Jürgen Möllemann

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 1. Juli 2007 um 01:16 Uhr durch 88.64.177.217 (Diskussion) (→‎Tod: Die Bild-zeitung hatte keine Sonderstellung im Rahmen der Freigabe durch die Staatsanwaltschaft.). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Jürgen Wilhelm Möllemann (* 15. Juli 1945 in Augsburg; † 5. Juni 2003 in Marl-Loemühle) war ein deutscher Politiker (FDP).

Jürgen Möllemann 2002
Jürgen Möllemann bei einem Wahlkampfauftritt

Er war von 1987 bis 1991 Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, von 1991 bis 1993 Bundesminister für Wirtschaft und von 1992 bis 1993 auch deutscher Vizekanzler.

Ausbildung und Beruf

Jürgen Möllemann wuchs am linken unteren Niederrhein in Appeldorn, heute ein Ortsteil von Kalkar, auf. Nach dem Abitur 1965 am Amplonius-Gymnasium in Rheinberg leistete Möllemann zunächst bis 1966 seinen Wehrdienst als Reserveoffizieranwärter bei den Fallschirmjägern ab. Danach absolvierte er ein Studium der Fächer Deutsch, Geschichte und Sport an der Pädagogischen Hochschule in Münster, das er 1969 mit dem ersten und 1971 mit dem zweiten Staatsexamen für das Lehramt an Grund- und Hauptschulen beendete. Seit 1993 war Möllemann Inhaber der Beratungsfirma WEB/TEC - Wirtschafts- und Exportberatung.

Familie

Möllemann war in zweiter Ehe verheiratet mit Carola Möllemann-Appelhoff (* 1949), Münsteraner Ratsmitglied von 1979-94 und seit 1999 Ratsvorsitzende für die FDP. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter hervor, aus erster Ehe hatte er noch eine Tochter.

Partei

Von 1962 bis 1969 war er Mitglied der CDU.

Von 1970 bis zu seinem Austritt am 17. März 2003 war er Mitglied der FDP. Von 1975 bis 1982 gehörte Möllemann dem Landesvorstand der nordrhein-westfälischen FDP an, von 1982 bis 1983 war er zunächst stellvertretender Vorsitzender und schließlich von 1983 bis 1994 sowie von April 1996 bis Oktober 2002 Landesvorsitzender der FDP Nordrhein-Westfalen. Möllemann musste bereits 1994 als Landesvorsitzender zurücktreten, da er sich mit dem damaligen FDP-Bundesvorsitzenden und Außenminister Klaus Kinkel überworfen hatte und in seiner Kritik sowohl in seinem eigenen Landesverband wie in der Bundespartei keinen ausreichenden Rückhalt fand.

Von 1981 bis 1997 sowie von Mai 1999 bis März 2002 war er Mitglied im FDP-Präsidium. Vom Mai 2001 bis September 2002 war er Stellvertretender Bundesvorsitzender. Bei der Landtagswahl 2000 in Nordrhein-Westfalen gelang der FDP unter seiner Führung nach fünf Jahren Abwesenheit mit einem Ergebnis von 9,8 % der Stimmen der Wiedereinzug in den Landtag.

Abgeordneter

Von 1972 bis 2000 sowie ab Oktober 2002 war er Mitglied des Deutschen Bundestages. Im Februar 2003 trat er aus der FDP-Bundestagsfraktion aus. Jürgen Möllemann war zuletzt (15. Wahlperiode 2002) über die Landesliste Nordrhein-Westfalen in den Deutschen Bundestag eingezogen. Seit 2000 war er außerdem Mitglied des Landtages von Nordrhein-Westfalen. Hier war er bis Oktober 2002 Vorsitzender der FDP-Landtagsfraktion. Im März 2003 schied er auch hier aus der FDP-Fraktion aus.

Öffentliche Ämter

Nach dem Regierungswechsel im Oktober 1982 wurde er zum Staatsminister im von Hans-Dietrich Genscher geleiteten Auswärtigen Amt ernannt. Nach der Bundestagswahl 1987 wurde er dann am 12. März 1987 als Bundesminister für Bildung und Wissenschaft in die von Bundeskanzler Helmut Kohl geführte Bundesregierung berufen.

