Julius Leber

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Julius Leber in den frühen 1920er Jahren
Julius Leber im Volksgerichtshof (vermutlich am 20. Oktober 1944)

Julius Leber (auch Jules; * 16. November 1891 in Biesheim, Elsass; † 5. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee) war ein deutscher SPD-Politiker, Reichstagsabgeordneter und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Leben

Julius Leber wurde als nichtehelicher Sohn von Katharina Schubetzer geboren und später von deren Ehemann, dem Maurer Jean Leber, an Kindes statt angenommen. In der Jugend wurde Leber entscheidend geprägt von seinem Großvater, der Frankreich zugeneigt war. Demgemäß trat er für die Autonomie des 1871 beim Frieden von Frankfurt zum Deutschen Reich gekommenen Elsaß-Lothringen ein. Durch die Fürsprache des Ortsgeistlichen kam er 1902 auf die Höhere Bürgerschule (heute: Martin-Schongauer-Gymnasium Breisach) im badischen Breisach, 1908 schloss Leber dort seine Schulausbildung mit der Mittleren Reife ab und absolvierte eine kaufmännische Ausbildung in einer Tapetenfabrik in Breisach. Ab 1910 besuchte er in Freiburg im Breisgau die Unterprima der Oberrealschule und schrieb nebenbei Zeitungsberichte. Außerdem gab er Nachhilfeunterricht, um seine Ausbildung zu finanzieren. Bereits als Schüler trat er im Jahre 1912 der SPD bei.[1]

Nach dem Abitur 1912 studierte Leber in Straßburg Nationalökonomie und Geschichte. Im Wintersemester 1912/13 trat er dem Katholischen Studentenverein Rheno-Frankonia (später Rheinpfalz Köln im KV) bei, wurde dort aber im Sommersemester wegen des Verstoßes gegen das Prinzip fides ausgeschlossen. Ab dem Wintersemester 1913/14 studierte er an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. 1914 meldete sich Leber freiwillig zum Kriegsdienst.

Als Soldat wurde er zweimal verwundet. Er wurde zum Leutnant befördert und diente nach Kriegsende in der Reichswehr bei Grenzschutztruppen im Osten. Beim Kapp-Putsch 1920 stellte er sich mit seiner Einheit von Belgard aus auf die Seite der Republik. Danach schied er aus Protest aus der Reichswehr aus. Nach anschließendem weiteren Studium wurde er an der Universität Freiburg zum Dr. rer. pol. promoviert.

1921 wurde Leber Chefredakteur des sozialdemokratischen Lübecker Volksboten – für den Anfang der Dreißiger Jahre auch Willy Brandt, damals noch Schüler, schrieb – und war in der Zeit von 1921 bis 1933 Mitglied der Lübecker Bürgerschaft. Er war erklärter Gegner des deutschnational eingestellten Lübecker Bürgermeisters Johann Martin Andreas Neumann. Mit einer mehrjährigen Kampagne gegen ihn führte er 1926 dessen Rücktritt herbei. Das war die Voraussetzung für die Wahl von Paul Löwigt zum ersten sozialdemokratischen Bürgermeister Lübecks. Als Reichstagsabgeordneter für die SPD von 1924 bis 1933 befasste er sich vor allem mit der Wehrpolitik.[2] Dabei rückte er mehr und mehr von den marxistischen Theorien ab und gehörte zum Reformflügel seiner Partei. Am 21. November 1927 heiratete er in Lübeck Annedore Rosenthal, die Tochter des Direktors des Katharineums, Georg Rosenthal. Leber war Mitglied des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold und gehörte dem reformorientierten Freimaurerbund Zur aufgehenden Sonne an.[3]

Am Abend des 31. Januar 1933 veranstalteten NSDAP, SA, SS, Stahlhelm und der Preußische Landeskriegerverband einen Fackelzug zu Ehren der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, bei dem es zu schweren Zusammenstößen zwischen der sie beschützenden Polizei und den Mitgliedern des Reichsbanners sowie der Antifaschistischen Aktion kam. In den Morgenstunden des 1. Februar 1933 kam es zu weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen dem Reichsbanner und einer SA-Gruppe. Dabei stach Lebers Reichsbanner-Leibwächter Willi Rath den SA-Marinesturmmann Rudolf Brügmann nieder, der diesen Verletzungen erlag. Unter Missachtung seiner Immunität als Mitglied des Reichstags wurde Leber verhaftet, was zu großen Demonstrationen der Eisernen Front am 14. und 19. Februar 1933 führte. Rath wurde zu einem Jahr, Leber als „geistiger Urheber“ zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Anschließend wurde Leber von 1935 bis 1937 im KZ Esterwegen und im KZ Sachsenhausen festgehalten. Nach seiner Entlassung arbeitete er getarnt als Kohlenhändler in Berlin-Schöneberg im Widerstand und wurde hier unter anderem von Gustav Dahrendorf, dem Vater von Ralf Dahrendorf, von Ernst von Harnack und Ludwig Schwamb unterstützt.

1940 suchte er Kontakt zur Wehrmachtsführung und lernte Claus Graf Schenk von Stauffenberg kennen. Er hatte in der Folgezeit Kontakt zu Carl Friedrich Goerdeler und zum Kreisauer Kreis um Helmuth James Graf von Moltke. In den Putschplänen des Kreises um Stauffenberg war Leber als Innenminister vorgesehen. Fritz-Dietlof Graf von der Schulenburg setzte sich für ihn als zukünftigen Kanzler ein. Sein bürgerlicher Mitverschwörer Hans Bernd Gisevius betrachtete ihn dagegen als zu weit links stehend.[4]

Leber wurde bereits am 5. Juli 1944, also vor dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944, von der Gestapo verhaftet. Ende Juni 1944 hatte er zusammen mit Adolf Reichwein an einer Besprechung mit drei hochrangigen Vertretern der Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation teilgenommen, die aber höchstwahrscheinlich einen Spitzel der Gestapo in ihren Reihen hatten.[5] Am 20. Oktober fand vor dem Volksgerichtshof ein Schauprozess gegen Leber, Adolf Reichwein, Hermann Maaß und Gustav Dahrendorf statt. Leber wurde zum Tode verurteilt, das Urteil am 5. Januar 1945 in Plötzensee vollstreckt.

