Biblische Erzählung

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Biblische Erzählungen, auch Bibelgeschichten oder biblische Geschichten genannt, sind mehr oder minder freie Nacherzählungen biblischer Stoffe, entweder mündlich durch einen Erzähler (zum Beispiel in einem Erzählzelt auf Kirchentagen) oder traditionell als Lektüre von biblischen Geschichtensammlungen, häufig in vereinfachter Sprache in sogenannten Kinderbibeln.

Einige biblische Erzählungen sind im allgemeinen Sprachgebrauch sprichwörtlich geworden oder werden in feststehenden Redewendungen verwendet, wie das salomonische Urteil, der Tanz ums goldene Kalb, ungläubiger Thomas oder sintflutartiger Regen.

Themen und Inhalt

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Während bei Bibelgeschichten aus dem Alten Testament die biblische Urgeschichte und das Handeln Gottes mit dem Volk Israel im Vordergrund stehen, bilden bei biblischen Erzählungen, die ihren Stoff aus dem Neuen Testament beziehen, meist Ereignisse um das Wirken Jesu Christi den Schwerpunkt. Zu den biblischen Geschichten zählt man nicht zuletzt auch die zahlreichen Gleichnisse, die Jesus seinen Zuhörern zu erzählen pflegte.

In biblischen Erzählungen findet sich ein weites Spektrum menschlicher Erfahrungen, Erkenntnisse und Emotionen.

Fehlverhalten wird nicht beschönigt, sondern offengelegt. Bibelgeschichten kennen keine Tabus, egal ob es sich um Mord, Ehebruch, Lüge, Betrug, Intrigen, Diebstahl oder Vergewaltigung handelt. Aber auch wenn sich Menschen zum Guten ändern, indem sie Reue zeigen oder Buße tun und Vergebung ihrer Sünden empfangen, wird das genau berichtet.

Nacherzählte Bibelgeschichten

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Die Wiedergabe biblischer Erzählungen hat eine lange Tradition in der religiösen Erziehung in Familie und Gottesdienst. In vielen christlichen Familien wird Kindern aus Kinderbibeln vorgelesen und die Kinder erfahren unterschiedliche Bibelgeschichten auch beim Besuch von Kindergottesdiensten oder der Sonntagsschule. Das Verschenken von Büchern mit biblischen Geschichten aus Anlass der Erstkommunion, an Kindergeburtstagen oder zu Weihnachten ist eine gängige Praxis. Auch im Religionsunterricht, besonders in der Grundschule, werden durch Lesen und Besprechung biblischer Erzählungen elementare Kenntnisse der Heiligen Schrift vermittelt. Lesungen von Bibelgeschichten bilden oft auch die Basis für Predigten in Gottesdiensten.

In den USA wurde 1977 das Network of Biblical Storytellers (NOBS) gegründet, das sich der Ausbildung von professionellen Erzählern biblischer Geschichten verschrieben hat.[1] Inzwischen gibt es Ableger dieses Netzwerkes in Australien, Kanada, Großbritannien und Singapur. In Melbourne, Australien, hat sich die Theatergruppe The Backyard Bard auf das Erzählen biblischer Geschichten auf der Bühne spezialisiert.[2]

Verständnis literarischer Erzählweisen in der Bibel

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Für viele praktizierende Christen ist die „Irrtumslosigkeit“ der Bibel sehr wichtig. Probleme können entstehen, wenn einzelne Züge biblischer Erzählungen im Widerspruch zu Erkenntnissen der Naturwissenschaft oder der Archäologie stehen. Einzelne Bibelforscher greifen zu mitunter skurrilen natürlichen Erklärungsversuchen für biblische Erzählungen, zum Beispiel Blitzeis auf dem See Genezareth, so dass Jesus scheinbar auf dem Wasser laufen konnte,[3] oder deuten die Berichte über die Sintflut als einen lokalen Tsunami.

