San Vittore del Lazio

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San Vittore del Lazio
San Vittore del Lazio (Italien)
San Vittore del Lazio (Italien)
Staat Italien
Region Latium
Provinz Frosinone (FR)
Koordinaten 41° 28′ N, 13° 56′ OKoordinaten: 41° 27′ 41″ N, 13° 55′ 53″ O
Höhe 210 m s.l.m.
Fläche 27 km²
Einwohner 2.474 (31. Dez. 2022)[1]
Postleitzahl 03040
Vorwahl 0776
ISTAT-Nummer 060070
Bezeichnung der Bewohner Sanvittoresi
Schutzpatron Victor von Mailand

San Vittore del Lazio ist eine italienische Gemeinde in der Provinz Frosinone in der Region Latium mit 2474 Einwohnern (Stand 31. Dezember 2022). Sie liegt 140 km südöstlich von Rom und 62 km südöstlich von Frosinone.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

San Vittore del Lazio liegt in der Ebene von Cassino unterhalb des Monte Sambucaro (1205 m). Es ist Mitglied der Comunità Montana Valle del Liri und die letzte Gemeinde in der Region Lazio vor der Regionengrenze zu Campania.

Die Nachbarorte sind Cassino, Cervaro, Conca Casale (IS), Mignano Monte Lungo (CE), Rocca d’Evandro (CE), San Pietro Infine (CE), Venafro (IS) und Viticuso.

Verkehr[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

San Vittore del Lazio liegt an der Autobahn A1 Autostrada del Sole, mit der Ausfahrt San Vittore.

Mit dem Bahnhof Rocca d’Evandro, 4 km vom Ortszentrum, liegt der Ort an der Bahnstrecke Rom–Neapel.

Name[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seinen vollen Namen trägt San Vittore seit dem Jahre 1862 lange vor der Eingliederung von 1927 in die Region Lazio und die damals neu geschaffene Provinz Frosinone. Die ursprüngliche Ortsbezeichnung bezieht sich auf den hauptsächlich in Oberitalien verehrten, anscheinend am 8. Mai des Jahres 303, kurz nach Beginn der diokletianischen Christenverfolgung, getöteten Victor von Mailand, dessen Märtyrervita auf einem guten historischen Hintergrund basiert.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine frühe Besiedlung des Ortsareals weisen Reste von Polygonalmauern nach, die den Samniten zugewiesen werden. Ob sich hier allerdings ihre Stadt Aquilonia befand, welche die Römische Geschichte des Titus Livius für die Kriege zwischen Römern und Samniten um 300 v. Chr. nennt, bleibt offen. In der Nähe der Ansiedlung wurde immerhin 1962 ein Heiligtum freigelegt, in dem neben Keramikscherben und geformten Steinen ein rituell verbogenes Eisenschwert gefunden wurde. Diese Waffe im Typ der mittleren La Têne-Zeit zeigt zwei Zierpunzen, die als Anlehnung an das Sternsymbol der Makedonen interpretiert werden, und eine frühlateinische Herstellerinschrift, die einen Trebios Pomponios in Rom nennt, was vielleicht die erste Nennung des Stadtnamens Rom ist. Dieses Schwert von San Vittore wird als Beuteweihung durch einen samnitischen Krieger verstanden.

Der heutige Ort geht auf eine befestigte Ansiedlung der Zeit zurück, als Araber und Ungarn etwa zwischen 850 und 930 die Gegend unsicher machten. Im Jahre 1057 wurde eine Befestigung als Besitztum der Abtei Montecassino mit dem Wort castrum erstmals erwähnt. Zur Terra di San Benedetto gehörte der Ort jahrhundertelang bis 1811, er wurde aber während der Kämpfe um die Königsherrschaft in Neapel zwischen den Dynastien Anjou und Aragon im 15. Jahrhundert ab und zu in Mitleidenschaft gezogen.

Die Burg ging im Spätmittelalter an die in Rom ansässige Familie Mancini über, die den Titel der Marchesi di Fusignano führte. Sie gewann um 1450 an Bedeutung, und Giovanni Battista Mancini war um 1500 eine kurze Zeitspanne als Condottiere unter Cesare Borgia tätig. Francesco V. heiratete 1634 mit Girolama Mazzarino die Schwester von Kardinal Giulio Mazzarino, der als Jules Mazarin der zweite leitende Minister von König Ludwig XIV. von Frankreich war. Der hierher übergesiedelte Familienzweig konnte damals den Eintritt in den französischen Hochadel verzeichnen, der bis zu den Titeln Duc de Névers, Prince de Vergagne, Pair de France und Grande de Espana erster Klasse führte; Francescos Tochter Olimpia war die Mutter des Feldherrn und Politikers Prinz Eugen von Savoyen(-Carignano-Soissons). Im 20. Jahrhundert lebte der aus dem Neapolitaner Familienzweig hervorgegangene hiesige Ast zeitweise im örtlichen Palazzo und ist Besitzer von Liegenschaften und Gebäuden in und um San Vittore.

