn es auf dem Heuboden war. Papas erste Sorgen waren die Pferde, und es gelang ihm auch, diese in einem warmen Stall unter zu bringen. Wir 3 Mann [gingen] hoch [und] schliefen dann in einer Bekleidungskammer der dort einquartierten Panzersoldaten. Decken wurden uns genügend zur Verfügung gestellt; so konnten wir auch unsere völlig durchnässten Decken austrocknen lassen. In dieser Nacht starb Veras Kind (Russin); und damit auch die Pferde ausruhen sollten, blieben wir noch einen Tag da. Mit Tante Miku, die bei einem Fleischer untergebracht war, kochten wir uns ein Mittagessen. Wir verlebten da einen sehr schönen Tag, aber am nächsten Tag musste es wieder weitergehen. Puck war der Liebling aller Soldaten geworden, aber er fühlte sich bei uns am wohlsten, wenn wir ihm auch keine Bequemlichkeit bieten konnten. Am Dienstag ging dann die Fahrt reibungslos weiter. In den Mittagsstunden kamen wir durch Sensburg durch; vor der Stadt hatten wir einen hohen Berg zu passieren.

(5) Viel Angst ausgestanden, aber es ging besser, als wir es uns (aus)gedacht hatten. Mit Lisa dann in die Stadt gefahren, wollten uns gerne was kaufen, aber die Geschäfte waren gerade geschlossen. So kam es, dass wir vom Treck abkamen, und wir fuhren vielleicht 10-15 km [weit auf] der Asphaltstraße weiter und es war keiner von den Unsrigen zu finden. Wir waren nu in Bange und beschlossen unzudrehen. Unser Treck war von Sensburg aus [in] eine andere Straße eingebogen, was uns erst unbekannt war. Nun fuhren wir da, aber es war nichts zu sehen; wir hatten keine Puste mehr, denn der Wind hat es auch gerade nicht gut mit uns gemeint. Endlich erkannten wir von Ferne unsere Leutchen; wir waren dann auch überglücklich. Wir kamen nach Wartendorf; alle Fahrzeuge standen hinter einer Scheune und wir schliefen in einer Schulklasse, was aber nicht gerade angenehm war. Von dem Ort wollten wir so schnell wie möglich verschwinden, und wir kamen dann nach Grabenhof. Dort [haben wir] mit Onkel Adolf’s [Hilfe] ein gutes Quartier bekommen beim Schmiedemeister Dudela. Papa und Mama durften die Oberstube beziehen, und wir ließen uns auf dem Fußboden nieder.

(6) Nun war es nicht mehr weit bis zum Ziel. Am nächsten Tag schon im Dunklen kamen wir nach Massgut!- Dort tadellos aufgenommen; jedem wurde eine Unterkunft angewiesen [und] es wurde auch für gutes Essen gesorgt. Mutti und ich hatten die Ehre im Bett zu schlafen. [Am] nächsten Tag kamen wir mit fast allen Eichenseern auseinander. Mit 10 Fahrzeugen losgefahren; um 11.00 Uhr Vormittag kamen wir in Gilau an; hier hatten wir uns alle zu melden und bekamen Auskünfte, wo wir hin sollten. Wir sollten nach Groß Kleeberg und es waren noch 20 km bis dorthin. Wir hatten holprige Straßen zu befahren. Als wir ungefähr die Hälfte geschafft hatten, ging an Pawels Wagen das Rad entzwei und musste gewartet werden, bis es in Ordnung war. Um 10.00 Uhr kamen wir in Groß Kleeberg an, aber es hieß, wir seien nicht richtig hier, wier sollten nach Klein Kleeberg, welches noch 5 km ab lag. Ein junges Pferd [war] ktank geworden; es konnte einfach nicht mehr weiter. Wir sollten hier ruhen; haben sogar ein Zimmer bekommen, bloß kalt war es. Schönes Mittagessen bekommen. Am nächsten Morgen fanden sich alle Eichenseer ein; die waren des Abends auch hier eingetrudelt. Wir waren nur froh, wieder alle zusammen zu sein. Lisa war traurig, denn ihr Luchs war ihr abhanden bekommen,und wir trafen ihn unterwegs.

(7) Am nächsten Morgen bekamen wir alle Stullen und Kaffee, und als wir uns alle gut gestärkt hatten, ging die Fahrt weiter zum Endziel. Plötzlich fand sich Luchs ein, große Freude. In Klein Kleeberg wurden wir alle an die Bauern verteilt. Wir kamen zum Ortsbauernführer Panowski, welcher ein schönes [Stück] vom Dorfe entfernt wohnt[e]. Wir wurden da gut aufgenommen und bekamen ein schönes Zimmer, wo man sich wirklich wohl fühlen konnte. Wir haben es uns gleich gemütlich gemacht. Puck hat auch ein schönes Leben geführt, dick und rund sah er aus.– 4 mal nach Eichensee gefahren, zuerst mit Papa mitgefahren; [dort] noch etwas Geflügel gefunden, dieses geschlachtet und gegessen und auch etwas mitgenommen. Geschlafen [haben wir] bei Tante Miku. Viel Post in Empfang genommen, darunter auch ein „süßes“ Päckchen von Wolfgang. Sonst [ist] in Eichenssee alles still und ruhig und auch alles öde! Nach der Rückreise [kam ein] Telegramm von Horst.

Königsberg, Pillau, Neutief[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Burg Balga (1931)

Fahrt nach Breslau kam nicht in Frage. Zum Weihnachtsfest [1944] von Vera eingeladen und hingefahren. 10 Tage dort geblieben und wunderschöne Tage verbracht. Nach der Rückreise von dort [sind wir] wieder nach Eichensee gefahren und dort auch Geburtstag gefeiert. Bei Hanni gewohnt, wir haben Kuchen gebacken. Als [wir] das zweite Mal in Eichensee gewesen [sind, haben wir die] Nachricht, dass Hans vermisst [sei] erhalten. Am 28. Januar [1945] fuhren wir dann endgültig nach Balga, um den angekündigten Besuch abzustatten.

(8) Einige Tage in Königsberg bei Laudiens geblieben; dann war Rückfahrt nach Allenstein einfach unmöglich! Es fährt kein Zug mehr in Richtung Allenstein. Wir waren wie versteinert, als wir durch den Rundfunk hörten, dass in Allenstein schon der Russe ist. Am 7. Februar Verwundeten-Betreuung in der Jugendherberge Balga. Es fiel uns anfangs sehr schwer, denn das Elend konnte man sich schon nicht mehr anschauen. Aber dann gewöhnen wir uns allmählich und es ging bei uns bergauf. Wir bekamen da gutes Essen und es waren ja auch hilfreiche Hände nötig. Frau Engelhard und ich hatten 2 Stuben zu betreuen. Morgens war unsere erste Arbeit [zu] fegen und [zu] wischen. Bis zur Visite mussten die Soldaten gewaschen und gekämmt sein. Wenn Mittag gegessen war, hatten wir 2 Stunden Pause und Nachmittags ging es von Neuem ans Werk. Da war ja nicht so sehr viel zu tun! Nach [dem] Abendbrot wurden wir entlassen, höchstens [außer] wann spät Abends neue [Verwundete] [hin]zukamen. Kanonendonner war immer näher zu hören, und es ging oft Tage und Nächte durch. Nun hieß es, Umquartierte und Flüchtlinge müssen Balga räumen. Mama und ich wollten uns schon einmal auf den Weg machen, aber Tante ließ uns nicht. Die Polizei ging ein und aus; wir sollten durchaus raus, aber wir wollten noch abwarten.

Kartenausschnitt von Leisuhnen – Stand 1939 (bis 1938 Leysuhnen, heute Schtschukino)

(9) Die Verwundeten waren auch sehr traurig, dass wir sie verlassen wollten, aber es war eben nichts zu machen. Am 27. Febr[uar] [19]45 ging es dann mit dem L.K.W. von Balga nach Leisuhnen; von dort sollte dann die Überfahrt übers Eis erfolgen. Da sah es auch wüst aus, und die Flieger kreisten überm Eis und schossen mit Bordwaffen. Wir warteten aber vergeblich auf ein Fahrzeug. So mussten wir in L. [über] Nacht bleiben.In einem großen Saal waren zweistöckige Buchten, was ja schauderhaft aussah. Ein Soldat brachte uns heiße Milch, Wurst und Butter und wir ließen es uns gut schmecken. Am nächsten Tag fuhren wir dann mit Wehrmachtsfahrzeugen übers Haff und auch über die Nehrung. Wir hatten auch ein gute Überfahrt, trotzdem es ein heller schöner Tag war. Der Wald vor dem Ostseestrand war unser Abladeplatz. Dort sollten wir nun warten. In der Sonne fühlten wir uns recht wohl; es war uns richtig warm. Aber dann begann die Flieger wieder mit Bordwaffen zu schießen; Bomben kamen auch herunter. Alles war aufgeregt, es spielte sich aber alles mehr auf dem Eis ab. Um 17.00 Uhr kamen einige Schnellboote aus Pillau, und wir wurden da alle eingeladen. Wir standen bis zum Einruch der Dunkelheit auf dem Wasser, dann ging es los. Um 20.00 Uhr kamen wir in Pillau an.

Flüchtlinge im Hafen (Januar 1945)

(10) Es war alles dunkel, und wir lagen bis 22.00 Uhr auf der Straße. Nun kamen L.K.W. und brachten uns in die Gr. Kurfürstliche Kaserne. Dort kamen wir in einen Saal, wo schon 180 Pers[onen] waren; graulich sah es da aus. Wir blieben aber eine Nacht da. Am nächsten Tag mit Tante und Heinz nach Neutief gegangen. Nach langem Suchen [haben wir] Onkel im Krankenhaus vier gefunden; er hat uns trotzdem gut empfangen. Wir haben uns gut satt gegessen. Gegen Abend Heimgang nach der Kaserne. Dort mussten wir erst suchen, denn Mama war mit Oma in die quer liegende Kaserne U6 umgezogen und [haben] dort Zimmer 21 mit 26 Mann bezogen. Es war doch ein besseres Leben. Das Mittagessen war gut, hungern durften wir nicht. [Am] nächsten Tag keine Veränderung. Am 3. Tag Fahrt nach Neutief. Nach Mittag Rückgang nach der Kaserne. Dort war schon großes Packen; die Kaserne soll für Königsberger geräumt werden. Als die Hälfte fort war, wurde alles abgeblasen. Am Sonntag bekommen wir 6 Königsberger auf unsere Stube [da]zu. Am Montag Umzug nach Neutief in die Fliegerhorstkaserne Block 7. Dort ein Zimmer und gute Verpflegung empfangen. Am 28. Febr[uar haben wir] 2 Familien auf unser Zimmer [da]zu bekommen; so stieg die Zahl auf 14 Pers[onen] und es war viel für das kl[eine] Zimmer. Wegen Platzmangel am Vormittag geschlafen, Nachmittags bei schönem Wetter Spaziergänge gemacht.

(11) Am Donnerstag keine Veränderung, nur 2 Spaziergänge zu Onkel Adolf. Freitag, 2. März kommt frischer Schnee [da]zu. Jeden Tag viel Sturm, daher Schiffverkehr schlecht geregelt. Am Sonntag, den 3. 3. Umzug auf Stube 2, weil das andere als Sanitätszimmer eingerichtet wird. Dabei an der rechten Hand verunglückt; es war eine Quetschung, und diese verursachte heftige Schmerzen. Nächsten Tag kamen alle fort. Wir blieben noch. Am 6. 3. der erste Fliegerangriff. Die Flak begann plötzlich zu schießen, und die Soldaten wiesen uns in den Keller. Es dauerte aber nicht lange, dann konnten wir wieder hoch. Mittwoch, den 7. März [war] 3 [Mal] Alarm. Donnerstag 3 Leute aus dem Kreise Bartenstein [da]zu bekommen.Kurz vor Mittag gab es Alarm; am Freitag Vormittag 3 [mal] Alarm; es war ein Lärm von Flak und Bordwaffen. 20 [Meter] von uns [entfernt] schlugen 2 Bomben ein. Nachmittag 1 [mal] Alarm. Sonnabend den 10. [März] kleine Operation am Finger. Flüchtlinge aus Heiligenbeil und Rosenberg kommen an [und da]zu. Auf unser Zimmer 7 Königsberger [da]zu bekommen. Nun ist unser Zimmer nur ein kleiner enger Durchgang. Jeder sitzt auf seinen eigenen Sachen.

(12) Dazu gesellten sich noch eine kleine Mandelentzündung; diese wurde gezügelt durch Halskompressen, und Tabletten mussten geschluckt werden. Sonntag, der 11. März; Heinzens Geburtstag begann mit dem schönsten Wetter und auch gleich mit Fliegerangriffen. Gleich nach Mittag gab es Alarm. Am Abend aus Versehen in Block 6 gelaufen, wo Verwundete untergebracht waren. Montag schönes Wetter, um 14.00 Uhr einmal kurz Alarm. In den Keller gar nicht (erst) gewandert. Dann eine Begegnung mit Vera’s Tante aus Lötzen. Dienstag 13. März neblig,daher keine Befürchtung für feindliche Flugzeuge. [Am] Mittwoch [sind wir] drei Wochen in Pillau, nebliger Tag. Donnerstag und Freitag gleiche Tage. Eine Beizung am Finger vorgenommen, dann Ausflug in Neutief. Am Sonnabend nach langem Anstehen eine wabblige Erbsensuppe. Artillerie schießt schon einige Tage nicht mehr nach Pillau. Der Sonntag brachte wunderbares Wetter und 6 [mal] Alarm; zum größten Teil waren es Aufklärer. Am Montag den 18.März war die Hölle los; an diesen Tag werden wir immer wieder denken. Schon um 7.00 Uhr ging der Angriff los. Am schlimmsten[1] war es um 11.00 Uhr;die Sirene ging und gleich darauf gab es einen Krach und die Scheiben zersplitterten; dann ging alles Hals über Kopf in den Keller. Eine Halle bekam einen Volltreffer; schwarzer Rauch stieg empor. Viele Menschen kamen da ums Leben.