Die Vertreter der historisch-kritischen Methode der Bibelauslegung sind der Meinung, dass in der Bibel auch literarische Gattungen wie Mythen und Legenden benutzt werden, um das Mysterium des Heilswirkens Gottes am Menschen und in der Welt zum Ausdruck zu bringen. Diese Hermeneutik hat sich die römisch-katholische Kirche in der Apostolischen Konstitution Dei verbum zu eigen gemacht: Die „Wahrheit“ der Bibel sei nicht immer bzw. nur die historische Richtigkeit und Tatsächlichkeit des Dargestellten, sondern „die Wahrheit wird je anders dargelegt und ausgedrückt in Texten von in verschiedenem Sinn geschichtlicher, prophetischer oder dichterischer Art, oder in anderen Redegattungen. … Will man richtig verstehen, was der heilige Verfasser in seiner Schrift aussagen wollte, so muß man schließlich genau auf die vorgegebenen umweltbedingten Denk-, Sprach- und Erzählformen achten, die zur Zeit des Verfassers herrschten, wie auf die Formen, die damals im menschlichen Alltagsverkehr üblich waren.“[4]

Jesus von Nazaret und die meisten seiner Zuhörer waren Juden. Jesus predigte im Vorstellungsrahmen des jüdischen Volkes und stellte sich bewusst in den Traditionszusammenhang der göttlichen Erwählung des Volkes Israel: „Denkt nicht, ich sei gekommen, um das Gesetz und die Propheten aufzuheben! Ich bin nicht gekommen, um aufzuheben, sondern um zu erfüllen.“ Mt 5,17 EU Er sprach in Gleichnissen und bezog sich auf Motive des jüdischen Tanach wie Adam und Eva (Mt 19,4 GNB), Lot und dessen Frau (Lk 17,28–32 GNB), Mose, Salomo oder die Königin von Saba (Mt 12,42 GNB) sowie auf Ereignisse wie die Sintflut und die Arche Noah (Lk 17,26–27 GNB), die Vernichtung von Sodom und Gomorra oder auf Jona im Bauch des großen Fisches (Mt 12,40–41 EU).

Kenntnis in der Bevölkerung

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Anbetung der Hirten, Gemälde von Giorgione, ca. 1500
Lot flieht aus Sodom, Holzschnitt aus der Schedelschen Weltchronik, 1493

Zu den bekanntesten biblischen Erzählungen gehören:

Nico ter Linden war ein bekannter Erzähler biblischer Geschichten. Lesung aus seinem Buch „Joseph, der Träumer“ in der Christuskirche Mönchengladbach 2016

Gehörte die Kenntnis vieler biblischer Erzählungen in christlich geprägten Ländern über Jahrhunderte praktisch zur Allgemeinbildung, so ist dieses Wissen sowohl unter Erwachsenen als auch unter Kindern und Jugendlichen in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen, obwohl das Angebot an verfügbaren Bibelübersetzungen und von im Buchhandel angebotenen Kinderbibeln ständig zugenommen hat.

Bei zwei repräsentativen Umfragen des Instituts für Demoskopie Allensbach aus den Jahren 1995 und 2005 kannte nur die Hälfte der Befragten mehr als 7 von 19 bekannten Bibelgeschichten. 24 % hatten überhaupt keine Bibelkenntnisse. Besonders im Osten Deutschlands und unter Jugendlichen waren die biblischen Erzählungen wenig bekannt.[5] Als Gründe dafür werden eine zunehmende Kirchenferne und Entfremdung von christlichen Traditionen bei vielen Menschen, die wachsende Zahl von Kirchenaustritten, aber auch die stark angewachsene Konkurrenz durch unterschiedlichste Medien und Unterhaltungsangebote angesehen.