Nach der Bundestagswahl 1990 übernahm er am 18. Januar 1991 die Leitung des Bundesministeriums für Wirtschaft. Nach dem Rücktritt von Hans-Dietrich Genscher wurde er dann zusätzlich am 18. Mai 1992 zum Stellvertreter des Bundeskanzlers ernannt. Nach der so genannten Briefbogen-Affäre schied er aus beiden Ämtern am 21. Januar 1993 aus.

Gesellschaftliche Ämter

Von 1981 bis 1991 sowie seit 1993 und von 1995 bis zu seinem Tode 2003 war Möllemann Präsident der Deutsch-Arabischen Gesellschaft. Seit 1998 war er Mitglied im Aufsichtsrat des Fußballvereins FC Schalke 04. Daneben war er auch Präsident des Fallschirmclubs Münster.

Politisches

Die Karriere des Politikers Jürgen Möllemann war von extremen Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Neben zahlreichen Erfolgen und Anerkennungen, z. B. als Bundesminister für Bildung und Wissenschaft, gab es einige politische Skandale. Vom Amt des Bundesministers für Wirtschaft musste er zurücktreten, da er dessen offizielles Briefpapier verwendet hatte, um in einem Brief für die Geschäftsidee eines Schwagers seiner Ehefrau zu werben. Dies wurde als Briefbogen-Affäre bekannt.

Möllemann verstand es Themen zu positionieren, zu polarisieren, die Medien für sich zu nutzen und die Menschen zu begeistern - aber auch abzustoßen. 1994 trat der komplette NRW-Landesvorstand der FDP zurück, um auch den Vorsitzenden Möllemann zum Rücktritt zu zwingen. Bereits zwei Jahre später war er wieder im Amt und führte die Landespartei im Wahlkampf 2000 zu einem ungewöhnlichen Erfolg: Die FDP, die fünf Jahre nicht im Düsseldorfer Landtag vertreten war, wurde dank seiner Wahlkampfstrategie mit 9,8 % Stimmenanteil in den Landtag NRW zurückgewählt. Möllemann war gemeinsam mit dem früheren FDP-Bundesgeschäftsführer Fritz Görgen Gründer des Projekt 18, für das er bald auch in der Bundespartei gelobt wurde. Medienberichte brachten Möllemanns Firma WebTec mit Waffengeschäften im arabischen Raum in Verbindung. Anfang April 2004 berichtete die Süddeutsche Zeitung unter Berufung auf einen internen Aktenvermerk des LKA Nordrhein-Westfalen, dass das Unternehmen vorwiegend Geschäfte mit Briefkastenfirmen in Liechtenstein und Monaco gemacht habe.

Im Zuge der Eskalation des Israel-Palästina-Konfliktes übte er im Jahr 2002 scharfe Kritik am Vorgehen Israels und äußerte dabei Verständnis für die Selbstmordattentate der Palästinenser. Jamal Karsli (damals noch bei den Grünen) hatte von einem „Vernichtungskrieg“ des Ariel Scharon gegen die Palästinenser gesprochen und eine seiner Meinung nach diskussionsverhindernde „zionistische Lobby“ zugunsten dieser Kriegspolitik kritisiert. Als Karsli auf Initiative Möllemanns hin in die FDP-Fraktion NRWs aufgenommen wurde, gab es dagegen starken Widerstand vor allem der jüdischen Gemeinschaft und einiger prominenter FDP-Mitglieder wie Hildegard Hamm-Brücher.

Möllemann attackierte bei der Zurückweisung dieser Angriffe gegen seine Person insbesondere Michel Friedman, den damaligen Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, in einem ZDF-Interview: „Ich fürchte, dass kaum jemand den Antisemiten, die es in Deutschland leider gibt und die wir bekämpfen müssen, mehr Zulauf verschafft hat als Herr Scharon und in Deutschland ein Herr Friedman mit seiner intoleranten und gehässigen Art, überheblich. Das geht so nicht, man muss in Deutschland Kritik an der Politik Scharons üben dürfen, ohne in diese Ecke geschoben zu werden.