Im Frühjahr 1944 erlitt der Ort beträchtliche Zerstörungen im Verlauf der Schlachten um Cassino und die hier verlaufende Gustav-Linie, welche auch die Burg betrafen; danach wurde er über lange Zeit hin wieder aufgebaut. San Vittore erfuhr während des Erdbebens von Anfang Mai 1984 erneut merkliche Beschädigungen. Wegen seiner Lage nahe der Via Casilina und der Autobahn Autostrada del Sole erlebte er aber keine Emigrationswelle im 20. Jahrhundert, sondern verzeichnete sogar ein leichtes Bevölkerungswachstum um etwa 10 Prozent.

Sehenswürdigkeiten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Die Kirche San Nicola steht im unteren Teil des Ortskerns. Sie wird als Gründung griechischer Siedler verstanden und wurde im späten Hochmittelalter erstmals genannt; sie ist heute als Nationaldenkmal eingestuft. Ihr hoher Glockenturm besteht unten aus hellen Hausteinen und ganz oben aus dunklen Basaltsteinen und besitzt ein modernes Pyramidendach. Ursprünglich war die Kirche nur einschiffig und wurde später um ein niedrigeres rechtes Seitenschiff vergrößert, was schon die Außengestalt zeigt, an der zudem die Renovierung des späten 20. Jahrhunderts zu bemerken ist. Der zweischiffige Innenraum weist eine außergewöhnliche Ausstattung aus 1875 aufgedeckten Fresken des 12. Jahrhunderts auf. Im Hauptschiff sieht man Einzelbilder von Heiligen und den Beginn des Jüngsten Gerichtes. An der rechten Längswand sind dessen Fortsetzung, ein Zyklus von Szenen aus dem Leben der heiligen Margarethe von Antiochia sowie ein weiterer mit den sieben Taten der Barmherzigkeit vor dem von Christus in der Mandorla geleiteten Gericht vorhanden: Diese Fresken des 15. Jahrhunderts orientieren sich deutlich an den Darstellungen von Giotto in der Oberkirche von San Francesco in Assisi.
  • Die ansehnliche Collegiata Santa Maria della Rosa zeichnet sich durch einen ebenfalls hohen Glockenturm aus, der vor der Mitte der unregelmäßigen Fassade steht, die sich nicht dem Hauptplatz, sondern dem Abhang der Ortsmauer zuwendet. Aus Hausteinen aufgemauert besitzt er zu ebener Erde das Hauptportal und oben ein Stockwerk mit Monoforienfenstern, über dem eine achteckige Turmstube mit zwei Geschossen sowie eine niedrige Zwiebelkuppel sitzen. Am Ende des Mittelschiffdaches erhebt sich eine nur wenig hohe größere Kuppel. Der dreischiffige Innenraum ist reich an interessanten Ausstattungsgegenständen. Ein Weihwasserbecken mit einer Adlerskulptur stammt von 1601; die hochmittelalterliche Kanzel mit vier auf Löwen stehenden Säulen und zwei Dreipassbögen mit Kosmatenarbeit und Abbildungen von Pfauen zeigt auf der Vorderseite des Kanzelkorbes einen mit ausgebreiteten Flügeln auf einem Buch stehenden Adler über einer Menschenfigur, die von einer Schlange umwunden wird; an der Eingangswand ist das Grabmal des 1352 verstorbenen Bischofs von Chieti, Guglielmo III. Capoferro, aus einer hiesigen Familie angebracht, das eine Inschrift und die Liegefigur des Verstorbenen beinhaltet; das Monument wurde allerdings erst 1736 von der Bürgerschaft gestiftet. Über der Apsis sitzt die Kuppel, unter der sich der marmorne Altar und die moderne Orgel befinden.
  • Auf dem Weg zur Höhe des Ortshügels sind Mauerzüge der Ortsbefestigung mit quadratischen Türmen und einem runden zu sehen; an der zentralen Piazza Municipio steht außerdem ein großes Eingangstor: Eine Inschrift fordert hier den Leser auf, der Anwesenheit Gottes im Leben immer gewärtig zu sein. Nahebei befindet sich das alte Rathaus mit einem hohen Viereckturm, der Torre Civica, im Baustil des Razionalismo aus der Mussolini-Zeit.
  • Die Kirche Santa Maria del Soccorso oder San Sebastiano weist eine ungewöhnliche Fassade auf, die einen Giebel mit wellenförmig geschlängeltem Serlianabogen bietet. Der einschiffige Innenraum enthält Fresken der Renaissancezeit.
  • Beim Friedhof an der Via Mirteti westlich des Centro Storico steht die Kirche Santa Maria delle Grazie, die 1968 renoviert wurde. Sie präsentiert rechts neben dem angebauten Campanile mit Pyramidendach eine regionaltypische Barockfassade mit ionischen Lisenen, einem Rechteckportal mit einer Bogenlünette, einem Inschriftfeld und einem Oculusfenster, über dem der vorkragende Dreiecksgiebel mit Kreuzbasis als Bekrönung sitzt.