In Italien beunruhigte im November 2005 die mangelnde Kenntnis der Heiligen Schrift eine Gruppe italienischer Intellektueller um den Schriftsteller Umberto Eco und den Philosophen Gianni Vattimo so sehr, dass diese mit einer Unterschriftenkampagne ihrer Forderung Nachdruck verleihen wollten, die Bibel wieder stärker in den Schulunterricht einzubeziehen, weil sich die Unkenntnis biblischer Erzählungen zunehmend „negativ auf das Verständnis von Kunst, Musik, Literatur, Politik und Wirtschaft“ auswirke.[6]

Biblische Erzählungen in der Kunst

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Biblische Erzählungen bilden Motive zahlreicher künstlerischer Verarbeitungen, unter anderem in der Bildenden Kunst, Literatur oder Musik, und waren Basis für etliche Verfilmungen von biblischen Stoffen.

Beispiele aus der Bildenden Kunst

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Sintflutbrunnen im Coburger Rosengarten
Simsonbrunnen in Gera
Das Abendmahl, Gemälde von Leonardo da Vinci, 1494 bis 1498

Beispiele aus der Literatur

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Beispiele aus der Musik

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Die Musikgeschichte ist untrennbar mit biblischen Erzählungen verbunden. So sind ganze Gattungen hauptsächlich diesem Themenbereich verpflichtet: Oratorium, Choral, Motette, Messe, Requiem. Neben der expliziten Kirchenmusik sind in allen textgebundenen musikalischen Formen unter anderem auch biblische Erzählungen verarbeitet,[7] bis hin zu biblischen Anspielungen in populärer Musik, wie zum Beispiel Jesus in der Popmusik.

Auswahl biblischer Erzählungen im Alten Testament

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Adam und Eva (span. Buchmalerei, ca. 950)
Kains Brudermord im Ulmer Münster von Hans Acker, um 1430
Friedrich Overbeck: Verkauf Josephs an die ägyptischen Händler
Philipp Veit: Joseph und Potiphars Frau, 1816–1817
Peter von Cornelius: Joseph deutet die Träume des Pharaos
Mose und die zehn Gebote, Gemälde von Jusepe de Ribera
Bileam und der Engel, Gemälde von Gustav Jaeger, 1836
Ruth im Feld des Boaz, Gemälde von Julius Schnorr von Carolsfeld, 1828
Delila schert Simson die Haare, Kupferstich von Meister E. S.
Deckenfresko im Herbergstrakt vom Pfarrhof Frauenberg an der Enns: Das Salomonische Urteil
Elia wird von Raben ernährt, Gemälde von Gillis van Coninxloo, Ende 16. Jahrhundert
Niederlage Sanheribs vor Jerusalem, Peter Paul Rubens, 1. Hälfte 17. Jahrhundert
Jona predigt zu den Nineviten, von Gustave Doré
Daniel in der Löwengrube, Gemälde von Briton Rivière, 1890
  • König Hiskija
    • Die Assyrer belagern Jerusalem
    • Sanheribs Heer wird durch einen Engel JHWHs vernichtet
  • Joschija lässt den Tempel renovieren
  • Jeremia warnt vor dem Götzendienst und der Strafe Gottes
  • Jerusalem und der Tempel werden zerstört