Viele Medien sahen in dieser Charakterisierung Friedmans eine "Aufwärmung antisemitischer Klischees". Politiker anderer Parteien nutzten dies im Wahlkampf und warfen Möllemann "Antisemitismus" vor. Möllemann, Westerwelle und einige FDP-Mitglieder wiesen diesen Vorwurf empört zurück. Kurz vor der anstehenden Bundestagswahl 2002 gipfelte der Konflikt in einem umstrittenen Flugblatt, welches Möllemann an alle Haushalte in Nordrhein-Westfalen verteilen ließ; darin wurden Ariel Scharon und Michel Friedman angegriffen, was zu einer Ablehnung dieser Aktion über die Parteigrenzen hinweg sowie zu einer Antisemitismus-Debatte führte. Das Satiremagazin Titanic persiflierte daraufhin Möllemanns Aussagen und den Spaßwahlkampf von Guido Westerwelle, indem es in Anlehnung an dessen Guidomobil mit einem „Möllemobil“ in der Eisenacher Fußgängerzone vorfuhr und Plakate mit antisemitischen Parolen („Judenfrei und Spaß dabei“; "Gib endlich Fried, Mann!") aufstellte. Nach dem für die FDP bundesweit enttäuschenden Wahlergebnis drohten die erbitterten Diskussionen zwischen den Gegnern und den Befürwortern Möllemanns die Partei zu spalten. Mit Ausnahme einiger Landesverbände distanzierte sich die FDP von dem Flugblatt und bemühte sich herauszustellen, dass es sich bei dem Flugblatt um kein offizielles Werbematerial der Partei gehandelt habe.

Als Details der fragwürdigen Finanzierung des Flugblattes bekannt wurden, nahm der Konflikt eine andere Richtung: Möllemann verlor immer mehr den Rückhalt in der FDP und schließlich drohte ihm sogar ein Parteiausschlussverfahren. Nach der gebrochenen Zusicherung, sein 2002 gewonnenes Bundestagsmandat wieder aufzugeben, kam er dem vom Parteivorstand beschlossenen Ausschluss zuvor und trat daraufhin im März 2003 aus der FDP aus.

Tod

Möllemann war ein leidenschaftlicher Fallschirmspringer und hatte seine Absprünge häufig auch für Wahlkampfauftritte in Szene gesetzt. Am 5. Juni 2003 nahm er sich offenbar das Leben, indem er bei Marl-Loemühle einen Fallschirmsprung durchführte und sich aus dem Fallschirm ausklinkte.

Der am 9. Juli des Jahres vorgelegte Abschlussbericht der untersuchenden Staatsanwaltschaft Essen schloss Fremdverschulden als Todesursache aus, es konnte aber nicht abschließend geklärt werden, ob es sich um einen Unfall oder um Suizid gehandelt hatte. Die Staatsanwaltschaft erwähnt dabei nicht, dass die Polizei zwei Tage lang das Sprungfeld nach einem fehlenden Metallteil durchkämmt hatte (dafür war sogar gemäht worden), und es gab keine Auskunft, wo nach dem Tod Möllemanns das elektronische Sicherheitssystem abgeblieben war. [1] Spekulationen über Suizid-Motive hingegen wurde breiter Raum gelassen. Festgestellt wurde, dass Möllemann nach Öffnung des Hauptschirms in mindestens 1600 Meter Höhe (oberhalb der Standardöffnungshöhe eines Tandemfallschirms von 1500 Meter Höhe (Augenzeuge) und etwa zweiminütiger kontrollierter Schirmfahrt (plausible Steuerungsbewegungen in beide Richtungen korrespondierend mit dem Standardanflugprozedere zur Vorbereitung einer sicheren Landung auf dem Sprungplatz (Augenzeugen) diesen in maximal 1000 Meter abgetrennt (Ziehen des Trennkissens zwecks Öffnung des Drei-Ring-Systems zur Freigabe der Haupttragegurte des Hauptfallschirms), den Reservefallschirm aber nicht durch Ziehen des Reservegriffs ausgelöst hatte. Ein mitgeführtes elektronisches Sicherheitssystem, das den Reservefallschirm automatisch hätte auslösen können, war abgeschaltet. Es wird daher allgemein von Suizid ausgegangen.[2] Die These der Selbsttötung untermauern auch seine letzten Worte. Die zehn Sportkameraden, die mit ihm in die Luft gingen, hatten ihn gefragt, ob er wie oft zuvor einen Formationsflug, den „Sechserstern“, mitmachen würde. Der Politiker erklärte daraufhin: „Heute springe ich meinen eigenen Stern.