(13) Herr Hase, ein Herr aus Allenstein, hat dann als Notbehelf das Fenster mit Pappe vernagelt. So ging es den ganzen Tag am laufenden Band, bis es am Abend ruhiger wurde. Tante und ich wollten dann einen Spaziergang zu Onkel Adolf wagen, aber als wir da uns gemütlich hingesetzt hatten, standen plötzlich Tannenbäume überm Wasser. Die Flak begann zu schießen, und wir beschlossen, dann auch sofort umzukehren. Hinter der Hauptwache ging es dann richtig los, und die Soldaten nötigten uns in einen Splittergraben, wo wir dann eine Weile gewartet haben. Anschließend besichtigten wir (uns) einen Betonbunker. In Block 7 war alles [für den] Luftschutz bereit, im Keller bis 20.00 Uhr ohne Licht, die Nacht war gräßlich. Kanonendonner war sehr laut, und wir schliefen in Klamotten. Es war eine sehr unangenehme Nacht, vor allen Dingen war es sehr kalt, denn die Pappe hat nicht dicht gehalten. Am Montag zu aller Überraschung Regen; so konnten wir ein wenig verschnaufen;[2] nur zieht es sehr durch das Fenster. Am Nachmittag zeigte sich wieder ein wenig die Sonne; es geht aber nur ein Mal Alarm.

:Pillau, Ostpreußen - Postamt und Leuchtturm (Zeno Ansichtskarten)

(14) Sehr erschreckt haben wir uns, als unsere Schiffsgeschütze zu schießen begannen; der ganze Block ist mitgewackelt. Am Abend sahen wir große Brände, am Haff [...], es sah auch graulich aus. Mittwoch 21. 3., Frühlingsanfang, trübes kaltes Wetter. Donnerstag, 22., das wunderbarste Frühlingswetter, dabei mit Alarm-Rekord geschlagen; 10 [mal] ging die Sirene. Sogar beim Dunkelwerden gab es Alarm; wir saßen eine ganze Weile im Keller. In der Nacht war es außer Artillerie[geschütz] ruhig. Freitag ein schöner heller Tag; wir haben auch jede Minute wahrgenommen, die schöne Sonne zu nutzen, welche doch schon recht warm schien. Am Abend stieg Nebel auf, welcher bis zum nächsten Tag kurz vor Mittag anhielt. Am Freitag in den Abendstunden nette Bekanntschaft; das war Peterle, ein Uffz. vom G.G.; mit diesem einen Fliegerangriff unter freiem Himmel erlebt. Die Flak schoss fürchterlich, die Bomben prasselten hernieder, und die Splitter flogen umher; man sah das Wasser ab und zu aufspritzen.

(15) Auf dem Heimweg standen Christbäume am Himmel, 3 [mal] nacheinander. Ein Munitionslager flog in die Luft; es war ein Schauspiel am Himmel, die Fetzen flogen bis dorthin. Riesige Rauchsäulen stiegen empor. In Block 7 angekommen, saß alles im Keller; es war kein Licht im Hause. Sonntag, Palmsonntag, ein furchtbarer Tag; 19 [mal] Alarm. Gleich Nachmittag von Hauptfeldwebel Muffler um Lazaretteinsatz [kommandiert]. Ein Oberleutnant holte uns 3 Mann hoch, darunter auch Frl. Briede, zur Bauleitung, was unser Arbeitsplatz sein sollte. Man war sich da noch nicht richtig einig, was man mit uns beginnt, trotz dem da viele hilfreiche Hände fehlten. Die armen Verwundeten lagen in den Gängen auf Stroh herum, was mir außerordentlich leid tat. Wir waren ein besseres Lazarettleben gewöhnt! Dazu wurden wir gleich mit Alarm begrüßt; wir kümmerten uns auch weniger darum, da sagt die Oberin: „Bei uns wird nicht in den Keller gegangen, dazu haben wir keine Zeit!“

(16) Als aber der nächste Alarm kam und auch die Bombon schon [fielen], schrie die Oberin „in den Keller, aber schnell.“ Aber dann kamen die Splitter schon in die Küche; es gelang uns noch, [uns] hinter einem Pfeiler zu [ver]bergen. Einige Bomben waren ins Wasser gefallen, einige hauten in die Häuser gegenüber ein. Im Keller war ein wirres Durcheinander; Männer und Frauen kamen mit Schnitten an Gesicht und Händen. Die Stullen waren auch voller Scherben, was nun ungenießbar war. Fast den ganzen Nachmiitag im Keller zugebracht; wegen krankem Finger vom Lazarettdienst befreit. Viele Verwundete, die sich gesonnt hatten, lagen tot herum. Auf dem Heimweg beginnt russ. Artillerie hereinzuschießen. Montag ein sehr heller Tag; die Art[illerie] schoss unentwegt; dann ließen die Fiegerangriffe auch nicht nach, es war also Daueralarm. Man konnte kaum noch nach oben frische Luft schnappen gehen. Die zweite Nacht schliefen wir im Keller; es war aber kein Schlafen [möglich].

(17) Durch die vielen Menschen war die Luft sehr schlecht und sehr wenig Platz. Dienstag kam die Sonne nicht [her]vor, aber die Flieger kamen. So saßen wir ganz tief betrübt im Keller. Nach dem Essen kam plötzlich der Befehl, Frauen mit Kindern unter 14 Jahren werden verschifft. Später hieß es, andere kommen auch mit. [Am] Abend kam wieder ein Fliegerangriff und alles wurde abgeblasen. Aus unserem Zimmer waren 3 Personen fort, Frau Fabian, Frau Friedrich und Herr Haas. So haben wir uns breitgemacht. Mittwoch ein trüber Tag, gegen Abend klärte es (sich) auf, aber von Angriffen blieben wir verschont. Gegen Abend [wurden] 100 Pers[onen], darunter Frauen mit Kinder[n] verschifft. Wir waren sehr unglücklich, dass wir immer noch nicht an der Reihe waren. Die Nacht war sehr ruhig; wir schliefen oben. [Am] Nachmittag wurde es sehr schön; ein Spaziergang zur See, dort eine Runde 66 gespielt!– Von Fliegern waren wir bis dahin Gott sei Dank verschont! Karfreitag 30. März, nebliger Tag.

(18) Nachmittag[s] mit 4 Fliegern Bernstein suchen gegangen; es waren Eddo, Ernst, Harry und Manfred; es waren 4 lustige Knaben. Kurz vor dem Heimweg stellte sich Regen ein, was weniger angenehm war. Gegen Abend Spaziergang mit Tante und Frau Ma[c]k zur See. Dieser Gang führte uns durch die B-Straße. Dort große Überraschung, nämlich das Treffen mit Vera. Wir waren beide platt wie Briefmarken. Aus Freude dann mit Vera zusammen einen Spaziergang gemacht. zuerst ging es nach Block 7, damit Vera ihre Tante [be]grüßen konnte. Diese war auch angenehm überrascht. Sonnabend hat es geregnet; es wurde dann aber auch schön, aber Flugzeuge kamen nicht; erst Abends war ein Flugzeug in der Luft. Gegen Abend mit Vera die Mole entlang gewandert; es war sehr windig und kalt. [Am] Abend [gab es] eine Sonderzuteilung von einer Flasche Rum und etwas Mehl. Ostersonntag trüber Tag; Begrüßung durch Art[illerie]. Zu Mittag gibt es Gulasch und Salzkartoffeln, was nach langer Zeit direkt eine Delikatesse ist. Vera besucht, aber von den Einschlägen sind alle Scheiben herausgefallen,

(19) und die Häuser, die auch klein sind und auch leicht gebaut, gleich mit. Nachmittag verstärkte(n) sich auch der Art[illerie]beschuss. Uns konnte gar nicht der Gedanke kommen, dass wir Ostern hätten. Am 2. Feiertag sehr windiges Wetter. Tante Lisbeth, Leni und ich machten uns auf den Weg, uns Schuhe zu besorgen. Mit Erfolg kamen wir zurück; nun hieß es, es kann möglich sein, dass wir verschifft werden. Und so kam es auch, dass wir um 11.00 Uhr die Kaserne räumen mussten. 24. [März]; mit Fuhrwerken wurden wir zur Fähre gebracht. Dort wurden wir abgesetzt und auf die Fähre aufgeladen; es war aber auch ein Menschengewimmel dort. Die Fähre brachte uns in den Hafen und wir wurden auf den „Lumpenkahn“ Koholyt eingeladen. Furchtbare Zustände herrschten da; auf dem Boden des Schiffes lagen lauter Lumpen. Das Regenwetter war ja sehr günstig für unsere Verschiffung. Bloß die Art[illerire] schoss unentwegt weiter; oft spritzte das Wasser hoch; wir aber hatten sonst Glück. Uns gegenüber lagen 2 U-Boote; so hatten wir Gelegenheit, so ein Ding mal richtig anzuschauen.

Fahrt über die Ostsee: Pillau, Hela, Kopenhagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(20) Dann sagten die Matrosen, wegen zu großen Sturms kann das Schiff nicht auslaufen. Um halb 20.00 Uhr ging dann die Fahrt los.– Wir standen an Deck, wie Pillau sich weiter und immer weiter entfernte. Aber als wir zur See kamen, begann es zu schaukeln. Aber so war es zu ertragen, denn das gehörte ja eigentlich dazu. Wir haben ja nicht daran gedacht, dass sich der Sturm noch verstärken kann. So kam es dann auch. Wir saßen auf Deck; [hin]zu gesellte sich noch ein Königsberger Mädel und [wir] ließen uns weiter überraschen. Man stellte aber fest, dass sich der Sturm verstärkte. Wenn man nach oben schaute, drehte sich alles im Magen. Heinz war der erste, der sich übergeben musste. Wenn man auf Deck wollte, musste man wirklich Acht geben, dass man nicht irgendwo [da]gegen rannte. Alles torkelte hin und her. In jeder Ecke sah man einen stehen, dem es schlecht ging. Nun fielen auch schon die Koffer herunter, wir mussten dann auch machen, dass wir nach unten kamen. Unten war aber noch mehr los. Am schlechtesten aber ging es Tante und Heinz.

Die Halbinsel Hela (2011)

(21) In der Nacht verstärkte sich der Sturm aber noch mehr; wir dachten, das überstehen wir nicht (mehr). Es war uns nun auch egal geworden, ob das Schiff untergeht oder nicht. Gegen Morgen legte sich der Sturm. Um 5.00 [Uhr] ankerten wir vor der Landzunge Hela, wo eine Menge großer und kleiner Schiffe lagen.[3] Als es hell wurde, sahen wir, dass auf Deck die reinste Glitschbahn zustande gekommen [war]; kein Wunder! Aber die Flugzeuge waren auch schon da und schossen! Es war sehr kalt, aber als die Sonne höher kam, ließ es sich ertragen. Wir sollten nun auf ein größeres Schiff umgeladen werden. Wir fuhren hin und her, als wäre es eine Vergnügungsfahrt. Da kamen Flugzeuge, eins nach dem anderen; die Flak von den Schiffen begann zu schießen. Kreuzer kamen, und schossen zur Front. Wir segelten immer noch hin und her, bis wir dann vor R.O. I halt machten. Da wurde auch bald mit der Ausladerei angefangen [und] das Gepäck mit Hilfe eines Soldaten gleich an Ort und Stelle geschafft. Auf diesem Schiff waren schon Flüchtlinge, Verwundete und Soldaten oben.

(22) Kaum dass alles[4] umgeladen war, begann es zu regnen und [wir] saßen an Deck. Es war noch nicht dunkel, als sich das Schiff in Bewegung setzte. Man merkte kaum, dass das Schiff fuhr, so glatt ging es vor[an]; die See war auch sehr ruhig geworden. Mit dieser Nacht waren wir sonst zufrieden; bloß war alles sehr überfüllt. Als wir aber am nächsten Tag aufwachten, ging die Fahrt immer noch reibungslos weiter. Es war wieder ein schöner Tag; wir gingen an Deck spazieren. Am Nachmittag kamen wir an [der] Insel Rügen vorbei. Mit dem Fernglas, welches wir von einem Ltn. ausgeliehen hatten, besahen wir uns die Insel; es war aber Nebel herum, daher sehr schlecht zu sehen. Dort wurden uns 21 Torpedoflugzeuge gemeldet; es war aber nichts zu sehen. Die Nacht verlief auch gut. In den frühen Morgenstunden lagen[3] wir vor Kopenhagen. Nun wusssten wir endlich, dass wir nach Dänemark kamen; wir wussten ja die ganze Fahrt [über] nichts von unserem Ziel. Im hellen Sonnenschein bot sie Stadt einen wunderschönen Anblick, wo wir doch in letzter Zeit nur Ruinen zu sehen bekamen.

Ankunft in Kopenhagen, im Übergangslager (April bis August 1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hafen von Kopenhagen

(23) Mit dem Fernglas beschauten wir uns alles näher. Uns war nur ein Rätsel, warum wir so lange stehen mussten; wir wollten so schnell wie möglich wieder unseren Fuß auf festen Boden setzen. Ein deutsches Wasserflugzeug flog hin und her; auch ein U-Boot tauchte auf. Dann kam ein Kreuzer und ankerte auch. Um 17.00 Uhr bekamen wir endlich die Einfahrt in den Hafen. Gerade als wir da einfuhren, ging die Sirene; damit[5] hatten wir nicht gerechnet. Aber es war weit und breit nichts zu hören. Es dauerte ziemlich lange, bis das Schiff festgemacht wurde. Zuerst gingen die Panzersoldaten von Bord. Wir dachten, nun wären wir an der Reihe, aber [es hieß,] Flüchtlinge sollten abwarten. Uns gegenüber lag das große Lazarettschiff „Pretoria[6] und die „Deutschland“. Wir lagen[3] nun auch noch am 6. April im Hafen. Schlechte Nächte verbrachten wir und wir erfuhren von unserer Bleibe nichts. Am Tage haben wir uns gesonnt, denn das Wetter war herrlich. Dann Treffen mit Manfred, ein[em] Soldat[en}, der Weihnachten in Löwenstein einquartiert war.

(24) Es war eine große Überraschung; mit diesem einen schönen Tag verlebt. [Am] nächsten Morgen um 2.00 Uhr wurden die Verwundeten in den bereitstehenden Lazarettzug eingeladen. Diese Ausladerei ging den ganzen Tag bis kurz [vor dem] Abend. Wir bezogen dann Kabine 8 und fühlen uns da recht wohl, denn es war vor allen Dingen warm. Es hieß nun, am nächsten Morgen um 4.00 Uhr beginnt unsere Ausladerei. Wir schliefen [gerade] so (sehr) schön, da ging die Ausladerei schon um 20.00 Uhr los. Wir standen um 1.00 Uhr auf [umd] packten unsere Sachen zusammen; als wir aber diesen Andrang sahen, begaben wir uns erneut zur Ruhe und schliefen noch bis 5.00 Uhr. Um 6.00 Uhr gingen wir dann in aller Ruhe von Bord. Wir fuhren dann mit O-Bussen durch Kopenhagen und landeten in einer Schule. Mit 17 Mann zogen wir dann in die Schulklasse 9. Es war sehr kalt und wir froren am Leib und Seele. Wir schwankten immer noch mit dem Schiff im Geiste mit.