Sein Grab befindet sich auf dem Waldfriedhof Zehlendorf. Die Grabstätte in der Abt.XVI-W-701/702 gehört zu den Ehrengräbern des Landes Berlin.

Ehrungen

Die Julius-Leber-Kaserne in Berlin-Wedding, die Julius-Leber-Brücke in Berlin-Schöneberg samt gleichnamigem S-Bahnhof, die angrenzende Leberstraße, die Julius-Leber-Kaserne in Husum sowie die Julius-Leber-Straße in Moers, die Dr.-Julius-Leber-Straße in Lübeck und die Julius-Leber-Straße in Bonn tragen seinen Namen. In Bremerhaven befindet sich im Stadtteil Leherheide der Julius-Leber-Platz. Seit 1992 erinnert in Berlin in der Nähe des Reichstags eine der 96 Gedenktafeln für von den Nationalsozialisten ermordete Reichstagsabgeordnete an Leber.

In Neustadt am Rübenberge existiert ebenfalls eine Julius-Leber-Straße, ebenso wie in Köln-Longerich und Braunschweig-Kanzlerfeld als Bestandteil zweier Neubaugebiete mit Namen bekannter . Ähnlich liegt der Fall in Leverkusen-Alkenrath, Bonn-Duisdorf, Meckenheim und in Baesweiler bei Aachen. Auch in Bielefeld, Hamburg-Altona, Diepholz, Bremen, Nordhorn, Wismar, Stralsund, Wesel, Göttingen, Kiel, Nürnberg, Regensburg (Ortsteil Burgweinting), Memmingen, Mülheim an der Ruhr, Hachenburg, Hürth, Aschaffenburg, Aalen, Paderborn, Koblenz, Soltau, Hanau, Lüneburg, Oldenburg (Oldb) sowie in Varel gibt es eine Julius-Leber-Straße, ebenso in Erfurt, Krailling und Schongau einen Julius-Leber-Ring. In Essen befindet sich das Julius-Leber-Haus, welches als Bildungszentrum, Alten- und Jugendtreff dient.

Die Gesamtschule Julius-Leber-Schule in Hamburg-Schnelsen hat in seinem Namen eine Ausstellung, des Weiteren tragen die Grund-, Haupt- und Werkrealschule in Breisach und eine Schule in Frankfurt am Main und eine Straße in Frankfurt am Main, Ortsteil Frankfurt-Sossenheim, den Namen Julius Lebers. In Ellwangen (Jagst), einem Gebiet bekannter Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, sowie in Wilhelmshaven (Stadtteil Altengroden), in Ulm (Stadtteil Böfingen), in Itzehoe abgehend von der Geschwister-Scholl-Allee, in Hannover (Stadtteil Mühlenberg) und in Wedel/Holstein existiert ein Julius-Leber-Weg.

In Kiel (Stadtteil Wellsee) gibt es im Neubaugebiet die Julius-Leber-Straße. In Münster (Westfalen) gibt es im Aasee-Viertel ebenfalls eine Julius-Leber-Straße, ebenso im Stadtteil Baumberg der Stadt Monheim am Rhein. Seit 1961 heißt eine Straße in Hildesheim Julius-Leber-Grund. In Neuss gibt eine Julius-Leber-Straße in einem Stadtviertel mit Straßennamen diverser Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Am Denkmal der 96 ermordeten Reichstagsabgeordneten vor dem Berliner Reichstag ist eine Platte Julius Leber gewidmet.

Die ehemalige Kohlenhandlung existiert heute nicht mehr, da das Gelände 1944 von einer Bombe getroffen wurde. Die Baracke, die heute noch auf dem Gelände steht, ist ein von Annedore Leber in den 50er Jahren Auftrag gegebener und seitdem mehrfach veränderter und erweiterter Bau. Gegen den Abriss dieses Gebäudes hat sich Widerstand entwickelt. Ein Arbeitskreis, dem der Stadtteilladen Schöneberg, die Geschichtswerkstatt und weitere Anwohner angehören, setzt sich gegen den Abriss und für einen Lern- und Gedenkort an dieser Stelle ein. Am Beispiel von Annedore und Julius Leber soll der Widerstand gegen den Nationalsozialismus nachvollziehbar werden.

Literatur

Weblinks

Commons: Julius Leber – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Niedersächsische Landeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Justiz im Nationalsozialismus. Verbrechen im Namen des Volkes. Katalog zur Ausstellung. S. 38. Nomos Verlag, Baden-Baden 2002, ISBN 3-7890-8178-7.
  2. Reichstagshandbuch, 3. Wahlperiode, 1924, S. 298
  3. Tom Goeller: Freimaurer- Aufklärung eines Mythos. be.bra verlag, Berlin 2006, ISBN 978-3-89809-071-1 (S.130)
  4. Hans Bernd Gisevius: Bis zum bittern Ende. II. Band. Fretz & Wasmuth, Zürich 1946, S. 279
  5. Hans Bernd Gisevius: Bis zum bittern Ende. II. Band. Fretz & Wasmuth, Zürich 1946, S. 280