Die nicht vollständig geklärten Todesumstände und Aussagen verschiedener Freunde Möllemanns führten zu Verschwörungstheorien über eine Ermordung.[3][4] Ende Juni 2007 wurden private Filmaufnahmen eines Fallschirmspringerkameraden des letzten Sprunges von Möllemann öffentlich gemacht.

[5][6] Aus der Bildanalyse des Videos, welches der Staatsanwaltschaft Essen schon während der Ermittlung vorlag, ergeben sich für diese nach eigenen Angaben allerdings keine neuen Erkenntnisse:[7]Man kann nicht ausschließen, dass es Selbstmord war, man kann es aber auch nicht sicher sagen“, so die Staatsanwaltschaft.[8]

Weniger als eine halbe Stunde vor dem tödlichen Sprung hatte der Deutsche Bundestag Möllemanns Immunität aufgehoben. Daraufhin durchsuchten Ermittler der Polizei und die Staatsanwaltschaft im Rahmen von Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung sowie des Verstoßes gegen das Parteiengesetz Liegenschaften und Geschäftsräume in verschiedenen Ländern. Nach dem Tod von Jürgen Möllemann wurden die Ermittlungen in dem Strafverfahren eingestellt.

Im Dezember 2004 wurde ein Insolvenzverfahren über seinen Nachlass eröffnet.

Jürgen Möllemann wurde auf dem Zentralfriedhof im westfälischen Münster bestattet.

Trivia

  • Möllemann untermauerte seinen Führungsanspruch einmal mit der Aussage: „Wo ich bin ist oben. Und wenn ich mal unten bin, ist unten eben oben.[9]
  • Franz Josef Strauß bezeichnete Möllemann einmal spöttisch als „Riesenstaatsmann Mümmelmann“.[10]
  • Hermann Otto Solms prägte den wohl beliebtesten Spottnamen für Möllemann, als er ihn als „Quartalsirren“ titulierte (vgl. Quartalsäufer).
  • „Möllemann ist kein Quartalsirrer. Die Zyklen sind viel kürzer.“, Dirk Niebel, 18. Oktober 2002
  • Der ist mein Schicksal, wie Strauß es für Kohl war“, Guido Westerwelle

Siehe auch

Werke

Weblinks und Pressemitteilungen

Quellennachweis

  1. Tagesschau-Meldung vom 7.6.2003
  2. „Ermittlungsverfahren betreffend den Tod des Herrn Jürgen W. Möllemann am 05.06.2003“ der Staatsanwaltschaft Essen
  3. Mordverdacht Möllemann: Strafanzeige erstattet zitiert nach T-Online News (Kopie)
  4. Fallschirmtod - kritische Analyse beim Institut für Medienanalyse und Friedensforschung
  5. „Video von Möllemans Todessturz aufgetaucht“ Welt.de vom 29. Juni 2007
  6. „Amateurvideo von Möllemanns Todessturz aufgetaucht“ Spiegel-Online vom 29. Juni 2007
  7. „Ermittler: Keine neuen Erkenntnisse durch Möllemann-Video“ HNA-Online/dpa vom 29. Juni 2007
  8. Möllemanns Tod bleibt unaufgeklärt in Netzeitung
  9. Der Tag als Jürgen W. Möllemann in den Tod sprang bei YouTube vom 25. April 2007
  10. Spiegel-Interview, Januar 1983 (lt. „Ist der normal?“ - Zitate von und über Jürgen Möllemann - eine Auswahl, WDR-Online, gesichtet 30. Januar 2007)