(25) Wir haben uns gewaschen, unser Bett zurecht gemacht und gingen dann auch gleich schlafen. Bis 10.00 Uhr haben wir uns dann dem Schlaf überlassen. Edith wollte durchaus einen Spaziergang in die Stadt unternehmen, aber mit einem geschwollenen Auge war es ja nicht möglich. Dann spielten wir zu dritt Karten, was uns allen sehr viel Spaß machte. Der Hunger stellte sich aber auch bald ein, doch das Essen war knapp bemessen. Für 7 Mann gab es ein Brot. Licht war auch keines; daher mussten wir gleich schlafen gehn. Nach diesen Strapazen schliefen wir gut und auch bis zum hellen Morgen. Unser Lager war ein sehr schönes Gebäude; der Hof war recht groß und mit Lindenbäumen umsäumt. Am 9. April durfte keiner das Lager verlassen, weil es gerade 5 Jahre her war, dass Dänemark von Deutschland besetzt [worden war]. Es gibt kein[en] Kaffee; dieser muss selbst gekocht werden. Am Gaskocher immer wieder großer Andrang. Am 10. 4. auf der Wache 50 Urlaubsscheine ausgeschrieben. Eier und Milch empfangen; dieses ließen wir uns gut schmecken.

Kopenhagen nach der Befreiung Mai 1945

(26) Bei schönem Wetter draußen gesessen, gestrickt und von schönen vergangenen Zeiten erzählt. Sonntag, den 15. April um 3.00 Uhr aufgestanden und Bohnen gekocht. Um 7.00 Uhr wieder schlafen gegangen und dann um 12.00 aufgestanden. In der Nacht einen furchtbaren Traum von russ. Panzern gehabt. Das Ergebnis war die erste Laus. Es folgte noch mehr; es war direkt ein tolles Vergnnügen. Nach einiger Entlausung alles vertrieben. Einige Male in Kopenhagen ausgegangen. Ein kleiner Panzeruffz. spendierte Süßwaren, dann, was am schönsten war, die schöne Schlagsahn[e]torte. Eine ganze noch mitbekommen und mit Vera verdrückt; es schmeckte köstlich. Im Kino auch 2 [Mal] gewesen; die Filme[7]Hauptsache glücklich“ und „Bel Ami[8] gesehen. Es war ein Wehrmachtskino, das für Soldaten und Flüchtlinge bestimmt war. Auf Westerport[9] nach Angehörigen gesucht, leider keinen gefunden. Am Sonntag kamen neue Flüchtlinge [da]zu, alle(s) aus Pillau.

(27) Diese hatten keine gute Überfahrt, denn sie wurden mit Bomben und Bordwaffen beschossen; ein Schiff, [die „Karlsruhe“], ist gesunken. Soweit wir den Wehrmachtbericht verfolgen konnten, wurde dieses eifrig getan. Wir warteten direkt auf den Tag, wo es hieß, der Krieg ist aus. So war es am 4. Mai; wir waren vormittags in der Stadt beim Zahnarzt; überall hingen Plakate(n), die Dänen forderten die Deutschen zur Kapitulation [auf]. Zu diesem Zweck hatten diese Zettel in deutscher Sprache[10] [verteilt], welche in Massen auf Straßen und Plätzen vorhanden waren. Im Cafe Lido aßen wir dann noch Torte und machten uns dann auf dem Heimweg. Gegen Abend [herrschte] eine große Aufregung; wir wussten gar nicht, was eigentlich los sein könnte. Später erfuhren wir, dass Dönitz kapituliert hat. Die dänische Bevölkerung jubelte [und] rannte die Straßen mit Fähnchen auf und ab. Im Momnent waren wir wie versteinert, obwohl wir auf diesen Augenblick schon gefasst waren. Am Himmel sah man Leuchtfeuer und der Jubel hörte nicht auf.

(28) [Am] nächsten Tag bekamen wir [dies] gleich zu spüren,[11] denn es kam überhaupt kein Essen. Uns ging es einige Tage hindurch sehr schlecht. Eine[s] Abend[s], wir hatten uns schon zur Ruhe begeben, die Uhr war ½ 12 (Uhr), kam ein Auto vom R. K. und brachte Milch und Brei. Darum gab [es] bald Keilerei!– Nun zogen Freihaitskämpfer auf, die das Lager bewachten. Nun bekamen wir öfter auch das Wort „Tyske Swin“ zu hören.[12] Zu Mittag gab dann mal Haferflocken, einmal gab es Brotsuppe, welche rot gefärbt war. Den Tag darauf kam ein Hirsebrei, welcher ungenießbar war, denn die Milch darin war geronnen. Am Sonntag, den 13. Mai gab es zu Mittag zur Abwechslung mal Pellkartoffeln, worüber wir uns sehr gefreut haben. Wir dachten, dieses wäre für uns für den Sonntag gedacht, aber es gab nun jeden Tag welche. Den ganzen Tag in der Sonne gesessen; es war wunderbar. Am Montag wieder sehr windig. [An] einem Tag kam ein Auto mit einem Schwung Mädels vorgefahren; das war eine Entlausungskommission. Alle(s) musste auf den Zimmern bleiben,

(29) und wir versahen uns kaum, da waren die Leute bei uns. Jeder bekam den Kopf nassgemacht und wurde zur Genüge eingepudert. Gleich darauf wurde das Zimmer vergast. Ein Staub entstand, sodass wir alle Fenster öffnen mussten, [damit] der Dreck herausziehen konnte. Jeder war danach wie benommen; jeder sah wüst aus. Wir machten uns nun fast jeden Abend Bratkartoffeln, was nun nach so langer Zeit köstlich geschmeckt hat. Dänische Wachposten suchten eine[s] Nacht[s] einen Verbrecher; jeder wurde mit der Taschenlampe angeleuhtet. Es wird gemunkelt, dass es in Baracken aufs Land geht. Jeder weiß etwas anderes zu erzählen, und so steigen die Gerüchte. Andere sagen, in 4 Wochen muss Kopenhagen frei von Flüchtlingen sein. So wird von einem Tag auf den anderen gewartet und keiner weiß, was aus uns werden wird. Pfingsten steht vor der Tür, Heiligabend um 10.00 Uhr kath. Gottesdienst, ev. nehmen auch daran teil. Vorher kath. Beichte. Zu dieser Feier wurde [die] Turnhalle II schön geschmückt, was auf uns alle einen sehr netten Eindruck machte.

(30) Am Pfingstsonntag wurde[n] alle(s) mit Gesang geweckt. Der Herr Lagerleiter hatte Geburtdtag; und schon um 5.00 Uhr wurde diesem ein Ständchen gebracht. Dann sangen die größeren Schulkinder zum Muttertag; zum Schluss kamen koch einige Frühlingslieder, was sich wunderbar angehört hat. Nach langer Zeit gab es Milch. Jeder bekam 2 Bonbon[s]. Die Tage sind lang und man weiß nichts anzufangen. Die Gedanken eines jeden gehen immer nach der Heimat. An beiden Nachmittagen Rommé gespielt. Dann folgte auch Lotterie; die Geldstücke flogen nur so!– Als unser Geld alle war, musste Schluss gemacht werden. Am 2ten Feiertag gab es zu Mittag Milchsuppe, was eigentlich das beste Gericht ist. Diese Pfingsten werden uns auch in Erinnerung bleiben. Um 21.00 Uhr werden beim Hausmeister Nachrichten gehört; leider hört man so wenig erfreuliches. Die Maitage sing immer noch kalt. Es gibt Verpflegung auf zwei Tage, was sehr ungünstig für uns ist.

(31) Bis jetzt die ganzen Nachmittage Rommé gespielt, was die einzige Abwechslung ist. Es macht uns allen auch recht viel Spaß. Edith war die 3te Person dazu. 3 Kleider genäht. Am 30. Mai Impfung für Alle von 2-60 Jahre gegen Typhus. Dieses gut überstanden. Ein neuer Verpflegungsplan wurde angeschlagen. Pro Pers[on] 450 g Brot, 150 g Weißbrot, 45 g Wurst, 15 g Käse, ½ l Suppe, 50 g Fleisch. Bis dahin letzteres nicht gefunden. Am 4. 6. Pullover zu stricken angefangen. Es heißt, bis zum 15. Juli sollten alle Schulen in Kopenhagen frei sein. Kohlenmangel in Dänemark sehr groß. An diesem Tag auch kath. Gottesdienst. Die Tage sind immer kalt, jeden Tag kalter scharfer Wind. Sonntag den 10. Juni zu Mittag eine schöne Milchsuppe; die Milch war wie Sahne. Vera findet ihre Eltern und ihre ganzen Verwandten in Lager 96, worüber die Freude übergroß ist. Der Umzug[13] nach dort soll erfolgen, da hier für so viel[e] Leute kein Raum ist. Um 22.00 Uhr ist Bettruhe. Diesen Sonntag [ist] ev. Gottesdienst, wo auch 3 Taufen erfolgen.

Schellackplatte mit der Originalfassung der Lili Marleen (hier: Lili Marlen) vom 2. August 1939

(32) Am 11. Juni kamen 3 dänische Frauen, die eine christl[iche] Andacht hielten; sie sangen auch. Am Donnerstag den 15. 6. wieder kath. Andacht. Dieser Geistliche hielt eine rührende Ansprache. Am Montag, den 18. 6. einen zweiten Pullover angefangen, welcher aus altem Zeug hergestellt wird. Die 3 Impfungen sind durchgeführt. Jeden Samstagabend werden Lieder gesungen, meistens Heimatlieder. Vom 18. Juni [an] jeden Tag singen gegangen. Am23. 6. wird ein Wunschkonzert veranstaltet; die Zeit aber reicht nicht, um allen Wünschen gerecht zu werden. Am Sonntag musste auf vielseitigen Wunsch, desonders des Lagerleiters, wieder gesungen werden. Da wählten wir meist fröhliche Lieder, und es ist auch gut ausgefallen. Bei „Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei“[14] sang[en] alle(s) mit. Alswir den Gesang beendet hatten, war der Beifall groß; da wir noch eine Zugabe geben mussten; „Heimatland, du schönster aller Zier“[15] war dann das Schlusslied.[16] Dann ging es noch in das Erdgeschoss und in die untere Turnhalle, um auch die Kranken nicht zu benachteiligen.

(33) Diese ganze Woche schöner Sonnenschein, diesen auch ausgenutzt. Montag 25. 6. hat es sich gleich abgekühlt. Mittwoch den 28. 6. wird auf Wunsch der dänischen Wachposten gesungen. Ein besonderer Wunsch ist die „Loreley“. Als Ausklang [wurde] das Lied „Lili Marlen“ gewählt. Danach war großes Tanzen, welches bis 22.00 Uhr andauerte. Es ging sehr gut, bloß war 2 Tage Muskelkater, sodass man kaum noch Treppen steigen konnte. Zum Singen [haben wir] jetzt die neue Schulklasse 30 bezogen. Es werden Vorbereitungen für einen bunten Abend am 1. Juli getroffen. Die schönsten Lieder werden gesungen; zwei Volkstänze werden eingeführt. Kath. Gottesdienst [war] auch in dieser Woche gewesen; wir haben uns die Messe angesehen. [...][17] Gegen Abend [waren] die Posten sehr unruhig; sie gingen auf unserem Korridor auf und ab, luden[18] Gewehre. Es hieß, Kommunisten wollten hier eindringen; es fiel auch ein Schuss.

(34) Diese Tage regnet es wieder nach alter Tradition. Sonntag 1. Juli auch kein gutes Wetter. Nachmittag viel lange Weile. Abends um 18.00 Uhr stieg der bunte Nachmittag [sic]; die Stunden gingen schnell um. Als in der unteren Turnhalle und im Erdgeschoss gesungen war, gings ans Tanzen. Später verkleideten sich zwei junge Frauen als Kavaliere, was putzig aussah. Die eine machte ihre Sache besonders gut. Nun erschienen noch die beiden Lehrerinnen als Paar verkleidet. Frau Tedler [in] ein[em] schönen Abendkleid mit einer modernen Frisur sah wirklich elegant aus. Lieselotte A*** und Anny G*** holten auch noch ihre Abendkleider [her]vor und tanzten vergnügt, bis die Musik verstummte.[19] Am Montag Nachmittag kommt der Lagerleiter und sagt: Am 3. 7., also morgen, erwarten wir eine Kommission, welche Namen und Geldsummen erfassen[20] soll. Es war aber nicht so schlimm, [wie] wir uns gedacht hatten. Es waren 16 Herren gekommen, und Zimmerweise wurden Personalien aufgenommen und jeder bekam eine Karte (Schiffskarte). Wir mussten eigenhändig[21] unterschreiben und diese Karte gut aufbewahren.

(35) [Am] nächsten Tag ging diese Aufnahme weiter und wurde beendet. 7. Juli engl[ische] Revison; diese nimmt sämtl. dänisches Geld, teilweise auch deutsches, dann solten auch Fotoapparate und Ferngläser abgegeben werden. Zu diesem Zweck kamen 10 bewaffnete engl[ische] Soldaten. [Am] Nachmittag wird vom Lagerleiter deutsches Geld eingesammelt; jeder bekommt eine Quittung. Nachmittag[s] scheint endlich mal die Sonne. Die neue Grenze wird angeschlagen, welche für Polen bis an die Oder verläuft. Am Sonntag hat jeder auf die Kommission gelauert, die aber nicht eintraf. Nachmittag[s] wurde Rommé gespielt. Montag, 8. Juli kath. Gottesdienst. Zu Mittag kam zu aller Überraschung die Entlausung. Jeder bekam die Nummer 28 auf den Arm. Wir wurden gerade zu Abend mit der gründl[ichen] Reinigung fertig. Abend[s] gibt es kein Brot; es gibt nur noch mal so viel Kartoffeln. Die Bäcker streiken. Am Dienstag kommen 3 Kisten Schiffszwieback und 2 Säcke Brocken [Brot], welche steinhart waren.

