Rheinische Ortsnamen

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Manche rheinische Orts- und Familiennamen haben eine an mitteldeutsche oder niederländische (bzw. Mittelniederländische) Schreibungen angelehnte Rechtschreibung, die zu ungewohnten Laut-Buchstabe-Beziehungen führt.

Schreibweise und Aussprache[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Buchstaben e, i und y werden dabei oft nicht gesprochen, sondern dienen als zweiter Teil eines Digraphen der Kennzeichnung der Länge des vorhergehenden Vokals. Dabei überwiegt im Norden die Schreibung mit e und ist ein Erbe der niederländisch-niederrheinischen Schreibtradition, während im Süden die Schreibung mit i häufiger anzutreffen ist und der ripuarisch-mittelrheinischen Schreibtradition entspricht.

Ähnliche Schreibungen gibt es gehäuft auch in Westfalen. Sie werden dort Dehnungs-e genannt.

Zeichenfolge Aussprache (IPA) Beispiele
ae/ay/ai [] in Aengenesch, Aerbeck (Wachtendonk), Baesweiler, Baerl, Baersdonk (Kerken), Eversael, Gaesdonck, Hanselaer, Raeren (Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens), Kevelaer, Keylaer, Straelen, Straeten (Heinsberg), Praest (Emmerich am Rhein), Saeffelen, Saelhuysen (Schaephuysen), Schaephuysen, Wittlaer oder im Familiennamen Daem (= Adam), auch in Tenhaef, seltener mit Dehnungs-y wie Alpsray, Haus Ingenray, Rayen, Familienname Daym oder Dehnungs-i wie Kaiskorb (Jackerath) oder ursprünglich im Familiennamen Klais
ee/ey [] in Neersbroich (Korschenbroich), Op de Moelensteen (Rheinberg), Rees (historische Schreibung auch Reys mit Dehnungs-y), Haus Weegh (Rees), Weeze u. a.
eu/oe [øː] in Gelderner Fleuth (mundartlich), Rheurdt, historische Schreibung Meurs (seit 1931 endgültig „Moers“); mundartlich Euskirchen u. a. Auch viele Schreibungen von Ortsnamen mit oe statt ö für [øː] entsprechen nicht der Standardorthographie
y [] in Altmyhl, Bedburdyck, Schloss Dyck, Myhl, Styrum, Gut Wylack (Wassenberg), Wyler (Kranenburg)
y [ɪ] in Gymnich, Zyfflich oder im Familiennamen Thyssen
ui/uy [] in Bergbuir, Berzbuir, Bleibuir, Broekhuysen, Buir (Kerpen), Gruiten, Duisburg, Duisdorf, Holthuysen (Issum), Huisberden, Neukirchen-Vluyn, Ruif (Herzogenrath), Saelhuysen (Schaephuysen), Schaephuysen, Schuir (Essen), Thuir (Nideggen), Gut Voorthuysen (Emmerich am Rhein), geht teilweise ursprünglich auf den Laut [uː] mit Dehnungs-i oder -y zurück
ui [ʏ] in Duissern (Duisburg), Ruitzhof, Ruitsch
oi/oy/oe/oo [] in Ortsnamen mit dem Namensbestandteil „-broich“, außerdem Anstois, Boisdorf, Boisheim, Broichweiden, Floisdorf, Froitscheidt (Nideggen), Froitzheim, Groin (Rees), Hoisten, Gut Isenkroidt (Titz), Kirchtroisdorf, Koisdorf, Moitzfeld, Noithausen, Oidtweiler, Op de Moelensteen (Rheinberg), Oirlich (Nettetal), Roisdorf (Bornheim), Troisdorf, Voigtslach (Leverkusen), Voiswinkel, Voißel sowie der Familienname Voigt, seltener mit Dehnungs-y wie in Noyshof (Kevelaer) oder Loyenhof (Kleve) oder Dehnungs-e wie in Schloss Hugenpoet oder im Familiennamen Loe, mit Doppel-o Gut Voorthuysen (Emmerich am Rhein)
ue/ui/uy/oe/ou [] in Bernkastel-Kues[1], Boeckelt (Geldern), Bourheim, Buisdorf, Broekhuysen, Grouven (Elsdorf), Houverath (Erkelenz), Houverath (Bad Münstereifel), Niersbroek (Straelen), Roerbrücke (Hückelhoven; = Brücke über die „Rur) oder im Familiennamen Lueg. Auch Namen wie Duisburg wurden ursprünglich teilweise mit [uː] gesprochen[2] (s. den Artikel Dehnungszeichen)
ey [] in Breyell, Eyll (Kerken), Haus Eyll (Kamp-Lintfort), Haus Eyll (Straelen), Eynatten (Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens), Keyenberg, Keylaer, Pley, Reesereyland (Rees), Rheydt, Wey (Jüchen)
oy/oie [] Orsoy, In der Oye und Oybaum (Kalkar), historische Schreibung Montjoie (bis 1918)
oy/euy/ieu [ɔʏ] Schloss Moyland (nach niederländisch „mooi“schön), Familienname Beuys, Nieukerk (Kerken), Loikum

