Rieger Orgelbau

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Rieger Orgelbau GmbH

Logo von Rieger Orgelbau
Rechtsform Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Gründung 1845
Sitz Schwarzach (Vorarlberg)
Branche Musikinstrument
Website www.Rieger-Orgelbau.com
Produktions- und Verwaltungsgebäude in Schwarzach

Rieger Orgelbau ist eine österreichische Orgelbaufirma, die auf das 1845 in Jägerndorf (Österreichisch-Schlesien) von Franz Rieger gegründete Unternehmen zurückgeht. Sie hat seit 1946 ihren Sitz in Schwarzach, Vorarlberg, während in Krnov, ehemals Jägerndorf, das Unternehmen Rieger-Kloss ebenfalls weiter Orgeln fertigt.

Geschichte

1845 baute Franz Rieger seine erste Orgel, ausgestattet mit 20 Registern, zwei Manualen und einem Pedal, für die Burgbergkirche in Jägerndorf. Rieger war nach abgeschlossener Lehre bei Franz Seybert in Wien 1844 nach Jägerndorf zurückgekehrt. Seine Söhne Otto Anton (1847-1903) und Gustav Rieger gründeten 1873 die Firma „Franz Rieger & Söhne“. Die Seriennummern der Rieger-Orgeln begannen bei dieser Gründung wieder neu und der Betrieb expandierte rasch. Der erste Auftrag erreichte die Brüder 1874 aus der Haupt- und Residenzstadt Wien, danach folgten Aufträge aus Ungarn (1875) und aus Norwegen (1876). 1878 gelang es den Gebrüdern Rieger, zwei ihrer Salonorgeln auf der Pariser Weltausstellung zu präsentieren. Sie erhielten im Anschluss Aufträge aus Gibraltar, Istanbul, Jerusalem und Rom.

Werbung der Gebrüder Rieger (1903)
Rieger-Kloss seit 1873 in Jägerndorf, heute Krnov
Franz Rieger
Die Gebrüder Rieger in einer Huldigung der k.u.k. Hof- und Kammerlieferanten zum Thronjubiläum 1908

Otto und Gustav Rieger wurden 1896 zu k.u.k. Hoflieferanten ernannt, weiters wurden sie 1899 zu Rittern des Franz-Joseph-Ordens geschlagen. Otto Rieger wurde auch zum Ritter des St. Gregor-Ordens geschlagen. Um die Jahrhundertwende arbeiteten an die 200 Mitarbeiter im Betrieb, der sich nun „Gebrüder Rieger“ nannte. In diesem Zeitraum begann das Unternehmen, als Alternative zum wesentlich billigeren Harmonium, ein Programm von 25 Kleinorgeln, zwischen zwei und zwölf Stimmen, ab acht Stimmen auch auf zwei Manualen, zu entwickeln. Neben der Zentrale in Jägerndorf befand sich auch eine Filiale in Budapest.

Nach dem Ersten Weltkrieg fand sich das Unternehmen im tschechischen Staat wieder, es folgte eine schwierige Phase der Anpassung, während Otto Rieger, der Sohn von Otto Anton, 1920 40-jährig völlig unerwartet starb, übernahm Josef von Glatter-Götz sieben Wochen nach Ottos Tod die Leitung des Betriebs, den er 1924 auch kaufte. Erst 1925 konnte die Produktion, bei einer Belegschaft von 100 Mitarbeitern, wieder gänzlich aufgenommen werden.

1938/39 fielen der Rieger-Familie 66 % des großdeutschen Gesamtexportes zu. In diesen Jahren war Bewegung in die Orgelbaukunst gekommen, die damit verbundene Vielfalt fand ihren Niederschlag auch im Hause Rieger. Orgeln wurden in großer Stückzahl ins Baltikum, nach Skandinavien, Südamerika, Südafrika, China und Israel geliefert. Im Laufe der 1930er Jahre stiegen Egon und Josef von Glatter-Götz in den Betrieb ein. Während sich Josef von Glatter-Götz vor allem mit der Technik befasste, hatte sein Bruder das Augenmerk auf die klangliche und künstlerische Gestaltung der Instrumente gelegt. Egon von Glatter-Götz fiel im September 1940 während des Polenfeldzuges.