(36) Am Mittwoch, den 11. 7. wird es noch schlechter, denn es kommt nur 1 Kiste Keks u[nd] ein Sack Brocken. So bekommt jede Pers[on] nur 2 Kekse. Am 12. 7. soll ein russ. Generalkommandant erscheinen, welcher das Lager besichtigen soll. Alles wird gründlich gereinigt und alles wartet auf die Dinge, die da kommen sollen. Herr Steiner kommt aus Lager 54 auf unser Zimmer [da]zu. Es gibt auch Streit. Am 13. 7. Vormittag kommt Vera nach Lager 96, Nachmittag auch Fr. Elmer nach Jütland. Abends 20.00 Uhr bunter Abend. Alles ist begeistert. Hilusch machte ihre Judischken[22] ausgezeichnet; Erna brachte ihren Flohzirkus und es wurde ein Erfolg. Beides musste nun 2 [mal] vorkommen. Die Wachposten spendierten dann für die Spielschar einen Rosenstrauß, welcher gerecht[23] verteilt wurde. Der Lagerleiter bedankte sich im Namen aller und sagte, wir sollten recht bald wiederkommen. Sonnabend 13. Juli kommt keine Butter; Brot gab es auch (noch) keines. Vom 15. Juli von Vera einen Brief erhalten. Am 17. [Juli] auf Zimmer 7 geschlafen; nun gibt es wieder Sticheleien.

(37) [An] diesem Tag früh kommen engl. Soldaten. Wir mussten alle auf den Hof hinaus; Frauen kamen auf die rechte Seite, und Männer auf die Linke. Die Soldaten gingen alle Zimmer durch, durchsuchten alle Sachen und nahmen einiges mit. Als dieses beendet war, mussten wir uns aufstellen und wir wurden dann hereingelassen, wobei uns jegliches Geld abgenommen wurde. Es gibt nun 3 Kekse, aber weniger Kartoffeln. Am 18. 7. früh Impfung gegen Diphterie. Sonntag 22. 7. kath. Gottesdienst, dabei ein schweres Gewitter. Nach dem auf Zimmer 7 Karten gespielt. Christel spricht nicht; sie weiß selbst nicht warum! Abends um 20.00 Uhr großer Singaband; alle waren als Matrosen bzw [als] Mädchen gekleidet. Es wurde 20 Seemannslieder gesungen. Danach ging das Tanzen noch mal so gut. Ruthild als [Tanz-]partnerin, und es ging fabelhaft. Kein[en] Tanz ausgelassen. Jeden Tag windiges Wetter. Nun hört die Ansteherei auf, es wird alles zimmerweise verteilt.

(38) Auf Zimmer 7 auch Streit mit Frau Bieleit; es geht um die Gerechtigkeit. Am 24. 7, zieht Frau Eibe (her)aus; [zunächst] eine Freude am nächsten Tag, aber [es wurde] ein trauriger Tag. Zimmer 7 soll aufgelöst werden. [Am] nächsten Tag heißt es, unser Lager kommt fort. Freitag 27. Juli Karten legen lassen; das Ergebnis war befriedigend. Sonnabend abend Nachts Schattengestalt aus Zimmer 8 in Frau Bieleits Bett, da nun Rundgang in der Halle. Sonntag 29. 7. 17.00 Uhr bunter Abend. Am 2. Aug[ust] zieht Zimmer 7 aus, Gimbetts auf Stube 21, der Rest auf Stube 6. [Zimmer] 7 wird Krankenzimmer. Das eintönige Leben geht weiter. Am 4. Aug[ust] beginnt ein russ[ischer] Unterricht bei Werner. Sonntag Nachmittag ev. Gottesdienst. [Am] 6. 8. gibt es Knäckebrot, 15 Scheiben.[24] Am 8. Aug[ust] großer Streik; es gibt nichts. Abends brachte kein Rotes-Kreuz-Auto Magermilch [und] Gerstenflocken, wovon wir uns eine Suppe gekocht haben. Der Ausgang zu Vera [ist] ins Wasser gefallen, die große [Vor]freude umsonst. Herr Martin [war] schuld an allem. Am 3. 8. ist es genau so; Abend[s] bringt ein Auto [die] doppelte Menge Butter [und] Knäckebrot; dafür gibt es keine Milch.

Kissing the War Goodbye von Victor Jorgensen, Times Square, 14. August 1945

(39) [Es] heißt, unser Lager wird aufgelöst, und wir kommen nach Lager 71, wo wir in Turnhallen hausen sollen. An Vera Brief abgeschickt. Es gibt immer nur Gerstenflocken, 2 [mal] am Tage. Wir kochen im Lager selbst und es schmeckt viel besser, weil alles sauber zubereitet ist. [am] Sonntag, 12. 8. wieder bunter, ein sozusagner [sic] Abschiedsabend. Am Montag 13. 8. gibt es Salzkarrtoffeln und Soße, was uns vorzüglich geschmeckt hat. Am Mittwoch 15. Aug[ust, am] Tag des Weltfriedens werden die Freiheitskämpfer von [der] Polizei abgelöst. Jetzt muss um 21.00 Uhr alles auf den Zimmern sein. [...] Am Abend gibt es dann noch von dem restlichen Gemüse und Kartoffeln ein Abendbrot. Man sieht wieder ein Leuchten am Himmel; Leuchtraketen fliegen hoch, Schüsse krachen, und so ging es bis in die tiefe Nacht hinein. Am Dienstag gibt es früh kein Knäckebrot, und so heißt es durchhalten bis Mittag.

Im Lager in Kopenhagen (August bis November 1945)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(40) Am Sonnabend , den 18. Au[ust] Auszug aus Lager 81 nach Lager 82. Der erste Schub kam nach Lager 71; [dies] waren die [Flüchtlinge aus den] 2 Turnhallen und [dem] Erdgeschoss. Die Kranken und Gepäck[stück]e werden mit dem Auto befordert. Wir mussten uns zu einem Trupp zusammenstellen und wanderten dann unter der Führung einiger Posten und eines Offizier[s] los. Es war ein schöner Fußmarsch, [doch] die Beine fingen uns an zu schmerzen. Zuschauer stellten sich an jeder Straßenecke ein. Sehr enttäuscht kamen wir da an, denn das Gebäude sah miserabel aus; unseres war dagegen ein Erholungsheim. Dann bekamen wir keine Unterkünfte. Wir zogen dann in den Verpflegungsraum, was für uns ein Unglück war. Die Meschen da waren kaum anschauungswürdig; ein Bleiben [dort] war unmöglich, denn das Essen schmeckt uns nicht (mehr). Machtruhe kannte man da auch keine, und die Luft war unerträglich. Der Sonntag verlief ohne Veränderung, aber der Montag war ein gräßlicher Tag. Wir sollten (her)ausziehen, aber wohin?

(41) In dem Durcheinander sollte alles wieder rückgängig gemacht werden; darauf gingen wir natürlich nicht ein. In der Turnhalle war kein Platz mehr vorhanden. Großer Krach mit dem dän. Lagerleiter; wir ließen aber nicht locker.[25] Nun wurde uns Zimmer 33 angewiesen, wo wir gleich [hin]aufzogen, wenn es auch 3 Treppen waren. Die Leute darin waren auch alle aus unserem Lager aus Zimmer 11 & 25. Hier war alles hell und freundlich, und wir fühlten uns dort sehr wohl. Das Treppen seteigen fiel uns anfangs sehr schwer, aber wir schliefen dafür nachts auch umso besser. Am 24. Aug[ust] geht Leni mit Frau Schnur in Lager 84 und Lager 11! Leni hat ihre Nichte gefunden, und [ich] hab[e] sie nun mit einem Besuch überrascht. Das Wetter ungünstig; es regnet und [es] ist immer kalt. Auf Zimmer 22 oft Rommé gespielt, mit 2 Spielern macht es mehr Laune. Wäsche wird gekocht; an Vera und Ruthild einen Brief geschrieben. Die Tage vergehen ohne Rreignisse. Am 28. 8. kamen die Rosenberger fort. Am Abend eine Mandelentzündung.

(42) 2 Tage zu Bett gelegen und fort war’s. [Für] Sonnabend [ist] mit Leni Ausgang vorgesehen; [da] kommt nach alter Tradition wieder Krankheit. Dieses Mal wurde es aber schlimmer[26]; das Fieber stieg bis auf 40°C. Der Arzt konnte nichts feststellen. [Am] nächsten Tag geht es schon besser. Nach 2 Tagen wieder aufgestanden. 5 [Pfund] abgenommen; der Appetit kommt langsam wieder. Eine Frau wird [für] eine Nacht in den Keller gesperrt; sie hat die Ausgangsregel überschritten. Fürs Rote Kreuz Karteikarten gedruckt. Ein ander[es] Mal [habe ich] die ganze Königsberger Liste drucken müssen. Am Montag, den 17. Sept[ember] [hat der] engl[ische] Unterricht begonnen. Aus unserem Zimmer gehen wir mit 5 Mann hoch, Elli, Grete, Ena und Sonja. Elli macht nach der 3ten Srunde Schluss; es macht ihr keinen Spaß mehr! Die Mittagssuppen sind regelrecht versalzen; man kann sie nicht mehr mit Appetit essen. Die Milchsuppe schmeckt nun überhaupt nicht mehr, so gern wie wir sie früher gegessen haben. Brief von den Rosenbergern erhalten. Viel lange Weile; die Sonne fehlt uns.

(43) Herr Wiske hält Vorträge über das Thema „Meine Heimat Ostpreußen. kurische Nehrung und Wunder Meer“. Wir kochen viel Brotsuppe.– Streit auf dem Zimmer; es kam von Frau Wachter und Frau Linn. Sonst bleibt es meistens bei guter Stimmung. Mit Leni Abensspaziergänge gemacht; die Luft war warm und es war sehr schön. Wir erzählten uns von der schönen verflossenen Zeit. Große Haus- und Zimmerreingungen; alle beteiligen sich daran. Unterhaltung mit Monika; hinterher gr[oßes] Hallo, alles rennt zum Klo, Ursel rennt jeden Augenblick und schmeißt die Türe. Am Donnerstag 20. 9. trübes Wetter [...] aber sonst nicht kalt. Am 21. 9. auf Zimmer 22 Halma gespielt. als gerade Lenis Nichte Irmgard durch die Tür kam. Die Freude war groß; gleichzeitig waren alle erstaunt. Briefe dürfen nur 25 Worte enthalten und müssen auf bleiben. Nun ist wieder ein [...] Wechsel von einem Lager zu einem anderen Lager (wieder) ins Wasser gefallen. Es ist meist schon kalt, richtig herbstlich. Sonja legt uns Karten; sind auch nicht schlecht ausgefallen.

Der dänische König Christian X. (Aufnahme von 1910)

(44) [Am] Sonntag 23. 9. kaltes Wetter. Wir spielen [am] Vormittag Rommé, [am] Nachmittag Besuch in der Turnhalle. Es wurden Kartoffel[n] gebraten, gespeist und dann in den Keller zum Tanz gegangen. Um 22,00 Uhr bereits im Bett. Die Nacht fabelhaft geschlafen. Montag den 24. ist das Wetter schön, aber man merkt schon da [den] Herbst. In Englisch lernen wir Wochentage Wochentage und christliche Feiertagekennen; es folgten noch Lesestücke und ei[nig]e Fragen, die in Engl[isch] beantwortet werden mussten. Donnerstag 25. 9. neuerdings Fleischtag. Es gibt Salz und Zucker. In der Sonne gesessen; der Wind ist aber schon kalt. Mittwoch 26. 9. Königs Geburtstag; großer Feiertag in Dänemark. Mittag[essen] gab es schon um 11.00 Uhr. Abends Tanz, aber das Schlafen gehen wird doch vorgeszogen. [am] 27. 9. regnet ea; wir frieren schon auf den Zimmern, spielen dabei Karten. Im Traum in Gusken, auch in Eichensee, aber nur Tante gesehen. [Am] 28. 9., [ein] Fr[eitag], zeigt sich gutes Wetter; Im Traum wieder mit Papa zusammen und auch zu Hause. Um 10.00 Uhr kath. Andacht. Nachmittag engl. Unterricht; es macht uns Spaß.

(45) Alle Leute aus Westfalen, Rheinland, Norddeutschland und Schleswig-Holstein sollen[27] sich beim Lagerleiter melden; sie sollen so schnell wie möglich nach Deutschland befördert werden. Aus unserem Zimmer [sind] es nur Erna und Sonja. Herr Seegatz leiht Bücher zum Lesen. Sonntag wird im Keller Theater aufgeführt;[28] die Kinder spielen Schneewittchen. Die größeren Mädels tragen „die verlorene Edeltraud“ vor, „Schwan, kleb an“ und noch einige kleine Stücke (vor). Am 9. Okt[ober] wird schon geheizt, und so [sehr], dass wir den ganzen Tag Fenster aufhalten müssen, anders können wir’s nicht aushalten. Mittwoch 10. 10. genau wie jeder andere Tag, bloss haben wir unser Weißbrot gleich zur Feier des Tages aufgegessen. Am 12. 10. kommt von Vera ein Brief; ihr Lager soll geräumt werden, aber es ist noch unbestimmt. Veras Mutter liegt im Krankenhaus. Für Frau Michalziks Sohn einen Westover gestrickt. Gleich kam ein neuer Auftrag; es wird gleich ein Pullover für Herrn Assmann angefangen. Es strickt sich aber gut.

(46) Freitag den 19. Okt[ober] gibt es keine grüne Suppe, sondern es kommt eine dunkel gebund[e]ne Wruckensuppe; viele haben auch eine lange Nase gemacht.[29] Leni mit Frau Schmeer in Lager 9 gewesen; Veras Freude war groß. Fürchterliche Zustände [herrschen] da. Die große Halle ist nicht geheizt, und dazu noch Zementboden. Wegen Feuergefahr[30] mussten alle Lager [an] den Türen geräumt werden. Wir bekommen [nun] einen besseren Platz im Zimmer; das Schlafen ist nun auch besser. [Auch] Tante hat einen neuen Platz eingenommen. Sonntag beginnen Zahnschmerzen, welche nun endgültig zu einem Gang zum Zahnarzt veranlassen. [Für] Sonnabend den 27. 10. Passierschein[31] erhalten; [habe] Sonja als [meine] Schwester auf den Schein (auf)schreiben lassen. Die Wurzel wurde bezogen und hinterher kamen dann fürchterliche Schmerzen. Die Hälfte davon ist aber drin geblieben. Am 26. Okt[ober] 45 das erste gute Essen in Kopenhagen. Es gab Gulasch und dann gab es noch einen Schlag nach. Jedenfalls konnten wir auch am Abend auf unser Brot verzichten. Es regnet, das Laub fällt von den Bäumen, der Herbst zieht ein.