In einigen Fällen hat sich die moderne Aussprache der Schreibweise angepasst, obwohl die Ortsnamen früher anders ausgesprochen worden (z. B. Euchen, Euenheim, Eupen, Euskirchen, Fleuth, Maisdörpe, Gymnich, Schloss Hueth, Neusen, Oestrich (Erkelenz), Raitzhof (Wesel), Uedem, Uedorf (Bornheim); mundartlich teilweise noch erhalten).

Besondere Aussprachen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wissenschaftliche Forschung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Erforschung und Deutung von Ortsnamen und ihrer Orthographie handelt sich um ein Forschungsgebiet z. B. von Germanistik, Sozial- und Geschichtswissenschaft. Die Erkenntnisse sind u. a. wichtig für die Siedlungsgeschichte, Dialektologie bzw. Sprachgeschichte, geschichtliche Landeskunde oder Volkskunde.

Der Landschaftsverband Rheinland unterhält das Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte, das sich u. a. mit dieser Fragestellung beschäftigt und entsprechende Publikationen fördert. Am Institut für Geschichtswissenschaft der Universität Bonn besteht eine Abteilung für Rheinische Landesgeschichte, die bei der Erforschung von Ortsnamen eng mit den Abteilungen Rheinische Sprachforschung und Rheinische Volkskunde des Institutes für Germanistik, vergleichende Literatur- und Kulturwissenschaft (Kulturanthropologie) zusammenarbeitet. Ein Institut für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung (InKuR), das sich unter anderem mit der Sprachgeschichte (Orts- und regionale Dialekte) des Rhein-Maas-Raums beschäftigt, besteht an der Universität Duisburg-Essen. Es kooperiert eng mit der Niederrhein Akademie/Academie Nederrijn e.V. mit Sitz in Xanten, dem Landschaftsverband Rheinland und der Radboud Universiteit Nijmegen.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rheinische Ortsnamen (Memento vom 2. Mai 2012 im Internet Archive) auf der Website des LVR-Institutes für Landeskunde und Regionalgeschichte (Online bei archive.is, abgerufen am 12. September 2015)

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Adolf Bach: Deutsche Namenkunde, Bd. II Die deutschen Ortsnamen, Teil 1: Einleitung. Zur Laut- und Formenlehre, zur Satzfügung, Wortbildung und -bedeutung der deutschen Ortsnamen, Teil 2: Die deutschen Ortsnamen in geschichtlicher, geographischer, soziologischer und psychologischer Betrachtung. Ortsnamenforschung im Dienste anderer Wissenschaften. Heidelberg: Winter 1953/54 (2. Aufl. Heidelberg: Winter 1981) ISBN 3825302369
  • Horst Bursch: Die Siedlungsnamen der Stadt Bonn (Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 38), Bonn: Ludwig Röhrscheidt 1987 ISBN 3792805715
  • Heinrich Dittmaier: Rheinische Flurnamen. Unter Mitarbeit von P. Melchers aufgrund des Materials des von A. Bach begründeten Rheinischen Flurnamenarchivs, Bonn: Ludwig Röhrscheid 1963
  • Paul Derks: Die Siedlungsnamen der Gemeinde Weeze am Niederrhein. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen. Mit einem Ausblick nach Geldern und Goch (Weezer Archiv 1), Weeze: Gemeinde Weeze 2006
  • Paul Derks: Die Siedlungsnamen der Gemeinde Uedem am Niederrhein. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen (Uedemer Studien 1), Uedem: Gemeinde Uedem 2007
  • Henning Kaufmann: Die Namen der rheinischen Städte, München: Wilhelm Fink 1983
  • Karl Meisen: Rheinische Orts- und Familiennamen in älterer Orthographie. In: Rheinisch-westfälische Zeitschrift für Volkskunde 3 (1956), S. 137–170
  • Zeitschrift Rhein-Maas. Studien zur Geschichte, Sprache und Kultur, hrsg. vom Institut für niederrheinische Kulturgeschichte und Regionalentwicklung an der Universität Duisburg-Essen Regionalentwicklung (InKuR) durch Jörg Engelbrecht, Simone Frank, Christian Krumm und Holger Schmenk, bisher erschienen: 1 (2010) bis 5 (2014), ISSN 1869-4071

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Isolierter Beleg südlich der Ahr.
  2. In Kaiserurkunden oder Universitätsmatrikeln vielfach „Dusburg“ geschrieben; wahrscheinlich war auch das y in „Duysburg“ ursprünglich als Dehnungs-y zu verstehen.