In den Kriegsjahren 1943 bis 1945 wurde der Bau von Orgeln untersagt, in der Firma mussten Munitionskisten gebaut werden. Schon kurz vor dem Zweiten Weltkrieg hatte die Vorarlberger Orgelbaufirma Anton Behmann ein Kooperationsangebot an Rieger gerichtet. Deshalb übersiedelte das Unternehmen 1946 nach Schwarzach, Vorarlberg, wo sie die Werkstätten von Anton Behmann pachtete. Unter schwierigsten Verhältnissen hielt man sich mit dem Bau von Handwebstühlen und Fenstern, sowie dem Betrieb einer Sauna über Wasser.

1950 gelang der Sprung über den Atlantik, wo auf der Weltausstellung Chicago ein Positiv mit sechs Registern ausgestellt und anschließend verkauft wurde. Mit der Entwicklung einer Serie von Kleinorgeln schaffte man in den Nachkriegsjahren allmählich den Durchbruch. Mitte 1969 trat der älteste Sohn Caspar Glatter-Götz als Betriebsleiter in die Firma ein. Unter seiner Führung wurde 1972 ein neues Betriebsgebäude gebaut und bedeutende Qulitätsverbesserungen, im Besonderen an der mechanischen Traktur durchgeführt, die sehr zum Erfolg der Firma beigetragen haben. Der jüngste Sohn Christoph Glatter-Götz kam 1977 in die Firma und übernahm den Orgelverkauf von seinem Vater Joseph Glatter-Götz. Ebenfalls 1977 trat der mittlere Sohn Raimund Glatter-Götz (* 1. Januar 1948; † 16. März 2013)[1] in die Firma ein und widmete sich der Orgelgestaltung. Seine künstlerische Tätigkeit prägte den Stil der Firma bis zu seinem Tod. 1980 trat Josef Glatter-Götz in den Ruhestand und übergab den Betrieb seinen Söhnen. 1993 verließ Caspar Glatter-Götz das Unternehmen und gründete in Owingen, Baden Württemberg, einen eigenen Betrieb unter seinem Namen. Wendelin Eberle übernahm seine Position als Betriebsleiter. Nach dem gesundheitsbedingten Austritt von Christoph Glatter-Götz 2003 übernahm Wendelin Eberle seinen Posten und kurz darauf die gesamte Firma. Heute betreibt Rieger unter anderem ein Projekt, in dem Behinderten eine Ausbildung auf dem Gebiet der Herstellung von Klaviaturen und Mechanikteilen ermöglicht wird.

Anfangs baute Rieger typisch deutsch-romantische Orgeln, allerdings sind wenige Originaldispositionen überliefert, daher kann man über den frühen Stil Riegers wenig sagen. Viele von ihnen wurden später verändert und sind daher nicht original erhalten. Anfang des 19. Jahrhunderts kam Rieger mit vergleichsweise wenigen 8'-Registern aus, besetzte die Schwellwerke im Gegensatz zur deutsch-romantischen Orgel großzügig und mit vielen Zungen. Nach dem Krieg arbeitete die neue Firma in Schwarzach unter schwersten finanziellen Bedingungen. Sie konnte es sich daher nicht leisten, einen eigenen Stil zu entwickeln, also zog sie mit den deutschen Firmen und baute in großem Ausmaß neu-barocke Instrumente. Doch bereits ab 1965, früher als bei jeder anderen Firma, traten die ersten typisch romantischen Schwebungen in den Schwellwerken auf, was sich mit der Zeit immer weiter häufte, die Zahl der 8′-Register in den anderen Werken blieben aber klein. Als in den 1970ern das Interesse an den französischen Orgeln stieg, ging Rieger sofort den neuen Weg, baute mehr 8′-Register und starke, französische Bombarden im Pedal (selbst an kleineren Orgeln), statt den sonst üblichen Posaunen. Die Verwendung von 8′-Registern ist bis heute vergleichsweise gering, mehr als vier findet man meist nur im Schwellwerk. Der Stil änderte sich mit der Übernahme durch Eberle noch einmal, die von Christoph Glatter-Götz häufig gebauten Bombarden wurden seltener, genau wie die 8′-Register. Die im Oktober 2011 eingeweihte Rieger-Orgel der Jesuitenkirche St. Michael in München (Reorganisation einer Sandtner-Orgel von 1983) mit 4 Manualen und 75 Registern zeigt jedoch wieder eine starke Betonung der 8'-Lage, auch im neu zugebauten Schwellwerk deutsch-romantischer Ausprägung.