(47) Am 27. 10. ziehen[32] wir mit 5 Mann hoch (aus). (Als) dort angekommen, No. 11 erhalten, aber es geht alles Durcheinander, um 12.00 Uhr aber fertig. Dann noch einen Spaziergang zum Roten Kreuz, dort aber zu spät angelangt. Sonntag, der 28. Okt[ober], gerade ein Jahr [her], [als] wir unser Eichensee verlassen mussten. Man spricht vom Fortkommen in Baracken hinter Kopenhagen. Fast jeden Tag gebuttert; es ist wirklich ergiebig. Rezept für Käse erfunden. Alles spart für die Reise. Etliche Familien haben schon 21 Stücke Butter gespart, andere weniger, bloss wir sind nicht davon gekommen. Am Sonntag gibt es neuerdings keine Milchsuppe mehr, sondern Gemüsesuppe mit Fleisch; wir freuen uns alle sehr darüber. Am Sonntag darauf gibt es Gulasch; es ist aber nicht mehr so schön wir zuerst; es ist jetzt zu kleistrig [sic]. Wir lassen es uns aber gut schmecken. Wir kriegen Seife und auch jeder ein Gläschen, welches für Butter oder auch für Zahnpulver bestimmt ist. Es gibt auch Zahnpulver, welches einen guten Geruch gibt. Es gibt massig davon.

Flüchtlingslager Oksbøl

(48) Am 24. Nov[ember] große Aufregung. Weichler bestellt:[33] Bereithaltung. Von Hans[34] einen schönen Traum. Am Abend geisterstunde; es werden [auch] Teller gedreht. Es kommt so manches raus, aber man kann ja nicht alles glauben. 26. [November:] Papa soll in Jütland (im Flüchtlingslager Oksbøl) sein, was ja auch unglaublich ist. Wir lernen Steno. Aber es geht schlecht vorwärts, denn es fehlen Bücher. Am 28. Nov[ember] heißt [es], die Schule wird restlos geräumt, und das ganze Lager fährt geschlossen nach Jütland. Es soll nach Aalborg gehen, und wir freuen uns riesig darauf. Aber als der Tag des Abtransportes kam, wurde früh noch im Dunkeln aufgestanden und das Stroh Herausgetragen. Aber es kamen nur 6 Autos und es kamen nur die fort, die Angehörige im Krankenhaus hatten. Wir blieben dann noch 2 Tage und mussten die Nächte auf [dem] kahlen Fußboden schlafen, es war kalt und alle Knochen taten des Morgens weh. Am nächsten Tag kamen wir auch noch nicht fort.

Im Lager 73 bei Hellerup (30. November 1945 bis 22. Februar 1946)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(49) So gingen wir noch in aller Seelenruhe Kartoffel[n] braten. Plötzlich heißt es, beim nächsten Schub sind wir dran; so ging alles drunter und drüber; nun sollte die ganze Nacht hindurch gefahren werden. So war es dann auch. In [einer] halben Stunde kommen wir dann auch fort. Es war dunkel und wir sausten die Straßen dahin. Dann wurde [auf] einem Platz halt gemacht und wir traten in das burgartige Gebäude ein. In der Halle, in welcher wir nun warten mussten, bot sich ein schöner Anblick; mit großen Spiegeln und Kronleuchtern war diese versehen. Dies(es war keine Schule, sondern ein Sportgebäude. Wir stiegen dann die Treppen hoch und kamen in das Wohngemach. Hier oben war auch eine Halle, wo nahezu 400 Personen [untergebracht waren]. Für alle Leute waren Bettstellen vorhanden; das war das einzig(e) Gute. Die Verpflegung ist miserabel.

(50) Die Pellkartoffeln werden nicht geliefert; dieses vermissen wir sehr. Zu Mittag gibt es nur eine Grütze. Nur [am] Donnerstag gibt es Erbsen, das ist das einzige gute Essen Wir hatten da doch dagegen goldenes Essen.[35] Die Kartoffel[n] sind kaum geschält, und es sieht sehr unappetitlich aus. Dann ist es sehr kalt, wir frieren viel. Wir sind sehr unglücklich, dass wir hier gelandet sind. Nachts frieren wir genau so; man freut sich gar nicht auf die Nacht. Wir lernen [engl[isch] und Tanz weiter; hier ist man in engl. noch nicht so weit; wir finden uns bald hier (he)rein. Am Abend schreiben wir engl. Diktate mit Fr. Kuren. Jeden 2. Tag eine Stunde Wache stehen am Abwaschbecken. [Das] Mittag[essen] kommt manchmal erst um 15.00 Uhr. Licht ist nzr bis 21.00 Uhr. Es heißt, in diesem Lager sollen wir bis Februar bleiben. Das ist noch eine Hoffnung. Der dänische Lagerleiter ist sehr schlecht gegen die Menschen. Er setzt sich wenig für das Lager ein.

(51) Am 10. Dez[ember] erster Schnee. Am 13. 12. gehenn wir aus; der Schnee ist auch schon fortgetaut; es ist sehr nass und [es] geht sich schlecht. Immer dem Wasser entlang gegangen. In Lager 94 großes Packen; das Lager wird aufgelöst. Pünktlich [um] 15.00 Uhr wie vorgeschrieben treffen wir im Lager ein. Das Essen wird immer grässlicher; es ist einfach nicht mehr zu essen. Engl[isch] geht mit dem selben Tempo weiter; die Weihnachtsbastelei geht mit einem großen Eifer vor sich. Wir machen Teller und bemalen diese farbig; dann werden auch Weihnachts- und Neujahrskarten gemalt. Eins nach dem anderen wird angefertigt. Am 22. 12. in Strandbolewarden beim Zahnarzt gewesen; ein Zahn wird behandelt.[36] Wir haben noch viel Zeit und bummeln dann in der Stadt herum. Wir besorgen uns Tannenzweige,[37] welche uns ein netter Däne schenkte. Nun haben wir auch was für unsere Vase.

(52) Es soll selbst gekocht werden, und am 23. 12. wird schon eine Milchsuppe zubereitet, welche (aber) ausgezeichnet schmeckt. Es ist alles so schön sauber und appetitlich. Wir kriegen doppelte Butterration, Weißbrot, Zuker und Mehl. Abends kriegen wir Fisch mit Senfsoße und Salzkartoffeln. Es schmeckt gut. Wir bekamen auch noch jeder einen halben Liter Magermilch; so kochten wir uns mit dem Mehl eine Milchsuppe. An Heiligabend wird der Weihnachtsbaum geschmückt, und dieser sieht auch mit vielfach selbstgebasteltem Schmuck sehr gut aus. Bloß die Freude fehlt; es ist alles so traurig. Zu Mittag gibt es Sauerkraut[38] und Pellkartoffeln. Aber es wird sehr spät; erst um 16.00 Uhr essen wir. Wir wünschen [uns], dass das Fest bald vorbei ist, denn man erlebt[39] nirgendwo eine gute Stimmung.

(53) Am Abend wird das Krippenspiel aufgeführt[28] und der Chor singt; es hört sich wunderbar an. Man sieht ab und zu Tränen rollen; jeder hat ein schwermütiges Herz. Am ersten Feiertag gibt es Gulasch zu Mittag; hat gut geschmeckt. Abends wird Theater gespielt, Hänsel und Gretel, und noch eine Familienszene wird aufgeführt;[28] dann folgen noch Gedichte. Am Zweiten Feiertag gibt es Erbsen! So sind die Feiertage schnell verlaufen, was ja unser Wunsch war. Waltraud schreibt aus Lager 4; sie sind in einer Sporthalle [untergebracht] und schreiben [ansonsten] auch nichts besonderes. Sylvester war sehr schön; viele haben sich verkleidetund machten einen Gang durch die Säle. Dann wurde feste getanzt.

(54) Um 12.00 Uhr war ein Hallo; es wurde wieder ein Umzug durch die Wohngemächer gemacht und miot lautem Tam-Tam alles, was schlief, wach gemacht. Draußen kam ein Leuchtfeuer nach dem andern; wir schauten durchs offne Fenster; es war wunderschon, zuzuschauen. Bis zwei [Uhr] ging das Tanzen. Nun wurden durch den Lautsprecher, der ja nun dauernd in Betrieb war, Glückwünsche vorgelesen. Es war sehr schön und auch sehr ulkig. Als wir schon im Bett lagen, ging das Leuchten trotzdem weiter, bis wir eingeschlafen waren. Neujahr verlief auch ohne besondere Ereignisse. Zu Mittag gab es Gulasch, aber ohne Kartoffel[n]; wir mussten Brot dazu essen; es hat uns nicht geschmeckt.

Kirche von Hellerup

(55) Wir dürfen Verwandte suchen; jede Person darf einen Verwandten suchen. Nach 3 Tagen kommen diese ohne Erfolg zurück. Am 9. Januar, meinem Geburtstag, ja wie jeder andere Tag, nach Onkel Ludwig, Gildchen Lasarzewski und Gerda Bahlo besucht. Am Nachmittag bringt Frl. Karp von Vera einen Geburtstagsbrief mit, gleichzeitig auch eine selbstgebastelte Briefmapps, welche sehr nett aussah. Die Freude war sehr groß darüber. [Am] 14. Januar hat Hans Nikutowski[40] Geburtstag; am 17. 1. mit Mama zum Krankenhaus Hellerup. Es ist eine gute Stunde Fußmarsch. Unterwegs noch einen netten Dänen getroffen, welcher ein ehemaliger Deutscher war; wir bekamen 5 Kronen geschenkt. Wir freuten uns auch sehr derüber. Mama bleibt im Krankenhaus und ich gehe [allein] zurück.

(56) Am nächsten Tag kriege ich wieder Ausgang zum Zahnarzt; dortauch Treffen mit Vera, und wir gehen dann gemeinsam nach Hellerup. Dort angekommen, heißt es, Mama [sei] schon operiert und [ich] durfte sie nicht sprechen, bloß sehen. Mittwoch darauf kriege ich wieder Ausgang, aber Mama liegt immer noch auf Stube 6. Die Schwester ist aber sehr nett und lässt mich einige Minuten hinein. [Am] nächsten Tag wieder Ausgang zum Zahnarzt, danach wieder nach Hellerup. Mama liegt nun auf Zimmer 5 und dort sind auch Besuche gestattet. So gehe ich erst gegen Abend wieder zurück. Woche darauf wieder Ausgang zum Zahnarzt mit Leni, danach [sind wir] beide nach Hellerup hinausgefahren. Dort kommen wir zu Mittag zu Mass [?]; es gibt gerade dicke Nudel[n], bloß ein wenig Kohl ist drin, und das ist störend. Sonst hat es gut geschmeckt.

(57) Am Spätnachmittag gehen wir zurück; wir kaufen noch dies und das ein. Als wir [im Lager] ankommen, ist da großes Impfen gegen Tuberkulose; es ist bloß ein Ausprobieren, ob die Menschen Abwahrstoffe[41] gegen T, B. haben oder nicht. Bei den meisten ist es sehr geschwollen, aber bei mir gar nichts. Also fehlten mir Abwehrstoffe.[41] So ging es an die zweite Impfung; aber daraus wurde auch nichts. So ging es an die Schutzimpfung; das war aber [ein] paar Monate zu sehen und tat auch weh. Leni findet ihre Nichte auf [der] Insel Fyu;[42] die Freude war groß. Am 7, Februar 1946 heißt es: Stadion wird aufgelöst und das Lager kommt nach Jütland. Wir waren nun traurig, weil wir nicht mitkonnten. Nächsten Tag gleich zu Mama gegangen; diese war aber noch nicht so weit [wieder]hergestellt. So sollten wir in Koipenhagen bleiben. Als ich [zum] Stadion zurückkam, hieß es, das Schiff ist kaputt.

(58) Wir waren sehr erfreut darüber, wenn es sich noch einige Wochen hinziehen sollte. Danziger können nach Danzig schreiben. Tante geht [am] Sonntag mit einer Bekannten ins Krankenhaus. [Für] Sonntag, den 17. 2. kriege ich einen Schein, um Mama zu holen, aber sie war schon um 10.00 Uhr gekommen; so war mein Ausgang ins Wasser gefallen. Diesen Tag großer bunter Abend, welcher von den Künstlern aus unserem Lwger veranstaltet [wird]. Es ist sehr schön. [Am] Donnerstag 14. 2. großer Maskenball; wir haben getanzt, bis wir nicht mehr konnten; eine prima Kapelle war vorhanden. Montag, den 18. 2.: danach Kopfschmerzen, Schnupfen, Husten. Und es hört nicht auf. Am 21. 2. fährt Tante und Heinz mit dem Arbeitstrupp vor und richten sich dort auch ein.

Im Flüchtlingslager Kastrup Fort südlich von Kopenhagen (22. Februar 1946 bis 17. April 1947)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[Anm: EB befand sich mit ihrer Mutter und Großmutter im Flüchtlingslager Kastrup Fort auf dem Gelände des heutigen Internationalen Flughafen Kopenhagen (Amager Strandvey 240). Es bestand von August 1945 bis zum 1. Januar 1947.[43] Möglich ist auch, dass sie sich im Flygtningelejren Rye Flyveplads (Flüchtlingslager Rye (Flugplatz)) befand.]

Luftbild des Lagers Klövermarken

(59) Ich gehe noch nach St. Annaplatz zum Zahnarzt, aber ich bin nicht [d]rangekommen. Nur Treffen mit Frau Gimbott und Ekkehard. Frau Gimbott ist in Kløvermarken und (sie) hat sich erholt. Am [Freitag] 22. 2. fahren wir aus Lager 73 ab. Dort sah es schlimm aus. In rasender Autofahrt ging es über Land bis nach dem Fliegerhorst. Wir kamen nach Baracke 3 auf Stube 3. Tante hat da schon eingeheizt und es ist zu warm da. Wir richteten uns gleich (da) ein und (wir) fanden es gemütlich. Am Sonnabend, den 23. 2. großes Schneetreiben. Am Nachmittag verstärkt sich der Sturm und [beim] Dunkel[werden] wird es so heftig, dass von unserer Baracke das ganze Dach mitfliegt. Aber gleich sind [...] Männer dabei und nageln alles fest. Wir dachten (bestimmt) schon, wir fliegen im nächsten Augenblick mit.