Bevölkerungsentwicklung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jahr 1861 1881 1901 1921 1936 1951 1971 1991 2001 2017
Einwohner 1827 2008 2309 2403 2458 2250 2142 2442 2674 2560

Quelle: ISTAT

Politik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem 26. Mai 2014 ist Nadia Bucci Bürgermeisterin. Sie wurde am 26. Mai 2019 wiedergewählt.

Kulinarische Spezialitäten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine besondere Käsespezialität des Ortes ist der Conciato di San Vittore.

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit dem Jahre 2001 wird im frühen August jährlich die dreitägige Festa Medievale veranstaltet, die mit einem Umzug in historisch nachempfundenen Kostümen verbunden ist.

Söhne und Töchter der Stadt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Guglielmo III. Capoferro, Bischof von Chieti, verstorben 1352.
  • Graf Antonio Mancini, Offizier im Zweiten Weltkrieg und Träger des Kriegsverdienstkreuzes (1915–1990).

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Manuela Gianandrea: La scena del sacro. L'arredo liturgico nel basso Lazio tra XI e XIV secolo, Rom 2006, ISBN 978-88-8334-247-9.
  • Antonio Giannetti: Mura ciclopiche in S. Vittore del Lazio, Colle Marena Falascosa. Probabile identificazione del sito dell'antica Aquilonia, in: Rendiconti dell’Accademia nazionale dei Lincei. Classe di scienze morali, storiche e filologiche 28, 1973, S. 101–112.
  • Wolfgang Meighörner (Hrsg.): Waffen für die Götter. Krieger, Trophäen, Heiligtümer, Innsbruck 2012, ISBN 978-3-900083-40-3.
  • Emanuele Nicosia, Manuela Tondo, Dante Sacco: Ricerche archeologiche e topografiche nel Comune di San Vittore del Lazio (Frosinone), in: Giuseppina Ghini (Hrsg.): Lazio e Sabina. Atti del Convegno Ottavo Incontro di Studi sul Lazio e la Sabina, Rom 2012, ISBN 978-88-7140-476-9, S. 623–632.
  • Alessandro Nicosia (Hrsg.): Le mura megalitiche. Il Lazio meridionale tra storia e mito, Rom 2009, ISBN 978-88-492-1689-9.
  • Angelo Pantoni: Le pitture di S. Nicola a San Vittore del Lazio presso Montecassino, in: Bollettino d'Arte 53, 1968, S. 131–135.
  • Ders.: San Vittore del Lazio. Il Novecento e lo stato attuale delle chiese, in: Bollettino diocesano della Diocesi di Montecassino e Prepositura di Attina 30, 1975.
  • Ders.: San Vittore del Lazio. Ricerche storiche e artistiche, Montecassino 2002. ISBN 88-8256-707-9.
  • Emilio Pistilli: Aquilonia in San Vittore del Lazio, San Vittore del Lazio 2003.
  • Popoli dell'Italia antica, gentes fortissimae Italiae: Samnium, Latium et Campania. Le antiche città scomparse, San Vittore del Lazio 2007.
  • Dante Sacco, Antonella Natali, Manuela Tondo, Emanuele Nicosia: Progetto Summa Ocre. I siti d'altura di San Vittore del Lazio tra antichità e medioevo. Colle Santa Maria e Colle Marena Falascosa, in: Giuseppina Ghini, Zaccaria Mari (Hrsg.): Lazio e Sabina. Atti del convegno Nono Incontro di Studi sul Lazio e la Sabina, Rom 2013, ISBN 978-88-7140-565-0, S. 445–456.
  • San Vittore del Lazio. Storia, economia e futuro di un paese, Rom 1990.
  • Vittore Spennato: Il martirologio di San Vittore del Lazio. Le vittime delle guerre del 20. secolo, Cassino 2004.
  • Maurizio Zambardi (Hrsg.): San Vittore del Lazio a sessant'anni dalla guerra. Album delle celebrazioni, San Vittore del Lazio 2005.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bilancio demografico e popolazione residente per sesso al 31 dicembre 2022. ISTAT. (Bevölkerungsstatistiken des Istituto Nazionale di Statistica, Stand 31. Dezember 2022).