1988 erhielt das Unternehmen das Recht das Staatswappen im Geschäftsverkehr zu führen.[2]

Werke (Auswahl)

Jahr Ort Kirche Bild Manuale Register Bemerkungen
1905 Wien Karmelitenkloster Döbling II/P 30
1909 Budapest Matthiaskirche V/P 86
1913 Wien Wiener Konzerthaus V/P 116
1913 Wien Neusimmeringer Pfarrkirche III/P 50
1914 Salzburg Mozarteum
1916 Berndorf (NÖ) Margaretenkirche II/P 25
1917 Cenade Evangelische Saalkirche
1940 Breslau Reichssender Breslau III/P 48
1952 New York Metropolitan Museum II/P 21
1953 Dresden Josephskirche II/P 21 Orgel 1995 von der evangelischen Gemeinde in Traunstein erworben
1957 Stuttgart St. Elisabeth Stuttgart-West IV/P 56
1960 Ulm Ulmer Münster, Chororgel II/P 22
1961 Port-au-Prince Eglise Episcopale III/P 44
1962 Ansbach St. Johannis III/P 48
1964 Philadelphia The Unitarian Church (Germantown) III/P 44
1966 Düsseldorf Neanderkirche
III/P 47
1966 Freiburg im Breisgau Freiburger Münster, Hauptorgel
IV/P 61
1966 Freiburg im Breisgau Freiburger Münster, Chororgel
II/P 25
1966 Feldkirch Dominikanerinnenkirche Maria Verkündigung II/P 11
1966 München Christuskirche
III/P 48
1967 Bad Buchau Damenstift Buchau III/P 39
1972 Ratzeburg Ratzeburger Dom II/P 6
1973 Bristol Clifton Cathedral III/P 28
1973 Richmond St James Episcopal Church III/P 49
1974 New York St Hilda & Hugh's School III/P 33
1975 Washington, D.C. Chevy Chase Presbyterian Church III/P 37
1976 Bamberg Bamberger Dom, Hauptorgel
IV/P 78
1976 Bamberg Bamberger Dom II/P 21
1976 Bühl (Baden) St. Peter und Paul (Bühl)
1977 Ratzeburg Ratzeburger Dom IV/P 60
1977 Adelaide Festival Centre III/P 50
1977 Wien Baumgartner Pfarrkirche II/P 28
1979 Stuttgart Herz Jesu Stuttgart-Gaisburg III/P 35
1979 Oxford Oxford Christ Church Cathedral IV/P 43
1979 Akron First United Methodist Church III/P 37
1980 Ismaning St. Johann Baptist
II/27 27
1980 Wien Franziskanerkirche II/P 31
1980 Freiburg im Breisgau Evangelische Christuskirche III/P 39
1981 Schoppernau Pfarrkirche Hll. Philippus und Jakobus II/P 26
1982 Jerusalem Grabeskirche II/P 39
1983 Wien Redemptoristenkirche II/P 29 entstand unter Einbeziehung von Teilen einer alten Orgel aus dem Jahr 1891
1983 Rheinbach St. Martin 43
1984 Wien Schlosskapelle Schönbrunn II/P 13
1986 Burghausen St. Jakob
III/P 50
1986 Tokio Suntory Hall IV/P 75
1986 Gelsenkirchen St. Hippolytus (Horst) III/P 45
1986 Hongkong Academy for Performing Arts IV/P 41
1987 New York Trinity Church III/P 32
1987 London St Marylebone Parish Church IV/P 52
1988 Reutlingen Marienkirche Reutlingen III/P 53
1989 Hongkong Hong Kong Cultural Centre IV/P 93
1989 Köln St. Agnes III/P 50
1989[3] Wien Neuottakringer Kirche II/P 35
1989 Wien Universität für Musik und darstellende Kunst
Übungsorgel im Institutsgebäude Lothringerstraße 18, Raum KG 23A
II/P 9
1990 Frankfurt am Main Katharinen III/P 54
1990 Tübingen St. Johannes Evangelist III/P 39