(60) Es war eine große Aufregung!– Gegen Abend legte sich der Sturm [...] und wir konnten uns ganz beruhigt zu Bett legen. Am Sonntag den 24. 2, schneit es wieder, aber der Sturm hat nachgelasssen. Leni und Frau Seegatz besucht. Leni ist in Baracke 1, Frau Seegatz [in] Baracke 2. [Am] Montag den 25. 2, ist mehr Schnee gekommen, aber es ist schönes Wetter, und die Sonne scheint schön. 2 Briefe geschrieben, an Vera und Waltraud. Am Dienstg 26. 2. schönes sonniges Wetter; wir halten uns [am] Nachmittag in der Sonne auf, Wir kochen auf unserm Ofen Suppe; es ging ganz gut. Zu Mittag gibt es eine dünne Karottensuppe! Mit der Lagerleitung ist man uneinig; es soll eine Wahl stattfinden. Am 2. März [bin ich ein] bisschen krank; im Zimmer ist es kalt; der starke Wind liegt auf unserm Fenster. Am 3.  März schlägt das Wetter um; es regnet ein bisschen.

(61) Wir scheuern unsere Möbel! Zu Mittag gibt es Sauerkohl und Pellkartoffeln. Zu[m] Abendbrot braten wir uns die Kartoffeln und es hat uns gut gemundet. [Am] Sonntag 3. 3. mussten wir mit 4 Mann den großen Saal heizen. Von 10.00 Uhr bis 16.00 Uhr. Das Ende vom Lied war dann, dass die Künstler am Abend nicht ankamen, so war alles umsonst. Dann wurde nur bis 10.00 Uhr getanzt. Montag 4. 3. Holz klein gehackt. Am Mittwoch den 6. März frühmorgens um 7,00 Uhr Kartoffel[n] geschält. Gerade beim Mittagessen kommen Briefe von Vera und Erna an. Donnerstag 7. März Brigitte Beckers Geburtstag, dolles stürm[isches] Wetter. Das Nebelhorn ist ständig in Bewegung. Auch ein Traum von Brigitte. Man spricht davon, dass unser Lager nach Kløvermarken (hin)kommen soll; in diese Baracken soll [dann] dänisches Militär.

(62) 11. 3. Heinzens Geburtstag verläuft wie jeder andere Tag; bloß, wir müssen alle, groß und klein, in den großen Saal. Es wird eine Haussuchung unternommen, da Handwerkzeug gestohlen wurde. Als aber alle Baracken durchsucht waren und doch nichts gefunden war, durften wir in unsere Quartiere zurück. [am] Nachmittag Suchkarten für Soldaten abgeschickt; wir drücken die Daumen,[44] dass es nicht schief geht. Den 12. März schneit es ein wenig, kein angenehmes Wetter. Donnerstag den 14. März fürchterliches Wetter; der starke Sturm liegt auf unserem Fenster; im Zimmer ist es wie im Eiskeller. Das Fenster ist voller Eisblumen. Alles verkriecht sich unter die Decken. Sonnabend den 16. März zeigt sich gleich früh das schönste Wetter. Von dem nahen Flugplatz steigen die Flugzeuge auf; dies(es) erinnert uns sehr an das letzte Jahr, [als] die russ[ischen] Flugzeuge ankamen. Wir kochen uns jeden Nachmittag Kaffee, vom gerösteten Brot. Es schmeckt uns ganz gut.

(63) Sonntag den 17. März wieder sehr schönes Wetter, die Sonne scheint. Um ½10 Uhr Gottesdienst. Wir haben uns Holz besorgt (geklaut), so einen Abend bis 9.00 Uhr gesägt. Wir waren alle k. o., sogar unsere Männeer machten schlapp,[45] sie konnten nur eine große Klappe riskieren[46] [Die] Polizei wird von dänischen Soldaten abgelöst. Diese marschieren mit aufgepflanztem Gewehr[47] auf und ab, als seien wir die größten Verbrecher. 18. März Abends Kino – es war ganz schön, bloß ein bisschen zu kurz. Danach war eine Besprechung – es ging [mal] wieder um die Damenwelt. [Das] Fraternisierverbot soll strengstens befolgt werden. 19. März trüber Tag. Abends zum Engl[isch-] und Stenounterricht gewesen. Am 22. 3. große Aufregung im Lager; Fr. Zink und Frl. Herta von der Verpflegung kommen nach Kløvermarken. Es sollen einige Pfund Butter um die Ecke gekommen sein. Abends Versammlung, der Saal ist dicht voll; dies(es) ist [der Fall], wenn es sich um die Magenfrage dreht. Es werden 2 neue Frauen für die Verpflegung gewählt.

(64) Am 23. 3. Abends ist wieder Versammlung; es kommt ein Redner, der über das Thema „Was ist Demokratie?“ spricht. Wir lernen. Russ. Brief[48] von Waltraud erhalten. Am 24. März Nachmittag[s] kommt ein Redner von der Flüchtlingsverwaltung, ein Deutscher. Dieser spricht uns Mut zu.[49] Wir waren dann auch alle guten Mutes und jeder sprach nur vom nach Hause fahren. Am 26. März bekommen wir wieder unsere Zeitung (Deutsche Nachrichten); wie lesen darin von der Ansiedlung der Ostflüchtlinge in Hannover! Nun lässt wieder jeder den Kopf hängen. Wir haben nun oft schöne Tage und lassen uns auch von der Sonne bescheinen. Dann machen wir auch viel[e] Spaziergänge. Leni und Irmchen melden sich nach Aalborg; dort ist Lenis Schwester. Am 31. März steigt der lange erwartete bunte Abend; aber es wurde gar nicht so schön, wie wir es uns gedacht hatten. Bloß am Ende wurde es etwas gemütlicher. Am Montag den 1. April kommen wieder die Künstler: Karl Heinz Neander[50] und Franz List.

Straße in Dragør

(65) Da sie nicht zur nicht zur vorgesehenen[51] Zeit kamen, dachten wir, es wäre ein Aprilscherz, aber es war doch was geworden. Am 2. April kommen 300 neue Flüchtlinge [hin]zu, alle unbekannte Leute. [Am] 5. 4. [erhalte ich] Ausgang zum Zahnarzt nach Dragør. Danach gingen wir an die See spazieren. Es war herrliches Wetter und wir genossen die augenblickliche Freiheit. Dann bogen wir in einen wunderbaren Weg an Sommervillen vorbei und bewunderten dieses und jenes; plötzlich sahen wir vor uns Ryoepabeyren [?] und waren ganz erstaunt darüber, schon dort gelandet zu sein! Es war ein wirklich schöner Tag. Am 6. 4. kommt (es) raus, dass wir nach Deutschland schreiben dürfen. 5 Briefe gehen von uns ab und wir sind gespannt, ob wenigstens einer Erfolg haben wird. Nach einigen Tagen erfahren wir, dass die Klein Lasker [Verwandtschaft] in Oksbøl sein soll(en), nur wissen wir nicht, ob es Tante [Marie] ist, oder Elfriede mit Klein Marlies.

(66) Wir haben sofort an die Oksbøler Lagerleitung geschrieben, und wir warten [nun] sehnsüchtig auf eine Nachricht. Noch einen Brief an Pol***owski geschrieben und nach Eichensee. Am 16. 4. kommt noch ein Ohrleiden hinzu. Zu Ostern Großreinemachen; an Heiligabend 20. April werden Listen von Deutschland vorgelesen; kein Bekannter [dabei]. Am 1. Feiertag 21. 4. von 9.00 bis 11.30 Karotten geputzt; Günter Becker spielte dabei Akkordeon; so verging ziemlich schnell [die Zeit]. Abends stieg das der bunte Abend, „das bunte Ostern“. Der Raum war zu voll; man konnte kaum Luft kriegen. Es dauerte fast 4 Stunden. Nächsten Morgen um 5.00 Uhr mussten wir wieder Kartoffel[n] schälen und wieder(um) Karotten putzen. Aber um 7.00 Uhr waren wir schon zurück. Das Wetter ist kalt. Erst [am] Feiertag gibt es zu Mittag Senfsoße und Salzkatroffeln. Am Abend ist schon ab 18.00 Uhr Tanz. Wir begeben uns um 20.00 Uhr auf den Tanzboden. Es war aber kein Tanzen, nur ein Geschubse. Wir waren froh, dass um ½22.00 Uhr wieder Schluss war und wir uns zu Bett begeben konnten.

(67) Es konnten bestimmt bessere Feiertage sein! Wir waren nur froh, dass die Feiertage [r]um waren und gleich haben wir Wäscheklammern fabriziert. Das wetter ist immer kalt; die Winde sind eisig. Wir warten sehnsüchtig auf Post, aber es trifft nichts ein. Viel Post kommt schon von Deutschland, aber wir warten auch auf Post von Oksbøl. Fische kommen an, auf dieses Gericht freuen wir uns sehr, diesselben sollen geräuchert werden: Wir lasen feste Bücher, so haben wir auch wenig Langeweile. Am 24 4. regent es! Es ist aber ein warmer Regen. Wir kriegen (einen) Rücken[schmerzen] vom Gemüseanbau, einen Nachmittag 26.4. graben wir; es ist eine mphselige Arbeit, denn es ist ein halber Wiesenplatz. Aber bei dem schönen Wetter macht es Spaß. Es kommen viele Briefe aus Deitschland; viele Frauen haben schon von ihren Männern Post, aber wir warten immer vergeblich.[52] Es kommen keine Karotten (mehr) dafürkommt in der Woxhe 3 [mal] Fisch. Am ersten Mai großer Varieté Abend; es war sehr schön, bloß die Luft war sehr schlecht. Dann regnet es den ganzen Tag; sogar das erste Gewitter zieht auf.

Deutsche Post, Währung: Eine Mark. Erstausgabe 1. Mai 1947

(68) [Am] 2. Mai kommen Leni und Irmchenfort; es soll nach Aalborg gehen. Der Abschied fieluns sehr schwer, da wir doch die ganze Zeit [zusammen] verbracht haben. Es ist kalt. Sonnabend den 4. Mai gibt es viel Brot; [für] 2 Pers[onen] ein Ganzes! Sonntag den 5 Mai 46 ist es recht kalt. Es gibt kein Wasser; für die Küche wird [es] von einem Bauern herangefahren. [Am] Montag den 6. Mai gibt es erst [wieder] Wasser. Montag nach Dragor zum Zahnarzt! Dienstag, den 7. 5. schönes Wetter; kl[ein] Roswitha hat Geburtstag!– Wir hören den Kuckuck schreien!– Abends Kino; „das gebrochene Herz“! Nach langer Zeit ein Tonfilm! Am 10. 5. kommt ein Brief von Irmchen; sie schreibt sehr gut[es]! Es kommt keine Post von Deutschland für uns!– Und es kommt immer so viel Post an!– Sonnabend den 11. Mai bekommt Tante von ihrem Mann aus Ahrensburg Post. Große Freude darüber!

(69) [Am] Sonntag [ist es] kalt! Wir legen uns Karten. Auf die Freude kochen wir uns Kartoffelklöße!– Nun warten wir noch ungeduldig[er]! Montag d[en] 13. schönes Wetter. Montag den 20. 5. kommt für uns die erste Post aus Deutschland und es war aus Hamburg von Onkel Adi. Nun wissen wir fast von allen Verwanden. Tante Mariechen mit Eli in Oksbøl, [die] Gusker in [der] Mwrk Brandenburg, Hans Polkowski verwundet in Timmendorfer Strand; Lübeckfelder [in] Mecklenburg. Nun sind wir froh, von fast alles was zu wissen.Bloß Hanses Frau Elfriede fehlt und die Eichenseer. Den Tag darauf 21. 5. wieder ein Brief aus Holstein von Irmchen Niklas aus Gusken. Sie teiit uns mit, dass Onkel August nicht mehr unter den Lebenden weilen soll. Am 22. 5. kommt ein Brief aus Oksbøl von Eli an! Wir haben jetzt viel mit der Abschreiberei[53] zu tun. Aus unserm Zimmer gehen [an] einem Tag 14 Briefe ab; das war aber das Höchste! Am 28. Mai Vormittag Post aus Aalborg.

(70) [Am] Nachmittag [kam] Post von Vera! Omas Geburtstag. Abends Kino „Der zerbrochene Krug“. Als wir zurückkamen, große Überraschung; von Engländern [wurde] Weißbrot gespendet. So haben wir [es] alle gut gehabt. Mittwoch den 29. 5, das schönster Wetter! Wir sonnen uns. Tante [Miku] hat wieder Post aus Ahrensburg. Zu Mittag gibt es an diesem Tag Spinat. Von Tante [Marie] aus Oksbøl kommen wieder zwei Briefe an. Schelchte Nachricht von den Lübeckfeldern. Am 1. Juni regnet es in Strömen. Am Sonntag den 2. Juni regnet es am Morgen; später wird es schön, bloß sher windig ist es. Zu Mittag gibt es Erbsen. Wie schreiben feste[54] Briefe nach Deutschland; am Nachmittag 15.00 Uhr ev. Gottesdienst. Wir wollen mal wieder zum Zahnarzt wandern. Herr Schulz zimmert uns Koffer für die Heinreise. Auch Holzschloren[55] hat uns der guter Mann gemacht. Das Pfingstfest haben wir der Zeit entsprechend gut verlebt. Am 1. Feiertag gibt es Gulasch, Salzkartoffeln und Spinat zu Mittag. Abends ist wieder was los – ein großer bunter Abend; es war ganz schön. Am zweiten Feiterag gibt es Erbsen zu Mittag.

(71) Für den Abend sieht das Programm „Tanz im Zeitspiegel“ [vor]; und dies(es) war wirklich ein genussrecher Abend. Frl. Rück, Tänzerin vom Staatstheater Danzig, machte ihre Sache wirklich gut. 8 Tänze führte sie vor;[56] zum Schluss war der Beifall des Publikums so stark, dass der letzte Stepptanz noch einmal kommen musste. So ging unser 2. Pfingstfest im fremden Lande vorüber[57] und alle waren wir nur von dem einen Wunsch beseelt: „Zum näcjsten Mal in der Heimat“ zu sein. Von Ha** [kam] Post. Ein Gang zum Zahnarzt. Dazu ein grauliches Wetter, ein großer Sturm und dazu noch Regen. Ich zog Tantes großen Regenmantel an; und so blieb ich ein wenig vom schlechten Wetter verschont. Aus Oksbøl kommt nun sehr oft Post an und wir sind sehr erfreut darüber. Am 19. Juni müssen wir aus unserer Baracke ausziehen. Die Baracke wird entwanzt, weil beim Nachbar Wanzen befunden [wurden]. Es ist schrecklich; wir kommen in die Schulräume und müssen da eine Nacht zubringen. [Am] nächsten Tag um die gleiche Zeit wird die Baracke [wieder] aufgemacht. Am Nachmittag mache groß rein und ziehen mit Sack und Pack wieder ein.