Auswahl biblischer Erzählungen im Neuen Testament

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Die Hochzeit zu Kana, Julius Schnorr von Carolsfeld, 1820
Peter von Cornelius: Die klugen und die törichten Jungfrauen, Öl auf Leinwand, 1813–1819
Einzug Jesu in Jerusalem, Lithographie von Otto Speckter
Giotto di Bondone: Jesus vertreibt die Händler aus dem Tempel
El Greco: Ausgießung des Heiligen Geistes
Die Bekehrung des Paulus in der Interpretation Caravaggios
Apokalyptisches Lamm auf dem Buch mit sieben Siegeln, Johann Heinrich Rohr, um 1775
Johannes schaut auf Patmos die Visionen der Offenbarung, Altarbild von Hans Memling
  • Ohne ihre Kenntnis ist nicht zu begreifen, wie Europa wurde, was es ist. Auch die großen Schöpfungen der europäischen Literatur, Musik und Malerei erschließen sich kaum, wenn man nichts von der Bibel weiß… Wer Antworten sucht, wird nicht selten erschrecken über den radikalen Absolutheitsanspruch, den der Gott der Bibel an seine Gläubigen stellt, und staunen über noch nie gehörte oder längst vergessene Geschichten. Man kann diese Geschichten für reine Fiktion halten, also für bloße Literatur aus versunkener Zeit. Kennen sollte man sie trotzdem, denn selbst wenn es bloße Literatur wäre, handelte es sich immerhin um Weltliteratur. Um weltverändernde Literatur.Christian Nürnberger[8]
Portal: Bibel – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Bibel
Info: Mehr als 200 biblische Erzählungen mit einfarbigen Zeichnungen und einem Kartenteil im Anhang, auch als Hörbuch erhältlich.
Info: Wöchentliche bewegende und außergewöhnliche Geschichten der Bibel, aktuell: Folge 266 – Nr. 23/2013 vom 2. Juni 2013. Uwe Birnstein ist ein deutscher Theologe und Publizist.
  • Marisa Herzog: Geschichten aus dem Neuen Testament. In: lehrmittelboutique.net, Lehrmittelboutique.net, Windisch 2010 f. (26 Minibücher als kostenlose PDF-Downloads, zwischen 0,5 und 11 MB, abgerufen am 12. Juni 2013),
Info: Lernbücher zu Jesus-Geschichten mit einfachem Text, verdeutlichenden Zeichnungen und Wissensabfragen, erstellt 2010–2011. Marisa Herzog ist Schulische Heilpädagogin in Windisch.
Info: Vorstellung der 4. Auflage 2011 mit frei nacherzählten bekannten biblischen Erzählungen: 56 Seiten, 28 Erzählbilder. Heinemann war von 1991 bis 2006 Hochschullehrer für Evangelische Theologie und Religionspädagogik an der Universität Kassel.
  • International Bible Society Deutschland e. V. (IBS): Die coolste KiBi. In: combib.de, IBS-Deutschland e. V., 2003 (abgerufen am 12. Juni 2013),
Info: 47 Geschichten zum Neuen Testament mit Illustrationen von Dennis Jones als Online-Leseprobe zur gedruckten Ausgabe, in der zusätzlich 58 Geschichten zum Alten Testament enthalten sind.
Info: Zahlentabellen mit Verteilungswerten.

Einzelnachweise

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  1. Thomas E. Boomershine gründete das Network of Biblical Storytellers, tomboomershine.org, abgerufen am 8. Mai 2014.
  2. Theatergruppe The Backyard Bard, Australien, thebackyardbard.com, abgerufen am 8. Mai 2014.
  3. Nachrichtenmeldung: Unglaubliche Behauptung eines US-Forschers | Jesus ging nicht übers Wasser – es war Blitzeis! In: bild.de, 5. April 2006 (abgerufen am 12. Juni 2013).
  4. Zweites Vatikanisches Konzil: Dogmatische Konstitution „Dei verbum“ über die göttliche Offenbarung, Nr. 12.
  5. Forschungsgruppe Weltanschauungen in Deutschland (fowid): Biblische Geschichten. (PDF; 459 kB) In: fowid.de. Institut für Demoskopie Allensbach, 12. Dezember 2005, S. 1–3, archiviert vom Original am 14. Mai 2013; abgerufen am 12. Juni 2013.
  6. Italiens Intellektuelle fordern mehr Bibelstudium an Schulen. In: Kulturnachrichten. dradio.de, Deutschlandradio, 14. November 2005, S. (letzter Abschnitt), archiviert vom Original am 31. Juli 2013; abgerufen am 12. Juni 2013.
  7. Vgl. Sönke Remmert: Bibeltexte in der Musik – ein Verzeichnis ihrer Vertonungen. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996, ISBN 978-3-525-59338-7.
  8. Christian Nürnberger: Die Bibel. Was man wirklich wissen muss. 3. Auflage, Rowohlt Taschenbuch Verlag (Band 62068), Reinbek 2006, ISBN 978-3-499-62068-3, S. 8.