1990 München Erlöserkirche III/P 43
1991 Wien Stephansdom, Domorgel
IV/P 55
1991 Erding St. Johann
III/P 49
1992 Seoul Mission Centre IV/P 74
1992 Edinburgh St. Giles' Cathedral
III/P 56
1992 Kleve Stiftskirche Kleve III/P 44
1992 Ravensburg St. Jodok III/P 38
1993 Heidenreichstein Stadtpfarrkirche Heidenreichstein
II/P 16
1994 Bogenberg Wallfahrtskirche II/P 31 Neubau in barockem Gehäuse von ca. 1730
1995 Heidenheim an der Brenz Pauluskirche III/P 40 Im historischen Orgelgehäuse von 1898
1995 Ottobrunn Michaelskirche II/P 31
1995 Zweibrücken Heilig-Kreuz-Kirche III/P 44 Ersatz eines Vorläuferinstruments der Gebr. Späth Orgelbau
1996 Fulda Dom IV/P 72
1996 München St. Bernhard II/P 32
1996 Stuttgart Musikhochschule IV/P 81
1997 Dinkelsbühl Münster St. Georg III/P 58
1997 Bergen Domkirche St. Olav III/P 61
1998 Frankfurt/Main Lukas II/P 24
1999 Bad Staffelstein Basilika Vierzehnheiligen IV/P 70
1999 Melbourne The Scot's Church IV/P 68
2000 Kulmbach Petrikirche III/P 50
2001 Lillehammer Lillehammer Kirke III/P 41
2002 Paris Conservatoire de Paris III/P 53
2002 Seoul Youngsan Arts Hall III/P 32
2003 Betlehem Geburtskirche, Katharinenkirche, Hauptorgel III/P 37
2003 Betlehem Geburtskirche, Katharinenkirche, Chororgel I/P 15
2003 Dornbirn Evangelische Heilandskirche II/P 10
2004 Memmingen Mariä Himmelfahrt Orgel der Kirche Mariä Himmelfahrt in Memmingen III/P 45
2005 Shanghai Oriental Art Centre V/P 88
2006 Hangzhou Hangzhou Grand Theatre Music Hall III/P 47
2007 Shenzhen Shenzhen Culture Centre V/P 87
2008 Kaarst Martinuskirche[4] III/P 36
2009 Aalen Stadtkirche Aalen III/P 37
2009 Regensburg Regensburger Dom
IV/P 80
2009 Wien Stephansdom, Haydn-Orgel
II/P 13
2010 Seoul Sungrak Church IV/P 80
2010 Salzburg Pfarrkirche St. Antonius, Itzling II/P 30
2011 Wien Wiener Musikverein IV/P 86
2012 Nazareth Verkündigungsbasilika III/P 49
2012 Bratislava Slowakische Philharmonie III/P 66
2013 Seoul Shingil Church III/P 53
2013 Otawara Nasunogahara Harmony Hall III/P 41

Literatur

  • Orgel-Katalog Gebruder Rieger. Orgel- und Harmoniumfabrik. Jägerndorf 1888.
  • Orgelbauanstalten Gebrüder Rieger. Jägerndorf 1938.
  • Rudolf Quoika: Die Jägerndorfer Orgelbauer Rieger und ihr Haus. In: Jägerndorfer Heimatbrief, Bd. 19 (1967).
  • Christoph Glatter-Götz: Rieger Orgelbau. Schwarzach 1995.

Einzelnachweise

  1. Raimund Mathias Glatter-Götz. Traueranzeige. Vorarlberger Nachrichten, archiviert vom Original am 18. März 2013; abgerufen am 18. März 2013.
  2. Verzeichnis der Staatswappenträger abgerufen am 8. Juli 2011
  3. Günter Lade: Orgeln in Wien. Wien 1990, ISBN 3-9500017-0-0, S. 282.
  4. Rieger-Orgel in Kaarst. Kirchenmusik der Pfarreiengemeinschaft Kaarst/Büttgen, abgerufen am 21. Mai 2013.

Weblinks

Commons: Rieger Orgelbau – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Koordinaten: 47° 26′ 17,4″ N, 9° 45′ 28,3″ O