(72) Aber die Luft ist noch unerträglich. Gegen Abend verspüren wir Kopfschmerzen und [ein] Kratzen im Hals; so nehmen wir unsere Decken in [den] Arm und begeben uns noch [einmal] in den Schulraum, um dort noch eine Nacht zuzubringen. Es ist sehr kalt; [am] nächsten Tag soll ich um 8.00 Uhr zum Zahnarzt, anstatt [schon] um ½7 Uhr; so weckt mich die Tante um 6 Uhr; na das war ein Reinfall. Am 21. Juni haben wir viel Post, [von] Hans P., aus Oksbøl, Irmchen usw. Abends trudelt[58] noch ein Brief von den Guskern ein; so ist das der 7. Brief. Den Guskern geht es blendend; nur das Traurige [ist], dass Onkel nicht mehr unter den Lebenden weilt. Am 22. 6. Gang zum Zahnarzt; [es ist] schönes Wetter, wir bringen auch Blumen mit. Am 26. Juni kommen 200 Flüchtlinge aus der deutschen Schule [da]zu. Vera ist leider nicht dabei, nur ihre Freundinnen von dort. Abends ist Tanz. Es sollen 60 elernlose Jungen und 20 Mädchen [da]zu kommen. Es regnet meistens. Wir bereiten uns zum 2. Mal Salat [zu]. Anfang Juli wieder das schönste Wetter; wir sonnen uns draußen; es ist herrlich!–

(73) Wir können auch ab u[nd] zu duschen gehen. Keine Post diese Tage!– Am 6. Juli, also [am] Wochenende, große Schießerei im Lager. Was die einen[59] einbrocken, müssen die anderen ausfressen.[60] Wir dachten, es wäre Krieg. In unserer Baracke ging auch ein Schuss durch die Scheibe. Einige Männer wurden verwundet. Wir haben es nicht so ernst genommen, wie es wirklich war. Sonntag den 7. 7. Unterhaltungsabend, anschließend Tanz, aber nur eine Stunde; es war zu kurz. Bis 23.00 Uhr dann noch die [...] Abendluft genossen; nur die Mücken bringen einen zur Verzweiflung. Montag früh Kartoffeln schälen!– Am 18. Juli kommt ein Geistlicher aus Amerika in unser Lager. Es ist ein D[eutsche]r und [ein] Professor der [T[h]e[o]l[ogie]. Er sagtem, dass die Vereinigten Staaten für die Flüchtlinge sorgen wollen; andere Länder woll[t]en uns aufnehmen, wie Frankreich, Canada, Brasilienu[nd] noch einige. Wir wissen gar nicht, was wir dazu sagen sollen. Hauptsache wäre ja, wir finden unsere Angehörigen. Hans P. schreibt oft. Sonnabend den 20. Juli dürfen wir wieder suchen lassen. [Meinen Bruder] Hans extra auf eine Vermisstenkarte[ikarte geschrieben], andere einfach [angegeben]. Nun ist [es] das 3. Mal, aber [mit einem] Erfolg rechnen [wir] kaum.[61]

(74) Donnerstag den 21. Juli regnet es zur Abwechslung; sonst war das Wetter herrlich und ich bin schön braun geworden. [Am] Sonntag den 28. Juli wird ein größes Kostümfest veranstaltet. Ich habemir aus einer Tülldecke ein langes Kleid genäht, aus Papier eine großen Hut gemacht, welcher sehr nett wirkte, und auch dem Kostüm die [r]echte Wirkung gab. Von 18.00 bis 24.00 Uhr dauerte das Fest (an). Es waren ganz nette Sachen zum Vorschein gekommen. Am Abend taten aber die Beine mächtig weh. Es wurde aber trotzdem nur ein Tanz ausgelassen. Montag den 29. Juli großer Sturm; Dabei bleibt es auch. Mit Hans Pol. große Korrespondenz; manchmal schreibe ich in der Woche 2 [Mal] hin. Immer noch feste[54] an Roswithas Jacke gestrickt. Keine lange Weile. Am 1. August sehr stürmisch und auch regnerisch; Veras Geburtstag. Gleichzeitig feiert auch unser Lagerleiter Herr Kraft Geburtstag. (S)ein erstes Ständchen wurde ihm schon um 12.00 Uhr [nachts] gebracht; so ging es weiter bis um die Mittagszeit. Am 2. Aug[ust] wurd Roswithas Jacke fertig; [ist] sehr nett geworden. Mit diesem Tag fängt auch die Schule an. Berufschule ist nun auch nicht mehr bis 18 Jahre, sondern bis 20. So muss ich auch noch die Schulbank drücken. Montag den 5. Aug[ust] beginnt die B[eruf]schule. Jetzt gibt es viel zu lernen. Engl[isch], Steno[graphie], Deutsch, Rechnen, Religion, Kochen, Krankenplege und noch so manches nebenbei.

(75) Unser Handarbeitskurs ist bei Frau Hein II; da soll auch viel gebastelt werden. Sonntag, den 11. Aug[ust] hat es geregnet, vor allem war es sehr stürmisch.[...]sehr warm am Abend. Montag zeigt sich sehr schönes Wetter; wir haben gleich Sonnenbäder genommen. Am Spätnachmittag aber wurde es so kalt, dass wir auf unsere Stuben gehen mussten. 3 mal an dem Tag. Hans P. schreibt eine freudige Nachricht über seine Frau und Tochter, die im poln[isch] besetzten Gebiet leben. Es regnet, auch die nächsten Tage Regen. Sonntag, den 18.  Aug[ust] wieder kaltes Wetter. Der Sonntag wie immer; ein langweiliger Tag. Für E** zum Geburtstag eine Karte gemalt; zum Andenken ein Spruchherz gemacht. Das Herbstwetter macht sich bemerkbar, es ist (schon) immer kalt und sehr stürmisch. Wieder trägt man sich für Jütland ein, [62]. Wir möchten uns auch gerne melden, aber Omas Gesundheitszustand ist dazu zu schlecht! Immer viel zu lernen, nun noch f[r]anz[ösisch] und Religion [da]zu. Sonntag, den 1.  September scheint die Sonne, aber es ist sehr windig. Montag, 2. Sept[ember] sehr viel Regen, Post aus Hamburg. Größte Freude; Papa hat nach Hamburg geschrieben; ist bei einem Bauer[n] bei Berlin. Hans Polkowski schreibt oft, teilt uns auch die Adresse von Tante Behrendt mit; wir schreiben auch dort hin. Sonntag, den 8. Sept[ember] großer Schreibetag. Die Sonne scheint, aber es ist kalt. Am Abend ist Dichterabend.

Tod der Großmutter (17. September 1946)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gräber von in den dänischen Lagern gestorbenen Flüchtlingen. Vestre Kirkegård, Copenhagen, Denmark.

(76) Am Montag, den 16. Sept[ember] wird Minna von Barnhelm aufgeführt; gefällt uns allen gut. Mit Oma steht es schlecht; ihre Gesundheit lässt viel zu wünschen übrig. Der Atem macht ihr Schwierigkeiten; der Körper schwillt weiter an. In der Nacht konnten wir nicht viel schlafen, weil Oma viel gejammert hat. [Am] nächsten Tag, Dienstag den 17. Sept[ember] ist sie ganz teilnahmslos; am Nachmittag liegt sie nur und jap[s]t. Der Arzt kommt, aber [er kann] keine Hilfe mehr [leisten]. Gegen Abend sieht es ganz schlimm aus; es war furchtbar für uns, dieses Elend anzusehen. Sie ist fest bis zu ihrem letzten [Atemzug] bei Bewusstsein<, nur der Atem setzt ab und zu aus. Um 22.00 Uhr hat sie ihr Leben hier beschließen müssen und ging ihrrn Weg. Diese Nacht v[om] 17. zum 18. Sept[ember] wenig geschlafen; große Aufregung. Am Mittwoch, den 25. Sept[ember] werden wir mit dem Auto abgeholt und wir fahren nach Kopenhagen zum Krematorium. Oma lag aufgeahrt in eier Halle; [es] war wirklich alles schön hergerichtet, der Pfarrer Bielensteon hielt eine kurze, [aber] schöne Andacht; danach kam der Sarg gleich nach dem Krmatorium. Wir fahren gleich [darauf] zurück; es geht kreuz u[nd] quer durch die Stadt.

(77) An der Deutschen Schule wird Halt gemacht; [doch] ein Absteigen, um Vera zu besuchen [ist] unmöglich. Es war eine rasende Fahrt; Tante musste sich dauern übergeben. Es war aber schönes Wetter; die(es) ist die Hauptsache. Wir waren froh, als wie wieder im Lager waren. Am 27. Sept[ember] kommt ein Brief von Frau Behrendt; sie bringe uns viele Neuigkeiten, auch einen Bericht über Eichensee. Viele sind nicht mehr am Leben; Onkel Adolf ist auch für tot erklärt.[63] Aber man muss abwarten, denn auch wir waren schon totgesagt. Tante Miku ist in Allenstein überrannt worden; [sie] ist als Kuhmagd [beschäftigt]; es ist ein schweres Leben. [Sie] haben auch furchtbare [Dinge] durchmachen müssen. Am Sonntag den 29. Sept[ember] ist ein großes Kinderfest; ist aber nur für die Kinder u[nd] Eltern. Die ganze Woche [ist] schönes Herbstwetter, am Sonntag kein Sonnenschein. Wie immer großer Schreibetag. Es ist [inzwischen] immer kalt. Am Fraitag, den 4. Okt[ober] 46 gibt es den ersten Torf; so haben wir [es] wenigstens ein bisschen warm in der Bude. An diesem Tag [kam] ein Brief von Tante Miku aus dem Kreise Allenstein. Sie schreibt, dass sie nach Eichensee umsiedelt. Auf unserem Gehöft sind 2 Polenfamilien. In Kleeberg ist von unsrer Wirtschaft nur der Puck geblieben; Frau Palmowskis Tochter u[nd] Sohn [wurden] von Russen verschleppt. Am Donnerstag den 10. Okt[oder] Mamas Geburtstag; [am] Nachmittag um 16.00 Uhr kommen 65 Matrosen zum Tanz. Leider dürfen diese nur 2 Stunden bleiben und das war zu kurz. Es waren zwei sehr schöne Stunden; der Saal war proppenvoll gefüllt; an den Seiten standen massig Zuschauer.

(78) Am 11. 10. kommt von Papa der zweite Brief; gr[oße] Freude. Sonnabend, den 12. 10. 46 zum Tanzabend; Frl. Kluge tanzt, es sind 1½ sehr schöne Stunden; am Sonntag ist Tanz. Noch schöne Hernsttage halten an; die Sonne scheint recht warm. Die Dänen graben Kartoffel[n]!– Wir [trennen] Omas altes Tuch auf – es ist sehr mühselig; daraus soll eine neue Jacke werden. Vom. 7. [bis] 19. sind Herbstferien; am 19. Okt[ober] 46 müssen wir alle unsere Baracke 4 räumen; [sie] wird ganz und gar Säuglingsbaracke; sogar die Baracke 5 muss räumen. Wir müssen in Baracke 2, Zimmer 6 [umziehen]; es ist nicht einfach, ein kl[eines] Zimmer gegen ein großes Zimmer zu vertauschen. Der Umzug war grässlich; es wollte kein Ende nehmen, u[nd] als wir alles dort hatten, da war wieder die große Schwierigkeit mit dem Verstauen. Aber wir bekamen alles so leidlich unter. Dazu hate ich noch ein ganz entzündetes Auge; es war schrecklich. Von Gerda kommt ein Brief, mit einem Bild, [...] sehr schön! Frau Schmeer u[nd] [Frau[ Jäschke fahren nach Oksbøl. [Am] Sonntag den 20. 10. kaltes Wetter. Am 30. Okt[ober] 46 reichen wir ein Gesuch als Wehrmachtangehörige ein. An eine] Genhemigung glauben wir nicht, denn wir haben keine richtigen Beweise. Am 3. Okt[ober] wird „Bel Ami“ aufgeführt; es ist ganz matt. Sonntag den 3. November] trüber Tag. Sonntag den 10. Nov[ember] kalt. Von Papa und Frau Behrend Post. Sonst nicht’s v[on] Bedeutung. Am Dienstag, den 12. Nov[ember] fährt der Beheimateten-Transport. Es gibt wieder einige nette Filme: „Immensee“ hat uns allen gut gefallen. Zum letzten Mal kamen die Matrosen, [um] den Film „La Paloma[ – Ein Lied der Kameradschaft]“ aufzuführen.[64]

Französische Besatzungszone und Französischer Sektor von Berlin ab 8. Juni 1947 (hell: das 1946 ausgegliederte Saarland)

(79) Anschließend brachten sie noch Schallplattenmusik; da[nn] wurde noch getanzt. Am Sonntag, den 24 11. 46 Hansens Geburtstag; am Totensonntag fährt Mama u[nd] Tante mit einem Auto zum Kirchhof. Es ist ein kalter Tag, [und] sie kommen auch schon früh zurück. Wir beginnen Weihnachtskarten zu Malen. Den 2. Dez[ember, an] Papas’s Geburtstag, sollte wieder Kino sein; diesmal sollten die Dänen etwas bringen, als aber die Zeit herangerckt war und wir erwartungsvoll [im Saal] saßen, kam unser dän[ischer] Lagerleiter mit den Worten: „Heute ist keine Kino“!– So mussten wir alle abziehen. Aber am 9. Dezember] kam tatsächlich der Kinomann; er hätte sich sogar um 2 Stunden verfrüht. Wir bekamen den Film „Premiere“ zu sehen.[65] Am 11. Dez[ember] 46 bekommt schon jedes Zimmer einen Weihnachtsbaum; es ist ein bisschen früh, aber er wird vor’s Fenster gehängt. Impfung gegen Typhus; wir sind alle krank. Das wetter [ist] immer naskalt; alles hat Schnupfen und ist erkältet. Es geht ein Transport nach der Französischen Zone; wir melden uns auch freiwillig, aber es wird nichts draus. Papa schreibt uns, wir sollen zu ihm kommen. Eine Woche vor Weihnachten gibt es schon einige Sonderzuteilungen, wie 100 g Mehl, 20 g Margarine, 100 g Zucker, 100 g Marmelade, 1 Päckch[en] Backpulver und 1 Essl[öffel] Kaffeeschrot. zum Pudding[kochen] gibt es 100 g Grieß u[nd] ½ l Saft. Dann gibt es noch 30 g schöne Butterkekse umd 3 Lebkuchen-Kekse. Aus unserem aufgesparten Zucker kochen wir uns einige Bonbon[s]. Wir haben schon Frost und Schnee; es sieht ein wenig heimatlich aus. Wieder mal ein Gang zum Zahnarzt. Am Heiligen Abend ommt Post von Brigitte Becker und Vera. Brigitte schickt mir ein Bild, dann eine Weihnachts- und eine Geburtstagskarte. Vera schickt uns ein Täschchen fürs Taschentuch, sehr nett. Wir schmücken unseren Weihnachtsbaum; er sieht ganz nett aus, weil wir noch etwas Lametta hatten. Am Abend ist die Bescherung für die Kinder bis 8 Jahre. Jeder bekam eine Kleinigkeit.

(80) Um ½10 Uhr, als wir schon alle im Bett waren, hieß es „Feuer, Feuer!“ Wir sprangen alle aus unseren Buchten u[nd] kleideten uns an. Gerade uns gegenüber in Baracke I fing es oben auf dem Dach am Schornstein an zu brennen. Aber der dän[ische] Wachkommandant sah es zeitig, kam gleich und löschte den Brand. Da war auch schon die Dragöer Feuerwehr alarmiert; wir hörten in Dragör die Feuersirene. Kurz darauf kam die Feuerwehr, aber nach der Untersuchung machten sie sich auf den Rückweg. 1. Feiertag diesiger Tag; vormittag[s] werden Torten fabriziert sie werden alle sehr nett und schmecken auch. Zu aller *berraschung muss ich gerade [an] beiden[n] Feiertage[n] Küchendienst machen, aber es geht ja alles vorüber. Die richtige Stimmung fehlt doch. Am 1. Feiertag gibt es Königsberger Klopse zu Mittag, am 2. Feiertag gibt es Gulasch, was uns bedeutend besser schmeckt.m 2. Feiertag regnet es, ein richtiger Dreckwetter. Zum Abschuss derFeiertage folgt ein bunter Abend, aber es war nur lauter Kitsch, am liebsten wären wir raus gegangen. Das einzige, was uns gefiel, waren die Tänze. So war Weihnachten für uns kurz u[nd] schmerzlos vorüberggangen.

In den Durchgangslagern Kløvermarken und Store Magleby (17. April 1947 bis 20. Mai 1947)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Am 17. 4. 47 kommen wir endlich nach langem Warten nach Kløvermarken, welches Durchgangslager für die russ[ische] Zone sein soll(te). Dort aber [finden wir] eine furchtbare Unterkunft [vor] und wir müssen noch bis zum 14. 5. 47 dort warten, wo wir dann in ein anderes Durchgangslager und zwar nach Store Magleby. Wir haben Glück, denn [nach] Brandenburg [geht] der 1. Transport; weil er aber noch nicht voll ist, so kommen noch Mecklenburger mit.

(81) Das Lager sieht aus wie ein K.Z.; die Wanzen ließen uns keine Nacht schlafen. Am 15. 5. wurdn wir nochmals registriert; am 19. 5. [folgt die] Gepäckkontrolle; wir brauchen nur ein Stück öffnen; somit großes Glück, denn uns wurde nichts entnommen.

Auf dem Weg in die Sowjetzone (21. Mai bis 14. Juni 1947)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

FDsb-Bahnhof Gedser

Am 20. 5. 47 um 20.00 Uhr mit L.K.W. Abfahrt zum Bahnhof. Jeder bekommt einen Sitzplatz. In der Nacht um 2.30 Uhr geht der Zug von Kopenhagen. Um 7.00 Uhr sind wir in Gedser, wo wir gleich in das bereitstehende Fährschiff einstiegen. und um 8.00 Uhr ging auch die Fahrt gleich los. Es warwunderbares Wetter und die Fahrt ging glatt von sich. In den Mittagsstunden waren wir in Warnemünde. nachmittags wurden wir in den bereitstehenden Zug eingeladen. Spät in der Nacht kamen wir bei Rostock an, wo wir [dann] zu Fuß ins Lager gingen, aber es war wenigstens kühl.

(82) Dort gab es noch Suppe und auch, wer Bedarf an Decken hatte, bekam eine! [Am] nächsten Tag besahen wir uns das Lager,; [am] 1. Feiertag gingen wir zum Tanz nach Lichtenhagen. [Wir] sollten erst am 4. 6. 47 entlassen werden und kommen [doch] schon am 2. 6. raus. Mit Annemarie noch in Rostock gewesen, beim Zurückkommen schon mit großem Hal[l]o empfangen. Noch am Abend geht es nach Rostock, wo wir an den früheren Heinkelwerken auf unseren Zug warten müssen.
Um 7.00 Uhr am 5. 6. fahren wir von Rostock ab. Die Fahrt geht über Schwerin, dann weiter nach Berlin, wo wir am Abend um [Dreiviertel] 11 Uhr am Lehrter Bahnhof ankommen. Dort musste sich jeder selbst helfen; wir müssen uns sputen, dass wir noch die letzte S-Bahn erreichen, wo wir dann in der Nacht um 1.00 Uhr zum Schlesischen Bahnhof kommen. [Am] nächsten Tag geht unser Zug weiter. Am Nachmittag des 4. Juni kommen wir dann endlich bei Papa an.

In der Sowjetzone: Spremberg, Dierberg, Glienecke, Berlin (Juni 1947 bis Januar 1948)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gleich zur Feldarbeit gegangen, was anfangs nicht ganz so leicht gefallen ist. Ende Juni nach Spremberg gefahren. Danach Roggenernte, was gar nicht so einfach war. Ende Juli nach Dierberg gefahren, in Berlin Fr. Purwiens Schwester besucht. Am 2. Aug[ust] 47 wieder zurück aus Dierberg. Am 1. September Umzug nach nach Glienecke Scharmützelsee). Fast jeden Sonntag mit dem Rad nach Görsdorf. Am 2. Dez[ember] 1947 fahren meine Eltern nach der britischen Zone u[nd] und kommen am 7. [Deezmber] bei Onkel Ludwig an. Weihnachten in Sorge klanglos verlebt. Am Neujahrstag viel zu tun. Meinen Geburtstag [9. Januar habe ich] ganz allein verlebt; Geibes kamen erst spät nach Hause.

Über die Zonengrenze in die britische Zone (Januar bis März 1948)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grenze zwischen Thüringen und Bayern bei Asbach, Schlagbaum bei Asbach (Thüringen) / Bayern. Aufn. 1950

(83) Am 12. I. 48 in aller Frühe aus Glienecke getürmt; Herr H. Scheel (ver)half mir. In Berlin Pakete abgeschickt und furchtbare Zustände mit Fährkarten. Fr. Hella Wonsing verhilft mir für den Frühzug nach Erfurt eine Karte zu erwischen. Bei Butenhof übernachtet; [am] nächsten Tag 13. I [1948] machmittags [um] 16.00 Uhr in Erfurt, um 20.00 Uhr in Nordhausen [angekommen]. [Nachts] um 1.00 Uhr gehts nach Zwinge [im Gebiet unmittelbar an der Zonengrenze]; wir steigen [bereits] in Weißenborn aus und laufen bis Zwinge bei Wind und Wetter. Am 14. I 1948 früh [um] 8.00 Uhr werden wir über die [Zonen]grenze gebracht; und wir haben keinen Iwan gesehen. Am selben Tage abends Ankunft in Kassel; wunde Füße. Am 15. I. 48 ankommen in Groß Timmendorf. Am 20. I. 48 Fahrt zu Brigitte. Auf der Rückfahrt Anneliese Mowwe [?] besucht. Am 2. 2. 18 nach Poppendorf, dort an einem Tag fertig, und ich komme am Abend mit Erich zurück. Am 6. II 48 Fahrt nach Dortmund über Hannover, tolle Fahrt. [Cousine] Hanna besucht; nach 3 Tagen Fahrt nach Badbergen; dort 7 Tage verlebt. Am 16. II Abfahrt von dort; in Bremen eine Nacht verbracht. [Am] nächsten Tag früh nach Hamburg; dort gleich Treffen mit Onkel Adolf, und auf gings nach Ahrensburg. Dort große Begrüßung mit Tante und Heinz, die vor einem Monat aus Dänemark kamen. Nächsten Tag mit Heinz nach Timmendorf. Heinz versetzt uns und kommt nicht wieder. Großer Postempfang.

(84) Am 18. II. 48 will es wieder Winter werden; kalte Tage folgen, die ersten des Jahres. Am Montag, den 23. II 48 am Strand Arbeit bei Bartelmann[66] bekommen. Am 6. [März] wieder aufgehört, weil [ich] für Holstein keine Zuzug[sgenehmigung] bekommen habe. Einesteils froh darüber.

Historischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Deutsche Flüchtlinge in Dänemark. Flüchtlinge aus den deutschen Ostgebieten werden am 12. Februar 1945 in einer vorläufigen Sammelstelle in Appenrode/Dänemark versorgt. In einigen Stunden werden diese Frauen und Kinder in vorbereitete Privatquartiere in Nordschleswig gebracht.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Editorische Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Nummerierungen zu Beginn der Absätze folgt der Paginierung des Manuskripts. Ergänzungen zum Text wurden mit eckigen Klammern, Weglassungen mit runden Klammern dargestellt. Die Rechtschreibung und Zeichensetzung wurden behutsam zu Gunsten des Leseflusses der heute üblichen Form angeglichen. Abbreviaturen von Namen wurden weitgehend aufgelöst; offensichtliche Verschreibungen von Ortsnamen, Filmen etc. wurden korrgiert; die häufigen Tempiwechsel und Fehlen von Verben sowie sprachliche Eigentümlichkeiten (etwa „welche“ statt „die“) blieben unverändert. Nur in wenigen Ausnahmefällen wurde der Text zugunsten der Verständlichkeit stilistisch korrigiert (vgl. Fußnoten).

  1. Im Manuskript: „am tollsten“
  2. Im Manuskript: „verpusten“
  3. a b c Im Manuskript: „standen“
  4. Im Manuskript: „Als kaum alles“
  5. Im Manuskript: „darauf“
  6. Im Manuskript irrtümlich „Pretorio“
  7. Im Manuskript: „Stücke“
  8. Im Manuskript irrtümlich „Belamie“
  9. Gemeint wahrscheinlich Österport
  10. Irrtümlich „Schrift“
  11. Im Manuskript: „merken“
  12. Siehe hierzu auch: Karl-Georg Mix: Deutsche Flüchtlinge in Dänemark 1945-1949. HMRG Beihefte 59. Franz Steiner Verlag 2004
  13. Im Manuskript: „Überzug“
  14. Durch die Version von Lale Andersen bekannter Durchhalteschlager von Fred Raymond auf einen Text von Kurt Feltz.
  15. Gemeint ist möglicherweise das Abschiedslied „Nun so reis’ ich weg von hier und muß Abschied nehmen. Ach du allerschönste Zier“ von 1856.
  16. Im Manuskript: „Endlied“
  17. Hinweis auf Geburtstage des Cousins und dessen Tochter
  18. Im Manuskript: „ladeten“
  19. Im Manuskript: „versagte“
  20. Im Manuskript: „aufnehmen“
  21. Im Manuskript: „eigenständig“
  22. Möglicher Bezug auf einen Ort in Ostpreußen
  23. Im Manuskript: „ehrlich“
  24. Im Manuskript: „Blättchen“
  25. Im Nanuskript: „nach“
  26. Im Manuskript: „schlechter“
  27. Im Manuskript: „können“
  28. a b c Im Manuskript: „vorgetragen“
  29. Gemeint ist wohl: „verzogen den Mund“.
  30. Gemeint ist wohl als Brandschutz-Maßnahme
  31. Im Manuskript: „Passierzettel“
  32. Im Manuskript: „gehen“
  33. Gemeint ist wohl: „ordnet an“
  34. Älterer Bruder von EB; an der Ostfront als vermisst gemeldet.
  35. Gemeint ist wohl die Phrase „Goldene Zeiten“
  36. Im Manuskript: „fertig gemacht“
  37. Im Manuskript: „Tannenäste“
  38. Im Manuskript: „Sauerkohl“
  39. Im Manuskript: „sieht“
  40. Ihr Cousin
  41. a b Im Manuskript: „Gegenstoffe“
  42. Gemeint ist möglicherweise die Insel Fejø.
  43. Vgl. Sofie Lene Bak, Claus Bundgård Christensen, Joachim Lund, Jakob Sørensen: Turen går til besættelsestidens København.
  44. Im Manuskript: „kneifen den Daumen“
  45. Im Manuskript: „bankrott“
  46. Im Manuskript: „große Töne riskieren“
  47. Gemeint ist möglicherweise: Gewehre mit aufgepflanztem Bajonett
  48. Gemeint ist wohl: Brief aus Russland
  49. Im Manuskript: „Dieser redet uns guten Mut bei.“
  50. Karl Heinz Neander wird im Deutschen Bühnenjahrbuch 1949 erwähnt.
  51. Im Manuskript: „bestimmten“
  52. Gemeint ist auf Post von dem vermissten Bruder Hans (* 1922).
  53. Gemeint ist wohl die Abschrift der Briefe bzw. der Adressen der Verwandten.
  54. a b Gemeint ist wohl „eifrig“
  55. Gemeint sind wohl Holzschuhe.
  56. Im Manuskript: „brachte sie vor“
  57. Im Manuskript: „vorbei“
  58. Im Manuskript: „trödelt“
  59. Im Manuskript: „die anderen“
  60. Gemeint ist hier wohl die usuelle Wortverbindung „einbrocken – auslöffeln“.
  61. Im Manuskript: „aber auf eine Erfolg rechnen kaum“
  62. im Manuskript: aufgeschrieben
  63. Im Manuskript: „tot gesagt“
  64. La Paloma. Ein Lied der Kameradschaft war ein Tonfilm von 1934 (Regie: Karl Heinz Martin, Robert Neppach
  65. Film von Walter Summers aus dem Jahr 1938, mit John Lodge, Judy Kelly und Joan Marion in den Hauptrollen.
  66. „im Ostseebad Graal-Müritz ein ehemaliger Strandkorbverkauf der Firma Bartelmann“. Hinweis in: Seewirtschaft, Band 22, Ausgaben 1-6. Verlag Technik, 1990